Mythos der geringen Krebssterblichkeit in Israel
Der Mythos der geringen Krebssterblichkeit in Israel bezieht sich auf die Behauptung des deutschen ehemaligen Arztes und Wunderheilers Ryke Geerd Hamer aus dem Jahr 2008, nach der die rohe Mortalität, also die Zahl der jährlichen Todesfälle durch Krebs im Staat Israel extrem niedrig sei. Eine entsprechende Behauptung wird von Hamer, seinen Anhängern der Germanischen Neuen Medizin, sowie in Kreisen von Gegnern einer wissenschaftlichen Medizin und in Teilen der rechsoffenen und rechten Szene im deutschsprachigen Raum immer wieder ins Gespräch gebracht, obwohl sämtliche seriös zu nennenden Quellen der Hypothese widersprechen.
Der Ursprung
Am 6. Juli 2009 ließ Hamer einen offenen Brief an Freunde - Krebstote in Israel verbreiteten, in dem er die Zahl der jährlichen Krebstoten in Israel kommentierte. Laut eigenen Ansichten werde ja dort seine Neue Medizin angewendet. Hamer bezog sich dabei auf einen Zeitungsartikel in der israelischen Zeitung Haaretz,[1] der in einem Newsletter der israelischen Botschaft zitiert wurde. Hamer schrieb:
- "So starben - laut Newsletter der Botschaft - im Jahr 2004 in Israel 152 Menschen an Krebs, und im Jahr 2003 wären es noch 160 Tote gewesen (Anm. bei ca. 6,2 Mio Einwohnern). In Österreich z.B. starben 2008 demgegenüber 19.785 Menschen (bei 8,3 Mio Einwohnern). Und in Deutschland sterben täglich qualvoll 1.500. Natürlich kann man davon ausgehen, daß das auch für alle Juden außerhalb von Israel gilt, d.h. praktisch kein jüdischer Patient stirbt mehr an Krebs. Dagegen sterben die nicht-jüdischen Patienten weltweit zu 98% an Chemo und Morphium. Deshalb findet man auch keine jüdische Chemoleiche. [...] Doch nun haben die Juden quasi selbst das Lügenkartenhaus zum Einsturz gebracht. [...] Israel selbst hat uns praktisch den Beweis dafür geliefert, daß es niemals in der Geschichte der Menschheit eine Gruppe / Religionsgemeinschaft oder mafiöse Vereinigung von derartiger globaler Menschenverachtung, krimineller Energie und Grausamkeit, allen nichtjüdischen Menschen gegenüber, gegeben hat. Jedem ehrlichen Menschen muß das Blut in den Adern gefrieren, angesichts der weltweit Millionen (Milliarden?) Toten."
Hierbei übersah aber der ehemalige Arzt Hamer, dass über die international standardisierte Mortalitätsrate (bezogen auf 100.000 Einwohner und Jahr) berichtet wurde und dass es sich nicht um die absoluten der pro Jahr an Krebs Gestorbenen (rohe Mortalität) handelte, so wie sie auf den Webseiten des israelischen Gesundheitsministerium einsehbar sind.[2] Hamer benutzt also hier seine eigene grob fehlerhafte Interpretation zu antisemitischer Hetze. Hamer wurde wiederholt auf seinen groben Fehler hingewiesen, er korrigierte sich jedoch bis heute (2016) nicht.
Hinweis: um die Inzidenzen einer Krankheit (Zahl der Neuerkrankungen/Jahr) und der Mortalität (Zahl der Verstorbenen einer bestimmten Krankeit/Jahr) sinnvoll mit entsprechenden Zahlen eines anderen Landes vergleichen zu können, werden in der Medizin die entsprechenden Zahlen stets auf 100.000 Menschen bezogen. Die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen ist in einem kleinen Land wie Luxemburg naturgemäss viel geringer als in einem Land wie Deutschland.
Richtigstellung
Am 22. Januar 2010 korrigierte die israelische Botschaft ihren fehlerhaften Artikel von 2008[3] (siehe auch Bild rechts):
- "Zur Zahl der Krebstoten in Israel – Richtigstellung. Im Oktober 2008 wurde an dieser Stelle über einen Rückgang der Zahl von Krebstoten in Israel berichtet. Bei der Zusammenfassung eines Artikels aus der Zeitung Haaretz unterlief dabei ein Fehler. Wo es hieß: „So starben etwa im Jahr 2004 152 Menschen in Israel an Krebs; 2003 waren es 160 Tote“, wurde versehentlich die Angabe „pro 100 000 Menschen“ weggelassen (Krebsraten werden üblicherweise in Form der absoluten Zahl pro 100.000 angegeben). Der Beitrag im Newsletter basierte auf einem Haaretz-Artikel in hebräischer Sprache. Eine autorisierte englische Fassung gibt es unter dem folgenden Link: [1] Aufmerksame Leser und zuletzt der Bayerische Rundfunk wiesen uns darauf hin, dass mit der falschen Zahlenangabe schlimmer Missbrauch betrieben wurde und wird, und zwar von Seiten der obskuren Bewegung „Neue Germanische Medizin“ des früheren Arztes Ryke Geerd Hamer (dem inzwischen in Deutschland seine Approbation entzogen wurde). Hamer verbreitet primitive und gefährliche Anschauungen zur Krebstherapie, die zudem von kruden antisemitischen Wahnvorstellungen begleitet sind. „Report München“ hat vor einigen Tagen eine wichtige Reportage von Ulrich Hagmann zu den fatalen Umtrieben Hamers und seiner Anhänger – der „Todesfalle Neue Germanische Medizin“ - ausgestrahlt: http://www.br-online.de/das-erste/report-muenchen/report-germanische-medizin-ID1263811034754.xml.
Hamer-Anhänger Helmut Pilhar muss irgendwann eingesehen haben, dass die Verbreitung von falschen Aussagen ohne Beleg der eigenen Propaganda für die GNM mehr schadet als nutzt. Kurzerhand löschte Pilhar daher den entlarvenden Hamer-Brief ohne Begründung von seiner Webseite und ersetzte den Text durch eine weiße Fläche ohne Inhalt[4] (Siehe Screenshot rechts). Auf den Hamer-Seiten ist er jedoch weiterhin sichtbar. Seitdem wird bei Pilhar nur noch aus einer WHO-Studie[5] zitiert, nach der in Israel die Zahl der jährlichen neuen Krebsfälle in etwa dem unteren Bereich europäischer Krebshäufigkeit entspreche. Die von Pilhar zitierte WHO-Quelle weist übrigens darauf hin, dass jeder vierte Israeli an Krebs verstirbt (Seiten 5, 13 und 27).
Ein Vergleich der israelischen Krebsinzidenzen mit umliegenden Ländern zeigt, dass Juden in Israel ein relativ großes Risiko haben, an Krebs zu erkranken: Für Juden in Israel ist die ASR 274 im Gegensatz zu 149 bei israelischen Arabern, in Zypern 164, in Ägypten 143 und im benachbarten Jordanien ist die Krebsinzidenz nur 113 (jeweils ASR pro 100.000 Einwohner nach SEER-Studie). Zu beachten ist auch, dass Krebs bekannterweise eine Erkrankung ist, die hauptsächlich ältere Menschen betrifft. Und in Israel ist der Anteil junger Menschen höher als in Deutschland, was die geringeren Inzidenzen und Sterbefälle erklären kann.
Alle Daten zu Krebs in Israel lassen sich beim israelischen Gesundheitsministerium downladen.[6]
Verschwörungstheorien und Nutzung
Die Behauptungen von Hamer wurden vierorts im Internet und bei Veranstaltungen weiterverbreitet, trotz der Richtigstellung der israelischen Botschaft und den Angaben des israelischen Gesundheitsministeriums, die jederzeit nachprüfbar ist.
Der Mythos einer angeblich geringen Krebssterblichkeit in Israel wurde für absurde antisemitische Beschuldigungen genutzt: so kann erfahren werden, dass "Die Zionisten" die Krankheit Krebs für ihre "Feinde ersonnen" hätten.[8] Des weiteren wurde beleglos behauptet, dass in Israel weder Chemotherapien noch Bestrahlungen gegen Krebs eingesetzt würden. Stattdessen würde heimlich entweder die GNM von Hamer oder "entgiftet" werden.
Verbreiter
Die Hamer-unterstützende Esoterik-Zeitschrift Zeitenschrift griff die Falschmeldung im Jahre 2009 für einen eigenen Artikel auf. Mit nicht überhörbar antisemitischem Unterton behauptet die Zeitschrift, dass die angeblich niedrigen Zahlen von in Israel an Krebs gestorbenen Menschen mit einer angeblichen, heimlichen Akzeptanz der pseudomedizinischen GNM zu erklären seien (siehe Abbildung). Bis 2010 wurde die Falschmeldung auch beim Zentrum der Gesundheit verbreitet, kurz vor der Löschung wurde allerings noch nachträglich und klammheimlich der Zusatz "pro 100.000 Einwohner" eingefügt. Dass damit die Aussage des Artikels völlig verändert wurde, schien egal.[9] 2016 wurde die alte Hamer-Verschwörungstheorie von 2008 auch von Leonard Coldwell über facebook verbreitet.
Weblinks
Quellennachweise
- ↑ Haaretz, Artikel vom 22. Oktober 2008
- ↑ http://anonym.to/?http://dr-rykegeerdhamer.com /index.php?option=com_content&task=view&id=301&Itemid=22
- ↑ http://newsletter.cti-newmedia.de/index.php?site=newsletter&id=623&sid=NA==#n3
- ↑ http://www.pilhar.com/Hamer/Korrespo/2009/20090706_Hamer_Krebstote_Israel.htm
- ↑ http://www.euro.who.int/document/E88549.pdf
- ↑ http://www.health.gov.il/download/sartan/2006/all2006.pdf
- ↑ http://lupocattivoblog.wordpress.com/2011/01/25/krebs-in-israel-eine-ausnahmeerscheinung/
- ↑ http://gesundheitsshop-berlin.blogspot.ro/2009/09/krebs-in-israel-eine.html
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