Kryolipolyse

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Kryolipolyse ist eine Technik, welche mit der Absicht zur Anwendung kommt, Fettgewebe durch lokale Anwendung von Kälte zu reduzieren. Die Technik ist nicht-invasiv. Sie wird in der Schönheitschirurgie angewandt, aber auch in Wellnessbereichen und Kosmetikstudios angeboten.

Das hier thematisierte Verfahren ist nicht zu verwechseln mit

  • Kryobalation, welches in der Medizin zur Anwendung kommt, oder mit
  • Kryotechnik, wie sie zur Erzeugung tiefer Temperaturen sowie zur Verflüssigung und Trennung von Gasen genutzt wird..

Behauptete Wirkungsprinzipien Kryolipolyse-Verfahren

Grundlage der von Herstellern und Anwendern vorgestellten Geräte und Anwendungen ist die Hypothese, dass bei der sogenannten Kryolipolyse das Fettgewebe einer Kühlung gegenüber anfälliger ist als umliegendes Gewebe. Anstoß ist die Tatsache, dass Kälteexposition als Ursache für Pannikulitis bekannt ist. Um diesen Effekt zu erreichen, wird zur Einleitung der Lipolyse das Gewebe im Zielbereich kontrolliert gekühlt. Genutzt werden dabei sogenannte Peltier-Elemente. Das postulierte Funktionsprinzip ist das Zusammenspiel einer geringen Spannung an bestimmten Metallen, die eine kontrollierbare Abkühlung dieser Metalle erzielt und der zusätzliche Abtransport der Wärme durch eine Kühlflüssigkeit. Dabei wird das Fettgewebe mit der darüber liegenden Hautpartie mit einen Vakuum-Applikator eingesaugt. Durch die kontrollierte Kühlung soll die Wärme aus dem darunter liegenden Fettgewebe entfernt werden, ohne dabei Haut, Muskeln, Nerven und anderes Gewebe zu beschädigen. Somit verursacht die Kälte eine Entzündungsantwort, die den programmierten Zelltod (Apoptose) der Adipozyten bewirkt und dadurch allmählich die Fettschicht vermindern soll. Danach sollen die Zellen stufenweise abgebaut und über das lymphatische System abtransportiert werden. Dadurch soll eine Reduzierung der Fettschicht und somit eine Umfangsreduzierung erreicht werden.[1].

Die konkreten physiologischen Vorgänge sind aber noch unklar und verschiedene Wirkmechanismen werden diskutiert.[2]. Die Angaben zu den für die Kryolipolyse notwendigen Temperaturen und Zeiträumen variieren und gehen von -4/-5 Grad bis -11 Grad sowie 10 bis 60 Minuten Anwendungsdauer. Auch über das Ausmaß der Erfolge und die dafür notwendige Anzahl der Anwendungen liegen unterschiedliche Angaben vor.[3] [4]

Historie/Entwicklung

Ausgangspunkt waren in 1970er Jahren in den USA vereinzelt beobachtete Phänome, welche als Popsicle Panniculitis bezeichnet werden. Dabei kam es zum Absterben von Fett in der Wange von Kindern, deren Angewohnheit es war, ihr Eis am Stiel im Mund auftauen zu lassen und es dabei mit der Wange dauernd in Kontakt zu halten. Nach einigen Tagen kam es zu einer Entzündung des Fettgewebes in der betreffenden Wange. Nach einigen Wochen wurde beobachtet, dass ein Teil des Wangenfettes verschwunden war und auch die Wange auf der betreffenden Seite weniger voluminös erschien.

In der Folge begannen Wissenschaftler und Unternehmen zu überlegen, wie man diesen Vorgang kontrolliert einleiten und ablaufen lassen kann. Die Dermatologen Dr. Manstein und Dr. Anderson vom Wellman Center for Photomedicine des Massachusetts General Hospital in Boston entwickelten dass Verfahren und veröffentlichten im Jahr 2008 in der Zeitschrift Lasers in Surgery. Auf dieser Grundlage entwickelte das Unternehmen Zeltiq in Kalifornien Geräte, mit denen es möglich sein sollte, einen kontrollierten Prozess der Fettreduktion durchzuführen, der auch zu reproduzierbaren Ergebnissen führen sollte. Diese wurden von der FDA aber zuerst nur zur Hautkühlung bei Eingriffen freigegeben, jedoch nicht für die Lipolyse.[5]. In den folgenden Jahren wurden Kryolipolyse-Geräte zur Anwendung am Bauch, an den Flanken und Oberschenkeln freigeben.[6] Gegen eine beantragte Erweiterung der Anwendungsbereiche wurde eine Petition eingereicht, diese wurde aber von der FDA abgelehnt. Die Ablehnung erfolgte unter Bezugnahme auf Untersuchungen und Ergebnisse der vom Unternehmen Zeltig beauftragten und finanzierten Wissenschaftler.[7] [8] [9].

Anwendungsfelder Medizin, Kosmetik und Wellnessbereiche

Die Anwendungsfelder der Kryolipolyse sind auch durch Zulassungen begrenzt; die Körperbereiche sind Rücken, Rippengegend, Oberarme, Taille, Hüfte, Oberschenkel und mittlerweile auch das Kinn. Beworben und angewendet wird Kryolipolyse bei und für gesunde Menschen mit normalem Ernährungs- und Bewegungsverhalten zur Reduzierung kleiner Fettpolster. Auch ist sie laut Hersteller und kosmetischen Chirurgen nur für lokale und kleine Problemzonen vorgesehen. Großflächige Fettareale sollen/können nicht behandelt werden. Für Gewichtsreduktion und stark übergewichtige Kunden gilt Kryolipolyse als nicht geeignet,[10] [11] andererseits wird aber auch mit einer Reduzierung des Gewebes um bis zu 40 % nach nur einer Sitzung geworben: "Die Dicke des Fettgewebes kann in einer Sitzung um 20 bis 40 Prozent reduziert werden."[12] [13]. Andere Anbieter beschreiben weit längere Zeiträume.

Es existieren teilweise sehr widersprüchliche Behauptungen:

"Die ersten Veränderungen treten üblich bereits zwei bis drei Wochen nach der Anwendung auf und sind nach zwei Monaten am deutlichsten sichtbar. Fettzellen werden vom Körper jedoch bis zu 3 Monate lang nach der Anwendung abgebaut" und direkt danach: "Jede Anwendung führt üblicherweise zu einer deutlichen Fettreduzierung (bis zu 30%) im behandelten Bereich. Wenn nötig können nach der ersten Anwendung weitere Anwendungen durchgeführt werden, um noch mehr Fett zu reduzieren. Viele Klienten erreichen ihr Ziel jedoch bereits nach ein bis zwei Anwendungen".[14]

Ähnliche widersprüchliche und unklare Angaben finden sich bei vielen Anbietern. Angeboten wird Kryolipolyse u.a. von Ärzten aus dem Bereich der kosmetischen und Schönheits-Chirurgie. Aber auch von vielen Kosmetikstudios und anderen Einrichtungen der Beauty-Branche wird diese Methode mit blumigen Aussagen und vielfältigen Versprechungern angeboten. Dabei ist nicht gesichert, dass die entsprechende Sorgfalt bei der Auswahl, Vorbereitung und Durchführung der Methode gewährleistet ist (siehe Risiken/Nebenwirkungen). Für das Praktizieren der Methode sind keine offiziellen Ausbildungen und Qualifikationen erforderlich und es unterliegt auch keiner Kontrolle.[15][16] [17] [18] [19] [20] [21] [22]

Auch die Aussagen von Herstellerfirmen sind widersprüchlich, nicht schlüssig und auch physiologisch nicht plausibel.

"CoolSculpting hilft Ihnen NICHT dabei, Gewicht zu verlieren. Wenn Sie aber lästiges Körperfett loswerden und schlanker aussehen möchten, könnte CoolSculpting genau das Richtige für Sie sein". [23]

Beim zweiten großen Hersteller auf dem europäischen Markt wird mit der Aussage geworben, dass Geräte nur an geschultes Personal mit medizinischem Background ausgeliefert werde, in der folgenden Auflistung werden aber auch Heilpraktiker oder ähnlich qualifiziertes Personal aufgeführt. Heilpraktiker wiederum haben keinerlei relevanten medizinischen Background, noch haben sie eine dahingehend fundierte Ausbildung absolviert. Auch wird nicht konkret beschrieben, wie die Überprüfung der Qualifikation und Verwendung erfolgt, bzw. ob eine spätere Weiterveräußerung untersagt wird. Darüber hinaus wird behauptet, dass Fett zu Bindegewebe umgebaut wird und damit ein zusätzlicher Straffungseffekt zu erwarten sei. Fett gilt in einer Sonderform als Bestandteil des Binde- und Stützgewebes. Von einer Umwandlung von Adipozyten, in die für die Straffung der Haut hauptsächlich verantwortlichen Kollagenfasern ist in der wissenschaftlichen Literatur keine Erwähnung zu finden. [24] [25]

Risiken/Nebenwirkungen/Kontraindikationen

Es sind einige Faktoren bekannt, die den Einsatz einer Kryolipolyse einschränken oder aussschließen:

Kontraindikationen • Kryoglobulinämie • Cortison-Langzeittherapie (ab 1 Jahr) oder erhöhte Zufuhr von Cortison (über 10 mg/Tag)• Schwangerschaft • Hautareale mit offenen oder infizierten Wunden, Blutungen, Hämorrhagie, beeinträchtigter periphere Zirkulation oder anderen Hauterkrankungen • Raynaud-Krankheit • Narbengewebe oder Hautleiden wie Ekzeme oder Dermatitis im Behandlungsgebiet • Eingeschränkte Gefühlsempfindung der Haut • Erkrankungen des Fettgewebes • aktive Kälte- oder Druckurtikaria (Nesselsucht) • Starkes Übergewicht

Nebenwirkungen: • Hämatom (Bluterguss) • Druck- und Berührungsempfindlichkeit • Rötung • Schwellung • Knötchenbildung im Fettgewebe • postinflammatorische Hyperpigmentierung (bei Einnahme von Akne-Präparaten, Hormonen,Antibiotika oder Malariamittel) [26]

Dazu kommen Berichte über das Ansteigen des Risikos für eine paradoxe Hyperplasie bei Männern nach der Anwendung einer Kryolipolyse. Den Empfehlungen dieser Arbeiten folgend wäre speziell darauf zu achten, dass eine sorgfältige Auswahl bei Kunden erfolgt, vor allem bei Männern mit abdominal adipösen Fettschichten, um das Risiko von paradoxe Hyperplasien zu minimieren.[27] [28]

Berichtet wurde z.B, über einen Fall mit einer motorischen Neuropathie nach Kryolipolyse des Armes. Bei einer 24-jährigen Frau traten nach einer Kryolipolyse-Anwendung Blutergüsse und vorübergehende Taubheit am Bauch und an beiden Armen auf. Nach 10 Tagen klagte die Frau über Schwäche und Unfähigkeit, schwere Gegenstände zu heben. Die Symptome dauerten sechs Monate.[29]

Auch in diesem Zusammenhang ist erneut darauf hinzuweisen, dass Kryolipolyse auch in Kosmetikstudios und anderen Einrichtungen ohne adäquat geschultes Personal durchgeführt wird. Damit ist nicht gewährleistet, dass die aufgeführten Ausschluss-Kriterien und Aspekte ausreichend erkannt und berücksichtigt werden.

Zulassung/Studienlage

Publikationen auf dem Gebiet, die sich auf ästhetische und verwandte Verfahren beziehen, sind zahlreich. Nichtsdestoweniger fehlt einer großen Zahl von ihnen der ernsthafte und gut strukturierte methodische Ansatz, oder sie sind voreingenommen und können aufgrund von Interessenkonflikten zu falschen Schlussfolgerungen führen. Ein nicht geringer Anteil der veröffentlichten Arbeiten wurde von Wissenschaftlern durchgeführt, die von Herstellerfirmen unterstützt wurden oder als Berater für diese tätig sind.

Ein großer Teil der Arbeiten, die auch die Grundlage für die Zulassung durch die FDA waren, wurde von Forschern durchgeführt, die im Auftrag einer der Hersteller arbeiteten. Die Namen Kilmer, Burns und Zelickson tauchen häufig auf. Alle Untersuchungen fanden in kleinem Rahmen statt, mit 19, 42 oder mit 60 Teilnehmern, kurzer Laufzeit (16-16 Wochen) und geringer Stichprobengröße. Alle Versuche wurden mit Geräten der Fa. Zeltig durchgeführt. Diese dienten dann schlussendlich als Grundlage zur Freigabe durch die FDA im Rahmen einer sogenannten "510(k) premarket notification", die notwendig ist, damit das Produkt angeboten und vertrieben werden darf. Dazu muss das untersuchte Gerät nur äquivalente Eigenschaften zu bereits vorhanden Produkten besitzen. Es ist offensichtlich zulässig, dass dabei Produkte des gleichen Herstellers verglichen werden.[30] [31] [32] [33]

Andere Untersuchungen waren eine Fallstudie aus einer Klinik in Brasilien. Dort wurde eine Patientin einer 60-minütigen Kryolipolyse unterzogen. Fünfundvierzig Tage nach der Kryolipolyse-Behandlung unterzog sich die Patientin einer Operation im Abdominalbereich. Vor der Operation wurden die beiden vorbehandelten Bereiche erneut markiert und nach der Entfernung für 48 Stunden in Formaldehyd fixiert, gespalten und nach pathologischen Laborroutinenprotokollen (Dehydratation, Diaphonisierung, Imbibition in Paraffin und Inklusion) verarbeitet. Aus den Ergebnissen schlossen die Forscher auf eine Reduzierung der Fettschicht in diesem Bereich.[34].

Eine weitere Arbeit beschäftigt sich mit der Auswirkung manueller Massage nach Kryolipolyse-Behandlung. Dazu wurde eine 4viermonatige Studie mit 10(!) Probanden durchgeführt, an deren Ende für die Forscher feststand: "Eine Nachbehandlung mit einer manuellen Massage ist eine sichere und effektive Technik zur Verbesserung der klinischen Ergebnisse aus einer Kryolipolyse Verfahren". Dieses Ergebnis ist aber nicht überraschend, da auch diese Arbeit von der Fa. Zeltig finanziert wurde. Aufgrund der sehr engen Verbindungen der Forscher zu den Herstellern als Mitglieder wissenschaftlicher Beiräte und in sonstigen Projekten, kann davon ausgegangen werden, dass der größte Teil der wenigen wissenschaftlichen Veröffentlichungen zulassungs- und vertriebsorientiert sind. Damit gilt der wissenschaftliche Stellenwert als gering.

Quellenangaben

  1. http://kryolipolyse.com/ Funktionsprinzip
  2. Auszug aus Herold C. et al. Kryolipolyse, wissenschaftlicher Hintergrund, Handchirurgie/Mikroch./Plast.Chir. 2016; 48:247-251
  3. http://www.plastische-chirurgie-medienhafen.de/coolsculpting.html
  4. http://www.amosaro.de/gesicht/coolsculpting/
  5. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20123423?dopt=Abstract
  6. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26607045
  7. https://www.regulations.gov/document?D=FDA-2015-P-1924-0001
  8. https://www.regulations.gov/document?D=FDA-2015-P-1924-0006
  9. https://www.regulations.gov/document?D=FDA-2015-P-1924-0007
  10. http://www.plastische-chirurgie-medienhafen.de/coolsculpting.html
  11. http://www.vitaconcept.de/images/Cooltech_Patientenflyer.pdf
  12. https://www.infomedizin.de/behandlungen/kryolipolyse-cool-freeze/
  13. http://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Fett-weg-mit-Kaeltebehandlung,kaelte336.html
  14. http://kosmetik-ninon.de/kryolipolyse-berlin/
  15. http://www.art-physio.de/Kryolipolyse.html
  16. http://zandervtmh171blog.onesmablog.com/abnehmen-mit-kryolipolyse-Ludwigsburg-West-3597950
  17. http://kosmetik-ninon.de/kryolipolyse-berlin/
  18. http://www.pantheon-aesthetic-center.de/kryolipolyse-koeln/
  19. https://www.kavitation-hamburg.de/kryolipolyse/
  20. http://www.kosmetikstudio-bine.com/kryolipolyse-fettvereisung.htm
  21. http://www.kosmetik-schmacke.de/fett-weg-mit-k%C3%A4lte-kryolipolyse/
  22. http://purebeauty-stuttgart.de/kryolipolyse.html
  23. http://de.coolsculpting.com/what-is-coolsculpting/fat-reduction-vs-weight-loss/
  24. http://www.kryoshape.com/technologie
  25. http://www.kryolipolyse-zentrum.com/technische-daten
  26. Nebenwirkungen/Kontraindikationen
  27. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27432593
  28. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26809032
  29. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27223604
  30. http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/lsm.22550/full
  31. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26607045
  32. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27327898
  33. http://www.accessdata.fda.gov/cdrh_docs/pdf15/k151179.pdf
  34. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5118516/