Hausgeburt

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Eine Hausgeburt ist eine Form der außerklinischen Geburt, die in einer Privatwohnung stattfindet. Die Geburten werden meist von einer Hebamme geleitet. Ärztliche Betreuung ist meist nicht vorhanden. Hausgeburten waren bis Anfang der 20. Jahrhunderts in allen Teilen der Welt die vorherrschende Geburtsart. Eine besondere Form der Hausgeburt ist die Alleingeburt, bei der nicht einmal eine Hebamme anwesend ist. Sollte das Kind jedoch unter der Geburt Schaden erleiden, den eine Hebamme hätte verhindern können, macht die Mutter sich unter Umständen der fahrlässigen Körperverletzung oder gar fahrlässigen Tötung (§§ 222 und 229 StGB) schuldig.([1] Auch eine Verurteilung wegen Totschlags (§212 StGB) ist möglich.[2]

Gründe

Als Entscheidung für eine Hausgeburt dienen meist Gründe wie Privatsphäre, Natürlichkeit der Geburt, sanfte und "selbstbestimmte" Geburt oder die Angst vor medizinischen Eingriffen. Allerdings wird dabei kaum beachtet, dass bei den so genannten natürlichen Geburten, die früher üblich waren und auch heute noch in vielen Teilen der Welt üblich sind, die Sterblichkeit von Neugeborenen und Müttern um ein Vielfaches höher ist als mit einer adäquaten medizinischen Betreuung.

Besonders esoterisch ausgerichtete Hebammen propagieren die Hausgeburt oder andere alternative Geburtsformen, wie z.B. in Geburtshäusern, Wassergeburten und die so genannte Lotusgeburt. Solche Hebammen sind meist auch Verfechterinnen der Homöopathie und anderer pseudomedizinischer Verfahren sowie Impfgegnerinnen.[3] Beispielsweise wollen einige Hebammen die Steißlage (Beckenendlage) des Fötus mit Moxibustion beheben[4], einer völlig unwirksamen Maßnahme, die unter Umständen durch die Verzögerung der richtigen Maßnahmen das Kind gefährden kann.

Risiken

Auch bei gesunden Frauen und komplikationsloser Schwangerschaft kann es während der Geburt zu unvorhergesehenen Komplikationen (Nabelschnurumschlingungen, Verschlucken von Fruchtwasser beim Neugeborenen, starke Blutungen bei der Frau) kommen, die ein rasches Eingreifen erforderlich machen. Bei jeder zehnten Entbindung kommt es zu solchen Komplikationen, die nur in der Klinik rasch beherrschbar sind.[5]

Während in einer Klink hierfür in kurzer Zeit ausreichend Ausstattung und Personal zur Verfügung steht, haben Hebammen kaum eine Möglichkeit, bei Notfällen einzugreifen, sondern es bleibt nur der Abbruch der Hausgeburt und der Transport in eine Klinik. Dabei kommt es durch den Transport zu zeitlichen Verzögerungen, die u.U. Leben kosten können. Da ein Sauerstoffmangel innerhalb kürzester Zeit für den Säugling lebenslange Folgen (Behinderung durch Hirnschäden) oder sogar den Tod bedeuten kann, kommt es bei Komplikationen sogar auf Minuten an. Bei einem Sauerstoffmangel sind das 4 Minuten, so dass es faktisch aussichtslos ist, eine Klinik zu erreichen, bevor das Kind einen Hirnschaden erleidet.

So sollte bei einer dringlichen Sectio (Kaiserschnitt) die Operation innerhalb von 20 Minuten erfolgen. Dies ist bei einer Geburt außerhalb einer Klinik kaum zu schaffen. Außerklinische Geburten (Hausgeburt, Geburtshausgeburt) werden seit 1996 in einer speziellen Perinatalerhebung erfasst. Dieser ist zu entnehmen, dass 14 bis 18 Prozent dieser Geburten im Krankenhaus enden, da Komplikationen eine Verlegung der Frau erforderlich machen.[6]

Studienlage

Studien zur Sicherheit von Hausgeburten im Vergleich zu Klinikgeburten zeigen zwar, dass Hausgeburten keine höheren Risiken als Klinikgeburten zu haben scheinen. Allerdings ist hier zu bedenken, dass komplizierte Geburten (z.B. Steißlage, Mehrlinge) von vornherein in einer Klinik stattfinden, so dass die Ergebnisse damit verzerrt dargestellt werden.[7][8][9] Daten aus den USA zeigen, dass die Sterblichkeitsrate von Neugeborenen bei Hausgeburten insgesamt etwa doppelt so hoch ist wie bei Geburten in Kliniken.[10] Eine schwedische Studie, die Daten zwischen 1992 und 2004 auswertete, zeigte ebenfalls, dass die Sterberate bei Hausgeburten mehr als dreimal so hoch lag wie bei Klinikgeburten (2,2 Todesfälle auf 1000 Geburten bei Hausgeburten, 0,7 Todesfälle auf 1000 Geburten bei Klinikgeburten).[11]

Im American Journal of Obstetrics & Gynecology wurden Metaanalysen veröffentlicht, die "die bislang stärksten Hinweise liefern, dass Hausgeburten für Neugeborene letztendlich dennoch gefährlich sein können." Die Daten zeigen, dass geplante Hausgeburten mit gesunden und unter niedrigem Risiko stehenden Müttern im Vergleich zu geplanten Klinikgeburten mit der gleichen Frauengruppe das Risiko eines Todesfalls unter den Neugeborenen verdoppelte (0,2 Prozent gegenüber 0,09 Prozent). Wenn nun Neugeborene mit angeborenen Störungen ausgeschlossen wurden, verdreifachte sich das Risiko der Neugeborenensterblichkeit. Die wichtigsten mit dieser Steigerung der Sterblichkeit verknüpfbaren Faktoren waren das Auftreten von Atemschwierigkeiten und erfolglose Versuche einer Wiederbelebung. Diese beiden Faktoren sind mit einer unzureichenden Ausbildung der Hebammen und dem fehlenden Zugang zu klinischer Ausrüstung verbunden.[12][13]

Eine Studie der Universität Utrecht in den Niederlanden zeigte, dass werdende Mütter, die sich bei Schwangerschaft und Geburt ausschließlich einer Hebamme anvertrauen, ein statistisch höheres Risiko haben, ihr Kind zu verlieren. In dieser Studie wurden 37.000 Geburten aus den Jahren 2007 und 2008 analysiert. Dabei stellte sich heraus, dass bei ausschließlich von Hebammen geleiteten Geburten die perinatale Sterblichkeit 2,3 mal so hoch war wie bei Niederkünften, die von Ärzten betreut wurden. In den Niederlanden werden nur Risikoschwangerschaften von Ärzten begleitet. Bei allen anderen übernehmen allein Hebammen Vorsorge und Entbindung; viele Kinder kommen zuhause zur Welt. Die Niederlande haben aber zugleich eine der höchsten Säuglingssterblichkeitsraten in Westeuropa; die Untersuchung führt diese nun erstmals auf den niederländischen Sonderweg zurück.[14]

Einer im Britischen Ärzteblatt (2011; 343: d7400) veröffentlichten Studie zufolge wurden die bereits bekannten Zahlen aus den Niederlanden bestätigt, wonach die perinatale Sterblichkeit der Säuglinge bei Hausgeburten um den Faktor 2,3 höher lag als bei Klinikgeburten. Sie ist damit die höchste in ganz Europa. Hausgeburten haben in den Niederlanden einen Anteil von 20% an allen Geburten.[15]

Juristische Bewertung

Die Beihilfe bei der Durchführung einer Hausgeburt kann bei Komplikationen strafrechtliche Konsequenzen für die Hebamme haben. Im November 2013 verurteilte ein österreichisches Gericht eine Hebamme wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 7.200€. Obwohl der Mutter aufgrund eines bei ihrem ersten Kind vorgenommenen Kaiserschnittes von einer Hausgeburt abgeraten wurde, hatte die Hebamme sie in diesem Wunsch bestärkt. Als bei der Geburt Komplikationen auftraten, reagierte die Hebamme laut Gericht "Überstürzt und traf Fehlentscheidungen". Das Kind erstickte daraufhin während der Geburt.[16]

Im Oktober 2014 würde die deutsche Hebamme Anna Rockel-Loehnhoff vom Landgericht Dortmund wegen Totschlags zu 6 Jahren und 9 Monaten ohne Bewährung und einem lebenslangen Berufsverbot verurteilt.[17] Das Urteil wurde 2016 vom Bundesgerichthof bestätigt.[18] Zusätzlich wurden die Zahlungen an die Eltern in fünfstelliger Höhe bestätigt. Bei mehreren von Rockel-Loehnhoff zuvor begleiteten Hausgeburten waren Kinder tot oder schwerstbehindert zur Welt gekommen. Die Schuld dafür wies sie jedesmal von sich. Medizinische Hilfe wurde dennoch nie in Anspruch genommen. Die Schuld am Tod des letzten Kindes versuchte sie den Eltern zuzuschieben, die sie angeblich zu einer Hausgeburt genötigt hätten. Die Komplikationen bei einer Beckenendlage bezeichnete sie als schulmedizinische Propaganda. [19] Der Bundesgerichtshof begründete die Bestätigung des Urteils unter anderem damit, dass die Verurteilte den Tod von Kindern durch ihre Fehlbehandlung billigend in Kauf nehme und als Schicksal bezeichne. ("Den Inhalt ihrer Veröffentlichungen kann man teilweise so verstehen, dass ein - ihr natürlich grundsätzlich unerwünschter - Tod eines Kindes im Rahmen eines Geburtsvorgangs vor dem Hintergrund einer Einstellung, dass Tod und neues Leben zusammen gehören, und auch Geburt und Tod zusammen fallen können, als tragischer Ausgang im Einzelfall und als schicksalhaftes Geschehen im Rahmen eines natürlichen Vorgangs zu akzeptieren sei.").

Während des Prozesses demonstrierten 2014 Hebammmen und andere Unterstützer vor und im Gerichtsgebäude. Der Prozess wurde dabei als "Hexenprozess" und "Feldzug der Schulmedizin gegen das Recht der Frau auf die freie Wahl des Geburtsorts" bezeichnet und allgemein gegen die "Kriminalisierung der Hausgeburt" demonstriert.[20] Auch im Internet wurden seitens der Unterstützer Verschwörungstheorien über den Prozess verbreitet.[21][22]

Weblinks

Quellenverzeichnis

  1. http://bundesrecht.juris.de/stgb/BJNR001270871.html#BJNR001270871BJNG005302307
  2. http://openjur.de/u/739937.html
  3. Zum Impfstatus von Hebammen sowie deren Einstellung und Verhalten zu Impfungen
  4. http://anonym.to/?http://www.unsere-hebammen.de/index.php?page=Landkreis_Heilbronn
  5. http://www.zeit.de/1994/34/Kreisssaal-contra-Hausgeburt?page=all
  6. http://www.innovations-report.de/html/berichte/medizin_gesundheit/bericht-12817.html
  7. http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/37926/Geplante_Hausgeburt_so_sicher_wie_Entbindung_in_der_Klinik.htm
  8. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19624439
  9. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19720688
  10. http://www.sciencebasedmedicine.org/?p=2392
  11. Outcome of planned home births compared to hospital births in Sweden between 1992 and 2004. A population-based register study.Lindgren HE, Rådestad IJ, Christensson K, Hildingsson IM.,http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18607818
  12. http://www.wissenschaft-online.de/artikel/1041081
  13. http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/41849/Hausgeburt_gefaehrlicher_fuer_den_Saeugling_als_fuer_die_Mutter.htm
  14. http://www.bmj.com/content/341/bmj.c5639.full?sid=f19da82c-85e0-47f2-82fe-986b4346a1ad
  15. http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/48263/Gynaekologen_Hausgeburten_sind_risikoreich.htm
  16. http://derstandard.at/1288660268838/Graz-Baby-starb-bei-Hausgeburt-Hebamme-verurteilt
  17. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-129568335.html
  18. http://openjur.de/u/739937.html
  19. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-129568335.html
  20. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-129568335.html
  21. https://www.nachrichtenspiegel.de/2014/11/15/moderne-hexenjagd-hebammenverfolgung-aktuell-und-der-kampf-gegen-die-frau-an-sich/
  22. https://wirsindeins.org/2015/01/23/hebamme-anna-ein-feldzug-gegen-den-altesten-frauenberuf/