George Ohsawa

Der Begriff Makrobiotik (altgriechisch: μακρóς makros „groß“, „lang“ und βιοτικóς biotikos „das Leben betreffend“, „gesamtes Leben) entstand in der Antike und bezeichnet eine Lebensweise, die zu einem gesunden, langen Leben führen soll. Die moderne Makrobiotik wurde im Wesentlichen von dem Japaner George Ohsawa (eigentlich Yukikazu Sakurazawa, 1893–1966, auch Andersschreibung als Georges Ohsawa bzw Osawa) begründet. Sie ist eine auf taoistischen Lehren und asiatischen Traditionen basierende Ernährungs- und Lebensweise, die nach dem Zweiten Weltkrieg im Rahmen der New-Age-Bewegung auch in der Westlichen Welt Anhänger fand. Nach dem Tod von Ohsawa wurde seine Lehre von einigen seiner Schüler modifiziert und weiterentwickelt.

Die ursprüngliche Basis der makrobiotischen Diät, die für vielerlei Erkrankungen als Heilmethode angepriesen wird (u.a. Krebs), ist keine eigentliche Diät, sondern eine philosophisch ausgerichtete Lebenshaltung. Ohsawa leitete sie aus dem Zen-Buddhismus ab.

Entstehung

Ohsawa war der Ansicht, dass der Konsum von raffiniertem Zucker und eine zu starke Zufuhr tierischen Eiweißes die beiden Hauptursachen für menschliche Krankheiten seien[1]. Dass diese Thesen nicht stimmen, war schon zu Ohsawas Zeiten bekannt.

Trotzdem entwickelter er ein auf der Basis traditioneller, japanischer, kosmologisch ausgerichteter Denkwelten des Zen-Buddhismus ein strenges Ernährungskonzept.

Grundsätzlich teilte er die Nahrung in Yin (zentrifugal gerichtet) und Yang (zentripedal gerichtet) ein. Er strebte einen Ausgleich zwischen beiden Nahrungsmitteltypen an. Seine Einteilung war jedoch rein willkürlich und hatte hatte keinen Bezug zur medizinischen Realität.

Der Begriff "Makrobiotik" geht offenbar auf Christoph Wilhelm Hufeland im 18. Jahrhundert zurück.

George Ohsawa und Michio Kushi behaupteten in den sechziger Jahren, in einem Lichtbogen aus Kohlenstoff und Sauerstoff das Element Eisen transmutatiert zu haben. Sie beriefen sich dabei auf Corentin Louis Kervran.

Zusammensetzung makrobiotischer Diät

Ohsawa unterschied zehn Stufen der Ernährung, die er mit -3 bis 7 bewertete. Von Stufe 1 bis 7 wird eine ansteigende Höherwertigkeit gesehen, da die Stufen eine zunehmende Ausgewogenheit von Yin und Yang enthalten sollen. Auch war er der (nach naturwissenschaftlichen Ernährungslehren nicht haltbaren) Auffassung, dass man alle Diätvorschriften oberhalb von Nr. 3 so lange gefahrlos fortsetzen könne, wie man wolle.

Der Stufe Nr. 7, die ausschließlich aus Getreide besteht, misst Ohsawa besondere Bedeutung zu, denn zu Beginn der Ernährungsumstellung oder bei Krankheit wird Stufe 7 als Umstellungsdiät für einige Zeit empfohlen. Bei Herstellung der Gesundheit kann dann auch zu den Stufen 1 bis 6 übergegangen werden. Stufe 7 ist seiner Auffassung nach „der leichteste, einfachste, klügste und schnellste Weg zurück zur Gesundheit“, den man „für ein paar Wochen oder Monate“ beschreiten soll, wenn in den anderen Stufen noch nicht der optimale Gesundheitszustand, gemessen anhand Ohsawas sechs Kriterien, erreicht wurde.

Fleisch gilt in der Makrobiotik als schwer verdaulich und bildet beim Verdauungsprozess angeblich Toxine im Körper, was zur Übersäuerung des Organismus führe. Das Ernährungskonzept verzichtet daher generell auf Fleisch. Auch Milch und Milchprodukte gelten als schädlich und werden abgelehnt. Sie seien für Menschen „Fremdkörper“ (außer Muttermilch), die wegen des Kasein-Gehaltes angeblich Schleim im Darm und in den Atemwegen bilden und diverse Krankheiten verursachen. Auch Zucker wird abgelehnt und gilt als wesentlicher Verursacher von Zivilisationskrankheiten; er gilt als extrem Yin. Salz sei dagegen extrem Yang.

Nachtschattengewächse wie Kartoffeln, Tomaten und Paprika gelten ebenfalls als stark Yin und sind daher zu meiden. Rohkost habe eine kühlende Wirkung auf den Organismus und soll nur in kleinen Mengen gegessen werden. Grundsätzlich abgelehnt werden die meisten Genussmittel wie Kaffee, schwarzer Tee, scharfe Gewürze, Alkohol, stark verarbeitete Lebensmittel, Konserven und Tiefkühlkost.

Bei allem, so betont Ohsawa wiederholt, komme dem Menschen eine hohe Eigenverantwortung für Ernährung und Gesundheit zu. Durch Eigenbeobachtung soll er ein zunehmendes Körpergefühl und –bewusstsein entwickeln und selbst entscheiden, was der eigenen Gesundheit am besten bekomme.

Die Stufen -1 bis -3 werden von Ohsawa als leicht unterhalb der absoluten Unbedenklichkeit eingestuft. Ein ansonsten gesunder Mensch könne sich jedoch zur Abwechslung auch nach diesen Stufen ernähren. Explizit empfohlen werden sie jedoch nicht.

Die Stufen der Makrobiotik nach Ohsawa

Diät-Nr. Cerealien gekochtes Gemüse Suppen tier. Produkte Früchte/Salate Desserts
7 100%
6 90% 10%
5 80% 20%
4 70% 20% 10%
3 60% 30% 10%
2 50% 30% 10% 10%
1 40% 30% 10% 20%
-1 30% 30% 10% 20% 10%
-2 20% 30% 10% 25% 10% 5%
-3 10% 30% 10% 30% 15% 5%

Die Kostempfehlungen der Makrobiotik-Diät wandelten sich im Laufe der Zeit. Heutzutage setzt sich die Standardempfehlung aus 50-60% Getreide, 20-25% Gemüsen, 5-10% Bohnen und Meeresfrüchten sowie 5% Suppen zusammen, wobei sich diese Prozentangaben auf das Volumen der Speisen (!) und nicht auf deren Gewicht beziehen. Derzeit gibt es 10 makrobiotische Diätregime, die von der George-Ohsawa-Foundation in Japan propagiert werden[2].

Im Allgemeinen sind makrobiotische Diäten kalorienarm (1.200 kcal bis 1.800 kcal) und decken den Energiebedarf eines erwachsenen Mannes (2.400-2.700 kcal) bzw. einer erwachsenen Frau (1.800-2.000 kcal) nicht ab. Die Energiezufuhr reicht lediglich für Personen in hohem Lebensalter (ab dem 76. Lebensjahr) aus, wenn man sich an die allgemein vorgeschlagenen Verzehrempfehlungen hält. Für Kinder oder Jugendliche wird in der Makrobiotik überhaupt keine konkrete Empfehlung ausgesprochen.

“Wundermittel“ gegen Krebs

Ohsawa propagierte zu Lebzeiten die Diät Nr. 7 als wirksam gegen Krebs. Ein 70 kg schwerer Mann müsste täglich 13 Schüsseln gekochten braunen Reis verzehren, um 2.400 kcal zu sich zu nehmen. In einer klinischen Studie an 50 jungen Erwachsenen prüfte man die Kalorienzahl der Diätvorgaben Ohsawas nach[3] und kam zu dem Resultat, dass mit der empfohlen Diät gerade einmal 60-70% des Tageskalorienbedarfs gedeckt wurden. Alle Probanden verloren während der makrobiotischen Diätphase Muskelmasse und Körpergewicht. Bis heute gibt es keine glaubwürdige Studie, die zeigen konnte, dass auch nur eine der vielen von Ohsawa gegebenen Diätvorschläge eine Wirkung gegen Krebs hat.

Was diese Wunderkuren bei Krebs (oder anderen Krankheiten) allerdings problematisch macht, ist ihr hypokalorischer Charakter. Wird ein Organismus dauerhaft im Hungerzustand gehalten, kommt es zu einer Verschiebung der Hormonlage im Organismus. Dies führt auch zu einer Veränderung der Außen- und Selbstwahrnehmung (vgl. auch Heilfasten). Man erfährt zwar eine Steigerung der Wahrnehmungsfähigkeit, jedoch ist dies ein Zeichen für Hunger und Selbstkasteiung, da der Organismus in diesem Zustand nach Nahrung und nicht nach Diät verlangt. Man kann durch Makrobiotik durchaus in die Gefahr geraten, sich in eine Borderline-Symptomatik hineinzuhungern. Der Vitamin-B12-Mangel, der letztlich zu einer Blutarmut führt, verstärkt das Problem, da ein B12-Mangel ebenso für psychische Erkrankungen disponiert.

Irreführende Angaben in makrobiotischer Literatur

In der makrobiotischen Literatur werden den Lebensmitteln gelegentlich falsche Gehalte zugeschrieben. So wird behauptet, dass der Proteingehalt in 100 gr braunem Reis 7,4-7,5 g betrage, während 100 gr Kidneybohnen sogar 20,2 g Protein enthielten. Diese Zahlen beziehen sich aber tatsächlich auf Frischware, nicht auf die üblicherweise im Handel befindliche, z.T. entwässerte Ware. Um auf 7,6 gr Protein durch Reis zu kommen, muss man bis zu 300 g gekochten, braunen Reis verzehren und bei den Kidneybohnen ist die Relation ähnlich hoch.

Risiken

geringer Vitamin- und Mineralstoffgehalt

Die Vitaminzufuhr durch Makrobiotik ist ebenfalls kritisch zu bewerten. Die Zufuhr des fettlöslichen Vitamin A, das bei dauerhafter Einnahme im Fettgewebe angereichert werden kann, ist bei Ohsawas gewöhnlichen Diätvorgaben etwa dreimal höher als empfohlen, während die Vitamin D-Zufuhr, die für die Knochenbildung sehr wichtig ist, erheblich niedriger liegt. In einer Untersuchung an Kindern, die makrobiotischer Diät ausgesetzt waren[4], lag die Vitamin D-Zufuhr mit 23 IU bei etwa 5% der empfohlenen Dosis (400 IU). Das Knochenalter bei 5 von 20 untersuchten Kindern in der Studie von Dwyer et al. [5] war deutlich herabgesetzt und auch die alkalische Phosphataseaktivität war erniedrigt. Dies deutete auf einen beeinträchtigten Knochenstoffwechsel hin.

Andere Vitamine oder Vitaminvorstufen wie Riboflavin, Vitamin B12 und Vitamin C wurden ebenfalls durch Makrobiotik in zu geringem Maße zugeführt, so dass auch hier eine Gefahr gerade für Kinder besteht[6].

Es gibt auch Hinweise darauf, dass makrobiotisch ernährte Kinder zu wenig Mineralien und Spurenelemente bekommen, was sich u.a. in klinischen Zeichen einer Hypokalzämie (Kalziummangel) darstellt [7][8]. Dies ist besonders dann von Relevanz, wenn es sich um gestillte Säuglinge handelt, deren makrobiotisch eingestellte Mütter keine Zusätze geben. Die Muttermilch ist bei entsprechend langer diätetischer Vorgeschichte bereits arm an Mineralien und Spurenelementen, deren der Säugling aber in erhöhtem Maße bedarf.

Wachstumsverzögerung bei Kindern

Van Staveren et al. [9] fanden beim Vergleich von 33 makrobiotisch ernährten Kindern mit normal ernährten Kindern heraus, dass die Makrobiotiker signifikant leichter und kleiner waren. Allerdings zeigte eine spätere Untersuchung [10], dass makrobiotisch ernährte Kinder keine schlechteren Werte im Snijders-Oomen-Nonverbal Intelligence Test zeigten als normal ernährte Kinder. Es besteht die Gefahr schwerer Mangelerscheinungen wie Rachitis, Osteoporose, Anämie und Gedeihstörungen bei Kindern.

Fazit

Die Makrobiotik ist eine Form der Mangelernährung. Aufgrund der unzureichenden Versorgung mit Nährstoffen, Vitaminen und Mineralstoffen ist die makrobiotische Ernährungsweise für Säuglinge und Kleinkinder nicht geeignet.

Bowman et al. [11] empfehlen grundsätzlich, die besonders einseitigen makrobiotischen Diäten (z.B. Nr.7) nicht bei Kindern und Säuglingen, Schwangeren und Stillenden, Patienten mit Erkrankungen des Verdauungstraktes, Bluthochdruck, Nierenkrankheiten oder bei mangelernährten Krebspatienten anzuwenden.

Die Behauptung Ohsawas, der menschliche Körper könne Vitamin C selbst herstellen, ist wissenschaftlich völlig unhaltbar.

Makrobiotik erfreut sich zunehmender Beliebtheit. In Europa und den USA hat sie im alternativen Bereich der anthroposophischen Ernährungsweise den Rang abgelaufen. Es wird sich zeigen, ob diese Mangeldiät sich auf Dauer etablieren kann oder eine Modeerscheinung bleiben wird.

Quellennachweise

  1. Osawa G: Cancer and the philosophy of the Far East. Binghamton, New York, Swan House Publishing, 1971
  2. Bowman BB, Kushner RF, Dawson SC, Levin B: Macobiotic diets for cancer treatment and prevention. J Clin Oncol, 2, 702-711, 1984
  3. Brown PT, Bergan JT: The dietary status of 'new' vegetarians. J Am Diet Assoc, 67, 455-459, 1975
  4. Dwyer JT, Dieth WH, Andrews EM: Nutritional status of vegetarien children. Am J Clin Nutr, 35, 204-216, 1982
  5. Dwyer JT, Dieth WH, Andrews EM: Nutritional status of vegetarien children. Am J Clin Nutr, 35, 204-216, 1982
  6. Bowman BB, Kushner RF, Dawson SC, Levin B: Macobiotic diets for cancer treatment and prevention. J Clin Oncol, 2, 702-711, 1984
  7. Higginbottom MC, Sweetman L, Nyhan WL: A syndrome of methylmalonic aciduria, homocystinuria, megaloblastic anemia and neurologic abnormalities in a vitamin B12-deficient breastfed infant of a strict vegetarian. N Engl J Med, 299, 317-323, 1978
  8. Dwyer JT, Dietz WH, Haas G: Risk of nutritional rickets among vegetarian children. Am J Dis Child, 133, 134-140, 1979
  9. van Staveren WA, Dhuyvetter JH, Bons A, Zeelen M, Hautvast JG: Food consumption and height/weight status of Dutch preschool children on alternative diets. J Am Diet Assoc, 85, 1579-1584, 1985
  10. van Staveren WA, Dagnelie PC: Food consumption, growth, and development of Dutch children fed on alternative diets. Am J Clin Nutr, 48 (3 Suppl), 819-821, 1988
  11. Bowman BB, Kushner RF, Dawson SC, Levin B: Macobiotic diets for cancer treatment and prevention. J Clin Oncol, 2, 702-711, 1984