Rudolf von Sebottendorf
Rudolf Freiherr von Sebottendorf (Falschschreibung auch Sebottendorff), eigentlich Adam Alfred Rudolf Glauer, weiteres Pseudonym Erwin Torre; 9. November 1875, Hoyerswerda - 9. Mai 1945, Istanbul), war ein deutscher Esoteriker, Abenteurer und Gründer der Thule-Gesellschaft. Von Sebottendorf wird als ein Wegbereiter des späteren Nationalsozialismus angesehen.
Kindheit und Wanderjahre
Die Kindheit und die frühen Jahre Glauers liegen größtenteils im Dunkeln. Glauers eigene Aussagen, die zu dieser Periode oft die einzige Informationsgrundlage bilden, sind teilweise widersprüchlich. Der Sohn eines Eisenbahners, dem auf Grund eines abgebrochenen Ingenieurstudiums wenige Karrieremöglichkeiten im Deutschen Reich offen standen, arbeitete von 1897 bis 1900 als Techniker in Ägypten und der Türkei. Bereits während dieser Zeit befasste er sich mit okkulten und mystischen Lehren. Unter anderem soll ihn ein jüdischer Kaufmann und Kabbala-Experte Namens Termudi mit numerologischen, freimaurerischen und rosenkreuzerischen Texten vertraut gemacht haben [1]. Nach dem Tod Termudis erbte Glauer dessen Sammlung okkulter Bücher. 1901 kehrte Glauer nach Deutschland zurück. 1905 heiratete er in Dresden eine gewisse Klara Voss, doch die Ehe wurde bereits zwei Jahre später geschieden. Zudem scheint er mit den Behörden in Konflikt geraten zu sein. 1908 siedelte er in die Türkei über und nahm die türkische Staatsbürgerschaft an. Er befasste sich in der Folgezeit intensiv mit okkulten Themen wie den mystische Strömungen des Islam, Alchemie, Numerologie und Rosenkreuzertum. In der Türkei wurde Glauer nach eigener Aussage von Heinrich Freiherr von Sebottendorf adoptiert. Auch wenn die Rechtskräftigkeit der Adoption immer wieder bestritten wurde, so ist belegt, dass die Familie von Sebottendorf das neue Mitglied wohlwollend akzeptierte [2]. Rudolf Freiherr von Sebottendorf, wie er sich seitdem nannte, kämpfte 1912 für die Türkei in den Balkankriegen.
Gründung der Thule-Gesellschaft
Im darauf folgenden Jahr zog Sebottendorf wieder nach Deutschland. Er heiratete die wohlhabende Kaufmannstochter Bertha Anna Iffland und konnte sich daher ein Leben als Privatier leisten. Während des ersten Weltkriegs entging er auf Grund seiner türkischen Staatsbürgerschaft der Einberufung zum Militär. In Bayern kam Sebottendorf 1916 in Kontakt mit dem „Germanenorden“, einem ariosophischen Verein, für den er die Zeitschrift „Runen“ herausgab. Die „Ordensbrüder“ organisierten sich in einer Loge und trafen sich regelmäßig im Münchner Hotel „Vier Jahreszeiten“. Auf diesen Treffen pflegte man rassistisches und antisemitisches Gedankengut. Unter Sebottendorf gewann der Germanenorden viele neue Mitglieder, vor allem aus den besseren Kreisen der Münchner Gesellschaft. Die Treffen der Loge wurde durch offizielle Veranstaltungen ergänzt, die unter dem Namen „Thule-Gesellschaft“ durchgeführt wurden. Offiziell gab man das „Studium des germanischen Altertums“ als Ziel aus. Die Thule-Gesellschaft entwickelte sich zu einem Treffpunkt der national und antisemitisch gesinnten Szene Münchens, in der auch Adolf Hitler der Aufstieg zum erfolgreichen Politiker gelang. Die NSDAP übernahm später das Hakenkreuz, mit leichten Änderungen, aus dem Emblem der Thule-Gesellschaft. Die Gründung des „Deutschen Arbeitervereins“, des Vorläufers der Deutsche Arbeiterpartei (DAP), aus der wiederum die NSDAP hervorging, war zudem von Sebottendorf initiiert worden [3].
Sebottendorf erwarb den "Münchner Beobachter", ein antiklerikales und antisemitisches Hetzblatt, aus dem später der Völkische Beobachter hervorging, dessen Auflage er entscheidend steigern konnte. Als im November 1918 die Münchner Räterepublik ausgerufen wurde, organisierte Sebottendorf den „Kampfbund Thule“, der sich dem Freikorps Oberland anschloss, das maßgeblich an der blutigen Niederschlagung der Revolution in München beteiligt war. Der Versuch von Thule-Mitgliedern, den jüdisch-stämmigen Anführer der Revolution Kurt Eisner, zu entführen, schlug fehl. Am 21. Februar 1919 wurde Eisner von Graf Arco auf Valley ermordet, einem ehemaligen Thule-Mitglied, das wegen seiner jüdischen Herkunft ausgeschlossen worden war.
Rückkehr in die Türkei und Selbstmord
Im Juni 1919 verließ Sebottendorf die Thule-Gesellschaft. Ihm wurde vorgeworfen, die Mitgliederlisten während der Revolutionswirren nicht vor dem Zugriff revolutionärer Truppen geschützt zu haben, was mehrere Mitglieder das Leben gekostet hatte. Sebottendorf betätigte sich als Herausgeber der „Astrologischen Rundschau“ und verfasste mehrere, viel beachtete, astrologische Bücher. In den folgenden Jahren führte er ein unstetes Leben mit längeren Aufenthalten in der Schweiz, der Türkei und auf dem amerikanischen Kontinent. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten kehrte er 1933 nach Deutschland zurück. Als er jedoch das Buch „Bevor Hitler kam“ veröffentlichte, in dem er seine Leistungen und die Bedeutungen der Thule-Gesellschaft für die Entwicklung des Nationalsozialismus pries, fiel er bei Hitler in Ungnade. Sebottendorf ging wieder in die Türkei, wo er während des zweiten Weltkrieges für die deutsche Abwehr arbeitete. Am 9. Mai 1945 ertränkte sich Sebottendorf, mittlerweile völlig mittellos und durch die Niederlage Nazi-Deutschlands zutiefst deprimiert, im Bosporus.
Wirkung
Der Einfluss Sebottendorfs auf die Ideenwelt führender Nationalsozialisten ist unumstritten. Hitler selbst scheint nie Mitglied der Thule-Gesellschaft gewesen zu sein. Die Teilnahme von Alfred Rosenberg, Julius Streicher und Rudolf Heß an Thule-Treffen ist jedoch verbürgt [4][5]. Sebottendorf machte die Ariosophie in München einem größeren Publikum zugänglich und bereitete damit das geistige Klima, aus dem die nationalsozialistische Bewegung hervorging.
Werke
- Die Symbole des Tierkreises: eine Symbolik jeden Grades nach alten Quellen gesammelt, Leipzig 1920.
- Geschichte der Astrologie, Leipzig 1923.
- Die Praxis der alten türkischen Freimauerei: Der Schlüssel zum Verständnis der Alchimie, Freiburg im Breisgau 1924.
- Der Talisman des Rosenkreuzers, Pfullingen 1925.
- Bevor Hitler kam: Urkundlich aus der Frühzeit der Nationalsozialistischen Bewegung, München 1933.
Weblinks
Literatur
- Goodrick-Clarke, Nicholas: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus, Wiesbaden 2004.
- Frenschkowski, Marco: Die Geheimbünde. Eine kulturgeschichtliche Analyse, Wiesbaden 2008.
- Sünner, Rüdiger: Schwarze Sonne. Entfesselung und Mißbrauch der Mythen in Nationalsozialismus und rechter Esoterik, Freiburg 1999.
Quellennachweise
- ↑ Goodrick-Clarke, Nicholas: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus, Wiesbaden 2004,123.
- ↑ Goodrick-Clarke, Nicholas: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus, Wiesbaden 2004,125.
- ↑ Goodrick-Clarke, Nicholas: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus, Wiesbaden 2004,132-133.
- ↑ Goodrick-Clarke, Nicholas: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus, Wiesbaden 2004,132.
- ↑ Sünner, Rüdiger: Schwarze Sonne. Entfesselung und Mißbrauch der Mythen in Nationalsozialismus und rechter Esoterik, Freiburg 1999, 31-32.