Akupunktur

Die Akupunktur ist eine Methode aus dem therapeutischen Spektrum der traditionellen chinesischen Medizin die auch außerhalb von China Beachtung fand. Teilweise ist die Anwendung der Akupunktur auch in der wissenschaftlichen Medizin (z.B. Orthopädie) anerkannt.

Die Entwicklung der Akupunktur soll, wenn man den Legenden glauben will, eine 4.000jährige Tradition besitzen. Ein berühmter Mythos über die ersten Erfahrungen der Menschheit mit Akupunktur erzählt von einem verletzten Krieger mit einer offenen Wunde. Dieser wurde von einem Pfeil getroffen, woraufhin die Wunde heilte. Die ersten Behandlungen mit der Akupunktur werden in die Jungsteinzeit (Neolithikum) datiert. Damals wurden geschliffene Steine sowie Knochen- und Bambusnadeln benutzt, um Krankheiten zu heilen. Später entwickelte sich daraus die Therapie mit Nadeln aus Bronze, Silber und Gold. Diese Auffassungen sind aber in letzter Konsequenz nicht gesichert.

Detailliertere Angaben über die Entwicklung der Akupunktur und der traditionellen chinesischen Medizin findet man jedoch erst mit dem Beginn der Shang-Dynastie (1766-1122 v. Chr.).

Der Begriff Krankheit bezeichnete keinesfalls ausschließlich nur ein körperliches oder seelisches Unwohlsein, sondern schloss soziokulturelle Faktoren mit ein. In diesem Krankheitsverständnis der Menschen zur Zeit der Shang-Dynastie sieht man heute den Ursprung des für die traditionelle chinesische Medizin so bedeutsamen ganzheitlichen Krankheitskonzeptes, in dem Gesundheit verstanden wird als ein Zustand der Harmonie des Menschen mit sich selbst, seiner sozialen Umwelt und der ihn umgebenden Natur.

Aus der Zeit der Zhou-Dynastie (1066-221 v. Chr.) stammen die Bezeichnungen der ersten Akupunkturpunkte durch den Arzt Pien Chio. Er war der erste chinesische Arzt, dessen Anwendung der Akupunkturtechnik historisch nachgewiesen werden kann. Weiterhin wurde damals erstmalig das Qi definiert.

In der Zeit des goldenen Zeitalters vom 5. bis 2. Jahrhundert v. Chr. entstanden die wichtigsten chinesischen natur- und soziophilosophischen Gedankensysteme Taoismus und Konfuzianismus. Weiterhin wurde das umfassende und grundlegende historische Werk zur traditionellen chinesischen Medizin, Huang Di Nei Jing, das 'Lehrbuch des gelben Kaisers', geschrieben. In Form eines Dialogs zwischen dem Kaiser und seinem Leibarzt Chi Po werden die klassischen therapeutischen und diagnostischen Prinzipien der traditionellen chinesischen Medizin beschrieben. Erstmalig finden sich genaue Anweisungen zu Akupunktur, Moxibustion, Schröpfkopfbehandlung sowie zur Zungen-, Puls- und allgemeinen klinischen Diagnostik. Außerdem wurden erstmals folgende für die TCM elementaren Modelle und Paradigmata dargestellt: Qi, Yin und Yang, die 5 Elemente und die Meridiantheorien. Man war nun in der Lage, die beobachteten Wirkungen in der chinesischen Medizin im Rahmen eigener Theorien zu interpretieren, zu erklären und voraussagbar zu machen.

Ferner schrieb der Arzt Zhang Zhong-jing (150-219 n. Chr.) damals sein Werk 'Abhandlung über verschiedene Erkrankungen durch Kälteverletzung' (Shang-Han Za-Bing Lun). Hierin wird die besondere dialektische Diagnostik der chinesischen Medizin entwickelt, die bis auf den heutigen Tag Gültigkeit hat. Ein weiterer Meilenstein in der Geschichte der chinesischen Heilkunde ist die Veröffentlichung des medizinischen Sammelwerks 'Ben-Cao Gang-Mu' im Jahre 1578

Bis zum 19. Jahrhundert fand eine stetige Entwicklung und Differenzierung der chinesischen Medizin statt. Durch die Öffnung Chinas gegenüber dem Westen während der Opiumkriege (1840-1842) wurde die westliche Medizin über Missionare nach China gebracht. Sie wurde so enthusiastisch aufgenommen, dass die traditionelle chinesische Medizin 1929 durch Kuo Men Tan verboten wurde. Unter Mao Tse Tung, der die Notwendigkeit einer Synthese zwischen westlicher und chinesischer Medizin erkannt hatte, wurden Forschung und Lehre der traditionellen chinesischen Medizin wiederum enorm gefördert.

Die Entwicklung im Westen

Die Entwicklung der Akupunktur in der westlichen Welt begann im 17. Jahrhundert. Der Begriff der Akupunktur (acus = Nadel, pungere = stechen) wurde durch europäische Missionare geprägt. Durch Chinareisende, welche größtenteils Jesuitenmissionare und Diplomaten waren, gelangten die ersten Akupunkturberichte in den Westen. In Europa werden die ersten schriftlichen Erwähnungen in das Jahr 1614 datiert. Die Lehre blieb aber weitgehend unbeachtet. Erst ab 1805 gab es einzelne Berichte aus England, Italien und Deutschland. 1832 wurde in Halle die erste Promotionsarbeit über die Grenzen und Möglichkeiten der Akupunktur geschrieben.

Die stärkste Beachtung fand in der Folge die Akupunktur zunächst in Frankreich. Nach Vicq d` Azyr waren es hauptsächlich Sarlandier und Cloquet, die in Frankreich praktizierten. 1826 veröffentlichte der Pariser Chirurg Jules Cloquet eine Übersicht von 300 Krankenberichten, worin er über die erfolgreiche Therapie von chronischem Rheuma, Kopfschmerzen, Allergien, Schmerzen nach Verletzungen und chronischen Entzündungen mittels dieser Behandlungsmethode berichtet. Nach der Veröffentlichung des Buches L`acupuncture chinoise durch den französischen Diplomaten Soulie de Mourant begannen sich auch in England, Italien, Deutschland, der UdSSR, Österreich und der Schweiz Gruppen zusammenzuschließen, die diese Methode praktizierten und erforschten. Diese Bewegung begann ab den 1950iger Jahren. In den USA wurde aufgrund des Besuchs des US-Präsidenten Nixon in China eine rege Forschungstätigkeit an 26 Instituten und Universitäten aufgenommen (Kuhn 1980).

In den letzten 30 Jahren entstanden folgende Sonderformen der Akupunktur: die Akupunktur des Kopfes, insbesondere der Ohrmuschel, der Nase und des Gesichtes, sowie die Akupunktur der Hand und die Laserakupunktur. Besondere Bedeutung erlangte die Ohrakupunktur (Auriculotherapie), die 1958 von dem französischen Arzt Nogier entwickelt wurde. Hierbei geht man von der Vorstellung aus, dass das Schema des embryonalen menschlichen Körpers sich auf die Ohrmuschel projiziert und somit die Akupunkturpunkte den entsprechenden Körperregionen zugeordnet werden können. Die Ohrakupunktur wird vor allem auf dem Gebiet der Akupunkturanästhesie sowie bei der Behandlung von Suchterkrankungen eingesetzt. In diesem Bereich wird die Akupunktur bei der Raucherentwöhnung, dem Alkohol - und Rauschgiftentzug sowie bei der Gewichtsreduktion bei Übergewicht und Fettsucht eingesetzt.

Einen bedeutenden Auftrieb erfuhr die Akupunktur, nachdem im Westen bekannt wurde, dass in China größere chirurgische Eingriffe unter Akupunkturanalgesie durchgeführt wurden. Hierbei wird die Stimulation der Nadeln entweder durch manuelles Drehen mit der Hand oder durch Elektrostimulation bewirkt. Diese neue Methode nennt sich Elektroakupunktur (EA) oder Elektrostimulationsakupunktur. Chinesischen Aussagen zufolge wurden in den 1960er Jahren in China über 400.000 größere chirurgische Eingriffe unter Akupunkturanalgesie vorgenommen. Heutzutage werden jedoch weniger als 10% der Patienten unter Akupunkturanalgesie operiert. Dies ist vor allen Dingen darauf zurückzuführen, dass die Methode sehr zeitaufwendig, schwierig in der Anwendung und nicht hundertprozentig zuverlässig ist. Außerdem sind heutzutage auch in China chemische Anästhetika leicht zu bekommen. Die somit verdeutlichte analgesierende Wirkung der Akupunktur hat die Untersuchungen zu den neurophysiologischen Wirkungsmechanismen in den letzten 20 Jahren in den Mittelpunkt der Forschungsarbeiten rücken lassen.

Die Akupunktur ist uneinheitlich

Bisher fehlt eine klare, verständliche und umfassende Darstellung der Akupunkturlehre. In Europa existieren derzeit verschiedene Schulen der Akupunkturlehre. In der Praxis bedeutet dies, dass nahezu jeder praktizierende Akupunkteur eigene Auffassungen vertritt und somit eine eigene Schule darstellt. Gelegentlich erwächst beim Informierten der Eindruck, es gäbe (analog zur Homöopathie) ebenso viele Akupunkturlehren wie Akupunkteure. Erkennbar ist dies z.B. an unterschiedlichen Definitionen der zu punktierenden Hautstellen. Wer die jeweiligen Publikationen kritisch vergleicht, wird erstaunt feststellen, dass Hautpunkte, die auf von unterschiedlichen Autoren stammenden Akupunkturkarten finden, zwar gleich benannt sind, aber nicht exakt übereinstimmen. Die nachfolgende Abbildung zeigt eine allgemeine Übersicht, die von einem Akupunkturnadel-Hersteller angeboten wird.

Die Position einiger Akupunkturpunkte der linken Abbildung unterscheidet bereits von Angaben in Punktekarten, die von Hecker (1992) publiziert wurden. Man erkennt dies beispielsweise, wenn man die Akupunkturpunkte in der Kopfregion oder der Fußregion zwischen der linken und rechten Abbildung vergleicht.

Eine anatomisch exakte Beschreibung der Einstichpunkte ist auch gar nicht möglich, weil jeder Mensch unterschiedlich groß, breit und schwer ist. Der Verlauf von Nervenbahnen unter der Haut ist ebenfalls nicht exakt identisch, auch manche Muskelansätze sind individuell verschieden. Es ist also gar nicht möglich, einen exakten Plan des Menschen zu erstellen, der für die Akupunkturpunkte allgemein verbindlich wäre. Eine schematische Einteilung mag dem nicht aufgeklärten Patienten eine scheinbare Übereinstimmung der Akupunkturpunkte vorspiegeln, aber in der Realität ist eine exakte Nadelung gar nicht möglich, weil bereits die anatomische Basis unterschiedlich ist.

Akupunkturpunkte werden über 'den Daumen gepeilt'

Das Problem der ungenauen Lokalisation ist in der Akupunkturszene durchaus bekannt. Man behilft sich mit relativen Maßeinheiten. So werden in der chin. Akupunkturlehre Vergleichsgrößen verwendet, die Abstände zu vermessen helfen sollen.

Die Maßeinheit wird Cun genannt. Man orientiert es entweder an der Länge des Mittelgliedes des Mittelfingers oder an der Daumenbreite des Patienten. Ein Vielfaches dieses Cun wird dann allerdings nicht mehr in einem Vielfachen des Daumenabstandes, sondern in Fingerbreiten ausgedrückt (Kampik 1991). Diese Streckenangaben, die zum Auffinden von Akupunkturpunkten dienen sollen, sind sehr ungenau. Allein dies zeigt, wie grob die Akupunktur in der Eigendarstellung wirklich ist.

Wissenschaftliche Grundlagen der Akupunktur

Die genaue Übersetzung des Akupunkturpunktes lautet Eingangsstelle zu einer unterirdischen Verbindung. Der Akupunkturpunkt ist ein funktioneller Begriff, der als Projektionsstelle für tiefer im Organismus stattfindende Reaktionen angesehen wird. Der klassische Akupunkturpunkt hat eine Größe von 1-7 mm2. Es liegen etwa 400 Punkte auf 14 Hauptlinien (sog. Hauptmeridianen) und weitere 171 Punkte außerhalb dieser Linien. In den letzten Jahren wurden weitere 110 neue Punkte erfasst. Insgesamt kann man von etwa 1.000 Akupunkturpunkten ausgehen. Nur ein Drittel von ihnen liegt in der Nähe oder direkt bei Nervenaus- und -durchtrittstellen der Haut, ein weiteres Drittel befindet sich in der Nähe von Muskel- und Sehnenansätzen oder deren Rändern. Das letzte Drittel findet man in der Nähe des Ohres, der Kopfhaut (Skalp) und anderen Bereichen. Einige Punkte liegen an den gleichen Stellen, die auch in der westlichen Medizin als druckempfindliche Regionen gelten (Bischko 1980).

Nach den chinesischen Vorstellungen der Akupunkturlehre verlaufen jeweils auf der linken und rechten Körperhälfte 12 Meridiane (6 yang- und 6 yin-Meridiane), die einem Organ bzw. Funktionskreis zugeschrieben werden. Die Meridiane steuern angeblich die Zirkulation der Körperenergie (Ch'i/Qi) als auch des Blutes. Einen Hinweis oder Nachweis für die Existenz dieser Meridiane hat man bis heute nicht führen können (Bischko 1980).

Die sog. Gate Control Theory wird gerne als Begründung für die mögliche Wirkung der Akupunktur herangezogen (Melzak und Wall 1965). Dabei spielt die Tatsache eine Rolle, dass Schmerzreize auf zwei verschiedenen Wegen wahrgenommen werden. Auf den ersten, 'hellen' Schmerz folgt eine 'dumpfe' Schmerzwahrnehmung. Für den hellen Oberflächenschmerz sind dicke, schnellleitende Nervenfasern verantwortlich, während der dumpfe Schmerz über dünne, langsam leitende Schmerzfasern an das Gehirn gemeldet wird. Die Gate Control Theory postuliert, dass die Akupunktur nur die langsam leitenden Schmerzfasern stimuliert, die dann im Rückenmark die Schaltstelle blockieren sollen, durch die auch die schnellen Schmerzimpulse geleitet werden. Man schließt also das Tor für den Schmerz, wodurch die Schmerzimpulse nicht an das Gehirn gemeldet werden sollen. Einen wirklicher Beweis für diese Theorie gibt es bis heute nicht.

Die Endorphin-Theorie von Pommeranz (1978) geht davon aus, dass die Akupunktur zur Ausschüttung körpereigener Schmerzhemmer aus der Gruppe der Morphine (sog. endogene Dynorphine oder Endorphine) führt. Die Akupunktur stimuliert Nervenfasern im Muskel, die Impulse ans Rückenmark entsenden und die drei Zentren Medulla, Mittelhirn und Hypothalamus-Hypophyse erreichen und und somit eine Analgesie bewirken. Auf spinaler Ebene werden Enkephalin und Dynorphin freigesetzt. Im Mittelhirn wird mit Enkephalin das absteigende Raphesystem aktiviert, das die Schmerzfortleitung im Rückenmark durch synergistische Wirkung der Monoamine Serotonin und Noradrenalin verhindert. Im dritten Zentrum, der Funktionseinheit Hypothalamus-Hypophyse kommt es zur Ausschüttung von ß-Endorphin in den Liquor und ins Blut. Auf welchem Weg das ß-Endorphin von der Hypophyse ins Gehirn gelangt und dort Analgesie verursachen soll, ist jedoch noch nicht genau bekannt.

Es gibt allerdings etwa 10 weitere Theorien, die in ähnlicher Weise eine Wirksamkeit der Akupunktur über biochemische Prozesse erklären wollen. Aus Platzgründen verzichten wir auf deren Darstellung. Übereinstimmend ist jedoch das Faktum, dass keine dieser Theorien bis heute wirklich glaubhaft begründet wurde und es auch ausgesprochen unwahrscheinlich ist, dass die Stimulation peripherer Nervenbündel zu solch dramatischen, gleichzeitig aber auch hochselektiven Veränderungen im Hormonhaushalt des Menschen führt. Wäre dem der Fall, wäre der menschliche Organismus ein ausgesprochen empfindliches, auf minimale Manipulationen chaotisch reagierendes System mit geringer Überlebenswahrscheinlichkeit.

Was bisher glaubhaft bewiesen werden konnte, ist der Umstand, dass eine Akupunkturnadel am Einstichort zu einer Erhöhung der lokalen Durchblutung führen kann. Da allerdings Kapillaren und Nervenendfasern am Einstichort nirgendswo im Organismus in direkter Verbindung mit einem Organ oder Organsystem stehen, ist bis heute unbewiesen, wie genau diese geringe, lokale Erwärmung auf den Organismus wirken soll.

Die angeblichen Indikationen der Akupunktur und die Realität

Glaubt man der Forschungsgruppe Akupunktur, hat die Methode folgende Indikationen:

  • Innere Erkrankungen: funktionelle Herzerkrankungen, Asthma und Bronchitis, Zahnfleischentzündungen, Magenschleimhautentzündungen, funktionelle Magen- und Darmkrankheiten, Morbus Crohn bzw. Colitis ulcerosa, Durchblutungsstörungen, Entzündungen der Blase, Neigung zu Erkältungskrankheiten
  • Orthopädische Erkrankungen: Nackenschmerzen und Nackensteife (z.B nach Schleudertrauma), Schulterschmerz und Schultersteife, Schulter-Arm-Schmerz, Tennis- und Golferarm, Erkrankungen der Sehnen, Überbein (z.B. an der Hand), chronische Kreuzschmerzen, Hexenschuss, Ischialgie (auch bei Bandscheibenschaden), Arthroseschmerz, Sprunggelenks- und Fersenschmerz, Sportler-Erkrankungen, Rheuma
  • Akupunktur bei Kindern: diverse Erkrankungen
  • Neurologische Erkrankungen: Kopfschmerz und Migräne, Trigeminusneuralgie, Gesichtsnervenlähmung, Lähmung nach Schlaganfall
  • HNO- und Augenerkrankungen: Heiserkeit, Fremdkörpergefühl im Hals, Allergie (Heuschnupfen), Entzündungen der Nase und der Nasennebenhöhlen, Verlust des Geruchssinns, Hörsturz, Gleichgewichtsstörungen, Tinnitus, Entzündungen des Sehnerven und der Netzhaut, Bindehautentzündungen, Kurzsichtigkeit, Glaskörpertrübung
  • Gynäkologische Erkrankungen: Menstruationsstörungen, Beschwerden in den Wechseljahren, Schwangerschaftserbrechen, Geburtserleichterung
  • sonstige Indikationen: chronisches Müdigkeitssyndrom, Schlafstörungen, Übererregbarkeit und Depression, Übergewicht, Nikotinsucht, Drogenentzug

Nach Meinung von Prof. Ezard Ernst, Lehrstuhlinhaber für Komplementäre Medizin der Universität von Exeter in Großbritannien sind jedoch nur wenige dieser Indikationen wirklich glaubhaft belegt. Lediglich Lumbago, Migräne, Übelkeit/Erbrechen und Zahnschmerzen können seiner Ansicht nach mit der Akupunktur behandelt werden. Bei Arthrose, Asthma, Kopf-/Nackenschmerzen, rheumatoider Arthritis, Suchtkrankheiten und in der Rehabilitation von Schlaganfällen ist die Wirksamkeit der Akupunktur nicht bewiesen bzw. umstritten. Eindeutig unwirksam ist die Akupunktur im Bereich der Gewichtsreduktion und der Raucherentwöhnung (Ernst 2000). Zusätzlich wurde in einer Dissertation von Baumann-Jiang an der Universität Heidelberg in einer placebokontrollierten Doppelblindstudie nachgewiesen, dass weder die Nadel- noch die Laserakupunktur einen nachweisbaren milchsteigernden Einfluss bei stillenden Müttern bewirkte. In einer Literaturübersicht der Cochrane Library wurden randomisierte Akupunkturstudien hinsichtlich der Indikation von Rückenschmerzen untersucht. Die 11 ermittelbaren Studien zeigten nach Ansicht der Autoren keinen Hinweis auf eine Wirksamkeit der Methode bei dieser Indikation (Tulder et al. 2000).

Bei der Untersuchung der Akupunktur gibt es methodische Probleme, wenn man sich passende Placeboverfahren ausdenken will. Araujo (1998) fand in einer Literaturübersicht von 90 Akupunkturstudien heraus, dass bereits die Wahl des Akupunkturplaceboverfahrens einen Einfluss auf den Ausgang der Akupunkturstudie hat. Er teilte die Studien in zwei Gruppen ein. In der ersten Gruppe analysierte er 45 Studien, die als Placebo eine falsche Akupunktur benutzten. Hier wurden die Kontrollnadeln in Regionen außerhalb der Meridiane platziert. Gemäß der Akupunkturlehre hätten diese Kontrollpatienten keine Wirkung aufweisen dürfen. Er benannte diese Gruppe mit dem Schlagwort energetisches Placebo-Modell (EPM). In einer zweiten, weitere 45 Studien umfassenden, Gruppe analysierte er Studien, in denen die Placebobehandlung mit Akupunkturnadeln erfolgte, die noch im Meridianbereich, aber schon weit genug vom Ausgangspunkt der angeblich wirksamen Nadeln gesetzt wurden. Diese Studien ordnete er dem neurophysiologischen oder metametischen Placebo-Modell (MPM) zu. Als Ergebnis stellte Araujo (1998) fest, dass in den Studien, die EPM-Nadelung als Kontrolle verwendeten, der Anteil an nicht signifikanten Ergebnissen deutlich höher war als in den Studien, die MPM-Methoden verwendeten. Allerdings erschien die falsche Akupunktur in beiden Gruppen ähnlich wirksam wie die angeblich richtige Akupunkturtechnik. Es herrscht bis heute keine Einigkeit darüber, welches tatsächliche Placeboverfahren man bei Wirksamkeitsnachweisen verwenden soll.

Die geringe Systematik in der Forschung über die Wirkung der Akupunktur wird immer wieder kritisiert (Resch und Ernst 1995). Berücksichtigt man, dass einige therapeutische Schwerpunkte nur scheinbar solche sind, weil mehrere oder alle Arbeiten über die Akupunktur zu einem bestimmten Thema oft vom gleichen Autor oder einer immer wieder publizierenden, sich kaum verändernden Arbeitsgruppe stammen, drängt sich das Bild einer 'Schrotschuss-Forschung' auf. Durch das zentrierte Verhalten der Forscherlandschaft in der Akupunkturszene, die sich kaum nach außen öffnet oder Kritik zur Kenntnis nimmt, erklärt sich auch die niedrige Qualität vieler klinischer Studien in diesem Bereich. Die Masse der Studien ist zwar groß, ihre Qualität aber überwiegend miserabel.

Akupunktur hat Nebenwirkungen

Die in der Akupunkturszene gern verbreitete Behauptung, ihre Methode sei nebenwirkungsfrei, ist rundweg falsch. In einer Publikation von MacPherson et al. (2001) wurden Nebenwirkungen von 1.848 Akupunkteuren abgefragt, die dem British Acupuncture Council angehörten. Von den Therapeuten machten aber gerade einmal 31% (n=574) verwertbare Angaben. In einem 4-Wochen-Zeitraum hatten diese Therapeuten insgesamt 34.407 Akupunktursitzungen durchgeführt. Es kam in 12 Fällen zu schwerer Übelkeit und Erbrechen, Benommenheit und Schwitzen, in weiteren 7 Fällen zu unerwarteter Zunahme der bestehenden Symptome, in 5 Fällen zu verstärkten Schmerzen und in 4 Fällen zu psychologischen und emotionalen Reaktionen. Bei 3 Fällen wurde entweder die Akupunkturnadel vergessen oder die Moxibustion bzw. Erhitzung der Nadeln führte zu Hautverbrennungen. Weitere 10 Patienten zeigten verschiedene Nebenwirkungen, die von Kopfschmerzen bis Blut im Urin reichten. Zwei weitere Fälle wurden ohne Angabe konkreter Nebenwirkungen als Schadensfälle angegeben. Es am also insgesamt zu 43 Nebenwirkungen bei 34.407 Behandlungen, was einer Nebenwirkungshäufigkeit von 0.12% entspricht.

Röttger (1999) stellte eine Übersicht von Nebenwirkungsberichten unter Akupunkturtherapie zusammen. Er trennte auf in:

  • leichte, unerwünschte Wirkungen: Kreislaufkollaps, Hämatome an der Einstichstelle, lokale Verbrennungen nach Erhitzung der Nadel oder der Akupunkturpunkte mittels Beifusskraut (Moxibustion), lokale Hautinfektion, Menstruationsstörungen, Schmerzverstärkung im Rahmen einer Erstverschlimmerung bei Akupunktur, Aktivierung eines Herpes, geringfügige Blutungen nach Entfernen der Akupunkturnadeln
  • schwere Komplikationen: Gefäß- und Nervenverletzungen, uni- und bilateraler Pneumothorax, Hämatothorax, Verletzungen des Perikards, Perikardtamponaden, Endokarditis bei Herzklappenersatz, Verletzungen zentralnervöser Strukturen, Infektionen mit Hepatitis B-Viren bei nicht fachgerecht sterilisierter Nadel

Röttger (1999) kritisierte, dass einige Akupunkturpunkte bereits in sich eine Verletzungsgefahr beinhalteten. So sei der Punkt Gallenblase 20 am zervikookzipitalen Übergang dafür prädestiniert, bereits bei geringer Eindringtiefe der Nadel eine Verletzungsgefahr der A. vertebralis nach sich zu ziehen. Hier zeigt sich die Folge der geringen anatomischen Kenntnisse der Traditionellen Chinesischen Medizin, da die Sektion zur Gewinnung von Anatomiekenntnissen aus historischen Gründen in China lange Zeit verboten war. Das Problem geringer anatomischer Kenntnisse spielt aber auch im Bereich der Heilpraktiker in Deutschland eine große Rolle, da deren Ausbildung diesbezüglich eher rudimentären Charakter hat.

Bei der Akupunktur ist zwischen unerwünschten Wirkungen, die sich auch bei sorgfältiger Stichtechnik nicht vermeiden lassen, und schweren Komplikationen, die bei richtiger Anwendung vermeidbar gewesen wären, zu unterscheiden (Röttger 1999). Die ersten Probleme sind aufklärungspflichtig, letztere gelten hingegen als Behandlungsfehler, bei denen eine Aufklärung per se nicht möglich ist.

Wie sich Behandlungsfehler ereignen können, zeigen Fallbeschreibungen wie jene von Halvorsen et al. (1995). Eine 40jährige Frau wurde im Bereich des Brustbeins akupunktiert. Dem Therapeuten hätte eigentlich bei der Abtastung des Brustbeines auffallen müssen, dass die Dame ein Loch im Brustbein aufwies. Der Knochen hatte eine Öffnung von der Größe von 2 cm, die tastbar gewesen wäre. Der Therapeut stach mehrere Nadeln in das Brustbein, die zunächst bis zum Knochen gelangten und dort stecken blieben. Bei der Applikation einer weiteren Nadel durch die Haut über dem Loch drang die Nadel aber sehr tief ein. Sie drang durch das Loch bis zum Herzen vor, stach dort ein 2-3 mm großes Loch in den Herzbeutel un die Herzwand ein und erzeugte somit eine Blutung aus der Herzkammer in den das Herz umgebenden Gewebesack. Innerhalb weniger Minuten klagte die Patientin über vernichtenden Brustschmerz. Man rief einen Krankenwagen, aber bis zur Einlieferung in ein Krankenhaus und eine korrekte Diagnosestellung verstrichen 2 Stunden. Die Patientin verstarb in dieser Zeitspanne. Solche Löcher im Brustbein sind nicht selten. Bei Männern kommen sie in 9.6% und bei Frauen in 4.3% der Fälle vor (McCormick 1981).

Wer darf akupunktieren?

In der Bundesrepublik Deutschland dürfen derzeit nur Ärzte, Hebammen und Entbindungshelfer, Heilpraktiker sowie Krankenschwestern/-pfleger die Akupunktur ausüben. Schwestern und Pfleger dürfen dies im übrigen nur unter ärztlicher Aufsicht tun, da die Akupunktur rechtlich etwa der Möglichkeit zur intramuskulären Injektion gleichgesetzt wird (Koettnitz 1998).

Das Geschäft mit der Akupunktur

Nach Angaben der Deutschen Akademie für Akupunktur und Aurikolomedizin e.V. ist die Akupunktur heute eine Notwendigkeit für den Kassenarzt. Sie gilt als 2. Standbein für den Niedergelassenen und ist aufgrund der Aufnahme in den ärztlichen Leistungskatalog (Gebührenordnung für Ärzte bzw. GOÄ) auch mit den Leistungsziffern 269 und 269a abrechenbar.

Damit der Arzt die Akupunktur als Privatleistung abrechnen kann, benötigt er eine entsprechende Ausbildung. Sie umfasst eine 350stündige Ausbildung mit diversen Diplomen. Diese Aus- und Weiterbildungspflicht ist ein lukrative Geschäft, denn ohne Diplom kann der Arzt nichts berechnen. Für Kurse, die zur liquidationsberechtigenden Diplomierung führen, müssen Ärzte Summen bis zu 8.000 Euro (und mehr!) auf den Tisch legen. Die entsprechenden Vereine, deren Leiter und die Referenten, die in Zusammenarbeit mit den Ärztekammern der einzelnen Bundesländer diese Kurse veranstalten, verdienen exzellent an diesem künstlich geschaffenen Flaschenhals. Es ist kein Zufall, dass sich die Führungsriegen der deutschen, ärztlichen Akupunkturszene eng mit den Entscheidungsgremien in den Ärztekammern verzahnt haben. Hier wäscht eine Hand die andere, um den Ärzten das Geld aus der Tasche zu ziehen.

Hat ein Arzt erst einmal seine Akupunkturbefähigung erworben, muss er recht intensiv die Akupunktur betreiben, um die Ausbildung zu refinanzieren und Gewinne zu machen. Der Vorteil der Akupunktur ist, dass sie derzeit eben gerade nicht von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt wird. Auf diese Weise muss der Patient vollumfänglich bezahlen. Würde die Akupunktur von der Kasse bezahlt, fielen sofort die Gewinne und die Ärzteschaft würde neue, privatmedizinische Einkommensquellen erschließen müssen. Für eine Akupunktur zur Schmerzbehandlung kann ein Arzt gemäß Gebührenziffer 269 pro Sitzung 200 Punkte (22.80 Euro), für eine mehr als 20minütige Behandlung (Ziffer 269a) sogar 350 Punkte (39.90 Euro) berechnen. Da es sich aber um eine Privatleistung handelt, kann der Arzt mit einem Multiplikator (1.8-2.3facher Satz) den Eurobetrag multiplizieren. So kann er bei einem zahlungskräftigen Schmerzpatienten ohne Probleme für eine 30minütige Sitzung zwischen 72-92 Euro berechnen. Dabei hat der Arzt nur wenige Minuten Arbeits- und Gesprächsaufwand, denn die meiste Zeit liegt der Patient allein auf einer Liege. Findige Akupunkteure können mehrere Patienten gleichzeitig behandeln. Da der Material- und Zeitaufwand gering ist, handelt es sich für den Niedergelassenen um eine hoch lukrative Einnahmequelle.

Nicht vergessen werden darf die geschäftliche Korona. Am Akupunktur-Boom verdienen nicht nur einschlägige Verlage (Hippokrates, Enke, etc.) mit ihren Buchpublikationen, sondern auch eine ganze Reihe von Akupunkturnadel-Anbietern, die von der Einmal-Akupunkturnadel bis zur in China leider immer noch üblichen Mehrfach-Akupunkturnadel alle Typen in unterschiedlicher Qualität im Angebot haben. Abgerundet wird die Korona durch Reiseveranstalter, die ausbildungswillige Europäer in einschlägige chinesische Universitäten transportieren, um dort eine in Europa begonnene Ausbildung zu beenden. Dabei sollte man sich darüber im Klaren sein, dass (wie bei der TCM) die Akupunktur in China in bestimmten Kreisen ein echter Devisenbringer geworden ist.

In den USA ist die Akupunktur ebenfalls zu einem guten Geschäft geworden. Bereits 1993 meldete die US-Gesundheitsbehörde FDA (Food and Drug Administration), dass jährlich 0,5 Mrd. US-Dollar für Akupunktur-Maßnahmen ausgegeben würden, was 9-12 Mio. Therapiesitzungen entsprechen würde. Die WHO schätzt die Zahl der Akupunktur-Anbieter in den USA auf ca. 10.000, wobei nur etwa 3.000 Ärzte darunter sein dürften (MMW 1997). Aufgrund des Einflusses der Akupunktur-Lobby musste die FDA sogar eine Herabstufung der Akupunkturnadeln bereits im Jahre 1996 vornehmen. Ursprünglich waren sie als wirksamkeitsnachweis-pflichtige Class III-Devices eingestuft worden. Auf Druck der Szene wurden die Nadeln in lediglich anmeldungspflichtige Class II-Devices herabgestuft. So konnten die Hersteller nur noch eine preiswerte Voranmeldung ihrer Nadeln einreichen und dann mit dem Verkauf beginnen, ohne eine Wirksamkeit ihrer Nadeln nachweisen zu müssen. In Deutschland ist die Lage vergleichbar. Jedermann kann Akupunkturnadeln verkaufen, so lange deren Herstellung sicher und die Sterilität des Produktes erwiesen ist.

Deutsche Krankenkassen helfen der Akupunktur aus taktischen Gründen

Die Deutsche Angestellten Krankenkasse, die Barmer und die Kaufmännische Krankenkasse haben sich im Jahre 2000 für die Aufnahme der Akupunktur in den gesetzlichen Leistungskatalog eingesetzt. Hintergedanke dieser mit wenig Aussicht auf Erfolg ausgestatteten Marketingkampagne ist offenbar der Versuch, sich junge, gesunde, alternativmedizinisch ausgerichtete Beitragszahler zu sichern. In einem fragwürdigen Modellvorhaben, in dem seit Oktober 2000 Ärzte, die Akupunktur betreiben, ihre Patienten mit Fragebögen hinsichtlich des Therapieerfolgs bewerten sollen, versuchen diese Kassen, einen Wirksamkeitsnachweis der Methode zu generieren. Dabei ist diese Studie methodisch miserabel geplant. Es findet kein Vergleich zu konventionellen Therapiemethoden statt, es wird keine Scheinbehandlung durchgeführt und es werden keine sauberen Indikationen der Patienten ermittelt. Es wird schlichtweg eine unsaubere definierte Reihe von Behandlungsindikationen in einen Topf geworfen mit dem Ziel, eine scheinbare Verbesserung der Leiden durch die Akupunktur zu beweisen.

Offenbar versuchen einige Krankenkassen, der Akupunktur einen seriösen Anstrich zu verleihen. Nach Angaben des Bundesversicherungsamtes dürften die Kassen jährlich 150-300 Mio. Euro für Akupunktur an Ärzte ausreichen. Dies sind 1,5 Promille aller Gesundheitskosten. Da die Methode bis heute keinen glaubwürdigen Wirksamkeitsnachweis in den behaupteten Indikationsbereichen geliefert hat, versuchte das Bundesversicherungsamt, diesen Abstrom von dringend benötigen Finanzmitteln aus der GKV heraus zu unterbinden. Man scheiterte damit allerdings erstinstanzlich vor dem Sozialgericht in Lübeck (Az. S 8 KR 167/99 ER 2) und zwar aus rein formalen Gründen. Das Bundesversicherungsamt ist schlicht nicht zuständig für die Bewertung und Außerverkehrnahme von fragwürdigen Methoden. Lediglich der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen ist hier weisungs- und entscheidungsbefugt. Allein dieser formale Grund schützte die Pfründe der Akupunkteure, die ohne die fragwürdige Bezuschussung aus dem GKV-Sektor heraus nicht lebensfähig wären, denn im Privatmedizinsektor wird nur ein kleiner Teil des 0,7 Mrd-Umsatzes der Akupunkturszene derzeit erwirtschaftet.

Ob die deutschen Krankenkassen allerdings wirklich von der Akupunktur profitieren werden, wenn sie ihre kurzsichtige Interessen- und Marketingstrategie verfolgen, bleibt zweifelhaft. Die in der Schweiz vor einigen Jahren durchgeführte HELSANA-Studie zeigt eher das Gegenteil. Patienten, die alternative Methoden ausprobieren, kosten nach dieser Studie eindeutig mehr und sind nicht gesünder als Patienten, die diese Methoden ablehnen.

Die positive Einstellung bestimmter gesetzlicher Krankenkassen in Deutschland gegenüber der Akupunktur hat rein taktische Gründe. Die Akupunktur gilt aus rechtlicher Sicht als 'neue Therapiemethode', weil sie im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) gemäß § 87 SGB V nicht ausgeführt ist. Da der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen am 16.10.2000 die Akupunktur in die Liste der nicht anerkannten Methoden eingruppiert hat und lediglich für drei Indikationen (chronischer Kopfschmerz, chronische Lendenwirbelsäulen-Beschwerden, chronische osteoarthritische Beschwerden), die länger als 6 Monate bestehen, eine Beschlussfassung für drei Jahre ausgesetzt hat, haben die Krankenkassen hier die Möglichkeit, Modellversuche legal durchzuführen, um Wirksamkeitsnachweise zu erbringen. Selbst wenn es zu Gerichtsprozessen bei gescheitertem Wirksamkeitsnachweis und dann negativer Einstufung durch den Bundesausschuss kommt, ist es den GKV-Kassen nicht erlaubt, für diese Indikationen zu bezahlen. Bestimmte Kassen wie die anthroposophisch ausgerichtete Securvita BKK, in deren Vorstand der Geistheilung propagierende, ehemalige Vorsitzende der Berliner Ärztekammer, Dr. med. Ellis Huber, sitzt, haben aber ein primäres Interesse am Verkauf von Versicherungspolicen, die fragwürdige Methoden teilweise oder vollständig zu bezahlen versprechen.

Diese Krankenkassen versuchen deshalb verzweifelt, gemäß §§ 63 ff. SGB V im Rahmen von Modellversuchen Wirksamkeitsnachweise für die Akupunktur zu erzeugen, obwohl in der medizinischen Fachliteratur keine glaubhaften Nachweise existieren. Mit entsprechenden positiven Pressemeldungen über angebliche Erfolge des derzeit laufenden, methodisch drittklassig konzipierten, Modellversuchs im Bereich der Akupunktur verfolgen einige GKV-Kassen das Ziel, juristische Fakten zu schaffen. Sie sind offenbar immer noch der Ansicht, durch komplementäre Methoden junge, zahlungskräftige Mitglieder aus anderen Kassen abzuwerben.

Quellennachweise

  • Araujo MS: Does the choice of placebo determine the results of clinical studies on acupunture? Forsch Komplementärmed, 5 (Suppl.1), 8-11, 1998
  • Baumann-Jiang, MS: Placebokontrollierte Doppelblindstudie zur präventiven Wirkung der Akupunktur von Laktationsstörungen. Med.Diss. Univ. Heidelberg
  • Bischko J: Akupunktur - Grundlagen, Indikation und Grenzen. Orthopädische Praxis, 10, 887-890, 1980
  • Ernst E: Akupunktur - Indikationen und Risiken. Münch Med Wschr, 142, Nr.22, 44-45, 2000
  • FDA: Acupuncture needle status changed. http://www.fda.gov/bbs/topics/ANSWERS/ANS00722.html
  • Halvorsen TB, Anda SS, Naess AB, Levang OW: Fatal cardiac tamponade after acupuncture trough congenital sternal foramen. Lancet, 345, 1175, 1995
  • Hecker U: Arbeitsbuch Akupunktur. Hippokrates Verlag, Stuttgart, 1992
  • Kampik G: Propädeutik der Akupunktur. 2. Aufl., Hippokrates Verlag, Stuttgart, 1991
  • Koettnitz F: Akupunktur - ein naturwissenschaftlich orientiertes Lehrbuch für Ärzte. Enke Verlag, Stuttgart, 1998
  • Kuhn E: Akupunktur, Theorien und physiologische Forschungsergebnisse. Med Diss, Münster, 1980
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