Rosalie Bertell (Bildquelle:YouTube)

Rosalie Bertell (geb. 4. April 1929, gest. 14. Juni 2012) war eine amerikanisch/kanadische Nonne, promovierte Mathematikerin (PhD degree in biometrics Promotion 1966, Catholic University of America)[1], Buchautorin und Verbreiterin von Verschwörungstheorien. Die inzwischen verstorbene Bertell war seit den 1970er Jahren vor allem im Umweltbereich tätig und Preisträgerin des "alternativen Nobelpreises". Sie war Chefredakteurin des Journals "International Perspectives in Public Health".

In ihrem Buch Planet Earth: The Latest Weapon of War sowie in Interviews verbreitete Bertell verschiedene Verschwörungstheorien um geheime Operationen zur Schädigung der Umwelt. Das Vorwort zur deutschen Übersetzung "Kriegswaffe Planet Erde" (im einschlägigen J.K. Fischer Verlag) stammt von Claudia von Werlhof, das Nachwort vom Chemtrail-Propagandisten Werner Altnickel und war Gegenstand einer Kontroverse mit dem deutschen Chemtrailanhänger Dominik Storr.

Kurzbiographie

Rosalie Bertell wurde als Tochter einer kanadischen Mutter und eines amerikanischen Vaters in Buffalo (New York/USA) geboren. Sie studierte am katholischen Marguerite D'Youville College in Buffalo "Math/Physics/Education" und erhielt dort einen "B.A." Bachelorabschluss im Jahre 1951.[2] Von 1951 bis 1956 war sie für die "Buffalo Carmelite Community" tätig. 1957 (oder nach anderen Angaben 1958) trat sie als Nonne dem Orden der "Grey Nuns of the Sacred Heart" (GNSH) bei. In den sechziger Jahren studierte sie Mathematik und Philosophie an der Catholic University of America in Washington und promovierte 1966 in "mathematics, with a specialty in biometrics"[3] Sie unterrichtete als "associate professor" auch Mathematik am Marguerite D'Youville College in Buffalo. Sie war danach zehn Jahre in der Leitung des "Sacred Heart Junior College in Yardley" (Pensylvania) tätig. Später war Bertell von 1969 bis 1978 am Roswell Park Cancer Institute in Buffalo tätig (offenbar als "biometrist" und "mathematician") und machte als Atomkraftgegnerin auf sich aufmerksam. Das Jahr 1975 soll sie in einem Karmeliter-Kloster in Vermont verbracht haben. 1980 ging Bertell nach Kanada und war von 1980 bis 1984 am Jesuit Centre for Social Faith and Justice in Toronto tätig. Sie war als Beraterin für die US-amerikanische Nuclear Regulatory Commission, die EPA (Environmental Protection Agency) und für die Behörde Health Canada tätig. Auf mehreren Webseiten des Internets (unter anderem die Wikipedia) wird sie ohne Angaben von Quellen als Ärztin bezeichnet. Es gibt jedoch keine Belege dafür, dass Bertell Medizin studiert hätte oder als Ärztin gearbeitet hätte. Insbesondere ist unbekannt, an welcher Universität sie Medizin studiert haben soll.

1984 gründete sie das private "International Institute of Concern for Public Health" in Toronto (Kanada) Sie gründete im Jahre 1996 die private Initiative International Medical Commission Chernobyl sowie das "International Institute of Concern for Public Health" (IICPH). Beiträge von ihr finden sich in "International Perspectives in Public Health". Sie ist auch Buchautorin von Werken wie No Immediate Danger: Prognosis for a Radioactive Earth (1985), Planet Earth: The Latest Weapon of War (2000) und Kriegswaffe Planet Erde (2011).

Rosalie Bertell lebte seit ihrer Pensionierung in Yardlet im US-Staat Pennsylvania.

Verschwörungstheorien

Bertell glaubte an verschiedene absurde Verschwörungstheorien und verbreitete diese in ihrem Werk "Planet Earth: The Latest Weapon Of War"[4] sowie in Interviews.

  • In ihrem Buch versuchte Bertell plausibel zu machen, dass US-amerikanische Militärs im Rahmen des "Star Wars Projekts" neue Waffen ausprobierten, die die Erde veränderten und große Schäden anrichteten. Während der bekannten Atomwaffen-Explosionen der 1960er Jahre hätten Militärs die Atmosphäre so verändert, dass mehr Sonnenstrahlung den Erdboden erreiche. Dies sei auch der Grund für die aktuelle globale Erderwärmung und das Ozonloch.
  • Russische Militärs hätten zudem eine Wasserstoffbombe vier Jahre lang ununterbrochen "über unseren Köpfen kreisen lassen".
  • US-Militärs sollen in einem Experiment 350 Millionen Kupfernadeln in eine Erdumlaufbahn gebracht haben, was angeblich dazu führte, dass das Erdmagnetfeld gestört und ein 8,5 (Richter Skala) Erdbeben in Alaska ausgelöst worden sei, bei dem auch Chile einen Teil seiner Küste verloren habe. 1996 hatte Bertell noch von einem geplanten Vorhaben aus dem Jahr 1961 gesprochen, das jedoch auf Widerstand von Astronomen stieß.[5] Die Behauptung, dass es tatsächlich durchgeführt wurde und den absurden Zusammenhang mit Erdbeben stellte sie erst in ihrem 2000 erschienenen Buch her. Einige Beispiele:
  • Flugzeuge sollen heimlich Giftstoffe in der Atmosphäre verbreiten, eine Verschwörungstheorie, die unter dem Namen Chemtrail bekannt ist.[6] Nach Jahren der Existenz dieser Hypothese liegen keinerlei Belege vor, die für die Existenz von Chemtrails sprechen.
  • Die in Alaska befindliche Ionosphärenforschungsanlage HAARP sei weltweit Auslöser von Erdbeben. Laut Bertell gehöre die Anlage zum 'Star Wars' Defence Network und sei dazu gebaut worden, natürliche Prozesse auf der Erde zu beeinflussen. Die Anwesenheit in der Nähe der Anlage sei gefährlich (trotz der ständigen Anwesenheit von Forschern) und dort herrsche ein Magnetfeld, das 60.000 mal größer sei als das Erdmagnetfeld.[7] Ein von der Anlage ausgesendeter Strahl könne die Ionosphäre minutenlang "wie ein Messer" durchschneiden, phantasierte Bertell. Die ausgesendeten Kurzwellen könnten auch in der Ionosphäre "große Linsen" erzeugen, die die Strahlung zurück auf die Erde bündelten, um bestimmte militärische Ziele damit zu zerstören, ohne dabei Spuren zu hinterlassen. Dabei könne sich die Strahlung mit einer "natural wave frequency" (gemeint ist anscheinend die Schumann-Strahlung) "kombinieren" und sich dabei vervielfältigen. Die Ringe des Saturn seien durch solche "Wechselwirkungen" mit "Energiewellen" entstanden, so dass nicht auszuschließen sei, dass dies auch auf der Erde geschehen könne. Die HAARP-Anlage könne auch niederfrequent gepulste ELF-Wellen erzeugen, die in Bertells Phantasie tektonische Platten zerreißen könnten. Nach einem Test im Jahre 1977 (tatsächlich wurde HAARP erst 1993 in Betrieb genommen) sei ein "freak storm" ausgelöst worden, der eine kleine Stadt im Staat Wisconsin zerstört und zu starken Regenfällen geführt habe.
  • Das Wetterphänomen "El Nino" sei von Militärs durch "Star Wars Programme" in seinen Eigenschaften stark verändert worden.
  • Seit den Atombombenexplosionen der 1960er Jahre habe sich laut Bertell die Zahl der Erdbeben weltweit verdoppelt.
  • Radiokatives Jod in der Atmosphäre soll Ursache für eine Zunahme des Körpergewichts in den USA sein: "..It's well-known that radioactive iodine in North American's atmosphere slows down the thyroid gland and that contributes to (being) overweight..[8]

Die österreichische Politologin Claudia von Werlhof, die im Januar 2010 behauptete, dass das Erdbeben von Haiti durch Menschen ausgelöst sei, beruft sich auch auf Rosalie Bertell, indem sie öffentlich aus ihrer Korrespondenz mit Bertell zitiert ("Es stimmt, dass mehrere Länder heute die Technologie haben, um Erdbeben zu verursachen. Es gab auch das, was wie ein Plasma–Streifen im Himmel über Haiti vor dem Erdbeben aussah.").[9][10]

Verbreitung von absurder Fehlinformation

 
Artikel im The Ecologist Artikel von November 1999

Im November 1999 erschien im "The Ecologist" ein Artikel von Bertell mit dem Titel "Victims of the nuclear age".[11] (Der Text ist kostenlos online einsehbar: [1]) In ihrem Artikel, der von Gegner der Atomenergie und der Friedensbewegung zitiert wurde, behauptete Bertell, dass 1,2 Milliarden Menschen (1200 Millionen) durch den readioaktiven Fallout der Atombombenversuche der fünfziger- und sechsziger Jahre getötet oder verletzt worden seien. Sie ignorierte dabei, dass die Belastungen durch Radioaktivität durch diese Versuche um mehrere Größenordnungen unter denen der natürlichen Radioaktivität und denen durch die medizinische Röntgendiagnostik lagen (Belastungen durch ionisierende Strahlung: 68% natürliche Radioaktivität, 31% medizinische Diagnostik, 0,6% Fallout der 50er und 60er Jahre, 0,15% Atomenergie). Wenn ihre Angaben stimmen würden, müssten logischer Weise natürliche Radioaktivität und radiologische Diagnostik zusammen die Hauptursache aller Todesfälle auf der Welt sein. Wie kam Bertell zu ihrer grotesken Fehldarstellung? Bertell berief sich in ihrem Artikel bei ihren Risikoberechnungen auf Angaben des "Wissenschaftlichen Ausschuss der Vereinten Nationen zur Untersuchung der Auswirkungen der atomaren Strahlung" (UNSCEAR). UNSCEAR gibt für den Atmosphären Fallout aus den genannten Atombombenversuchen der Supermächte eine Belastung von 30 Millionen Mensch-Sievert an. (Das Sievert / Sv ist die international vereinbarte Einheit zu einer nach Strahlenart gewichteten Strahlendosis). Bertell bezieht diese Daten dann auf die Nachkriegszeit und kommt zu ihrer Zahl von 1,2 Milliarden geschädigten oder getöteten Menschen. Was sie aber nicht erwähnt, ist der Umstand, dass die UNSCEAR die Dosisangabe auf 10.000 Jahre hochrechnet (bzw 7 Millionen Menschen-Sv bis zum Jahr 2200). Die UNSCEAR macht auch Angaben zur Belastung durch natürliche Radioaktivität: 650 Millionen Personen-Sv in 50 Jahren, und 165 Millionen Personen-Sv durch Röntgendiagnostik und Röntgentherapie in 50 Jahren. Hätte Mathematikerin Bertell diese Angaben in gleicher Weise falsch hochgerechnet, müssten im gleichen Zeitraum absurder Weise etwa 150 Milliarden Menschen an den Folgen der Radioaktivität gestorben sein, also ein Vielfaches der Weltbevölkerung.

In falschen Behauptungen wurden lange Zeit im Internet auf der inzwischen gelöschten Webseite "www.mothersalert.org/victims.html" verbreitet.

Werke

  • Rosalie Bertell: "No Immediate Danger (1985)
  • Rosalie Bertell: "Planet Earth: The Latest Weapon of War", 2000
  • Rosalie Bertell: "CHERNOBYL; The Environmental, Health and Human Rights Implications, (1996)

Ihr offensichtlich an Laien gerichtetes Buch "No Immediate Danger", das zu Teilen eine Kopie eines Werks von Z. Medvedev aus dem Jahre 1976 ist, geriet wegen ihres unwissenschaftlichen Jargons in die Kritik. In diesem Buch ist auf Seite 22 die Rede von "radioaktivem Blei", dass zu organischen Hirnschäden führe ("Radioactive lead... is a cause of lead poisoning and brain damage"), radioaktiver Zerfall wird als "explosions per second" bezeichnet und Übergewicht werde durch Iod 131 ausgelöst. Bei Zahlenangaben beruft sich Bertell in diesem Buch auch mehrfach auf eigene Angaben anstatt wissenschaftliche Literatur zu zitieren. Andere von ihr genannte Quellen sind von der Qualität eines "Prairie Mesenger", "National Conference on Catholic Bishops", "Speech by Chief Seattle in 1854", ein "Mother Jones Magazine" oder die Publikumszeitschrift "Reader's Digest".

Zitate

  • It is my belief that we have been treating the symptoms but not the cause of the disease of the Earth. We have been abusing Earth’s natural systems, the way it regulates temperature and water supply, recycles waste and protects life. For me, some of the most fundamental abuses have occurred because of our continued reliance on the military.[12]

Weblinks

Quellennachweise

  1. Ph.D. degree in Biometrics with minors in Biology and Biochemistry from the Catholic University of America, in 1966
  2. Donna Jean MacKinnon: "Dr. Rosalie Bertell, a Grey Nun for half a century, is an internationally recognized expert in the field of radiation", Toronto Star, 3. Mai 1998
  3. http://data2.archives.ca/pdf/pdf001/p000000613.pdf
  4. Rosalie Bertell: Planet Earth: The Latest Weapon Of War. The Women's Press Ltd., London 2000. Eine neue Fassung erschien Ende 2011 im J.K. Fischer Verlag mit dem Titel Kriegswaffe Planet Erde und enhält ein einleitendes Kapitel von Claudia von Werlhof und Nachworte der Chemtrail-Aktivisten Werner Altnickel und Dominik Storr.
  5. US Military planed to create a "telecommunications shield" in the ionosphere, reported in 13-20 August 1961, Keesings Historisch Archief (K.H.A.). This shield would be created "in the ionosphere at 3,000 km height, by bringing into orbit 350,000 million copper needles, each 2-4 cm long (total weight 16 kg), forming a belt 10 km thick and 40 km wide, the needles spaced about 100 m apart." This was designed to replace the ionosphere "because telecommunications are impaired by magnetic storms and solar flares". The US planned to add to the number of copper needles if the experiment proved to be successful. This plan was strongly opposed by the International Union of Astronomers.
  6. http://www.youtube.com/watch?v=st3lHWZTrwQ
  7. Zum Vergleich: Das Erdmagnetfeld schwankt zwischen 30 und 60 µT, in Deutschland liegt der Wert bei 48 µT. Der 60.000-fache Wert liegt zwischen 1,8 und 3,2 Tesla. Ein guter Neodym-Dauermagnet erreicht Werte über 1 Tesla. Ob Bertell ein magnetisches Gleichfeld meint (das Magnetfeld der Erde ist ein solches Gleichfeld, wenn man von langsamen Schwankungen absieht) oder das durch den HAARP-Sender verursachte magnetische Wechselfeld, ist unklar, allerdings auch belanglos: Weder kann ein Kurzwellensender wie HAARP ein magnetisches Gleichfeld erzeugen, noch kann die von ihm erzeugte magnetische Feldstärke (des Wechselfeldes) auch nur annähernd die behauptete Größenordnung von 1 T erreichen.
  8. http://www.ratical.org/radiation/RBanNun.html
  9. von Von Werlhof zitierte Mitteilung vom 22.3.2010: Dear Claudia, I am sorry for your trouble. It is true that several countries now have the technology to cause earthquakes. There was also what looked like a plasma streak in the sky over Haiti before the earthquake. However, these may have been unrelated, and if they were related we cannot be sure which country caused the quake. I have written about this and other new technologies in my book: "Planet Earth: The Latest Weapon of War". It is available in all Universities in Canada and is used as a text book in some U.S. Universities. You might be able to get a copy in Europe. Otherwise I could send it to you. Dr. Rosalie Bertell
  10. http://www.arbeiterfotografie.com/medien/2010-02-13-claudia-von-werlhof.html
  11. Rosalie Bertell: "victims of the nuclear age", The Ecologist, volume 29, 7, Seiten 408-410
  12. Zitat aus dem Werk "Planet Earth the Latest weapon of War" sowie aus Interviews.