Demonstration italienischer Patienten, die auf Grund der Behauptungen der Stamina Foundation für ein Recht auf Stammzellentherapie demonstrieren (Bild: Zeitung L'Espresso)
Anbieter Davide Vannoni mit T-Shirt "Ich will nicht sterben" (Bild Zeitung L'Espresso)

Stamina Foundation (kurz Stamina, in Italien als Movimento Stamina Italia ONLUS) ist der Name einer italienischen Organisation (in Rom als gemeinnütziger Verein eingetragen, ONLUS[1]), die seit 2009 in mehreren Ländern eine unwirksame Stammzellentherapie anbietet. Gründer der Stamina Foundation und damit zusammenhängender Unternehmen ist der italienische Kommunikationswissenschaftler und Medizinlaie Davide Vannoni. Geschäftliche Beziehungen existieren zwischen der Stamina Foundation und den Schweizer Firmen Biogenesis Tech und Biogenesis Research[2] sowie dem italienischen Pharmaunternehmen Medestea. Obwohl Vannonis Name als Geschäftsführer nicht offiziell auftaucht, fanden italienische Journalisten heraus, dass sein Fahrzeug Marke Porsche als Geschäftsfahrzeug auf eine der Firmen angemeldet ist.[3] Die beiden Firmen haben die Rechte an der Marke und der angeblich patentierten Stamina-Stammzellenmethode. Tatsächlich existieren nur zwei Patentanmeldungen, jedoch keine Patenterteilungen. Eine Patentanmeldung wurde inzwischen endgültig abgelehnt. Die Namen der Aktionäre sind nicht bekannt. Labore der Stamina Foundation existieren auf den Kapverden, in Mexiko und Hong Kong.

Es liegt kein wissenschaftlicher Nachweis einer Eignung für die Stammzellentherapie der Stamina Foundation vor. Es gibt so gut wie keine Veröffentlichungen zur Methode. Auch gibt es keine Nachweise für die Hypothese, dass injizierte eigene mesenchymale Stammzellen den von Stamina behaupteten immunmodulierenden Effekt erzielen. In der renommierten Fachzeitschrift Nature wurde hingegen aufgedeckt, dass zwei Mikroskopaufnahmen in den Patentanträgen der Methode vermutlich aus mindestens sechs Jahre alten ukrainischen Veröffentlichungen kopiert wurden.[4] Sie sollen Nervenzellen zeigen, die aus mesenchymalen Knochenmark-Stammzellen erzeugt wurden.[5]

Die von der Firma Stamina Foundation angebotene Stammzellentherapie wurde für mehrere schwere chronische Krankheiten beworben. So sollte die Injektion von Stammzellen Krankheiten wie Parkinson, Muskeldystrophie und spinale Muskelatrophie lindern oder gar heilen können. Trotz fehlender Nachweise einer Eignung und Unbedenklichkeit wurde die Therapie in vielen Behandlungspraxen und Privatkliniken eingesetzt, so in San Marino oder Triest. Die Stamina Foundation erhielt jahrelang finanzielle Förderungen durch den italienischen Staat in einer Höhe von insgesamt drei Millionen Euro. Zuvor hatten Vannoni und schwerkranke Patienten jahrelang Druck auf Regierung und Parlament ausgeübt und Demonstrationen veranstaltet (siehe dazu auch das Vorgehen im Fall der DiBella-Methode). 2012 untersagte die italienische Agentur für Arzneimittel die Tätigkeit der Stiftung Stamina Foundation.

Ein enger Mitarbeiter von Vannoni ist der Arzt Marino Andolina, der die Methode eine Zeit lang an einem Krankenhaus in Brescia anwandte. Die örtliche Gesundheitsaufsichtsbehörde der italienischen Polizei (NAS) stellte schwere Mängel bei der Verarbeitung der Proben fest, darunter fehlende Hygiene und Verunreinigungen. Auch wurden keine Stammzellen gefunden, die in Neuronen (Zellen des zentralen Nervengewebes) differenzieren. Marino Andolina und weitere Beschuldigte wurden inzwischen festgenommen. Sie wandten die experimentelle Stamina-Methode gegen Bezahlung an. Seit Juni 2015 steht er unter Hausarrest. Gegen die Beschuldigten laufen inzwischen Ermittlungen wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung mit der Absicht des Betruges.[6]

In Deutschland sind Stammzellentherapien wie von der Stamina Foundation angeboten seit 2011 nicht mehr zulassungsfähig. Bis Anfang 2013 wurden in Deutschland Stammzellentherapien gegen den Morbus Parkinson angeboten. In Düsseldorf bot die inzwischen aufgelöste Firma XCell-Center Stammzellentherapien an. Die Kölner Bezirksregierung entzog der XCell per Untersagungsverfügung ihre Geschäftsgrundlage.

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) warnte Patienten im September 2013 gemeinsam mit der Deutschen Parkinson Gesellschaft (DPG) vor den teuren, nutzlosen und risikoreichen Stammzellen‐Therapien, da "keine wissenschaftlichen Daten vorliegen, die eine Anwendung von Stammzellen – unabhängig welcher Art – außerhalb von klinischen Studien rechtfertigen".[7]

Methode

Patienten einer Stammzellentherapie der Stamina Foundation unterziehen sich einem Eingriff, bei dem mesenchymale Stammzellen (Zellen, die normalerweise zu Knochen- und Fettgewebszellen differenzieren) aus dem Knochenmark entnommen werden. Diese werden sodann im Reaganzglas für zwei Stunden mit in Ethanol verdünnter Retinsäure (18 Mikromol) versetzt, mit dem Ziel, sie in neuronale Stammzellen (Zellen, die später Nervenzellen werden sollen) umzuwandeln. Anschließend werden die Zellen entweder in die das Gehirn umfließende Flüssigkeit (Liquor) oder in die Blutbahn gespritzt. Einzelheiten zur Methode sind nicht veröffentlicht, es handelt sich somit um eine Art "Geheimtherapie".[8]

Kritik

Der Medizin-Nobelpreisträger Randy Schekman (Auszeichnung 2013) bezeichnete die Stamina Stammzellentherapie als "kriminell" und Davide Vannoni als "Scharlatan".[9]

Davide Vannoni

Zu Vannoni lässt sich in wissenschaftlichen Datenbanken keinerlei Veröffentlichungen auf dem Gebiet der Stammzellenforschung finden. In den neunziger Jahren studierte er in Turin Kommunikationswissenschaften. Er ist Autor von zwei Werken über das Thema Werbung. Der italienische Verlag Il Mulino weigerte sich, Vannoni zu verlegen, da er eine Copyright-Verletzung zum Autor Giappichelli sah. Er war auch Erfinder einer 3M-Methode (Mental Model Monitor) und für die populistisch-rechtskonservative Partei "Forza Italia" von Silvio Berlusconi tätig. 2004 wurde Vannoni Professor in Udine, wo er "Kommunikationspsychologie" unterrichtet.

Patentanmeldungen

  • US2012149099 (A1) DIFFERENTIATION PROCESS OF MESENCHYMAL STEM CELLS AND THERAPEUTIC USE THEREOF, Inventor: MOLINO ERICA [IT] Applicant: MOLINO ERICA [IT], DAVIDE VANNONI [IT]. 2012-06-14
  • US2012149098 (A1) EXTRACTION OF PROCESS FOR MESENCHYMAL STROMAL STEM CELLS, Inventor: MOLINO ERICA [IT] , Applicant: MOLINO ERICA [IT], DAVIDE VANNONI [IT], 2012-06-14
  • ITTO20090971 (A1) "PROCEDIMENTO DI ESTRAZIONE DI CELLULE STAMINALI MESENCHIMALI", Inventor: MOLINO ERICA, Applicant: VANNONI DAVIDE, 2011-06-11
  • ITTO20090970 (A1) "PROCEDIMENTO DI ESTRAZIONE E DIFFERENZIAMENTO DI CELLULE STAMINALI MESENCHIMALI E LORO IMPIEGO TERAPEUTICO", Inventor: MOLINO ERICA, Applicant: VANNONI DAVIDE, 2011-06-11

Literatur

Weblinks

Quellennachweise