Andullationsliege

Die Andullationstherapie (auch bioenergetische Andullationstherapie, von engl. "to undulate" - wellenförmige Bewegung) ist der Name für eine alternativmedizinische Vibrationsmassage, bei der auf einer speziellen Massageliege mechanische Schwingungen zur Behandlung von Schmerzzuständen und anderen Erkrankungen zum Einsatz kommen. Die Schwingungen sollen nach Aussagen von Befürwortern dem Körper zu einer "Regulation" und "Regeneration" sowie zur "Selbstheilung" verhelfen. Die Methode mit Wellnesscharakter ist dem großen Bereich der Vibrationstherapien zuzuordnen. Die erforderliche Behandlungsliege wird auch direkt an Endkunden verkauft. Gesetzliche Krankenkassen übernehmen die Kosten nicht, da kein wissenschaftlicher Nachweis einer Wirksamkeit bei den behaupteten Indikationen vorliegt.

Allgemeines

Propagiert wird die Andullationstherapie vor allem vom Sportwissenschaftler Roland Stutz (geb. 18. Dezember 1961) aus Karlsruhe, der die Deutsche Gesellschaft für Andullationstherapie DGA[1] leitet, welche die Methode promotet. Die Behandlungsliegen werden von der Firma hhp – Home Health Products AG[2] für rund 4.000 Euro verkauft. Für übergewichtige Kunden wird auch ein "Andullationsgurt" zum "Fettabbau" angeboten. Des Weiteren gibt es einen "Power Andullator", mit dem nur die Beine behandelt werden, und eine "hhp Pferdedecke", die ebenfalls mit Schwingerregern bestückt ist und "dem beanspruchten Pferd zur Entspannung verhelfen" könne. Bei der Firma hhp wird Stutz als Mitglied eines wissenschaftlichen Beirats genannt und er beantwortet dort Fragen von Kunden.

Von hhp gibt es eine Patentanmeldung[3] zum Verfahren und mehrere Gebrauchsmuster aus den Jahren 2004 bis 2007 für entsprechende Massageliegen, ferner eine zurückgezogene Patentanmeldung für ein "Beinlagerkissen",[4] die dem Produkt "Power Andullator" stark ähnelt.

 
Verbesserung der "subjektiven Befindlichkeit" aufgrund der Andullationstherapie, die Roland Stutz durch eine Untersuchung von 1.000 chronisch Erkrankten ermittelt haben will[5]

Zwar gibt es umfangreiche Fachliteratur zur Wirkung von mechanischen Schwingungen auf den Menschen; wissenschaftliche Artikel, welche speziell die Wirksamkeit der Andullationstherapie belegen, fehlen jedoch. Es existiert eine Bachelorarbeit an der Hochschule Fresenius aus dem Jahr 2005.[6] Ansonsten verbreitet Roland Stutz Untersuchungsberichte, die nicht in Fachzeitschriften publiziert wurden.[7][8] Zusammen mit der Biologin und Buchautorin Birgit Frohn hat Stutz ein werbendes Buch zur Andullationstherapie geschrieben.[9] Ein Artikel zur Methode, der bei der deutschsprachigen Wikipedia angelegt wurde, wurde noch am gleichen Tag (5. August 2011) wegen mangelnder Relevanz gelöscht.[10]

Methode

 
Schematischer Aufbau der Andullationsliege.[3] Die Schwingungen werden mit Motoren erzeugt.

Der Patient nimmt auf einer speziellen Behandlungsliege Platz und wird durch darin eingebaute Elektromotoren mit Unwucht mechanischen Schwingungen ausgesetzt. Behauptet wird, gesundheitsfördernde und schmerzstillende Effekte durch modulierte "chaotische Trägerfrequenzen" erzielen zu können. Die verwendeten Rüttelfrequenzen werden variiert (durch Änderung der Drehzahl der Motoren) und sollen auf zufällige Weise "stochastische Resonanzen" im Körper auslösen, was zu den behaupteten Heileffekten führe. Gesundheitlich bedeutsame Wirkungen sollen sich durch die Wahl bestimmter Frequenzen ergeben. Die angeblich heilenden Schwingungen seien dabei in ein Grundrauschen "eingebettet", welches die "stochastischen Resonanzen" ermöglichen soll. Die Frequenzwahl soll nach dieser Lehre auch die Wirkung auf bestimmte Organe und Systeme erklären. In der Patentschrift von hhp[3] werden drei Frequenzbereiche unterschieden:

  • Bereich I, bis etwa 22 Hz: "Frequenzen, mit denen Körperflüssigkeiten wie Blut und Lymphe angeregt werden"
  • Bereich II, 22 Hz bis 45 Hz: Frequenzen, "mit denen Weichteile wie Muskulatur, Magen/Darm etc. reagieren"
  • Bereich III, 45 Hz bis 70 Hz: "Frequenzen, auf die Bindegewebe und auch Nervensysteme etc. positiv reagieren"

Diese Einteilung ist nur teilweise im Einklang mit Beispielen, die in der Werbung genannt werden:

  • 2 Hz: Nervenregeneration
  • 5 Hz und 16 Hz: Wundheilung
  • 7 Hz: Knochenwachstum
  • 10 Hz: Zur Behandlung von Bändern, Muskelverspannungen und "peritumorösen Ödemen"
  • 15 Hz, 20 Hz und 72 Hz: Bei Hautnekrosen, Stimulation der Kapilarisierung und Fibroblastenproliferation
  • 15 Hz: Regeneration des peripheren Nervensystems (Enzymaktivierung)
  • 20 Hz: Therapie von Morbus Sudeck
  • 70 Hz: Schmerzlinderung und Nerven-Stimulation
  • 10 Hz und 100 Hz: Behandlung der palmaren Psoriasis

Zusätzlich wird Infrarotlicht bzw. Rotlicht eingesetzt. Dieses soll zu einer Tiefenwärme führen und offenbar die Durchblutung der bestrahlten Körperoberfläche fördern.

Marketing

Pseudowissenschaftliche Aussagen

Von der Deutschen Gesellschaft für Andullationstherapie wird mit typischen pseudowissenschaftlichen Scheinerklärungen geworben.[11] So heißt es beispielsweise nichtssagend:

Jede Zelle und damit jedes Gewebe und Organ besitzt ein eigenes Schwingungsmuster, gewissermaßen eine eigene Wellenlänge. Diese einzelnen Schwingungen stehen in enger Verbindung zueinander und beeinflussen sich gegenseitig. So hat jeder von uns ein individuelles Schwingungsspektrum in sich und um sich herum.

Ohne einen Zusammenhang herzustellen, wechselt der Text sodann von den mechanischen Schwingungen der Andullationsliege zu elektromagnetischen Schwingungen, wobei in beliebiger Weise von elektrischen, magnetischen, und elektromagnetische Feldern die Rede ist:

Die meisten Verfahren der biophysikalischen Medizin beruhen darauf, dass unser Körper ein elektrisch leitfähiges Organsystem darstellt – also ein kompaktes Magnetfeld mit einem leistungsstarken Generator, der sich aus zahlreichen kleineren elektromagnetischen Feldern zusammensetzt. Unsere Körperoberfläche strahlt ein elektrisches Feld mit der beachtlichen Leistung von durchschnittlich hundert Watt ab – und das in Form von Schwingungen.

Bemüht werden auch esoterische Argumentationsmuster, wie sie von Anhängern der Quantenmedizin und Energie- und Informationsmedizin verwendet werden:

...die Schwingungen wirken direkt in allen Zellen und damit auf all unsere Organe und unser gesamtes Gewebe ein. Dabei geschieht etwas ganz Erstaunliches: Die Schwingungen, die durch die Andullationstherapie erzeugt werden, überbringen wichtige Botschaften – sie übermitteln den Zellen genau die Informationen, die sie benötigen, um optimal funktionsfähig zu sein.

Fragwürdige Verkaufsmethoden

 
Schriftzug auf der Kleidung eines Vertreters für Liegen der Firma hhp. Bild: ARD[12]

Glaubt man Berichten von Patienten mit Polyneuropathie, die sich im Internet zu Wort melden, so seien diese unaufgefordert von einem Verein namens Süddeutsche Gesellschaft für Andullationstherapie e.V. (bis 2011 der Name der Deutschen Gesellschaft für Andullationstherapie e.V.) brieflich und telefonisch kontaktiert worden, nachdem sie einen Online-Schmerztest gemacht hatten. Ihnen sei die Behandlungsliege für 3.800 Euro und eine Gratis-Behandlung im Rahmen einer Studie angeboten. Allerdings gibt es auch Berichte, nach denen eine Teilnahme an der Studie 2.900 Euro kosten sollte.[13]

Ähnliches wurde im Juli und August 2013 in der ARD-Sendung Plusminus berichtet.[14] Interessenten, die sich auf der Internetseite für die kostenlose Teilnahme an einer Schmerzstudie angemeldet hatten, erhielten Besuch von einem als "Therapeuten" angekündigten Vertreter in der typischen Kleidung eines Angehörigen medizinischer Berufe (weiße Arzthose, Poloshirt, weiße Clogs). Bei der Vorführung der Liege wurden die Interessenten dann bedrängt, einen Kaufvertrag abzuschließen, mit dem sie die Liege aufgrund verschiedener Zuschüsse rund 1.000 Euro unter dem normalen Preis von knapp 5.000 Euro bekämen. Die Zuschüsse gebe es aufgrund der "richtigen Krankheit" und des passenden Alters. Anderen Kunden mit einer anderen Erkrankung und einem anderen Alter wurden allerdings die gleichen Rabatte in Aussicht gestellt.

Stutz gab in dem Fernsehbericht an, von diesen Verkaufspraktiken nichts gewusst zu haben. Dies wurde von ehemaligen Mitarbeitern der hhp AG bestritten. Vielmehr sei Stutz "der Initiator dieser Verkaufsmethode". Schulungsunterlagen, die den "Therapeuten" ausgehändigt worden seien, fordern dazu auf, "suggestiv" auf den potenziellen Kunden einzuwirken, um ihn zum Kauf einer Liege zu bewegen. Die Mitarbeiter seien überdies nicht für das Informieren über die Studie bezahlt worden, sondern nur für Verkaufserfolge.[12] Die Firma hhp hat Geschäftspartnern in einer Mail mitgeteilt, gegen den ersten Fernsehbeitrag vom 17. Juli 2013 juristisch vorzugehen. Die ARD habe darauf reagiert und der Beitrag sei "sowohl in Film- als auch in Schriftform vollkommen gelöscht" worden und "im Internet nicht mehr zu finden!" Laut ARD habe die hhp AG aber überhaupt keinen Kontakt mit ihr aufgenommen. Tatsächlich war der Beitrag auch im September 2013 noch in der ARD-Mediathek zu finden.

Unklarheiten bei Kooperationspartnern

Die Studie, deren Teilnahme den Kunden angeboten wird, werde laut einem von Stutz unterzeichneten Schriftstück "in Zusammenarbeit mit der Universität Karlsruhe" durchgeführt, die 2009 in das KIT Karlsruher Institut für Technologie übergegangen ist. Der ARD habe das KIT jedoch mitgeteilt, dass es sich "definitiv" nicht um eine Studie der Universität handele. Zudem ist die von Stutz als Kooperationspartner innerhalb des KIT genannte "spezielle interdisziplinäre Forschungsgruppe" namens "Hiper.Campus" ein Projekt des Instituts für Berufspädagogik und Allgemeine Pädagogik zur "Technologiebasierten Lern-Leistungsforschung", jedoch keine Einrichtung zur Durchführung medizinischer Studien. Die DGA behauptet überdies, dass es an der Universität Karlsruhe einen "Kontaktstudiengang zum Andullationstherapeuten" gebe. Dazu wird ein Werbevideo mit dem Titel "Impressionen des Studiengangs zum Andullationstherapeuten" präsentiert, der ohne Kommentar in schneller Folge Bilder aus einem Hörsaal, von Universitätsgebäuden und ähnliches aneinander reiht.[15]

Von der hhp AG wird damit geworben, dass ein Deutscher Verbraucher Verein e.V. mehrere Massagesysteme getestet habe. Das Andullationstherapie-System von hhp habe die Note "sehr gut" (1,2) und als einziges Produkt das Prädikat "Empfohlen vom Deutschen Verbraucher Verein" erhalten. Über diesen Verein ist jedoch kaum etwas in Erfahrung zu bringen. Er soll 1997 von einem Werner Heiland aus Achern in Baden-Württemberg gegründet worden sein. Sucht man im Internet nach Aktivitäten des Vereins, taucht er nur in Zusammenhang mit der Firma hhp auf. Eine Eintragung in einem Vereinsregister in Deutschland ist nicht auffindbar.

Fraglicher Professorentitel

Roland Stutz nennt sich Prof. Dr. phil. Roland Stutz. Nach Recherchen der ARD-Sendung Plusminus ist der Professorentitel jedoch fraglich. Die angebliche Ernennungsurkunde der Universität von Sevilla, die Stutz im Internet präsentierte, sei keine solche und berechtige nicht zum Führen des Titels "Professor". Dies sei das Ergebnis einer Überprüfung der Urkunde durch eine zuständige Stelle der Kultusministerkonferenz.[12] Eine Nachfrage bei der Universität von Sevilla habe das gleiche ergeben.

Ähnliche Produkte

  • Eine ähnliche Liege wird unter dem Namen Mediwave von der Firma Schober medicare GmbH vertrieben. Der Hersteller behauptet, er habe die positive Wirkung der Liege durch Messungen mit dem Prognos-Gerät nachgewiesen.
  • Die Liege Bigesta optimus (Kurperle GmbH, 94072 Bad Füssing) soll mit einer einstellbaren Frequenz von 7,8 Hz bis 23 Hz vibrieren und dadurch u.a. "Blockaden des Meridiansystems auflösen".

Ähnliche Vorrichtungen sind auch die Klangliege sowie "Chi machines" genannte Behandlungsessel und Fußbänke, die ebenfalls Rüttelbewegungen ausführen und an Autobahnraststätten und gelegentlich bei Orthopäden zu finden sind. Unter dem Handelsnamen Rhythmovogue werden auch "Vibrasound"-Schwingerreger angeboten, die in eine Liege oder einen Sessel eingebaut oder in Form eines Kissens oder einer Matte erhältlich sind. Beleglos wird beispielsweise behauptet, dass durch diese Produkte bei Kindern Konzentration und Leistung förderbar seien und Kinder mit ADHS zu helfen sei.

Quellennachweise

  1. Deutsche Gesellschaft für Andullationstherapie e.V. (bis 2011: Süddeutsche Gesellschaft für Andullationstherapie e.V.), Monbijouplatz 10, 10178 Berlin, www.andullation.de
  2. hhp – Home Health Products AG (bis 2011 Home Health Products GmbH) Sophienstraße 15-17, 76133 Karlsruhe
  3. 3,0 3,1 3,2 Offenlegungsschrift DE 102007051411 A1: Massagevorrichtung. Anmeldedatum: 25.10.2007. Inhaber: HHP Home Health Products GmbH. Erfinder: Antrag auf Nichtnennung
  4. Offenlegungsschrift DE 102012000993 A1: Beinlagerkissen. Anmeldedatum: 20.01.2012. Anmelder/Inhaber: hhp Home Health Products AG. Erfinder: Stutz, Roland, Prof. Dr. Anmeldung zurückgenommen: 27.06.2013
  5. www.andullation.de/forschung/studienarchiv-uebersicht/langzeitanwendung-der-andullationstherapie/ Aufruf am 30. August 2013
  6. Klein F (2005): Eine Empirische Studie über die Wirkung oszillierender Vibrationsmassage in Verbindung mit Infrarotbestrahlung bei Stau im venösen und lymphatischen System". Bachelor-Arbeit Fachhochschule Fresenius
  7. Stutz R, Gebel R (2003) Querschnittanalyse: Untersuchung der physiologischen Wirkung der oszillierenden Massageliege auf den menschlichen Organismus
  8. Stutz R, Gebel R (2004): Längsschnittanalyse: Untersuchung der physiologischen Wirkung der oszillierenden Massageliege auf den menschlichen Organismus
  9. Birgit Frohn, Roland Stutz: Andullation: Quelle der Gesundheit. Systemed, 2012
  10. http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Spezial:Logbuch&type=delete&page=Andullationstherapie
  11. www.andullation.de/andullation/wirkung-der-andullation/ Aufruf am 30. August 2013
  12. 12,0 12,1 12,2 ARD Plusminus, Sendung des MDR vom 28. August 2013. Beitrag in der ARD-Mediathek (ab Minute 20)
  13. http://schmerzliga-forum.de/patienten/showthread.php?940-Andullation-kennt-das-wer-und-hilft-das
  14. Schmerztherapie - Dubiose Angebote für Patienten. ARD Plusminus, Sendung des MDR vom 17. Juli 2013. Video beim MDR und in der ARD-Mediathek
  15. www.andullation.de/andullation/mediathek-fachanwender/ Aufruf am 30. August 2013