Die Tübinger Krankheit war eine mysteriöse Krankheit, die in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts ab Frühjahr 1986 zahlreiche Tübinger Einwohner dazu bewog sich in ärztliche Behandlung zu begeben und endemische Ausmaße annahm. Auslöser der Krankheit war aus heutiger Sicht eine einzelne Tübinger Ärztin, die im Frühjahr 1986 eine Reihe Krankheitssymptome an sich verspürte. Dazu gehörten entzündliche Reaktionen der Atemwege. Eine Untersuchung in einer Tübinger Klinik schloss eine virale oder bakterielle Ursache mit großer Wahrscheinlichkeit aus. Auch konnten keine Allergene erkannt werden.

Der 2003 verstorbene habilitierte Toxikologe Herbert Remmer aus Freiburg, der sich im Deutschen Ärzteblatt ausführlich mit der "Tübinger Krankheit" und ihren möglichen Ursachen und möglichen Therapie vergleichbarer Fälle befasst, beschreibt den Verlauf der Endemie ausführlich in seinem Artikel. Der hier geschilderte Verlauf der Tübinger Endemie ist fast unverändert in den folgenden Textabschnitt übernommen worden.

In der Folge stellte diese Ärztin ihre eigenen Symptome auch bei ihren eigenen Patienten fest und sie kam dann zum Schluß, daß unbekannte Insektizide die Erkrankung hervorrufen. Die Ärztin wohnte nämlich am Rande von landwirtschaftlich bebauten Flächen, welche mit Pflanzenschutzmitteln besprüht werden. Nachdem die Ärztin im Juli 1987 das zuständige Gesundheitsamt informiert hatte, beschäftigten die Medien sich mit dieser unbekannten Erkrankung. Ein ausführlicher Bericht erschien in der Zeitschrift Öko-Test im Juli 1987. Öko-Test schaltete daraufhin die Staatsanwaltschaft ein wegen Verdachts fahrlässiger Tötung und Körperverletzung. Die lokale Presse warnte die Tübinger Bevölkerung und berichtete laufend und ausführlich über die weiteren Erkrankungsfälle, die sich mehrten. Am 24. Juli 1987 erschien die Bildzeitung mit der Schlagzeile: „Tübingen-Felder gespritzt — Frau tot — 30 vergiftet". Vom örtlichen Gesundheitsamt bis zum Minister wurden alle zuständigen Behörden zur Aufklärung der mysteriösen Erkrankungsfälle eingeschaltet. Der Landtag beschäftigte sich nach zwei dringenden Anfragen mit der Endemie. Auf Veranlassung verschiedener Landesbehörden untersuchten einige Institute Blut und Urin der Betroffenen und nahmen aufwendige qualitative und quantitative Analysen der vermuteten Schadstoffe in Bodenproben ohne Ergebnis vor.

In einem Abschlußbericht an das Sozialministerium des Landes Baden-Württemberg vom 20. Februar 1989 äußerte sich ein sachverständiger Toxikologe wie folgt:

„Seit vier Jahren werden im ländlichen Raum von Tübingen Erkrankungen beobachtet, die sich in einer Reihe von mehr oder weniger charakteristischen Symptomen äußern und sich schwer in ein einheitliches diagnostisches Bild einordnen lassen. Die Zahl der Erkrankungen hat nach Einschätzung einer Ärztin zugenommen und mittlerweile bis Anfang Februar 1989 150 Personen erfaßt. Die bisher vorliegenden widersprüchlichen Ergebnisse zum Nachweis von Fenamifos und/oder seiner Abbauprodukte in Boden- und Serumproben führen zu der Schlußfolgerung, daß Fenamifos als Ursache für die in Tübingen beobachteten Erkrankungen auszuschließen ist."

Die Untersuchung auf das Insektizid Fenamifos erfolgte weil es von örtlichen Landwirten zur Nematodenbekämpfung (Würmer) verwendet wurde. In keiner von 61 untersuchten Blutproben wurde eine außerhalb der Norm liegende Aktivität für Fenamifos gefunden. Die Tübinger Erkrankten wurden vom Gesundheitsamt mit einem Fragebogen befragt. Sie äußerten Beschwerden, die den Symptomen der MCS-Krankheit gleichen.

Die Zahl der Betroffenen stieg weiter an, als die Fernsehsendung „Report" der ARD am 26. April 1988 über die Tübinger Endemie sensationell mit Vorstellung von Erkrankten berichtete.

Als die erstbetroffene Ärztin ihre Praxis aufgab und von Tübingen verzog, wurden nach Auskunft des Gesundheitsamtes keine neuen Fälle mehr bekannt.

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Siehe auch

Literatur

Weblinks

Quellennachweise