Nikola Teslas Spätwerk
Das Spätwerk von Nikola Tesla entspricht einer Fülle pseudowissenschaftlicher, utopistische Vorstellungen und Behauptungen des alternden Erfinders Nikola Tesla. Sein Spätwerk machen Tesla für heutige esoterische und wissenschaftskritische Kreise sowie Verschwörungstheoretiker interessant und sind Gegenstand einer großen Zahl von in der Regel an Laien gerichteten Büchern und Artikeln geworden.
Unter dem Namen "Tesla" werden auch zahlreiche fragwürdige Produkte und offensichtliche Scharlatanerieprodukte angeboten, die auf das Tesla-Spätwerk bezogen sind. Eine behauptete Genialität des Sonderlings und eine (zunehmend gegen Lebensende) wachsende Wissenschaftskritik und Wissenschaftsferne von Nikola Tesla soll den Verkauf und die Akzeptanz völlig technisch wirkungsloser und realitätsferner Produkte ermöglichen. Als Beispiele können hier die Tesla Uhr oder das Supertuning genannt werden. Dies wird insbesondere im Bereich der Skalarwellen-Anhänger und der Anhänger einer so genannten "freien Energie" ersichtlich.
Tesla litt zunehmend unter psychischen Zwangsstörungen. Dabei spielte die Zahl drei eine besondere Rolle. So wird berichtet, dass Tesla vor dem Begehen eines Gebäudes den entsprechenden Häuserblock erst drei Mal umlaufen musste. Bestimmte Kleidungsstücke wurden nach dreimaligem Gebrauch weggeworfen usw.
Teslas Kritik der wissenschaftlichen Physik
Tesla war Gegner der Einstein'schen Relativitätstheorie[2][3], sowie Anhänger der Äther-Theorie und von elektromagnetischen Longitudinalwellen (Skalarwellen) im freien Raum.
Im Alter von 81 Jahren behauptete Tesla, eine ausführlich ausgearbeitete eigene Theorie zur Gravitation mit dem Namen "dynamic theory of gravity" gefunden zu haben. Eine Veröffentlichung erfolgte jedoch nicht.
"Freie Energie" und "Tesla car"
In seinen späten Lebensjahren begann Tesla, utopische Vorstellungen zu entwickeln, was mit Hochfrequenz- und Wechselstromtechnik alles machbar sei. Er konzentrierte sich dabei mehr und mehr auf unrealistische Träumereien und vernachlässigte darüber die Arbeit an dem, was tatsächlich umsetzbar war. Diese Utopien regen bis heute die Phantasie von Verschwörungstheoretikern, Pseudowissenschaftlern und Esoterikern an. Teslas Name wird häufig werbewirksam aber unbegründet bei der Beschreibung technisch wirkungsloser Produkte eingestreut, um diesen damit den Anschein von Seriosität zu verleihen.
Anhänger der sog. Freien Energie, wie auch Konstantin Meyl berufen sich gerne aber fälschlich auf Nikola Tesla, der um 1900 eine Energieübertragung im Kilowatt-Bereich und über eine Entfernung von mehreren 10 km demonstriert haben wollte. Ernstzunehmende Belege dafür gibt es aber nicht. Bezug genommen wird vor allem auf ein Patent[4] von Tesla. Die darin beschriebene Anordnung ähnelt auf den ersten Blick tatsächlich einem von Meyl verkauften Skalarwellen-Experimentierset. Allerdings behauptete Tesla nicht die Existenz von der Physik unbekannten Phänomenen wie Skalarwellen oder Wirkungsgraden > 1. Vielmehr war er der Ansicht, dass sein Teslatransformator aufgrund einer Ionisation der Luft funktionieren würde, d.h. es würde ein elektrisch leitender Kanal zwischen Sender und Empfänger entstehen. Wie bei Meyl sind auch bei Tesla zwei Kugeln als "Antennen" bzw Kapazitäten vorhanden; Tesla stellte sich darunter jedoch Ballons oder ähnliches vor, da er annahm, dass die angestrebte Ionisation der Luft in größerer Höhe über dem Erdboden leichter zu erreichen sei.
Bei Tesla-Anhängern ist eine Anekdote besonders populär: die des Tesla-Autos, besser bekannt als "Tesla car". Die in zahlreichen Publikationen zu findende Geschichte mit vagen Quellenangaben bezieht sich auf Behauptungen eines angeblichen Tesla-Neffen namens Peter Savo von September 1967. Savo behauptete einem Mann namens Derek Ahers gegenüber, dass Nikola Tesla ihn im Jahre 1931 nach Buffalo (NY) mitgenommen hätte und ihm dort ein zu einem Elektroauto umgebautes Automobil der Marke Pierce-Arrow gezeigt hätte. Ein unbekannter Tesla-Bekannter soll demnach in dieses Auto einen Wechselstrommotor eingebaut und Tesla nach einer Spannungsquelle gefragt haben. Tesla soll dann in einen Laden gegangen sein und einige Bauteile erstanden haben, die er in eine "schwarze Box" im Handschufach einbaute. Daraufhin sei der Wagen mit Strom versorgt gewesen, wie Tesla gemeint haben soll. Die schwarze Box mit 12 Eletronenröhren soll dabei als "power receiver" fungiert haben und sei an eine etwa 3 Meter lange Antenne angeschlossen gewesen. Der Wagen soll dann der Legende nach innerhalb von acht Tagen 50 Meilen weit gefahren sein, mit Geschwindigkeiten bis zu "90 mph during an 8-day period". Als in Zeitungsartikeln diese Behauptungen verissen wurden, soll Tesla die Box wieder ausgebaut haben. Laut einer Verschwörungstheorie soll sie nie wieder gesehen worden sein. Über diese abwegige Anekdote liegen keinerlei belastbare Quellen oder Beweise vor, Tesla hatte auch nie einen Neffen des Namens Peter Savo.
Das NEXUS Magazin (engl. Ausgabe) veröffentlichte zu diesem Thema einen unkritischen Artikel im Jahre 2005.[5]
Erdbebenerzeugende Maschinen (Earthquake Machines)
Ein Biograf Teslas, John O'Neill, schrieb, Tesla habe in New York bei Experimenten mit Resonanzen, die er mit elektro-mechanischen Oszillatoren durchführte, durch das Abstimmen der entsprechenden Frequenzen Resonanzschwingungen in mehreren umliegenden Gebäuden erzeugt, von denen sein eigenes zunächst nicht erfasst wurde. Dies habe einen Polizeieinsatz ausgelöst. Als er im Verlauf des Experiments die Resonanzfrequenz des eigenen Gebäudes traf, sei ihm die Gefahr bewusst geworden, und er habe den Vorgang mit einem Vorschlaghammer beendet, als die Polizei eintraf.[6]
Diese Aussage wurde von anderen Biografen aufgegriffen. Das unhaltbare Gerücht, Tesla habe künstlich geschaffene Erdbeben erzeugen können, ist noch heute Ausgangspunkt von Verschwörungstheorien. So behauptet die österreichische Politologin Claudia von Werlhof, die Forschungsanlage HAARP verwende eine geheime "Tesla-Technologie", um über das Erzeugen künstlicher Erdbeben weitere Erdölreverven ausfindig zu machen. Auf diese Weise sei auch das schwere Erdbeben am 12. Januar 2010 auf Haiti ausgelöst worden, bei dem über 200.000 Menschen starben. Dies ist eine von mehreren Verschwörungstheorien zum Erdbeben auf Haiti 2010, die neben der Unwissenschaftlichkeit ihrer Annahmen auch außer Acht lassen, dass Haiti auf der Grenze zweier Kontinentalplatten liegt und aufgrund der natürlichen plattentektonischen Aktivitäten in dieser Region auch schon in den Jahren 1751, 1842, 1860 schweren Erdbeben ausgesetzt war.[7]
Siehe auch: Infraschallkanone und Gavreau-Experimente.
Kontakt zu Venus- oder Marsbewohnern und Teslascope
Während seiner Zeit in Colorado Springs setzte Tesla bei Versuchen mit Hochfrequenz auch primitive Empfänger mit rotierenden Kohärern (Fritter) ein. Durch die Rotation wurden die kleinen Metallpartikel darin ständig durchmischt und konnten ständig Hochfrequenz anzeigen. Ein Problem damaliger Kohärerempfänger war die Empfindlichkeit auch für sferics, also natürliche elektromagnetische Wellen durch Gewitter und statische Aufladungen durch Wettereffekte. Der Kohärer war zuvor 1890 durch den französischen Erfinder Édouard Branly erfunden worden. Mit einem derartigen primitiven Empfänger und seiner Tesla-Spule will Tesla 1899 Signale vom Planeten Mars empfangen haben, wie er sagte:
- ..I can never forget the first sensations I experienced when it dawned upon me that I had observed something possibly of incalculable consequences to mankind. . . . Although I could not decipher their meaning, it was impossible for me to think of them as having been entirely accidental. The feeling is constantly growing on me that I had been the first to hear the greeting of one planet to another...[8]
Als Teslascope werden in der Szene der Tesla-Bewunderer Funkempfänger bezeichnet, die angeblich Nikola Tesla benutzt haben soll als er glaubte Funksignale als Lebenseichen extraterrestrischen Lebens von anderen Planeten empfangen zu haben.[9][10][11][12] Tatsächlich hatte Tesla mehrfach behauptet extraterrestrische Funksignale empfangen zu haben. Allerdings ist die Verwendung eines Teslascopes durch Nikola Tesla völlig undokumentiert. In an Laien gerichteten Publikationen ist in diesem Zusammenhang auch vage von einem so genannten Hyperdimensional Oscillator die Rede.
Die Idee eines Teslascope stammt aus einem Buch von 1970 mit dem Titel "The Wall of Light: Nikola Tesla and the Venusian space ship, the X-12" des Autors Arthur H. Matthews, der ein Zeitgenosse und Mitarbeiter von Tesla war. Matthews verbreitete auch, dass Nikola Tesla auf dem Planeten Venus geboren worden sei, wie ihm "Venusianer" mitgeteilt hätten.
Tesla, "Todesstrahlen" und "Teleforce"
Im hohen Alter machte Tesla Behauptungen zu einer Teleforce-Waffe, die als Superwaffe alle Kriege beendigen könne. In der Presse war dann auch entweder von Todesstrahlen oder Friedensstrahlen die Rede. 1937 schrieb Tesla dazu eine Abhandlung mit dem Titel "The Art of Projecting Concentrated Non-dispersive Energy through the Natural Media", in der er von beschleunigten elektrisch geladenen Partikeln aus Quecksilber oder Tungsten sprach. Als treibende Energie wird eine Hochspannung im Megavolt-Bereich genannt:
- [would] send concentrated beams of particles through the free air, of such tremendous energy that they will bring down a fleet of 10,000 enemy airplanes at a distance of 200 miles from a defending nation's border and will cause armies to drop dead in their tracks.
Das von Tesla angesprochene US-Verteidigungsministerium (US War Department) und auch europäische Staaten zeigten sich an der Erfindung nicht interessiert.
Tesla und das ozonisierte Olivenöl
Ab 1900 soll Tesla einer Legende nach auch "ozonisiertes Olivenöl" hergestellt haben und an Ärzte verkauft haben. Die "Ozonisierung" soll dadurch geschehen sein, dass er das Olivenöl 2 Monate lang Ozon aussezte, das bei sich durch Funkenbildung bei seinen Experimenten bildete. Das Ozon wurde dabei durch das Olivenöl geblasen. Das Produkt namens Glycozone war 1885 von dem in den USA lebenden Franzosen Charles Marchand (New York City) erfunden. "Ozonisiertes Olivenöl" war auch eines der Heilmittel der amerikanischen Scharlatanin Hulda Clark.
Quellennachweise
- ↑ http://www.teslasociety.ch/info/presse/WOZ_6.7.06.pdf
- ↑ Zitat Tesla (1935): [a] magnificent mathematical garb which fascinates, dazzles and makes people blind to the underlying errors. The theory is like a beggar clothed in purple whom ignorant people take for a king ..., its exponents are brilliant men but they are metaphysicists rather than scientists. Quelle: New York Times, 11.7.1935, S.23
- ↑ Zitat Tesla: (1936)"...the relativity theory, by the way, is much older than its present proponents. It was advanced over 200 years ago by my illustrious countryman Boskovic, the great philospher, who, not withstanding other and multifold obligations, wrote a thousand volumes of excellent literature on a vast variety of subjects. Boskovic dealt with relativity, including the so-called time-space continuum." Anderson, L, ed. Nikola Tesla: Lecture Before the New York Academy of Sciences: The Streams of Lenard and Roentgen and Novel Apparatus for Their Production, 6. April 1897
- ↑ 4,0 4,1 U.S. Patent 645,576: System of transmission of electrical energy. Patented Mar. 20, 1900
- ↑ NEXUS Magazin, engl. Ausgabe, Heft 37, Februar 2005
- ↑ O'Neill, John J. (2006). Prodigal Genius: The Life of Nikola Tesla. Cosimo, Inc. pp. 162-164. ISBN 1596057130
- ↑ http://www.ngdc.noaa.gov/nndc/struts/results?bt_0=1700&st_0=2010&type_17=EXACT&query_17=None+Selected&op_12=eq&v_12=HAITI&type_12=Or&query_14=None+Selected&type_3=Like&query_3=&st_1=&bt_2=&st_2=&bt_1=&bt_4=&st_4=&bt_5=&st_5=&bt_6=&st_6=&bt_7=&st_7=&bt_8=&st_8=&bt_9=&st_9=&bt_10=&st_10=&type_11=Exact&query_11=&type_16=Exact&query_16=&display_look=1&t=101650&s=1&submit_all=Search+Database
- ↑ http://earlyradiohistory.us/1901talk.htm
- ↑ Carlson, W. Bernard (2005), "Inventor of Dreams", Scientific American: 85
- ↑ Lisa Aldrich, Nikola Tesla and the Taming of Electricity, Morgan Reynolds Publishing. S. 142–143
- ↑ Robert A. Nelson,"Communicating with Mars: The Experiments of Tesla & Hodowanec",Rex Research, 1998. [1]
- ↑ http://www.borderlands.com/archives/arch/marscom.htm