Markenname und Logo, unter dem das "Structured Face Reading" vermarktet wird

Structured Face Reading (auch bekannt als luxume / luxo.me) ist eine - insbesondere durch ihren Bezug zur Psycho-Physiognomik nach Huter - pseudowissenschaftlich begründete Lehre zur Erkennung von individuellen Persönlichkeitsmerkmalen nur an Hand einer Gesichtsbetrachtung. Das Structured Face Reading als eine kommerzielle Form der Körpersprachedeutung wird auch unter der Marke Luxo.me, die Kunst des Gesichterlesen beworben und bekannt gemacht. Nach Befürworterangaben sei die Methode ..eine Analysetechnik für menschliche Verhaltensweisen und Charakterzüge.. Sie basiere demnach auf der ebenso unwissenschaftlichen Psycho-Physiognomik nach Huter sowie der Analyse von Körpersprache des israelischen Pantomimen Samy Molcho, Angaben des US-amerikanischen FBI-Agenten Joe Navarro und der Mimiklehre nach Paul Ekman.[1]

Demnach sei die Methode darüber hinaus auch geeignet sexuelle Präferenzen von Kunden und erlittene traumatische Ereignisse der Vergangenheit (Beispiel: sexueller Missbrauch) zu erkennen. Kurios ist die Annahme der Lehre, dass chirurgische Eingriffe aus kosmetischen Gründen (plastische Chirurgie) einen bleibenden Einfluss auf den "Charakter" und kognitive Leistungen des Operierten ausüben sollen. Botox-Injektionen zur Verhinderung von Gesichtsfalten im Bereich oberhalb der Nasenwurzel hätten demnach beispielsweise eine "Schwächung der Konzentrationsfähigkeit" zur Folge. Diese Schwierigkeiten sich konzentrieren zu können, sollen der Lehre zufolge dann später das eigene Verhalten und den "Charakter" verändern können.

Die Methode solle dabei helfen: den Charakter, die Talente und die Bedürfnisse seines Gegenübers erkennen zu können und nimmt dabei Anleihen aus der psychologischen Forschung, ohne dabei selbst wissenschaftlich fundiert zu sein. Die Versprechen sind empirisch nicht belegbar und auch nicht plausibel.

Gründer

Vermarkter Worna Zohari

Erfinder der Methode soll 2009 der aus dem Iran stammende Immobilien-Ökonom und Manager Worna Zohari (Dunios Immobilien GmbH/vormals Zohari Real Estate, vormals Gagfah GmbH, Gagfah M Immobilien-Management GmbH) sein. Er ist aktuell Geschäftsführer der Dunios International Academy GmbH. Zohari gibt an, in den achtziger Jahren mit seiner deutschen Mutter als Flüchtling aus dem Iran nach Deutschland gekommen zu sein. Zohari ist auch als Taekwondo-Trainer im deutschen Privatfernsehen bekannt geworden. Eine Ausbildung auf dem Gebiet der Psychologie gibt Zohari nicht an. Vielmehr wirbt er damit, sich in der Vergangenheit mit der umstrittenen neurolinguistischen Programmierung NLP und analogen Methoden beschäftigt zu haben.

Unternehmen

Das Structured Face Reading (luxo.me) wird aktuell (2017) in kostenlosen Werbeseminaren von mehrheitlich Psychologie-Laien einer "Dunios International Academy GmbH" in Bochum vermarktet.[2] Erwerbar sind ein „Master of luxo.me“ oder der „Certified Trainer of Luxo.me“, die in weiteren Seminaren kostenpflichtig sind. Beide Abschlüsse haben jedoch keinen über die Akademie erkennbaren hinausgehenden Wert. Insbesondere befähigen sie die Absolventen nicht zur Ausübung der Heilkunde.

Die "Dozenten" oder "Coaches" dieser privaten Akademie sind Schauspieler, Kunstpädagogen und Unternehmer. Keiner von ihnen hat eine medizinische oder psychotherapeutische Ausbildung. Ein sechsmonatiger "Master-Kurs" kostet aktuell ca. 4000 Euro. Erworbene Kenntnisse seien laut Werbung geeignet, aus der Mimik eines Gesprächspartners "gewinnbringende" Informationen in Deinem Privat- und Berufsleben zu erhalten.[3] [4]

Pseudowissenschaftlicher Kontext der "Lehre"

Phrenologie nach Gall

Die Methode des Structured Face Reading weist Analogien zur klassischen Phrenologie nach Gall (19. Jahrhundert) auf. Der deutsche Arzt Franz Joseph Gall (1758-1828) glaubte den Charakter und die "Triebe" eines Menschen anhand der Form seines Schädels bestimmen zu können. Galls Phrenologie fußte auf unwissenschaftliche Annahmen des Altertums, der Physiognomik, die auch Element diverser okkulter Geheimlehren war. Kernthese Galls war, dass jede charakterliche Eigenschaft des Menschen einem Gehirnareal zuzuordnen sei. Je stärker somit eine bestimmte Eigenschaft ausgeprägt ist, desto größer sollte das entsprechende Hirnareal sein. Weiterhin würde nun je nach Größe des Areals von der Innenseite des Schädels ein verschieden starker Druck auf den Schädelknochen ausgeübt. Dieser "Schädelinnendruck" wiederum sollte dafür veantwortlich sein, dass an verschiedenen Stellen der Schädeloberfläche "Auswölbungen" entstehen, die - von außen sichtbar- Rückschlüsse auf die bestimmten vergrößerten Hirnarealen geben sollen. Jeder denkbaren Eigenschaft des Menschen eine spezifische Hirnregion zuzuordnen ist bis heute nicht gelungen und wird wahrscheinlich nicht gelingen, da wir dank der modernen Neurowissenschaften wissen, dass die Hirnstrukturen netzwerkartig organisiert sind. Selbst für den Fall, dass man einzelnen Arealen derart exakte Eigenschaften zuordnen könnte, würde die Masse der Hirnsubstanz nicht ausreichen um einen derartigen Druck zu erzeugen, der die Schädelkalotte wölben oder verformen kann. Bei erhöhtem Hirndruck kommt es vielmehr zum Koma bzw. Tod eines Menschen durch eine Einklemmung des Gehirns, da der einzige Ort einer möglichen Ausdehnung das Foramen magnum ( Übergang zwischen Hirn und Rückenmark, Austrittsstelle des Rückenmarks) ist. Auch kann Galls Theorie nicht erklären, wie es zu einer Verformung des Ohren- oder Nasenknorpels durch das angeblich größer werdende Gehirn kommen soll, welches sich ja in der Schädelhöhle befindet ohne direkten Kontakt zu diesen Strukturen.

Psycho-Physiognomik nach Huter

An der Schwelle zum 20. Jahrhundert hat vor allem Carl Huter (1861–1912) die Bezeichnung „Psycho-Physiognomik“ geprägt. Der gelernte Porzellan- und Porträtmaler gilt seinen Anhängern bis heute als Universalgenie [5] [6]] , weil er nicht nur zur Schädeldeutung sondern auch zur Graphologie , Irisdiagnostik, Rassenlehre, Paläontologie sowie zur Entstehung des Weltalls "forschte". Huter legte äußerst umfangreiche "Deutungskataloge" für alle Regionen des menschlichen Schädels vor. Hierbei spielen mehrere von ihm eigens definierte „Strahlungsenergien“ eine zentrale Rolle, denn es komme - so die Theorie- zu einem stetigen Energieaustausch zwischen Innerem und Äußeren der "Körperhülle", wodurch das äußere Erscheinungsbild des Menschen maßgeblich geprägt werden soll. Wie diese spezifischen Deutungspunkte entstehen sollen, die auf charakterliche Eigenschaften des Menschen hindeuten, bleibt im Unklaren. Spezifischen Persönlichkeitsdeutungen unterliegen beispielsweise ganze zehn Nasen- und fünf Kinnformen ( je nach Nasenform gliedern diese sich wiederum auch in einzelne Unterareale). Während der menschliche Mund fünf dieser Areale zeigt, lässt sie die obere Augenpatie in sieben Areale einteilen. Wie bei der Nase können einzelne Areale wieder unterschiedliche Formen aufweisen. Alleine die Betrachtung der Ohren kann zu weit mehr als 3000 Charakterisierungen herangezogen werden (3 Ohrgrößen x 3 Formen der Segelohrigkeit x 3 Ohrzonen x 3 Schrägheitsgrade x 3 Höhenparameter x 5 Ohroberkantenarealex 3 Möglichkeiten des Verhältnisses zwischen rechtem und linkem Ohr, sowie das Kriterium der "Schönheit" der Ohren).[7] [8] Huter teilte Menschen auch nach Körpertypen – so genannter „Naturellen“ ein. Hierbei gibt es ein Ernährungs-, Bewegungs und Empfindungs-Naturell.[9] [10]

Hinweis: in der wissenschaftlichen Medizin spielen die "ad hoc" Diagnosen durch Betrachten eines Patienten eine wichtige Rolle, auch wenn diese in der Vergangenheit eine größere Rolle spielte als heute. Psychiatrische Erkrankungen, Hautkrankheiten oder bestimmte Stoffwechselerkrankungen hinterlassen regelmäßig sichtbare Spuren, die Hinweise zur Diagnose von Krankheiten geben können, und beispielsweise bei bewusstlosen unbekannten Patienten die ersten Hinweise für lebensrettende Maßnahmen geben. Zur entsprechenden medizinischen Blickdiagnostik liegt umfangreiche Fachliteratur vor. Die sinnvolle und verantwortungsvolle Anwendung der ad hoc Blickdiagnostik setzt jedoch die genaue Kenntnis der jeweiligen Krankheiten und deren Pathophysiologie voraus.

Methode

 
getastetes Structured Face Reading (Bild: Anwenderin Petra Hackbarth[1])
 
Eines der zahlreichen Werke zur wissenschafts-basierten medizinischen "ad hoc" Blickdiagnostik, die nicht mit fragwürdigen Methoden wie die des (zumeist) durch Laien praktizierten Structured Face Reading verwechselt werden dürfen

Zur Methodik wird szenetypisch wenig öffentlich mitgeteilt. Die Selbstaneignung der Methode durch Leser steht den eigenen kommerziellen Interessen entgegen. Fachliteratur liess sich im Februar 2017 zum Structured Face Reading nicht auffinden. Die fehlende Literatur wird allerdings von Befürworterseite nicht verschwiegen, und mit einem vorläufigen Status der Methode als "Erfahrungswissenschaft" beantwortet.

Erkennbar ist aber innerhalb der Lehre eine Unterteilung in drei Bereiche:

  • Körpersprache
  • Mimik/Mikroausdrücke
  • Psycho-Physiognomik

Die einzigen öffentlich auffindbaren Hinweise zur Methodik lassen sich in Mitteilungen begeisterter Kunden finden, die im Internet von den Betreibern und Absolventen des Structured Face Readings selektiv zitiert öffentlich werden. Diese erwähnen teilweise nebenbei Details der Methode. Da keine enttäuschten Kunden zitiert werden, kann davon ausgegenagen werden dass zuvor eine Auswahl stattfand, deren Kriterien jedoch im dunklen bleiben.

Offenbar werden so genannte Analysen und Kurzanalysen praktiziert. Dabei wird in so genannten "Gesichtsstrukturen gelesen", wobei der Lehre entsprechend angeblich 200 einzelne Punkte am Kopf und im Gesicht (Gesichtsanalyse) betrachtet werden. Die individuelle Persönlichkeit soll sich dabei in der Ausbildung von Gesichtsmuskeln "wiederspiegeln". Hinzu komme die Beobachtung der Mimik, Gestik und Körpersprache und die eigene Menschenkenntnis. Auch soll von den Anwendern getastet und gefühlt werden, heißt es in Kundenrückmeldungen und vereinzelt auf Webseiten von Anwendern. Den zahlenden Kunden werden bei dieser Gelegenheit Eindrücke mitgeteilt, die von den zitierten Kunden des öfteren als verblüffend zutreffend bezeichnet werden. Wie bei Wahrsagedienstleistungen auch, ist bei solchen Dienstleistungen der bekannte Barnum-Effekt zu berücksichtigen: Barnum-Statements sind Angaben, die auf eine große Zahl von Menschen zutreffen, im Einzelfall jedoch als eine auf ein Individuum bezogene Aussage verstanden wird.

Ein Kundenzitat:

..Sehr intensiv schaute sie mir ins Gesicht, fühlte und tastete und berichtete mir über interessante Eigenschaften, Fähigkeiten und auch Schwächen. Mein Interesse bestand darin, zu erfahren, ob mein Weg in Bezug auf Menschen und Unternehmen zu unterstützen, stressfreier und erfolgreicher durchs Leben zu gehen, der richtige ist. Ist es! Sie hat mit einem guten Blick und ihrer Fachkompetenz erläutert, was in meinem Gesicht geprägt ist und was es bedeutet. Schön war, unter anderem bestätigt zu bekommen, dass ich optimistisch und ein positiver Mensch bin, der gern mit Menschen zusammen ist und dies auch braucht..[11]

Siehe auch

Weblinks

Quellennachweise