Rohkost bezeichnet eine Ernährungsweise, bei der die Nahrung weitgehend keiner Hitzebehandlung unterzogen wird. Als Rohkost wird auch die entsprechende Nahrung selbst bezeichnet. Oft wird in diesem Zusammenhang eine maximale Temperatur von 40 Grad C genannt. Eine streng angewandte Rohkost verbietet auch das Aufbrühen von Tees oder Kaffee. Die Rohkost kann als eine extreme Variante der Vollwerternährung bezeichnet werden.

Zur Begründung geben Anhänger der Rohkost an, dass die asketische Rohkost gesundheitliche Vorteile biete und behaupten, dass sich der Mensch im Laufe der Evolution noch nicht an gekochte Kost angepasst habe.

Rohköstler sind auch in eigenen Rohkostvereinigungen organisiert. Zur Rohkost existieren viele Kochbücher (aus Sicht der jeweiligen Rohkostlehre) und in manchen Grosstädten sind Rohkostrestaurants anzutreffen.

Die Ursprünge der Rohkost sind mit Namen wie Sylvester Graham und Isaac Jennings (19. Jahrhundert, Natural Hygiene), Arnold Ehret (1866 - 1922), Norman W. Walker (1867 - 1985) und Aterhov Arshavir (1898 - 1990) verbunden.

Rohkost

In der Rohkost sind nur Lebensmittel erlaubt, die nicht zuvor auf über 40 Grad (andere Angabe: 60 Grad) erhitzt wurden. Verboten sind daher Obst- oder Gemüsesäfte aus dem Handel, Limonaden, Brot und Kuchen, Lebensmittel aus Konserven oder Gläsern, Milch und Milchprodukte (auch Käse), Pflanzenöle, Schokolade, Zucker in allen Formen, Kaffee und Tee sowie Teigwaren. Letzendlich dichotomiert die Rohkost die hierarchischen Lebensmittelbewertungen der Vollwertkost und verzichtet gänzlich auf die als minderwertig eingestuften Nahrungsmittel. Jegliche Verarbeitung oder Haltbarmachung von Speisen wird nicht nur als wertmindernd, sondern sogar als schädlich eingestuft.

Rohkostvarianten

 
Rohkösterin Brigitte Rondholz

Es gibt verschiedne Rohkost-Varianten. Häufig sind regelrechte Glaubenskriege zwischen den Verfechtern der einzelnen Varianten zu beobachten. Streitpunkte sind beispielsweise die Anzahl der Mahlzeiten, die Menge des Trinkwassers, die Frage der Herkunft von Früchten (lokal oder importiert), der Anteil von Früchten an der Gesamtnahrung, die Frage des erlaubten Einfrierens sowie bekannte Auseinandersetzungen um vegetarische, vegane oder fleischerlaubende Ernährung. Wahrscheinlich ist auf jeden Fall, dass es nur wenige tatsächliche Rohköstler gibt, die sich also ausschliesslich rohköstlich ernähren.

Prinzipiell lassen sich unterscheiden:

  • vegetarische Rohkost
  • vegane Rohkost
  • Rohkost, die auch tierisches Fleisch erlaubt

Als Varianten der Rohkosten sind bekannt:

Bei den Rohkosternährungsweisen, die von ihren Befürwortern auf Dauer befolgt werden sollen, sind spezielle Rohkost-Diäten und Kuren zu unterscheiden. Zu diesen kann die Gerson-Diät (als Form einer so genannten Krebsdiät) nach Max Gerson gerechnet werden.

Gesundheitsaspekte

Sicht der Befürworter

Die Theoriegebäude der Rohkost sind in der Regel pseudowissenschaftlich und beruhen auf einem romantisierten Menschenbild. Meinungsführer der Rohköstler dulden oftmals keinen Widerspruch und die einzelnen Fraktionen stehen in ideologischer Konkurrenz.

Befürworter der Rohkost glauben an gesundheitlich positive Auswirkungen bei Befolgung der Rohkost und behaupten gleichzeitig zahlreiche Gefahren so genannter "denaturierter Lebensmittel". Typisch sind in diesem Umfeld Warnungen vor Weißmehl oder Zucker (siehe Max Otto Bruker). Rohköstler sehen in der seit Jahrtausenden praktizierten Erhitzung von Lebensmittel (im Jargon: Kochkost oder Schlechtkost) die Ursache heutiger so genannter Zivilisationskrankheiten (siehe dazu: Zivilisationsschadenstheorie) und der verbreiteten Adipositas (Übergewicht). Auch Zuckerkrankheit, Allergien und Gicht werden häufig als Folge einer Nichtbefolgung von Rohkost angesehen. Mitunter werden den Rohkost-Jüngern geradezu absurde Versprechungen gemacht, vorausgesetzt man befolgt die teils sehr strengen Ernährungsregeln: So würde die Rohkost beispielsweise Krebs heilen und mache unempfänglich für Infektionskrankheiten. Nach Ansicht von Rohköstlern würden durch das Kochen und Braten neue Substanzen entstehen, die als "künstlich" bezeichnet werden und als vermeintliche Schadstoffe im Körper gespeichert würden und durch Entschlackung "entgiftet" werden müssten. Als Erkennungszeichen der Entwicklung derartiger Substanzen wird oft in der Rohkostszene auf die typische Braun- oder Schwarzfärbung bei Hitzeeinwirkung verwiesen.

Ernährungswissenschaftliche Sicht und Kritik

Erkenntnisse zur Rohkost wurde durch die "Gießener Rohkoststudie" vom Fachbereich Ernährungswissenschaft der Universität Gießen gewonnen. Die Studie wurde von 1996 bis 1998 unter Leitung von Claus Leitzmann durchgeführt. Ihr Ziel war es, die verschiedenen Richtungen der Rohkost in Deutschland zu erfassen sowie das Ernährungsverhalten und den Gesundheitsstatus von Rohköstlern zu untersuchen. In der Hauptphase gab es über 700 Teilnehmer, vollständige Datensätze lagen zum Schluss von 201 Personen vor. 63 davon ernährten sich fast ausschließlich von Rohkost, 73 zu über 80 Prozent. 57 Personen waren Veganer, 88 Vegetarier, 56 so genannte omnivore Rohköstler, die auch (ungekochtes) Fleisch und Fisch verzehren. Die Nährstoffversorgung wurde durch Blutuntersuchungen ermittelt.

Wesentliche Ergebnisse der Studie waren, dass 57 Prozent der Studienteilnehmer ein Untergewicht aufwiesen und nur ein Prozent Übergewicht. Innerhalb von vier Jahren hatten die Männer im Schnitt fast zehn Kilogramm Gewicht verloren, die Frauen etwa zwölf Kilo, und zwar unabhängig vom Ausgangsgewicht. Etwa ein Drittel der Frauen unter 45 Jahren hatte keine Menstruation mehr, litt also unter Amenorrhoe. Die Zufuhr der Vitamine A, C, E, B1, B6, Folsäure, Betacarotin, Selen und Antioxidantien lag also über den empfohlenen Richtwerten. Bei Calcium, Zink, Iod, Vitamin D und Vitamin B12 wurde ein deutlicher Mangel festgestellt. Die Magnesiumzufuhr über die Nahrung war ausreichend, trotzdem lagen die Blutwerte unter den Richtwerten. Das zugeführte Magnesium wird bei Rohköstlern demnach nicht optimal vom Körper aufgenommen. Außerdem war die Zufuhr an Eisen nicht ausreichend, so dass 43 Prozent der Männer und 15 Prozent der Frauen an einer Anämie litten. Sie wurde um so häufiger festgestellt, je länger ein Studienteilnehmer bereits Rohköstler war.

Leitzmann leitete aus den Studienergebnissen den Schluss ab, dass eine fast ausschließliche Rohkosternährung aus gesundheitlichen Gründen nicht empfehlenswert ist.[1][2]

Die von Anhängern der Rohkost immer wieder vertretene These, dass der menschliche Organismus sich nicht an gekochte Kost angepasst hat, ist wissenschaftlich unhaltbar. Feuer wird seit der Frühzeit der Menschen zur Zubereitung von Speisen benutzt, erstmals nachgewiesen beim Homo erectus.

Pflanzliche Toxine

Lebensmittel, die unverarbeitet aus Pflanzen oder Algen hergestellt werden, sind nicht immer unbedenklich. Zahlreiche Pflanzen weisen Toxine zum Fraßschutz auf. Daraus resultiert in der Regel eine geringere Bekömmlichkeit und schlechtere Verdaubarkeit. Viele Pflanzen sind sogar ausgesprochen giftig, einige davon nur in rohem Zustand, wie z.B. manche Bohnenarten. Beispielsweise enthalten rohe Gartenbohnen ein für den Menschen giftiges Proteingemisch (Lektine), das erst durch Kochen zerstört wird.

In den Randschichten des Getreides befinden sich neben anderen Substanzen (z.B. Vitamine) ebenfalls Abwehrstoffe gegen Fraßfeinde (etwa Phytin). Phytin bindet im Darm Mineralstoffe und Vitamine und verhindert dass diese über den Darm in den Körper aufgenommen werden können. Zudem kann es Verdauungsenzyme blockieren.[3] Bei der Herstellung von Vollkornprodukten wird deshalb durch spezielle Teigführung der Phytingehalt reduziert.

Kartoffeln enthalten unter anderem das giftige Alkaloid Solanin. Bereits 200 Milligramm Solanin können für einen Erwachsenen tödlich sein. Damit ist es so giftig wie Strychnin. Da das Solanin recht hitzebeständig ist, wird es beim Kochen nicht zerstört, sondern geht ins Wasser über und wird mit dem Kochwasser weggeschüttet.

Ebenso sind viele Pilze (keine Pflanzen) roh giftig. Auch tierische Lebensmittel können in roher Form Toxine enthalten: Rohe Eier enthalten Avidin, einen durch Hitze inaktivierbaren Biotin-Hemmstoff.

Keimbelastung roher Lebensmittel

Unbehandelte Lebensmittel tierischer und pflanzlicher Herkunft können bakteriell und/oder mit Parasiten kontaminiert sein.

  • Durch die Kontamination von rohen Sprossen mit dem Enterohämorrhagischen Escherichia coli (EHEC) kam es im Mai/Juni 2011 zum Ausbruch von blutigen Durchfallerkrankungen (enterohämorrhagische Colitis) und bei einigen der Erkrankten zum hämolytisch-urämische Syndrom.[4] Es gab insgesamt 25 Todesopfer.
  • In Rohmilch kann Mycobacterium bovis, der Erreger der Rindertuberkulose, vorkommen. Mycobacterium bovis kann auch auf den Menschen übertragen werden. Die Infektion des Menschen erfolgt vor allem durch nicht pasteurisierte Milch.
  • Durch den Verzehr von rohem Fleisch, Eiern und Rohmilchprodukten kann es zu einer Infektion mit Salmonellen kommen.

Quellenverzeichnis