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Die Ketogene Diät (KD, engl. Ketogenic Diet) entspricht einer Ernährungsweise, bei der auf Zucker und Kohlenhydrate in der Nahrung ganz oder teilweise verzichtet wird. Es handelt sich um eine fettreiche, kohlenhydratarme und proteinarme Ernährungsweise, bei der biochemisch ein Fastenzustand nachgeahmt wird.

Die ketogene Diät war im Oktober 1994 Gegenstand einer Fernsehsendung (Dataline Special) des Senders NBC. Der Hollywood-Filmregisseur Jim Abrahams stellte seinen zweijährigen Sohn Charlie Abrahams vor, der an Epilepsie erkrankt war und nach Anwendung der ketogenen Ernährung an der Johns Hopkins University School of Medicine (in Baltimore, Maryland) eine Besserung zeigte. Mit seiner Frau Nancy gründete Abrahams die "Charlie Foundation" zur Verbreitung der ketogenen Diät als therapeutische Maßnahme bei Epilepsie. Die Charlie Foundation finanziert zudem Forschungen und Veröffentlichungen zum Thema.

Aktuell (2017) nimmt die Popularität der ketogenen Ernährung bei Krebspatienten zu, obwohl es aktuell keine endgültigen Belege für eine Wirksamkeit gegen Krebs gibt. Im Gegenteil: die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) warnt explizit Krebs-Patienten vor der ketogenen Diät, da diese ein Krebswachstum sogar beschleunigen können und die Lebensqualität durch die ketogene Diät und einen Gewichtsverlust abnehmen kann.[1] (siehe Einzelheiten weiter unten)

Ketogenese

 
Blutwerte eines Fastenden (Bild: Cahill GF, 1970[2]. Zitiert aus: [3])

Für die Energieversorgung des menschlichen Organismus ist die Bildung von Ketonkörpern ein wichtiger Stoffwechselweg, ohne den ein Überleben von Hungerperioden in der Evolution nicht möglich gewesen wäre. Ist der Organismus längere Zeit auf seine endogenen Energiereserven angewiesen, ermöglicht die Bildung von Ketonkörpern in der Leber die Versorgung extrahepatischer Organe mit einem letztlich aus dem Abbau von Fettsäuren stammenden Substrat für den Energiestoffwechsel. Zur dieser Energiegewinnung bildet der Körper aus eben diesen Fettsäuren die so genannten Ketonkörper Acetessigsäure (Acetoacetat) und Hydroxybutyrat, die den Energiebedarf des Körpers, insbesondere des Gehirns, decken. Im Gegensatz zum Fasten bezieht hier der Körper bei ausreichender Kalorienzufuhr seinen Energiebedarf nicht aus Körperfett, sondern aus Nahrungsfett.[4][5]

Zum besseren Verständnis: beim Beginn des Fastens (ein dauerhafter Verzicht auf Nahrung führt zu Verhungern) werden zunächst die Glykogenreserven in der Leber und den Muskelgeweben verbraucht (frühestens nach 12-24 Stunden, spätestens nach 14 Tagen), danach werden vom Speicherfettgewebe verstärkt freie Fettsäuren ins Blut abgegeben, die in der Leber zu den genannten Ketonkörpern umgewandelt werden. Diese dienen den Zellen als Energielieferant, indem sie in den Mitochondrien in den Citratzyklus eingeschleust und zu Kohlendioxid oxidiert werden. Das (zu einem geringen Anteil durch spontane Decarboxylierung aus Acetoacetat entstehende) Aceton wird als Abfallprodukt primär über die Nieren ausgeschieden. Ein wenig Aceton wird auch abgeatmet und mit dem Schweiß ausgeschieden, was bei streng Fastenden zu einem unangenehmen Körpergeruch führen kann.

Kohlenhydrate sind für den Menschen nicht essentiell.[6] Der Körper kann Kohlenhydrate durch die Gluconeogenese unter Energieaufwand aus anderen Nahrungsbestandteilen (Proteine und Glycerin) selbst herstellen. Eine eigenständige Erkrankung durch Mangel an Kohlenhydraten ist daher beim Menschen nicht bekannt. Der tägliche Glucosebedarf eines erwachsenen Menschen beträgt ungefähr 160 g, davon entfallen 120 g auf das Gehirn. Die Leber eines gesunden Erwachsenen kann täglich etwa 180 bis 200 g Glucose synthetisieren.

Obwohl die ketogene Diät zumeist bei Übergewichtigen zur Gewichtsreduktion populär ist, unbelegt zum "Bodybuilding" beworben und als Wundertherapie bei Krebs gepriesen wird, ist diese Diät tatsächlich eine Therapieoption bei bestimmten Erkrankungen. So ist diese Diät bei den Erbkrankheiten Glucosetransporter(GLUT1)-Defekt und Pyruvatdehydrogenase-Mangel die einzige Therapiemöglichkeit. Bei einigen Formen der kindlichen Epilepsie lässt sich bei einem Teil der Kinder Anfallsfreiheit bzw. Besserung der Symptomatik erreichen.

Varianten der ketogenen Diät sind Low-Carb-Diäten, wie Atkins-Diät oder South Beach Diät, und die TKTL1-Anti-Krebs-Diät nach Johannes Coy.

Die Diät

 
Formula-Produkt zur ketogenen Diät Ketocal (Nutricia GmbH, Erlangen)

Bei der ketogenen Diät soll das Gewichtsverhältnis von Fett zu Protein zu Kohlenhydraten etwa 3 bis 4 : 1 : 1 betragen, entsprechend 3 bis 4 g Fett zu 1 g Protein zu 1 g Kohlenhydrate. Statt Kohlenhydraten werden also hauptsächlich Fette aufgenommen. In einer Umstellungsphase gewinnt der Körper seine Energie aus dem Depotfett/Fettspeicher des eigenen Körpers. Die Nahrung muss individuell zusammengestellt und zumindest in der Anfangsphase ärztlich überwacht werden. Es werden sowohl mittelkettige (MCT-Diät) als auch langkettige Triglyzeride (LCT-Diät) verwendet.

Die ketogene Ernährungsweise steht im kompletten und direkten Widerspruch zu bisherigen Erkenntnissen über eine gesunde ausgewogene Ernährung. Während die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) in der normalen Ernährung lediglich einen Fettanteil von 30 Gramm bis 60 Gramm pro Tag (nicht mehr als 30 bis 35 Prozent Fett im Hinblick auf die Gesamtenergiezufuhr) empfiehlt, nimmt der Anwender der ketogenen Ernährung etwa 200 Gramm Fett täglich ein, ein Wert der weit darüber liegt, im Bereich von 70 Prozent der Kalorienzufuhr.

Nebenwirkungen

Es ist nach Expertenmeinung unklar, ob eine ketogene Diät das Arterioskleroserisiko steigert, da die Studienergebnisse widersprüchlich sind.[7][8][9] Die Verwendung mittelkettiger Triglyzeride (MCT-Diät) führt häufig zu gastrointestinalen Beschwerden wie Übelkeit oder Durchfall. Bei der Nahrungsumstellung auf die ketogene Ernährung kann es zu Unterzuckerungssymptomen und zu "überschießenden" Ketosen kommen. Als mittelfristige Nebenwirkungen der ketogenen Diät sind Obstipation, Nierensteine und Hypercholesterinämie beschrieben. In Einzelfällen wurden EKG-Veränderungen (Verlängerung des QT-Intervalls), Veränderungen der Thrombozytenfunktion, Optikusneuropathie, Funktionsstörungen der neutrophilen Granulozyten und Pankreatitis berichtet. Das Wachstum von Kindern unter ketogener Diät scheint möglicherweise leicht beeinträchtigt zu sein.[10][11] [12] [13] Zudem bringt die ketogene Diät mit sich, dass die Harnsäureproduktion steigt und sich ein erhöhtes Risiko für die Krankheit Gicht ergibt. Wer sich ketogen ernährt sollte daher regelmäßig die Harnsäure kontrollieren lassen.

Ketogene Diät zur Behandlung einiger Formen der kindlichen Epilepsie

Die ketogene Diät wird als Therapieverfahren bei Kindern bei bestimmten Formen einer medikamentenresistenten Epilepsie (z.B. Lennox-Gastaut-Syndrom[14], Ohtahara-Syndrom oder Blitz-Nick-Salaam-Epilepsie (BNS-Epilepsie oder West-Syndrom) eingesetzt. Hier hat sich diese Ernährungsweise trotz der hohen Belastung (teilweise stationärer Krankenhausaufenthalt) und der langen Dauer der Ernährungseinschränkungen für die Kinder bewährt. Der genaue Wirkmechanismus ist hier jedoch trotz umfangreicher Forschung noch weitgehend unklar.

Eine argentinische Studie mit 20 Jahren Laufzeit bei 216 Kindern mit verschiedenen Epilepsieformen zeigte im Jahre 2011, dass 65% der Kinder die ketogene Diät bis zum Therapieende durchhielten. 20,5% der Kinder wurde anfallsfrei, bei 36% kam es zu einer Besserung der Symptomatik.[15] Zur Behandlung des medikamentenresistenten West-Syndroms bei Kindern liegen bis 2010 nur fünf retrospektive Untersuchungen mit fünf oder mehr Patienten vor (Evidenzklasse 3).[16][17][18][19][20] Bei rund einem Drittel (Durchschnittswert aller fünf genannten Studien) der behandelten Kinder konnte eine Anfallsfreiheit oder deutliche Besserung nach sechs Monaten ketogener Diät beobachtet werden. Seit 2014 beschreibt eine S1-Leitlinie der Gesellschaft für Neuropädiatrie zur ketogenen Diät bei bestimmten Formen der Epilepsie, grundlegende Anwendungsgebiete und Indikationen, unterschiedliche Methoden und Durchführung, sowie Einzelberichte bei nicht etablierten Indikationen und absolute wie auch relative Kontraindiaktionen.[21])

Der Einsatz der ketogenen Diät zur Behandlung der Epilepsie wurde in den Zwanziger- bis Dreißigerjahren des 20. Jahrhundert eingeführt, als die heutigen Antiepileptika noch nicht zur Verfügung standen (Phenytoin erst ab 1938, Valproinsäure erst ab den siebziger Jahren). Davor wurden zahlreiche Diätkuren und Ernährungsweisen zur Behandlung der Epilepsie beworben. Bereits aus der Bibel und dem Altertum gibt es Berichte über den Verzicht auf Nahrung und Trinkwasser zur Behandlung der Epilepsie. Ein Bericht über die Anwendung einer "Entgiftung" und Auswirkung des Fastens auf die Epilepsie ist in einem Fachartikel französischer Forscher aus dem Jahr 1911 dokumentiert.[22]

Ketogene Diät und Krebs

 
Ulrike Kämmerers Buch: Krebszellen lieben Zucker - Patienten brauchen Fett
 
Tumorzellen (bei Ratten) verstoffwechseln vermehrt Ketone zur eigenen Energieversorgung bei höherem Angebot an Ketonen (Quelle:[23]
 
Blutwerte einer Krebskranken, die eine strenge ketogene Diät über Monate durchführte. (Bild:[24])

In der Vergangenheit wurde die ketogene Diät (bzw. eine Abwandlung als proteinreiche "neue" KD) mehrfach als vermeintlich kausal wirksame "Krebsdiät" propagiert. Eine Befürworterin ist beispielsweise die habilitierte Biologin Ulrike Kämmerer aus Würzburg, die die Webseite "www.keto-bei-krebs.de" betreibt und Autorin des an Laien gerichteten Werks "Krebszellen lieben Zucker - Patienten brauchen Fett" ist.[25][26] Eine ausführliche Kritik des Buchs findet sich in einem Artikel "Krebszellen mögen Zucker, aber noch mehr lieben sie Fett und tierisches Eiweiß", der in der Deutschen Zeitschrift für Onkologie erschien.[27][28]

Die Grundlage für die These zur Anwendung einer ketogenen Diät basiert auf der von Otto Heinrich Warburg postulierten Vermutung, dass Tumore Ketonkörper nicht metabolisieren können. Diese Erkenntnisse bildet die Grundlage für die Anhänger der Theorie einer ketogenen Diät um Tumore quasi auszuhungern.
Eine mögliche krebshemmende Wirkung der ketogenen Diät wird wissenschaftlich diskutiert[29], gleichzeitig gibt es aber auch Hinweise auf mögliche krebsfördernde Wirkungen.[30] Bei Betrachtung der wissenschaftlichen Studienlage zeigt sich, dass die These einer "Glucose-Aushungerung" von Krebszellen mit Hilfe der ketogenen Diät nicht belegt ist. Eine wissenschaftliche Übersichtsarbeit (review) aus dem Jahr 2017, die die zur Verfügung stehenden Studien auswerte, kam zum Ergebnis, dass es keine Belege für eine Wirksamkeit der ketogenen Diät (bei gleichbleibenden Kalorienzufuhr) auf Krebserkrankungen gibt, und auch kein positiver Effekt auf Nebenwirkungen von Therapieverfahren gegen Krebs erkennbar sei:

..This systematic review therefore presents and evaluates the clinical evidence on isocaloric KD dietary regimes and reveals that evidence supporting the effects of isocaloric ketogenic dietary regimes on tumor development and progression as well as reduction in side effects of cancer therapy is missing. Furthermore, an array of potential side effects should be carefully considered before applying KD to cancer patients..[31]

Ein genauer Mechanismus, wie ketogene Diäten antitumorale Therapien unterstützen können ist bis dato nicht identifiziert. Die meisten der bisher durchgeführten Untersuchungen lieferten keinen messbaren Vorteil bzgl. Mortalität und Morbidität. Es wurden nur die Machbarkeit an sich, Auswirkung auf die Lebensqualität und Therapietreue untersucht. [32] Eine Studie zeigt, dass vorübergehende Restriktion von Kohlenhydraten sich auf das Wachstum bestimmter Tumore, wie Mamma-Karzinome auswirkt. Die daraus folgende Verstärkung der Nutzung von Lactat und Ketonkörper nimmt wiederum Einfluss auf die Entwicklung eines Krebszellenstamm-Phänotyps, welcher mit einer höheren Mortalität korreliert. In der gleichen Arbeit wurde in experimentelle Versuchen gezeigt, dass Tumorzellen adaptionsfähig sind und Ketonkörper zur Aufrechterhaltung des Stoffwechsel heranziehen. [30]

Es ist demzufolge auch nicht eindeutig geklärt, wie weit der Blutzucker- oder Insulinspiegel gesenkt werden muss, um tatsächlich eine selektive schädliche Wirkung auf Krebszellen zu erreichen. Genauso wenig ist geklärt, ob im Falle eines dauerhaft erniedrigten Zuckerspiegels Tumorzellen nicht auch auf andere Energiequellen wie Eiweiße, Fette oder die Ketonkörper umsteigen können.[33] (Zitate:"... tumors, which utilize glucose poorly, use fatty acids for metabolic fuel ..."[34] "All tumors took up ß-hydroxybutyrate and acetoacetate."[35] Es wurde zudem beobachtet, dass Tumoren auf einen Zuckerentzug mit der Überproduktion von Glucosetransportern reagieren und somit ein erniedrigtes Traubenzuckerangebot kompensieren können.<vr>

Warnung der Deutschen Krebsgesellschaft vor der ketogenen Diät

Bereits seit 2014 warnt die Deutsche Krebsgesellschaft Krebspatienten und Ärzte vor der ketogenen Diät.[36] Klinisch tätige Ernährungsberater berichteten über eine ständig zunehmende Zahl von Krebspatienten die sich im Internet informierten hatten und eine ketogene Diät befolgten oder überlegten dies zu tun. Aber auch einzelne Ärzte gaben den Rat diese Diät zu befolgen. Wie einem Artikel der Süddeutschen Zeitung zu entnehmen ist, wachsen zwar Tumorzellen bei Glucose-Mangel (Mangel an Traubenzucker) kurzzeitig langsamer, dann jedoch schneller, wie ein befragter Forscher mitteilte.[37] Aus klinischen Studien fehlen Beweise, die eine Heilwirkung beim Menschen belegen.

In ihrer Stellungnahme der DKG kommen die Mediziner zu dem Fazit, dass eine Ketogene Diät keine direkte Wirkung auf Tumorwachstum und Metastasierung habe und weder die Wirksamkeit der Therapien verbessere, noch die Verträglichkeit der Chemotherapie steigere. Die Experten raten daher einhellig in einer aktuellen Stellungnahme von einem solchen Kostregime ab. Eine Gewichtsabnahme ist bei Krebspatienten unerwünscht. Denn bis zu 80 Prozent der Betroffenen sind sowieso schon mangelernährt, eine Folge der Therapien, die vielfach zu Übelkeit und Appetitmangel führen. Aber auch der Krebs selber zehrt die Menschen aus. Tumorzellen sondern Zytokine ab, die zu einem Abbau an Muskelmasse führen. Der schlechte Allgemeinzustand und die Mangelernährung sind jedoch nicht nur mit einer miserablen Lebensqualität sondern auch mit einer schlechteren Prognose verknüpft. Zahlreiche Studien zeigten, dass ein unterdurchschnittlicher Ernährungszustand Klinikaufenthalte verlängert, Chemotherapie und Bestrahlung schlechter verträglich macht sowie die Lebenszeit verkürzt.

Charite Berlin zu ketogener Ernährung und Krebs

Mit der Schlagzeile: "Zucker-Entzug lässt Tumorzellen absterben" wurde eine Studie mit 20 Patienten publiziert, bei der entdeckt wurde, dass durch Hemmung ihres Energiestoffwechsels ruhende Tumorzellen selektiv vernichtet werden könnten. Laut den Forschern könnte dies zu einem Verständnis einer möglichen neuen Therapie-Zielstruktur bei Krebserkrankungen führen. [38]

Es handelt sich hierbei um einen vielversprechenden Forschungsansatz an der Schnittstelle zwischen präklinischer Forschung und klinischer Prüfung“, sagt Schmitt. „Die Idee unseres Ansatzes könnte für zukünftige Behandlungsstrategien von Krebspatienten sehr relevant sein; im Hinblick auf ein solches klinisches Potential führen wir zurzeit entsprechende weiterführende Untersuchungen durch"[39]

Ableitungen und unmittelbare Zusammenhänge zu den vielfältig beworbenen ketogenen Diäten sind nicht zu erkennen.

Forscher der Universität Florida haben 2016 den Einfluss einer leicht modifizierten ketogenen Diät an Mäusen mit Gliobastomen, einem bösartigen Hirntumor, untersucht. Die Ergebnisse wurden vor kurzem in der Fachzeitschrift „Clinical Cancer Research“ veröffentlicht. Heilen konnte die ketogene Diät die Hirntumore nicht. Zudem sind Ergebnisse vom Tiermodell nicht 1:1 auf den Menschen übertragbar [40]

"Ein kurativer Ansatz ist die High-fat / Low-Carb Diät nicht" [41]

Langzeitergebnisse einer ketogenen Diät als Krebstherapie liegen bis heute (Stand: 2017) nicht vor. Die Deutsche Krebsgesellschaft warnt in einer Pressemitteilung vom 18. März 2010 vor einer ketogenen Ernährung als Anti-Krebs-Diät, da abgesehen von Tierversuchen bislang keine klinischen Studien vorliegen. Zitat Deutsche Krebsgesellschaft:

"Tumorzellen können sich prinzipiell mit allen Substraten ernähren, auch mit Eiweiß bzw. Aminosäuren, Fett bzw. Fettsäuren, Laktat und sogar Ketonkörpern (Sonveaux P. et al.J Clin Invest 2008;118:3930-3942; Kallinowski F. et al., Cancer Research 48, 1988)..."[42]

Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) äußert sich kritisch:

„Es gibt derzeit nur wenige Untersuchungen dazu bei an Krebs erkrankten Menschen. Es konnte weder eine Tumorrückbildung, Lebensverlängerung, Verbesserung des Therapieansprechens oder weniger Nebenwirkungen durch die ketogene Diät festgestellt werden“ (Aussage DGE-Sprecherin Antje Gahl).

Eine Variante der ketogenen Diät ist die Krebsdiät nach Coy. Coy behauptet, dass das TKTL1-Gen bei Krebspatienten selektiv den Energiestoffwechsel der Tumorzellen beeinflusse und mit einer speziellen Ernährung (die Coy anbietet) ein krebshemmender Effekt zu erzielen sei. Unklar ist bislang, ob der Nachweis des TKRL-Gens tatsächlich einen Hinweis auf die Wirksamkeit der Diät gibt.
Die ketogene Ernährung ist auch Bestandteil der pseudomedizinischen Methode SWISS protocol, die auch die Anwendung des nicht zugelassenen Arzneimittels GcMAF vorsieht.
Zum Versuch, Krebserkrankungen durch Fasten zu beeinflussen: siehe Breuß-Kur.

Ernährungspraxis ketogener Diät bei Krebserkrankungen

Die Durchführung der Diät erfordert einen erheblichen Aufwand, welcher täglich und längerfristig zu bewältigen ist. Ohne sorgfältige Planung und Kontrolle kann es zu einem Mangel an Mikronährstoffen kommen. Daher ist neben der ausführlicher Beratung des Patienten eine professionelle und seriöse Begleitung, wie die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Medizinern und Ernährungsberatern notwendig. Gegebenenfalls ist dann auch eine Supplementierung erforderlich.
Erforderlich wird die ärztliche Betreuung und Begleitung, weil bei der Anwendung einer ketogenen Intervention im medizinischen Kontext unter ärztlichen Kontrollen regelmäßig bilanziert wird und deshalb auch ein engmaschiges Monitoring notwendig ist, welches gegebenenfalls tägliche Urintests zur Bestimmung der Ketose notwendig macht, um die Einhaltung und den Verlauf der Diät zu kontrollieren. Dies dient auch dazu der Entwicklung einer Adipositas unter ketogener Diät vorzubeugen.[43]
In der Praxis beenden viele Patienten die Diät aufgrund der Komplexität und der Restriktionen, da die einfache und nachhaltige Umsetzung nicht gewährleistet ist und aufgrund sozialer Einschränkungen und strenger Regeln sich die Lebensqualität, wie auch Gewichtszustand negativ entwickeln. [44]

Auf der Grundlage einer systematischen Literaturrecherche kamen Forscher der Arbeitsgemeinschaft Prävention und integrative Onkologie (PRiO) 2014 zu dem Ergebnis, dass alle bis zu diesem Zeitpunkt durchgeführten Interventiosformen einer kohlenhydratarmen Ernährung keinerlei Einfluss auf Wirkung und Verträglichkeit von Chemo- oder Strahlentherapie zeigt. Somit können die teils hohe Erwartungen der Betroffen in der praktischen Anwendung in keinster Weise gedeckt werden. [45]

Ketogene Diät und Multiple Sklerose

Im einem Tierversuch zur Multiplen Sklerose hat sich in verschiedenen Studien eine positive Wirkung von modifiziertem Fasten und ketogener Ernährung auf die Krankheitsentstehung und den klinischen Verlauf gezeigt. Daraufhin wurde von der Charite die sogenannte "IGEL" Studie (eine randomisierte und kontrollierte Pilotstudie zum Vergleich der Wirkung der ketogenen niedrig-glykämischen Ernährung auf die Lebensqualität bei Multipler Sklerose) zu untersuchen. 60 Patienten wurden einbezogen, 48 wurden final ausgewertet. Die Patienten wurden dabei auf drei Gruppen verteilt:

  • 1. Kontrollgruppe – Mischkost ohne Ernährungsveränderung
  • 2. Siebentägiges Saft-Fasten mit anschließender Mischkost
  • 3. Adaptierte ketogene Ernährung

Diese wurden nach einem Zufallsprinzip (randomisiert) verteilt und in einem kontrollierten Setting über einen Zeitraum von sechs Monaten untersucht. Die Ergebnisse nach Auswertung mittels Multiple Sclerosis Quality of Life-Fragebogen, zeigten eine subjektiv empfundene Verbesserung der Lebensqualität. Weiter wurde darauf hingewiesen, dass dies noch nicht ausreicht, damit die Methode Eingang in etablierte Behandlungverfahren finden kann. Größere Studien mit MRT als Endpunkt sind zwingend notwendig und in Planung. [46][47]

Dennoch wurde die Arbeit der Charite von Befürworten der ketogenen Diät und vor allen von Verkäufern von NEM-Produkten und Methoden umgedeutet.

“weiter beim hoffnungsvollen Blümchen aus der Charitè
"Oxidativer Stress, so die Vermutung, entsteht im Gehirn immer dann, wenn der Körper zu viele und zu häufig Kohlenhydrate bekommt. Die Kraftwerke der Nervenzelle, die Mitochondrien, arbeiten dann ständig auf Hochtouren. Sie arbeiten sich sozusagen in den Burnout. Das schadet der Nervenzelle. Es geht also darum, oxidativen Stress im Gehirn zu verhindern. Und das ginge, glauben die Berliner Forscher, "mit einer bestimmten Form der Ernährung. Das Ganze heißt ketogene Diät."[48]

Dies sind falsche Behauptungen wie sie in der Praxis von Verkäufern alternativer Produkten und Methoden, wie z.B. Nahrungsergänzungsmittel üblich ist. Aussagen zu oxidativem Stress und Mitochondrien als Kraftwerke der Zellen wurden und werden von den Forschern weder in ihrer publizierten Arbeit, noch in Interviews thematisiert. Dies sind Begriffe welche in der Pseudomedizin geläufig sind und die dann wahllos eingestreut werden.
Besonders geprägt von Vertriebsabsicht und anekdotischer Evidenz sind Artikel eines Laienheilers und Verkäufers von NEM-Produkten mit Aussagen wie:

“Erinnern Sie sich an die Charité? An den Neurologen Prof. Friedemann Paul? Manchmal könnte man nur noch laut schreien. Das geht auch Ihnen so. Eine junge Dame mit Multipler Sklerose, also eine Fachfrau, Herrn Prof. Paul im gelebten Wissen selbstverständlich weit überlegen, schreibt mir daraufhin einen Brief. Besser kann man die deutsche Schulmedizin nicht an den Pranger stellen:
"Der Neurologe Prof. Friedemann Paul braucht hier gar keine Studie zu machen, um die Frage zu klären, ob sich MS-Patienten tatsächlich besser bewegen können, Muskeln aufgebaut würden, wenn man sich ketogen ernährt. Er kann ja einfach einmal MS-Patienten fragen, die das tun. Mich zum Beispiel. ….Und das alles dank ketogener Kost plus entsprechenden NEM's. Mein Stock steht vollkommen unbenützt dekorativ im Flur herum und ich habe mehr Energie als früher ohne MS.Meine MS ist sicherlich noch da – aber ich merke sie nicht mehr. Alles ist besser und klarer geworden: Körper, Geist und Psyche. Eine allumfassende lebendige Leichtigkeit eben".[49]

Es ist in keinster Weise ersichtlich ob diese Briefe und die darin getätigten Aussagen existieren und die Relevanz der darin geschilderten Zusammenhänge. Auch dies ist in der Branche gängige Praxis.

Ketogene "anabole" Diät

 
Anhänger und Bodybuilder Bernarr Macfadden

Die ketogene Ernährungsweise wird auch bei Gesunden zur Steigerung der Leistungsfähigkeit beworben. Sie soll zudem den Schlafbedarf senken, Hungergefühle und "Freßattacken" verhindern. Letztendlich soll sie Übergewicht vorbeugen. Ziel ist es, Muskelmasse zu erhöhen, ohne den Körperfettanteil zu steigern. Somit ist die ketogene Diät auch bei Bodybuildern verbreitet.

Anhängerschaft der ketogenen Diät

Im deutschsprachigen Raum propagiert der Verein "Deutscher Ketarier & Selbsthilfeverein e.V." aus 99301 Arnstadt die ketogene Ernährungsweise.[50] Ein weiterer Verbreiter ist Christoph Lenz (alias Christopher Ray) mit seinem Internetprojekt FAKTuell aus Görlitz (Ketario). Ray ist Anhänger der Germanischen Neuen Medizin von Ryke Geerd Hamer.

Jim Abrahams und die ketogene Ernährung

 
TV-Film "First do not harm" von Jim Abramson

Beachtung fand und findet die ketogene Diät in den USA dank der vom Hollywood-Regisseur Jim Abrahams gegründeten Charlie Foundation und einem 1997 von Abrahams produzierten emotionalen TV-Film mit dem Titel "First Do No Harm": Kurz bevor die glückliche Familie Reimuller mit ihrem kleinen Robbie eine Urlaubsreise nach Hawaii antreten will, erkrankt der Junge an Epilepsie. Er wird mit Phenobarbital behandelt, worauf er aggressiv wird und randalierend durchs Haus läuft. Danach werden Phenytoin und Carbamazepin eingesetzt, was allerdings zum Stevens–Johnson-Syndrom als Nebenwirkung und letztlich zu einem Status Epilepticus führt, der verzweifelt mit Paraldehyd angegangen wird, da Diazepam wirkungslos bleibt. Der unfreundlich und barsch dargestellte behandelnde Neurologe erscheint hilflos und pessimistisch. Die Eltern befürchten eine Art dauerhaften Komazustand ihres Kindes. In Erwägung gezogen wird nun eine gefährliche Operation, bei der der Schädel des Kindes geöffnet werden muss und Elektroden ins Gehirn eingeführt werden sollen. Die private Krankenversicherung schränkt ihre Zahlungen ein. Vater Dave muss als LKW-Fahrer immer gefährlichere Güter annehmen und Überstunden machen, um die Behandlungskosten zu bezahlen. Der Hawaii-Urlaub muss abgesagt werden, und die Eltern erhalten die Mitteilung, ihr noch nicht abbezahltes Haus werde zwangsversteigert. Mutter Lori findet schließlich in einem Neurologielehrbuch Hinweise auf die ketogene Diät als rettende Maßnahme. Die Ärzte lehnen aber eine KD-Behandlung als nicht effektiv ab. Rettung findet das Kind schließlich im Johns Hopkins Hospital in Baltimore, wohin die Mutter es aus dem ursprünglichen Krankenhaus unter großen Risiken entführen will, wo es festgehalten wird. Die Entführung scheitert am Sicherheitspersonal, und man droht der Mutter den Entzug des Sorgerechts an. Schließlich gelingt es dem Vater und einem befreundeten Arzt, das Kind nach Baltimore zu fliegen, obwohl epileptische Anfälle im Flugzeug den Piloten an eine Notlandung denken lassen. In Baltimore nehmen die Anfälle während der anfänglichen Fasteneinleitung ab, und der Junge gesundet schließlich unter der Einhaltung der ketogenen Diät vollständig. Der Film endet mit einer Szene, bei der der Junge auf einer von der Stadt organisierten Parade auf dem familieneigenen Pferd reitet.

Literatur

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  • James W. Wheless: History and Origin of the Ketogenic Diet. In: Epilepsy and the Ketogenic Diet. (Herausgeber: C. E. Stafstrom, J. M. Rho) Humana Press Inc., Totowa, NJ

Weblinks

Quellennachweise

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  2. Cahill GF Jr. Starvation in man. New Eng J Med 1970;282:668-75
  3. George F. Cahill jr, Richard L. Veech: ketoacids? good medicine? transactions of the american clinical and climatological association, vol 114, 2003. Artikel
  4. Zitat: "Die ketogene Diät ist eine extrem fettreiche, kohlenhydratarme, protein- und energiebilanzierte Diät, die den metabolischen Zustand des Fastens imitiert. Durch die ketogene Diät bezieht der Körper seinen Energiebedarf jedoch nicht aus Körperfett, sondern aus Nahrungsfett.", Quelle: AWMF-Leitlinien-Register Nr. 022/021, Ketogene Diät
  5. Zitat: "Die ketogene Diät ist eine individuell berechnete, extrem fettreiche, kohlenhydratarme Diät mit altersentsprechender Eiweißzufuhr. Nach initialem Fasten wird anstelle des körpereigenen Fettes eine individuell berechnete Menge an Nahrungsfett zur Energiegewinnung genutzt...", Quelle: B. LEIENDECKER, J. KLEPPER, Medikamente und Supplemente bei ketogener Diät im Kindesalter, Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 4. Jg. (2005) Nr. 2
  6. Eric C Westman: Is dietary carbohydrate essential for human nutrition? In: American Society for Clinical Nutrition (Hrsg.): Am J Clin Nutr 2002. 75, Nr. 5, 1. Mai 2002, S. 951-953. Artikel
  7. Kwiterovich PO Jr, Vining EP, Pyzik P, Skolasky R Jr. Freeman JM: Effect of a high-fat ketogenic diet on plasma levels of lipids, lipoproteins, and apolipoproteins in children. JAMA. 2003 Aug 0;290(7):912-20.
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  16. Douglas R. Nordli, Maxine M. Kuroda, Joanne Carroll, Dorcas Y. Koenigsberger, Lawrence J. Hirsch, Harlan J. Bruner, William T. Seidel, Darryl C. De Vivo: Experience With the Ketogenic Diet in Infants. Pediatrics, Vol. 108 No. 1 July 1, 2001, S.129-133 doi: 10.1542/peds.108.1.129 [1]
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  22. Guelpa G, Marie A.: La lutte contre l’épilepsie par la désintoxication et par la rééducation alimentaire. Rev Ther Medico–Chirurgicale 1911;78:8–13
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