Angebliches Foto von Nessie, in Wirklichkeit ein kleines Modell, welches von Christian Spurling auf einem Spielzeug-U-Boot befestigt wurde

Das Ungeheuer von Loch Ness (genannt Nessie) ist ein populärer, angeblich im schottischen Loch Ness lebender Kryptide, der als ein bis 20 m langes, dem Plesiosaurier oder einer Schlange ähnliches Wesen beschrieben wird. Die Existenz eines solchen Wesens wird jedoch von Wissenschaftlern als unplausibel angesehen.

Geschichte

Dem Volksglauben Schottlands zufolge sollen in den Gewässern des Landes zahlreiche Fabelwesen leben, darunter "Wasserpferde" und "Water-Kelpies", Wasserkobolde. Die Legende von einem Seeungeheuer im Loch Ness geht seit mindestens 1.500 Jahren in den schottischen Highlands um.[1]

  • Um das Jahr 565 wurde das Seeungeheuer das erste Mal schriftlich erwähnt: In der "Vita Columbae" des Abtes Adamnan wird berichtet, wie der Heilige das Leben eines Pikten rettete, der im Fluss Ness von einem Ungeheuer angegriffen wurde. "Columban machte das Kreuzzeichen in die Luft und rief den Namen Gottes an, während er dem wilden Tier befahl: ‚Nicht mehr weiter! Berühre ihn nicht! Zieh dich sofort zurück!‘ Als das Tier die Worte des Heiligen hörte, floh es vor Angst, als ob es von Seilen von dort weggezogen würde, obwohl es nur eine kurze Entfernung vom Mann weg gewesen war."
  • 1527: Duncan Campbell erblickte am Ufer des Loch Ness ein schreckliches Ungeheuer.
  • 16. Jahrhundert: Einer alten Chronik zufolge stieg ein riesiges Tier aus dem Loch Ness und erschlug drei Männer.
  • Um 1650: Der englische Chronist Richard Franck berichtete, der berühmte Loch Ness sei für seine "schwimmenden Inseln" bekannt.
  • 1661: Bei Inverness wurde am 12. August ein schätzungsweise 3,50 Meter langer Stör beobachtet.
  • Es gab einige weitere Sichtungen, doch berühmt wurde das Wesen erst am 2. Mai 1933, als erstmals regionale Zeitungen von der Sichtung eines Ungeheuers berichteten. Die Zeitung Inverness Courier brachte einen Artikel über Einheimische, die "ein riesiges im Loch tauchendes Tier" gesichtet hätten. Der Bericht über das "Monster" (ein vom Redakteur des Courier ausgewählter Begriff) wurde eine Mediensensation: Londoner Zeitungen sandten Reporter nach Schottland und ein Zirkus bot sogar eine Summe von 20.000 Pfund für das Einfangen des Monsters.
  • Später im selben Jahr beschrieb A. H. Palmer, der Nessie angeblich am 11. August 1933 um sieben Uhr beobachtete, die Kreatur hätte ihren Kopf, den sie von vorne sahen, niedrig im Wasser. Ihr Mund, der eine Länge zwischen zwölf und achtzehn Zoll hätte, öffnete und schloss sich; ihre maximale Mundöffnung wurde auf ungefähr sechs Zoll geschätzt.
  • Das neue Interesse an dem Ungeheuer von Loch Ness wurde durch ein angeblich vom Chirurgen R. K. Wilson geschossenes Foto vom 19. April 1934 geweckt. Es scheint ein großes Tier mit einem langen Hals zu zeigen, welches durch das Wasser gleitet. Jahrzehnte später, am 12. März 1994, beanspruchte Marmaduke Wetherell für sich, das Foto gefälscht zu haben, nachdem er von der Zeitung Daily Mail angestellt worden war, Nessie zu jagen (das Foto wurde damals als "endgültiger Beweis" gedruckt). Wetherell gab auch an, Wilson habe das Foto nicht aufgenommen, sein Name sei nur benutzt worden, um die Glaubwürdigkeit des Fotos zu erhöhen.
  • Nicht als einziger, aber als bekanntester "Nessie-Hoaxer" verdient Frank Searle Erwähnung. Frank Searle, ein ehemaliger Soldat, tauchte im Juni 1969 am Loch Ness auf und beschäftigte sich zunächst in ernsthafter Weise mit der Suche nach Nessie. In seinen späteren Jahren, in denen er ein Hausboot und eine "Monster-Exhibition" bei Lower Foyers betrieb, legte er häufiger eher zweifelhafte Beweise für die Existenz des Monsters vor. Seine Fotografien zeigten z.B. schwimmende Baumstämme oder wurden sogar für Fotomontagen gehalten.
  • 1972 machte eine vom US-amerikanischen Patentrichter Robert Rines geleitete Gruppe einige Unterwasserfotos. Eines war ein ungenaues Bild, vielleicht eine rhombenförmige Flosse. Auf der Basis dieses Fotos verkündete der Fotograf Sir Peter Scott 1975, dass der wissenschaftliche Name des Monsters "Nessiteras rhombopteryx" laute. Das hätte die Aufnahme von Nessie im "British register of officially protected wildlife" bedeutet. Der Name ist allerdings ein Anagramm von "monster hoax by Sir Peter S.", was möglicherweise der Skepsis von Sir Peter zuzuschreiben ist.
  • Am 28. Mai 2007 wurde durch Gordon Holmes aus Yorkshire ein neues Video eines vermeintlichen Ungeheuers von Loch Ness aufgenommen. Darauf zu sehen ist ein etwa zehn Kilometer pro Stunde schnelles und circa 15 Meter langes, aalähnliches Objekt. Die Qualität des Videos gilt als ausgesprochen gut. Eine Fälschung des Videos wird auf Grund des auf dem Video sichtbaren Uferbereichs im Hintergrund als sehr unwahrscheinlich angesehen. Die Untersuchung des Materials ist noch nicht abgeschlossen.
  • Laut einer Zeitungsmeldung in der englischen Boulevardzeitung The Sun vom 26. August 2009 will Jason Cooke das Ungeheuer in Google Earth an den Koordinaten 57° 13′ N, 04° 34′ W entdeckt haben. Bei starker Vergrößerung fällt jedoch sofort auf, dass es sich um den Umriss eines kleinen Bootes mit der dazugehörigen Hecksee handelt.[2]
 
Plesiosaurier

Theorien

Nessie wird aufgrund der vorliegenden Beschreibungen als eine aus dem Mesozoikum (Erdmittelalter) überlebende Plesiosaurierart vermutet. Dies waren Meeresbewohner mit einem langen Hals, kleinem Kopf und vier paddelförmigen Flossen. Plesiosaurier hatten nur einen kurzen Schwanz. Andere Beobachter sprechen von einer Art Seeschlange, einem Basilosaurus, einem Lurch oder sogar von einem Tier, das sich auch an Land bewegen kann. Da Berichte und Fotos nur vage Details wiedergeben, lässt dies einen großen Spielraum für Spekulationen.

Expeditionen und Nessie-Forschungen

  • 1960 unternehmen die Universitäten Oxford und Cambridge gemeinsam die erste von mehreren wissenschaftlichen Expeditionen zum Loch Ness. Die Forscher installieren Filmkameras rund um den See, die über eine Zeit von mehr als 200 Stunden 85% der Wasseroberfläche kontinuierlich beobachteten. Alle 19 bei dieser Überwachungsaktion gemachten vermeintlichen "Sichtungen" stellten sich dabei später allerdings als Bootswellen oder auffliegende Wasservögel heraus.
  • 1962 wurde das "Loch Ness Phenomenon Investigation Bureau" (LNI) auf Initiative des Antarktisforschers, Ex-Marineoffiziers und Abgeordneten David James gegründet. Mitglieder waren unter anderem die renommierten Naturforscher Sir Peter Scott und Richard Fitter. Während der nächsten zehn Jahre sammelten die Amateurforscher des LNI weitere Sichtungsberichte, schossen zwölf unscharfe Fotos und überwachten ohne großen Erfolg die Seeoberfläche mit Filmkameras. Auch die Versuche, Nessie mit Hilfe von Unterwasserkameras, -mikrophonen und Sonarmessungen dingfest zu machen, scheiterten. 1972 schließlich gab das LNI auf - Nessie blieb unauffindbar.
  • Fast zur gleichen Zeit machte sich Adrian Shine, ebenfalls ein engagierter Amateurforscher und Nessie-Enthusiast, gemeinsam mit der Academy of Applied Science auf die Suche nach dem geheimnisvollen Bewohner von Loch Ness. Beobachtungsreihen mit verankerten Unterwasserkameras brachten äußerst umstrittene Bilder und sorgten zunächst für eine Sensation: Angeblich in mittlerer Wassertiefe aufgenommen, zeige eines der Bilder einen Plesiosaurus-ähnlichen Umriss und ein anderes einen verschwommen abgebildeten Kopf und Hals - so jedenfalls die Interpretation von Shine und seinen Mitarbeitern. Sehr schnell stellte sich aber heraus, dass die Unterwasserkameras bei der Aufnahme der Bilder keineswegs im freien Wasser schwammen, sondern auf den Seegrund abgesunken waren. Die "schwimmenden" Untiere sind nichts anderes als durch aufgewühlte Schwebstoffe verschleierte, ungewöhnlich verwachsene Holzstücke. Eines dieser Stücke, der "Gargoyle-Head" wird wenig später sogar geborgen und gleicht tatsächlich bis in die Details dem angeblichen Bild von Kopf und Hals.[3]
  • In den 1980er Jahren dominierte der Sonar die Suche nach Nessie. Die "Academy of Applied Science" setzte sowohl Schiffe mit Sonar als auch fest im See unter Wasser installierte Sonaranlagen ein. 1985 registrierten die Sonaranlagen des "Loch Ness Projekts" unter der Leitung von Adrian Shine Aufzeichnungen, die von einem sich bewegenden Objekt stammen könnten. Bei weiteren Untersuchungen stellte sich allerdings heraus, dass im See bei bestimmten Windverhältnissen unter der Wasseroberfläche starke Turbulenzen und sogar bis zu 40 Meter hohe Wellen auftreten können. Die meisten der bis dato unerklärlichen Sonarmuster entpuppten sich nun als typische Signaturen dieser Unterwasserwellen.
  • 1986 und 1987 startete die Operation "Deepscan"; Nessie-Forscher rückten mit 20 mit Sonar ausgerüsteten Schiffen aus, um den gesamten See nach Hinweisen auf Nessie abzutasten. Die Sonare der eng nebeneinander herfahrenden Schiffe bildeten unter Wasser einen nahezu geschlossenen Schallvorhang, mit dem die Forscher zweimal fast die gesamte Länge des Sees durchkämmten.
Nach Ausschluss aller falsch-positiven Sonarechos blieben ganze drei mögliche "Kontakte" übrig. Sie lassen sich nicht eindeutig durch bekannte physikalische Phänomene oder Fischschwärme erklären, sind jedoch nach Ansicht der Forscher viel zu undeutlich und unspezifisch, um als eindeutiges Indiz für die Existenz eines Nessie-ähnlichen Wesens zu gelten.[4]

Argumente gegen die Existenz von Nessie

Die Existenz von solch großen Tieren im Loch Ness ist aus ökologischen Gründen kaum möglich:

  1. Loch Ness hat nur eine relativ kleine Oberfläche von 55 km² (39 km lang, 1,5 km breit) und bietet nicht genug Lebensraum, damit eine Population solch großer Tiere so lange Zeit überleben kann.
  2. Um ein längerfristiges Überleben einer Population zu sichern, müsste eine Mindestanzahl an Individuen existieren. Da Plesiosaurier zum Luftholen an die Oberfläche müssten, würde das viel mehr Sichtungen (Lebendsichtungen, Kadaverfunde) ergeben als tatsächlich der Fall ist, zumal Loch Ness intensiv nach Nessie abgesucht wurde.
  3. Loch Ness ist ein sehr kalter und relativ fischarmer See, so dass keine ausreichende Nahrungsgrundlage für so große Tiere besteht.
  4. Es ist unklar, wie die Plesiosaurier in dieser Region die letzte Eiszeit überleben konnten.
  5. Wäre ein Plesiosaurier wechselwarm, wäre Nessie im nur fünf Grad kalten Wasser des Loch Ness fast bewegungsunfähig. Sollte Nessie aber, ähnlich wie es von einigen Dinosauriern angenommen wird, doch ein Warmblüter sein, wäre sein Stoffwechsel intensiver und es bräuchte mehr Nahrung als im See vorhanden.

Plausiblere Erklärungen für angebliche Nessie-Sichtungen sind Fehlinterpretationen von Robben, Fischen, Baumstämmen, Wellenmustern oder tektonischen Bewegungen am Seegrund. Eine für den Loch Ness typische klimatische Eigenheit könnte zudem für weitere vermeintliche Nessie-Sichtungen verantwortlich sein: Das Wasser des Sees ist im Winter deutlich wärmer als die darüberliegende Luft, im Sommer dagegen erheblich kälter. Nahe der Wasseroberfläche bildet sich dadurch bei wenig Wind eine Übergangszone, in der übereinanderliegende unterschiedlich warme Luftschichten und ihre Grenzen Verzerrungen und Luftspiegelungen hervorrufen können. In der Regel werden dabei aus dem Wasser ragende Objekte vertikal gedehnt.[5]

Auch bewusste Fälschungen angeblicher Beweise sind nicht selten.

Weblinks

Quellenverzeichnis