Positiv Denken
Die unter dem Schlagwort positives Denken bekannt gewordene Selbsteinschätzungsphilosophie beruht auf Publikationen des amerikanischen Predigers Joseph Murphy (1898-1981), auf Schriften von Norman Vincent Peale (1898-1993) sowie des Bestseller-Autors Dale Carnegie (1888-1955). In Deutschland ist Erhard Freitag (geb. 1940) einer der bekanntesten Vertreter.
Die Methode beruht darauf, sich spezielle, suggestive Formulierungen (so genannte Affirmationen) aus dem NLP-Bereich für jede erdenkliche Störung auf psychologischem oder körperlichem Gebiet auszudenken. So soll man z.B. mit der Formulierung "Ich fühle mich gesund" Krebs und AIDS heilen können.
Positives Denken ist jedoch eine zur Selbsttäuschung geeignete, rudimentäre Psychotechnik, die in der Regel die bestehenden Probleme nur ausblendet oder zu verdrängen hilft, ohne sie zu lösen. Dadurch kommt es häufig zu einer Problemverschärfung. Die Aufforderung, positiv zu denken, kann schädliche Folgen haben: Gerade Menschen mit einem wenig ausgeprägten Selbstbewusstsein, denen die Technik eigentlich helfen soll, profitieren nicht davon. Sie fühlen sich im Gegenteil sogar schlechter als ohne die Selbstsuggestion.[1]
Positives Denken nach Joseph Murphy
Positiv Denken nach Murphy ist eine esoterische Autosuggestionstechnik des US-Autors Joseph Murphy, die davon ausgeht, dass jeder Einzelne sein Schicksal durch positives Denken nach dem Motto Was immer Sie denken, vermehren Sie positiv beeinflussen könne. So genannte negative Gedanken sollen demnach Arbeitslosigkeit, schwere Erkrankungen, Partnerschaftsprobleme und letztendlich den Tod zur Folge haben. Krankheit ist nach Murphys Überzeugung „nichts anderes als Folge von Irrglauben, grundlosen Befürchtungen sowie negativen Gedanken und Vorstellungen.“[2] Durch so genannte wissenschaftliche Gebete, Affirmationen und Autosuggestionen könne man Einfluss auf sein Unterbewusstsein nehmen, um das eigene Schicksal in eine positive Richtung zu lenken. Viele Thesen übernahm Murphy vom französischen Apotheker Emile Coué, dessen Thesen wiederum in populärwissenschaftlichen Theorien des 19. Jahrhunderts verwurzelt sind.
Erkrankte oder verarmte Menschen sollen nach der Murphy-Lehre an ihrem Schicksal mit schuldig sein. Anwendungen von derartigen Autosuggestionslehren können daher Auslöser für psychische Folgeerkrankungen und Schuldgefühle sein.
Positiv Denken und Krebs
Einige Konzepte des Positiv Denkens beinhalten den Glauben an einen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer postulierten Krebspersönlichkeit und Krebs, der jedoch bislang nicht nachgewiesen werden konnte. Häufig sind Lehren des Positiv Denkens auch mit Schuldzuweisungen in Richtung Patient verbunden. Der starke Glaube an einen Einfluss der Psyche auf Krebs kann dazu führen, dass Betroffene zwanghaft versuchen, negative Gefühle aller Art auszublenden, um einen künstlichen Zustand des dauerhaften positiv Denkens anzustreben. Die Psychoonkologin Susanne Singer von der Universität Leipzig berichtete beispielsweise von einer jungen Brustkrebspatientin, die nicht weinen wollte, weil Tränen angeblich Nahrung für die Krebszellen seien, wie man ihr eingeredet hatte. Als Tyrannei des Positiven Denkens hat die amerikanische Begründerin der Psychoonkologie Jimmie Holland dieses Phänomen scharf kritisiert. Das zwanghafte Unterdrücken negativer Gefühle kann zur seelischen Dauerbelastung werden und die Lebensqualität beeinträchtigen.
Siehe auch
Literatur
- Scheich G: Positiv Denken macht krank. Eichborn-Verlag, ISBN 382183904X