Orgon
Orgon (oder Orgonenergie) ist ein esoterischer Begriff, der auf den österreichischen Psychiater Wilhelm Reich zurück geht. In seiner späten ("neoreichianischen") Schaffensphase (ab den 1930er Jahren) beschäftigte sich Reich mit etwas, das er primordiale kosmische Energie nannte. Aus seinen Bion-Experimenten sowie den Ideen eines Friedrich Kraus leitete er 1939 das Konzept der Orgonenergie ab.
Im Rahmen der heute verbreiteten Reichschen "Orgonomie" tauchen Begriffe wie Orgonenergie, Orgonbiologie oder Orgonchemie auf.
Behauptungen und Vermutungen zur Orgonenergie
In elektrisch nicht leitenden Materialien wie Gummi, Watte oder Sand glaubte Reich, elektrische Felder mit einem Elektroskop oder Elektrometer nachweisen zu können, die von einer kosmischen Energie namens Orgon stammen sollten. Analog zu seinen Beobachtungen an Sapa-Bionen, die Energie abstrahlen sollen, glaubte er an die Existenz einer dem Menschen innewohnenden Orgonenergie. Orgon-Anhänger definieren Leben auch als "Orgonenergie, die innerhalb einer Membran pulsiert" und nennen die Lehre von der Orgonenergie Orgonomie.
Orgonenergie sei auch in der Atmosphäre sowie im Erdboden in unerschöpflicher Menge vorhanden und mit Elektrometern nachweisbar. Der Ausschlag eines Elektrometers (ein veraltetes Anzeigeinstrument für hohe elektrische Spannungen) gibt jedoch nur Auskunft über die Höhe einer Spannung, nicht über die verfügbare Energie. Zwar kann bereits das Aufreißen einer Kunststoffverpackung oder das Reiben an einem Teppich zu Spannungen von mehreren tausend Volt und einem entsprechenden Ausschlag eines Elektrometers führen. Nennenswerte elektrische Energie kann diesem Vorgang jedoch nicht entnommen werden, da nur eine begrenzte Anzahl von Ladungsträgern getrennt wurde und bestenfalls ein sehr kurzer, schwacher Stromimpuls erzeugt werden kann. Entsprechend lässt sich auch die Luftelektrizität, bei der zwar Spannungen im Kilovoltbereich auftreten können, nicht zur Energiegewinnung nutzen.
Der Orgon-Begriff ist wissenschaftlich nicht anerkannt und wird nur in den Kreisen der Reich- oder Orgonanhänger benutzt. Einige von ihnen glauben, dass Orgonenergie identisch mit dem Phänomen der so genannten mouches volantes sei, oder den Kreiselwellen genannten, kurzzeitigen Lichtblitzen (auch Augenflimmern genannt) oder dem Sinneseindruck von hochfrequentem Rauschen bei Tinnitus oder bei Durchblutungsstörungen und kurzzeitigen Bewusstseinsstörungen.
Orgonakkumulatoren, Orgonstrahler, Orgongeneratoren
Reichs Annahmen zur Orgonenergie führten zur Orgontherapie und zur Entwicklung der Orgonakkumulatoren, das sind Kabinen, die Orgon speichern sollten. Der Cloudbuster, ein Gebilde aus Kupferrohren, deren Enden meist in einen Block aus Orgonit (eine Mischung aus Kunstharz und Metallresten) eingegossen sind, soll nach Reich in der Lage sein, das Orgon aus der Atmosphäre zum Boden abzuleiten. Orgonakkumulatoren und Cloudbuster werden von Esoterik-Händlern angeboten, verbreitet sind aber vor allem Anleitungen zum Selbstbau. In größerem Umfang kommerziell vertrieben werden dagegen Orgonstrahler. Der Orgonstrahler, in der typischen Bauform ein einseitig angespitzter Stab aus Metall, soll Orgonenergie aufnehmen und, wie es beispielsweise in der Werbung heißt, "gereinigt und veredelt" als gebündelten Strahl wieder abgeben. Auch gibt es "Orgon-Generatoren", auch "Chi-Generatoren" genannt, mit denen man Orgonenergie nicht nur beeinflussen könne, sondern erzeugen.
Protagonisten im deutschsprachigen Raum
Einer der engagiertesten selbsternannten Orgonforscher im deutschsprachigen Raum ist der Berliner Professor für Wirtschaftswissenschaften Bernd Senf. Ein weiterer Exponent der Orgonomieszene ist ein Joachim Trettin, Leiter eines "Orgoninstituts" in Nümbrecht.
Wilhelm Reich OrgonInstitut Deutschland in Nümbrecht
Im nordrhein-westfälischen Nümbrecht (im Oberbergischen Kreis) befindet sich ein "Wilhelm Reich OrgonInstitut Deutschland" (IOO, kurz "Orgoninstitut Deutschland"). Geleitet wird es von Joachim Trettin.[2] Trettin ist nach eigenen Angaben "erster Professor für Orgonomie überhaupt". Trettin gab auch an, "Prof. h.c. Dr. (unem)" zu sein. Die abkürzung unem bezieht sich auf die costa-ricanische Titelmühle "Universidad Empresarial de Costa Rica"(UNEM), die falsche Professoren- und Doktortitel gegen "Spenden" anbot.[3] Das Nümbrechter "Orgoninstitut" verkauft Orgonakkumulatoren (1630 Euro) und Orgondecken.
Das Orgoninstitut bietet außerdem ein so genanntes "Studium der Orgonomie" an. Dabei soll es sich um ein 18 monatiges Fernstudium mit 18 Präsenztagen (einer pro Monat) handeln. An den Präsenztagen solle in "Laborarbeit" ein bestimmter Reichscher Bluttest, die Beobachtung von Bionen und "Messungen zur Orgonenergie" durchgeführt werden. Die Kosten belaufen sich auf 6750 EUR (375 EUR pro Monat). Eine obskure "ausländische Privathochschule" (AMRI) erhebe noch einmal eine "Graduationsgebühr" in Höhe von 1500 Euro, die später auf 2500 Euro erhöht wurde. Im Jahre 2008 hiess es auf den Trettin Webseiten dann überraschenderweise dass das Studium nicht an der AMRI (wo Trettin als "Professor" genannt wird) stattfinde sondern an der Titelmühle "Universidad Empresarial de Costa Rica" (Unem) in Costa Rica (Zitat):
- PS: update September 2008. Diese Ankündigung ist nicht mehr up to date. Das Studium ist ein reines Studium am Orgoninstitut. Anschließende Abschlüsse obliegen der Unem Universität. Siehe update www.orgonomiestudium.de[4]
Nach Angaben des Orgoninstituts wären die Graduierungen des ausländischen Instituts:
- ..nicht in allen Ländern gültig, so beispielsweise nicht in Deutschland, es sei denn die Kultusministerkonferenz erlaubt das Führen der Titel...Im Zuge der Zusammenführung für Europa hoffen wir, wenn auch vielleicht unbegründet auf eine Verbesserung.
"Studierende" können zu jedem beliebigen Monat an ihre Ausbildung beginnen. Lehrinhalte sollen die Schriften von Reich, orgontherapeutisches Training, die Geschichte der Psychoanalyse und "rechtliche Fragen" bereffen. Als Prüfer tritt Trettin auf.
Absolventen sollen sich offenbar "Orgonom" nennen dürfen. Laut Orgoninstitut wäre die typische Tätigkeit eines Orgonomen ein
- ..fachlich neuer Beruf auf den Gebieten der alternativen Medizin und Heilverfahren, im therapeutischen Bereich, der religiösen Philosophie, in der Wetterkunde, Biologie und Physik, der Wüstenbegrünung, der Pädagogik, der Sozialarbeit, der Hebammenpraktik, der Neurosenprophylaxe und dem Wellnessbereich.
Bei dem graduierenden ausländischen Privatinstitut handelt es sich um die "AMRI Hochschule" (Hochschule für alternative Medizin), an der Trettin selbst sowie eine Prof. Dr. h.c. Beate Freihold als Dozenten (Professor in Orgonomy) tätig sein sollen[5]. Die genannte AMRI ist laut eigenen Angaben auf ihrer Webseite Teil einer "Alternative Medicines Research Organisation (AMRO)" mit Postfach in Vancouver (Kanada).[6] und soll aber auch Teil eines "University Consortium International" (UCI) sein. Präsident der UCI sowie Gründer der AMRO ist ein "Prince Egbert Phipps of The ISLE of MAN". Als Referenz für angebliche Seriosität gibt die AMRI ausgerechnet die zwielichtige "International Parliament for Safety and Peace" in Palermo an[7].
Literatur
- Martin Gardner: Reich the Rainmaker: the Orgone Obsession. Skeptical Inquirer, 13(1):26-30, 1988
- Irmgard Oepen, Horst Löb: Der Orgon-Strahler – eine funktionslose, aber offenbar gewinnbringende Attrappe. Skeptiker 11 (4/98) 148-152
Quellenangaben
- ↑ http://www.facebook.com/people/John-Joachim-Trettin/100000667616090
- ↑ Orgoninstitut Deutschland, Leitung Joachim Trettin, Haus Dr. Hermann Trettin, Spreitger Weg 20, D- 51588 Nümbrecht
- ↑ http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,597705,00.html
- ↑
- ↑ http://www.altmedresearch.org/AMRI/faculty.htm
- ↑ Alternative Medicines Research Organisation (AMRO), Prof. Dr. E.G. Phipps, Chairman & Founder, Post Office Box 74178 RPO Hillcrest, Vancouver, B.C. V5V 5C8 Canada
- ↑ In August, 2004 AMRI was granted a Parliamentary Charter by the International Parliament for Safety and Peace, Palermo, Italy. This charter enhances the document of Recognition and Accreditation previously granted by the same body and attests to the international standing of our institution.