Die Konferenz ADHS ist ein Internet-Zusammenschluss verschiedener ADHS/Ritalin-Kritiker. Ins Leben gerufen wurde die Konferenz ADHS von Hans-Reinhard Schmidt, dem Betreiber der ADHS/Ritalin-kritischen Internetpräsenz "Cafe Holunder", welche im Nachhinein als eine Art Keimzelle der Konferenz ADHS zu betrachten ist.[1] Dem eigenen Selbstverständnis nach dient dieser Zusammenschluss folgendem Ziel[2]:

"Konferenz ADHS ist ein freier und unabhängiger Internet-Zusammenschluss von engagierten Zeitgenossen, die die gegenwärtige Entwicklung unserer Kinder im Zusammenhang mit ADHS - dem sog. Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom - mit Sorge verfolgen. Die Sorge bezieht sich nicht nur auf die erschreckend zunehmende Medikation mit einschlägigen Psychopharmaka, sondern vor allem auch auf die zugrunde liegende Auffassung eines unreflektierten Verhaltensbiologismus und einer dazu passenden wissenschaftlich fragwürdigen nosologischen Entität bzw. "Krankheit" namens ADHS."

Ziele

Die Konferenz ADHS soll einer einseitigen Einflussnahme und Öffentlichkeitsarbeit im Sinne der ADHS/Ritalin-Kritik dienen und die Öffentlichkeit sowie die politischen Entscheidungsträger in ihrem Sinne beeinflussen. So hat die "Konferenz" u.a. an einer Sendung des DLF maßgeblich mitgewirkt.[3][4] Zu den manipulativen Mitteln gehören unbegründete Angstmache vor angeblichen schwer wiegenden Nebenwirkungen von Ritalin und die Unterstellung einer "einseitigen Biologisierung kindlichen Verhaltens", die an der Wirklichkeit von leitliniengerechter Diagnose und multimodaler Therapie ( siehe biopsychosoziales Entstehungsmodell von Döpfner) ignorant vorbei gehen. Auch der gesellschaftspolitisch/ideologisch gefärbte Begriff einer "kritischen Hinterfragung des Schulmedizinischen Konstruktes von ADHS" taucht auf.

2008 entwarfen bzw. unterzeichneten die nachstehend aufgelisteten Kuratoriumsmitglieder eine "Konsensus-Erklärung", mit deren Unterzeichnung sie sich ganz bewusst in Widerspruch zur geltenden Internationalen Konsensuserklärung ADHS begeben, die von zahlreichen namhaften internationalen Experten unter Federführung von Russell Barclay verabschiedet wurde.[5]

Zusätzlich zu einer Fülle von Falschbehauptungen zu ADHS, die durch eine Unzahl von (u.a. auch DFG-finanzierten) Studien längst entkräftet sind, tauchen in Schmidts "Konsensus-Erklärung" Formulierungen auf, die einen stark ideologisch geprägten Hintergrund befürchten lassen. So wird unter anderem behauptet:

ADHS ist keine objektivierbare medizinische Krankheit, sondern ein Kulturprodukt. Sie wird im Rahmen von interessen- und industriegeleiteten Konsens-Konferenzen per Beschluss definiert. Teilnehmer solcher Konferenzen waren bisher als Befürworter einer medikamentösen Behandlung von ADHS bekannt, ohne ihre finanziellen Verbindungen zur Pharmaindustrie offen zu legen. Mehr als die Hälfte der 28 Autoren, die am DSM V arbeiten, mussten inzwischen Einkünfte aus der Pharmaindustrie offenlegen, der Leitautor der Konferenz sogar von 13 verschiedenen Firmen.

Das Konstrukt ADHS entspringt dem gegenwärtig immer noch anhaltenden Trend zur Biologisierung der menschlichen Kultur. Unter einer naturwissenschaftlichen Ausrichtung sollen im Rahmen einer Synthese auch die Sozialwissenschaften "biologisiert" werden (Soziobiologie). Obwohl diese Vereinheitlichung heute bereits als gescheitert gelten kann, wird sie bei ADHS weiter realisiert. Ein genetischer Determinismus bzw. Purismus, der Milieueinflüsse auf Entwicklung und Verhalten weitgehend leugnet, beherrscht unverändert einseitig die Szene. Die Herstellung eindimensionaler Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge beim Krankheitsmodell ADHS bleibt hinter den aktuellen Erkenntnissen der Hirnforschung zurück. Dies ist antidialogisch und antipädagogisch.

Die scheinbar psychiatrische Diagnose "ADHS" und ihre pseudowissenschaftliche Verbrämung sollen Eltern, Lehrer, Ärzte, Psychologen, Erzieherinnen etc. dabei unterstützen, bedrohliches kindliches Verhalten verdrängen zu können, die je ganz eigene dialogische Verantwortlichkeit zu leugnen. Man hat sozusagen lieber kranke als unglückliche Kinder.

Dieser alltägliche Biologismus, demzufolge Lehrer, Eltern und Ärzte schnell bereit sind, auffälliges kindliches Verhalten auf ein "biochemisches Ungleichgewicht" zurückzuführen, anstatt über ihre eigene Beteiligung und Möglichkeiten zur Einflussnahme nachzudenken, bedarf einer dringenden und kritischen Reflexion. Es wird nicht mehr nach dem "Warum" eines Verhaltens, nach seinem Sinn in einer phänomenalen, subjektrelativen Welt gefragt. Statt eines therapeutischen Dialogs zwischen Erwachsenem und Kind wird das Kind zum bloßen Diagnose- und Medikationsobjekt.


Schmidt leitet schließlich in seiner "Konsensus-Erklärung" aus all dem folgende "Empfehlungen" ab:

VI. ADHS: Empfehlungen

1. Das Konstrukt ADHS muss völlig neu gesichtet und kritisch überprüft werden mit der Fragestellung, inwieweit es wissenschaftlich wirklich elaboriert und praktisch sowie ethisch vertretbar und sinnvoll ist.

2. Der Erforschung, Diagnostik und Behandlung kindlicher Verhaltensstörungen wie ADHS muss ein entwicklungspsychologisches Konzept zugrunde gelegt werden.

3. Es herrschen diagnostische Willkür und Konfusion. Vor allem muss der familiäre und gesellschaftliche Einfluss auf das kindliche Problemverhalten namens ADHS in Forschung, Diagnostik und Therapie intensiv erforscht und ernst genommen werden.

4. Eine Medikation muss endlich wirklich nur noch nachrangig erfolgen. Vorrang müssen immer psychotherapeutisch-pädagogische, die Familie und das Sozialsystem einbeziehende Hilfen haben.

5. Das Konstrukt erlaubt keine klare Unterscheidung von Phänomen, Symptom, Syndrom und Morbus. Angesichts seiner nosologischen Zweifelhaftigkeit und angesichts des Umstandes, dass kindliches Problemverhalten als psychoreaktiv gesund oder auch mit anderen gängigen, aber weniger belasteten Störungsbildern erfasst werden kann, ist dieses Konstrukt nicht nützlich. Es sollte in der jetzigen Konzeption grundlegend revidiert oder völlig aufgegeben werden. ADHS ist keine medizinische Krankheit, sondern ein willkürlich gesetztes Kunstprodukt.

6. Eltern, Lehrer, Pädagogen, Psychologen, Ärzte sowie die Gesundheitsbehörden sollten eine ADHS-Diagnose bezweifeln und zu einer kritischen Aufklärung beitragen.


Von seiner Seite ADHS-Konferenz verlinkt Schmidt schließlich sogar ganz direkt zu Fred Baughman, Peter Breggin, Larry Diller - sämtlich durch ihre Nähe zu Scientology auffallende ADHS-Kritiker aus den USA - sowie zum Zentrum der Gesundheit, welches u.a. eine durch scientology-ähnlichen Argumentationsstil auffallende Hetzseite gegen ADHS betreibt, deren Stil und Aussagen sich in den Formulierungen von Schmidts "Konsensus-Erklärung" abbilden.[6] Ein weiterer Link führt zu Gerald Hüthers Seite Win-Future und Reinhard Voß.[7]


Mitglieder des Kuratoriums der "Konferenz ADHS" sind u.a.[8]:

  • Wolfgang Bergmann war bis ca 2008 auch auf der Kuratoriumsliste der Konferenz ADHS zu finden, ist dort aber seit einiger Zeit nicht mehr sichtbar vertreten. Er wirkte aber an der erwähnten DLF-Sendung noch als Experte der Konferenz ADHS mit.[9]


In jüngerer Vergangenheit (2011) machte sich auch der Leipziger Philosoph Christoph Türcke Positionen der Konferenz ADHS zu eigen und referierte fachfremd zum Thema ADHS auf der 58. Jahrestagung der VAKJP gemeinsam mit dem "Konferenz ADHS"-Kuratoriumsmitglied Hans Hopf.[10]


In 2013 erschien ein Memorandum der Deutschen Gesellschaft für Sozialpsychiatrie unter dem Titel "Eine Generation wird krank geschrieben", welches in deutlicher Anlehnung an Positionen der Konferenz ADHS ritalinkritische Positionen vertritt.[11] Verantwortlich für den Inhalt zeichnet u.a. der Psychotherapeut Terje Neraal, Kuratoriumsmitglied der Konferenz ADHS. Das Vorhaben war zuvor auf den Seiten der Konferenz ADHS angekündigt worden.[12] In dem Papier wird in 4.4. eine Einschränkung der ärztlichen Therapiefreiheit und ggfs. eine vormundschaftsgerichtliche Maßnahme zum Schutz der Kinder vor "medikamentöser Ruhigstellung" gefordert:

4.4 Kontrolle des Verschreibungsverhaltens
Die Vergabepraxis von Stimulanzien und Neuroleptika an Kinder und Jugendliche bedarf einer standesrechtlichen und kassenarztrechtlichen Regelung und Überwachung, die überprüfbaren wissenschaftlichen Kriterien entspricht. Die Therapiefreiheit des einzelnen Arztes muss insoweit eingeschränkt werden, da ihr hier Kinder und Jugendliche gegenüberstehen, die altersbedingt nur begrenzt einsichts- und einwilligungsfähig sind, und Eltern, die in einer angespannten Situation nicht immer unbefangen und neutral im Interesse ihres Kindes entscheiden und einwilligen können. Es sollte auch geprüft werden, ob für die medikamentöse „Ruhigstellung“ von Kindern und Jugendlichen zum Beispiel eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung als Korrektiv gefordert werden könnte, analog zur betreuungsgerichtlichen Genehmigung, die für die medikamentöse Sedierung z.B.dementer alter Menschen im Pflegeheim erforderlich ist, wenn diese einer freiheitsbeschränkenden Maßnahme gleichkommt.


Die Aktivitäten einzelner Kuratoriumsmitglieder der Konferenz ADHS verlagern sich seit einiger Zeit zunehmend in Richtung eines deutlich professioneller aufgemachten Internetportals:

So bietet der Österreicher Peter Schipek, selbst Webmaster der Hüther-Homepage win-future.de[13], auf seiner Homepage Lernwelt.at[14] nicht nur Gerald Hüther eine breite neue Plattform für seine spekulativen Theorien. Auch z.B. Dunja Voos, Wolfgang Bergmann, Helmut Bonney, Terje Neraal Miriam Striehler und nicht zuletztMatthias Wenke als einer der prägnanteren jüngeren Vertreter der ADHS/Ritalin-Kritik aus Schmidts direktem Umfeld kommen bei Peter Schipek ausgiebig zu Wort. Seit neuestem erhält auch Hans-Reinhard Schmidt selbst bei Schipek Gelegenheit, seine Außenseiter- Sichtweise zum Thema ADHS darzustellen.[15][16][17][18][19][20] Als inhaltlich verantwortlicher Webmaster der Seite win-future.de verlinkt Schipek zum Thema ADHS direkt und ausschließlich auf die Homepage der Konferenz ADHS.[21]

Weblinks

Eine gründliche Auseinandersetzung mit den Thesen der Konferenz ADHS ist hier zu finden: http://adhsspektrum.wordpress.com/category/serie-konferenz-adhs/

Quellenverzeichnis