Chemophobie
Chemophobie (auch Chemonoia, engl. chemophobia, gelegentlich fälschlich "Chemie-Allergie") bezeichnet als spezifische Phobie eine irrationale und auf einem Vorurteil basierende Angst vor Substanzen, die tatsächlich nicht natürlichen Ursprungs sind oder oder von denen dies nur angenommen wird. Die IUPAC-Definition beschreibt die Chemophobie als
- „irrationale Angst vor chemischen Substanzen“ (ohne sachlichen Grund)[3]
Ein Sonderfall stellt die Phobie vor dem Chemieunterricht in der Schule dar.
Natürliche Substanzen werden von Chemophobikern anders wahrgenommen und bewertet als identische, jedoch synthetisch hergestellte Stoffe. Ein bekanntes Beispiel hierfür sind Vitamin C und Ascorbinsäure, bei denen es sich um die gleiche Substanz handelt. Chemophobiker messen den Inhaltsstoffangaben von Lebensmitteln eine übermäßig große Bedeutung zu.
"Chemischen" bzw. synthetisch hergestellten Substanzen wird pauschal eine schädliche Auswirkung auf die eigene Gesundheit oder die Natur zugeschrieben. Chemophobiker zeigen häufig einen Hang zu einem besonderen Ernährungsstil, der als gesund und "natürlich" empfunden wird, bis hin zur Orthorexia Nervosa, der krankhaften Suche nach einer gesunden Ernährung. Paradoxerweise wird dabei gleichzeitig die tatsächliche Gefährlichkeit toxischer Substanzen natürlichen Ursprungs (Gifte von Pflanzen oder Tieren, Fraßgifte) nicht wahrgenommen. Die potentiellen Gefahren unterschiedlicher schädlicher Stoffe werden auf irrationale Weise bewertet. So können Chemophobiker Alkohol (schädliches Ethanol) konsumieren und gleichzeitig geringste Mengen an tatsächlich unbedenklichen Konservierungsstoffen fürchten. Im Glauben an die wohltuende Wirkung "sauberen" Quellwassers wird zuweilen die Gefahr einer tödlich endenden Wasserintoxikation (Wasservergiftung durch Trinken einer zu großen Menge an Wasser, z.B. über 7 Liter) ignoriert. Reiner Sauerstoff kann für Neugeborene tödlich sein, wird aber als "gesund" wahrgenommen. Chemophobiker ignorieren die Tatsache, dass sämtliche Stoffe, mit denen sie in Berührung kommen, chemisch definierbar sind. Auch Dosis-Effekt-Beziehungen werden ignoriert, nach denen für einzelne toxische Substanzen eine Mindestmenge oder Mindestkonzentration vorhanden sein muss, um eine Giftwirkung auszulösen.
Gelegentlich werden auch die Krankheiten Multiple Chemical Sensitivity (MCS) und Sick-Building-Syndrom mit einer Chemophobie in Zusammenhang gebracht. Auch die so genannte Tübinger Krankheit, an der 1986-1987 zahlreiche Einwohner von Tübingen erkrankten, sowie die "Belgische Coca-Cola Krankheit" von 1999 werden unter anderem mit einer Chemophobie erklärt.[4]
Siehe auch
- Multiple Chemical Sensitivity
- Orthorexia Nervosa
- Tübinger Krankheit
- Elektrosmog und Elektrosensibilität
- Bambi-Syndrom
- Gaia Hypothese
- Ceraunophobie (Angst vor Gewitterdonner) und Cenophobie / Kenophobie (Angst vor leeren Räumen)
Literatur (englisch)
Weblinks
Quellennachweise
- ↑ http://www.bild.de/ratgeber/gesundheit/allergie/frau-lebt-isoliert-in-alu-folie-wegen-chemikalien-allergie-28316878.bild.html
- ↑ http://www.ernaehrungsmedizin.blog/2017/09/08/vitamin-c-kann-toedlich-sein/
- ↑ http://media.iupac.org/publications/pac/2007/pdf/7907x1153.pdf
- ↑ Herbert Remmer: Die Umwelt als Ursache von Erkrankungen, Deutsches Ärzteblatt, 91, Heft 27, 8. Juli 1994