Hannah Arendt Akademie e.V.

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Rednerliste beim Hannah Arendt Akademie e. V., darunter Virenleugner Stefan Lanka, zusammen mit anderen "Querdenkern" und Daniele Ganser (Bild: RechercheteamB, November 2021[1])
Schuhverkäufer und Vereinsvorsitzender Christian Klammer (Bild: Andrea Jaksch / Merkur 2020)

Der Hannah Arendt Akademie e.V. ist ein deutscher Verein mit Sitz in 82319 Starnberg[2] (Bayern), dessen Gründer dem Umfeld des Blog Rubikon News (kurz Rubikon) zuzuordnen sind. Der Verein vereint insbesondere Personen aus dem Bereich der Gegner von Schutzmassnahmen gegen das neue Coronavirus CoV-2. Der Verein präsentiert sich mit dem nicht gesetzlich geschützten Namen "Akademie" als kostenpflichtiger privater "Zugang" zur Orientierung einer akademischen Aus- und Weiterbildung und einem "Studium auf höchstem wissenschaftlichem Niveau".

Die Gründung des Vereins wurde im September 2021 bei Rubikon als Hannah Arendt Akademie e.V. und auch als Hannah-Arendt-Akademie der Denker bekannt gemacht. Als Namensgeberin wird die jüdische deutsch-amerikanische Publizistin Hannah Arendt genannt.

Als Vorstandsvorsitzender des Verein wird Unternehmensberater und Schuhhändler Christian Klammer angegeben. 2. Vorsitzender ist Rubikon-Autor Matthias Burchardt, Kassenwärtin ist die Ehefrau des Vereinsvorsitzenden Klammer, Jana Maria Lehnhardt. Klammer und seine Ehefrau betrieben laut taz in Starnberg ein Schuhgeschäft "Schuhtingstar", das laut Merkur im November 2020 geschlossen wurde.[3] Als Kontaktadresse wird Pöckinger Straße 23a, in 82319 Starnberg angegeben, was dem Sitz der Werbefirma Lehnhardt Consulting GmbH der Kassenwärtin Jana Maria Leonhardt entspricht. Der Verein sicherte sich im September 2021 die domain hannah-arendt-Akademie.org mit IP 83.138.83.32.

Zum Verein wird angegeben:

Als unabhängiger und unparteilicher Verein von Wissenschaftlern und Experten macht die Hannah-Arendt-Akademie e.V. es sich zur Aufgabe, Abiturienten und Studenten Zugang zur Orientierung einer akademischen Aus- und Weiterbildung sowie einem Studium auf höchstem wissenschaftlichem Niveau zu ermöglichen...Die Dozenten genießen uneingeschränkte Wissenschaftsfreiheit, insbesondere bei der Auswahl der Methoden, der Themen, der Positionen und Perspektiven. Es herrscht Rede-, Meinungs- und Gedankenfreiheit unter kultivierten und gebildeten Personen. Sprachregulationen im Sinne der Political correctness werden kategorisch abgelehnt..

Der Verein achtet in seinen Veröffentlichungen darauf nicht als staalich akkreditierte Hochschule zu erscheinen. Es werden Bescheinigungen über Teilnahmen am Lehrbetrieb vergeben, aber keine staatlich anerkannten Zertifikate.

In einer für eine seriöse Bildungseinrichtung ungewöhnlichen Wortwahl wird nach Teilnehmern gesucht. Die Rede ist dabei von einem "Hygieneregime", welches auf Grund eines "Corona-Narrativ" deutschen Universitäten Einschränkungen auferlege. Auch heisst es wörtlich:

  • “Akademie der Denker – eine neue, wirklich geistig offene, wissenschaftliche Akademie für ALLE UnGeimpften“

Angekündigt werden Seminare und Ringvorlesungen zu wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Themen, andererseits ist von Angaboten in den Bereichen Pädagogik, Philosophie und Psychologie die Rede. Für Vortragende und Zuhörer gebe es jedoch bestimmte Aufnahmekriterien, die nicht offengelegt werden. Zuhörer sollen 150 € für eine sechsmonatige Teilnahme bezahlen und können dann online in Videos Vorträge betrachten. Als Vortragende sind Andreas Popp, Daniele Ganser, Ernst Wolff, Gunnar Kaiser, Max Otte, Hans Kremer, Isabell Krötsch, Franz Ruppert, Thomas Bachmeier, Holger Rekow, Virenleugner Stefan Lanka, Tobias Unruh, Stephan Luckhaus, Andreas Sönnichsen, Markus Heyenbrock, Ulrike Guerot, Ralph Otterpohl und weitere vorgesehen. Der Name des Schauspielers Jan Josef Liefers wurde nachträglich wieder entfernt. (Teilnehmer: siehe Abbildung rechts)

Der Verein wird mit Stand von Anfang November 2021 nur bei Rubikon erwähnt und war bis dahin nur einmal Thema eines Prsseartikels in der Die Tageszeitung (taz, Berlin)[4]. Der Verein wird ansonsten von einer Querdenken-Gruppe "StudentenStehenAuf" beworben. Die Gruppe StudentenSthehenAuf wendet sich gegen Schutzmassnahmen gegen das neue Coronavirus, organisiert Demonstrationen und rief vergeblich zu einem D-Day 2 auf. Organisiert werden auch Ringvorlesungen, bislang mit Gunnar Kaiser,Gerd Reuther (Wie evidenzbasiert ist die Schulmedizin?), studentischer Youtuber Sebastian Götz, David Claudio Siber und Ulrich Amon. Im November 2020 kam es zu einer Flyer-Verteilung auf dem Campus der Universität Erfurt mit NS-relativierenden Inhalten. Auf ihren Webseiten bewirbt die Gruppe das Desinfektionsmittel Chlordioxid als Mittel gegen die COVID-19 Krankheit. In den Medien wurde die Gruppe unter anderem durch ihr Mitglied "Jana" bekannt, die bei einer Demonstration in Hannover sich mit Sophie Scholl verglich, die zur Zeit des Nazionalsozialismus hingerichtet wurde.[5]

Kritik an der Nutzung des Namens Hannah Arendt

Obwohl dem hier thematisierte Verein bislang eine relevante mediale Resonanz ausserhalb der Querdenken-Szene versagt blieb, stiess die Berufung auf Hannah Arendt auf Kritik. Die Redaktion der "Zeitschrift für politisches Denken", die auch die Webseite HannahArendt.net nutzt, wandte sich im November 2021 energisch gegen den Missbrauch des Namens Hannah Arendt für die Zwecke des Vereins. Die Redaktion der Zeitschrift beruft sich auf Hannah Arendt ("Arendt Networking Group") und arbeitet mit dem Hannah Arendt-Zentrum an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und dem Hannah Arendt Center der New School University in New York zusammen. Die Mitteilung erfolgte am 17. November 2021 auf den Webseiten der Zeitschrift. Wortlaut:

Die Banalität der "Hannah-Arendt-Akademie der Denker" / The Banality of the "Hannah Arendt Academy of Thinkers"
Stellungnahme der Redaktion
Der neu gegründete Verein Hannah-Arendt-Akademie der Denker wirbt seit einigen Wochen im Internet um Bewerbungen auf ein Studium Generale. Adressaten sind junge Menschen an der Schwelle zur höheren Bildung, mit Hochschulreife aber ohne Immatrikulation. Ihnen wird im Wintersemester eine Reihe von Online-Wochenendseminaren in verschiedenen Fächern angeboten. Für eine Anmeldungsgebühr von 150€, bei regelmäßiger Teilnahme und erfolgreicher Seminarabschlussarbeit, bekommen die noch nicht Studierenden eine Teilnahmebestätigung „zur Vorlage bei Bewerbungen“, so verkündet der Verein auf seiner Website. Was hier aber nicht verraten wird: Der Pool der Dozierenden ist dem neurechten Milieu zuzuordnen, einige sind bekannte AfD-Unterstützer:innen und Verschwörungstheoretiker:innen, die mit ihren Doktor- und Professorentiteln hausieren gehen. Flankiert wird die geschwätzige Werbung („Wer sich erst einmal umschauen möchte, was die Welt im Innersten zusammenhält …“) von aus historischen und intellektuellen Kontexten herausgerissenen Zitaten von Arendt und anderen Philosoph:innen.
Wir verurteilen zutiefst diese Initiative und raten allen angesprochenen jungen Menschen davon ab, ihre intellektuelle Energie, ihre Wissbegier, ihre Zeit und nicht zuletzt ihr Geld in diese Falle zu stecken. Wir sind entsetzt über die Instrumentalisierung des Arendtschen Denkens, die hier am Werk ist. Arendts bekannte Figur eines „Denkens ohne Geländer“ verweist gerade nicht auf ein Denken, das sich losgelöst von jeglicher erfahrbaren und kommunizierbaren Wirklichkeit oder von der überprüfbaren Tatsachenwahrheit bewegt. Es geht hingegen darum, dieser Wirklichkeit ins Gesicht zu sehen („facing up to“) und zu widerstehen („resisting of“), also Urteile zu fällen gerade in Zeiten, in denen der Kompass der tradierten und verbrieften, moralischen wie rechtlichen Kategoriensysteme verloren gegangen ist. Zeiten, in denen Egoismus als Freiheit verkauft wird, Menschenrechte als Privilegien gelten und die Verbreitung von Halbwahrheiten Meinungsfreiheit genannt wird. In solchen Zeiten ist es besonders geboten, von der menschlichen Urteilskraft entschiedener Gebrauch zu machen, Recht von Unrecht und Wahrheit von Meinung zu unterscheiden.
Was hier angeboten wird ist keine Orientierung, keine Hilfe auf dem Weg in die universitäre Bildung und Karriere, was erlangt werden kann keine Freiheit, sondern es ist die Einübung in eine demokratiefeindliche Grundhaltung.
Berlin, 17. November 2021
[6]

Darauf machte auch der Religionswissenschaftler Michael Blume aufmerksam.[7] Blume ist Beauftragter der Landresregierung von Baden-Württemberg gegen Antisemitismus.

Presseartikel

  • Matthias Meisner: Institut in Bayern gegründet - Akademie der Coronaverharmloser, taz, November 2021[8]

Weblinks

(*) Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels nicht erreichbar

Quellennachweise