Elektroakupunktur nach Voll

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Reinhold Voll
Eav.jpg

Die Elektroakupunktur nach Voll (kurz EAV) ist ein pseudomedizinisches Verfahren, das in der Alternativmedizin verbreitet ist. Darüberhinaus werden auch Verfahren aus der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) als Elektroakupunktur bezeichnet, bei denen die TCM mit elektrischen Vorrichtungen kombiniert ist. Die Elektroakupunktur hat jedoch nur wenig mit der EAV gemein.

Die Elektroakupunktur nach Voll ist ein der Radionik verwandtes Verfahren. Es geht eigentlich auf den französischen Arzt Roger de la Fuye (1890-1961) zurück, der ein erstes Elektroakupunkturgerät entwickelte. Zu Beginn der fünfziger Jahre wurde das Prinzip einer Elektroakupunktur in Deutschland von den Ärzten W. Schmidt in Dachau und E. Schick in Stuttgart weiter untersucht. Die heutige EAV geht auf den deutschen Arzt Reinhold Voll (1909-1989) aus Plochingen zurück.

Funktionsgleiche Verfahren sind unter den Bezeichnungen Biologische Funktionsdiagnose nach Voll, funktionsanalytische Biometrie, biometrische Systemdiagnostik, elektrodermale Testung, elektronisches Organometriesystem, Regulationstherapie und Vega-Test (Vegetativer Reflextest) aufgetaucht. Im englischen Sprachraum sind neben EAV auch Bezeichnungen wie electrodermal assessment (EDA), electrodermal screening (EDS) oder electrodermal testing (EDT) gebräuchlich.

Funktionsprinzip

Blockschaltbild eines EAV-Gerätes[1]

Die EAV-Methode ist als eine elektrische Widerstandmessung von verschiedenen Punkten der Haut zu einem Bezugspunkt zu verstehen, die mit einem kompliziert anmutenden Gerät durchgeführt wird. Vom Prinzip her handelt es sich aber um ein simples Ohmmeter.

Die Messung soll Aufschluss über Störungen im Körper liefern. Es folgt eine Bewertung gemäß einer Skala, die auf den EAV-Geräten angebracht ist. Der mittlere Zeigerwert ist 50 und gilt in der Elektroakupunktur als gesunder Wert. Niedrige Werte sollen degenerative Tendenzen, sehr hohe Werte entzündliche Tendenzen bezeichnen. Ein Phänomen, das einen Zeiger erst steigen und unmittelbar danach heftig fallen lässt, nennt man bei der EAV "Zeigerabfall". Dieses Ereignis soll akute Gesundheitsprobleme anzeigen.

Die entsprechenden Hautpunkte werden als Akupunkturpunkte bezeichnet und sollen einen Bezug zur Akupunktur fernöstlicher Heilweisen herstellen. Der Hautwiderstand wird an etwa 1.000 verschiedenen Akupunkturpunkten gemessen. In der Regel wird jedoch vorwiegend an 120 Punkten an Händen und Füßen gemessen. Als Bezugspunkt kann eine Handelektrode dienen. Nach Voll soll der gemessene Widerstand zwischen etwa 10 kΩ (Kiloohm) und maximal 4 MΩ betragen, bei einem Messstrom von 10 µA. Der ermittelte Messwert wird bei den Geräten als eine Zahl zwischen 0 und 100 angezeigt. Der Wert 0 soll den höchstmöglichen Hautwiderstand anzeigen, der Wert 50 soll einem Widerstand von 95 kΩ entsprechen und der Wert 100 wäre mit einem Kurzschluss (0 Ohm) vergleichbar.

Resonanztest

Ein wichtiger Bestandteil der EAV-Lehre ist eine Methode, die Resonanztest oder Medikamententest genannt wird. Damit sollen für den Patienten geeignete Substanzen ausgewählt werden, die dann therapeutisch verabreicht werden. Dazu werden Ampullen mit verschiedenen Substraten, z.B. Medikamente oder Nosoden (homöopathisch verdünnte, aus "Krankheitsprodukten" wie etwa Blut des Patienten gewonnene Substanzen) in ein Gefäß gegeben, dass elektrisch leitend mit dem Patienten verbunden ist, der dazu beispielsweise einen angeschlossenen Metallstab als Elektrode in der Hand hält. Die Reaktion des EAV-Gerätes (also die Hautwiderstandsänderung des Patienten) wird dabei beobachtet und nach der EAV interpretiert. Nach Angabe von Geräteherstellern können auch alle Lebensmittel mit diesem Verfahren getestet werden, und Nahrungsmittel- oder Umwelt-Unverträglichkeiten sollen erkennbar sein.

Medikamententest nach W. Ludwig.[2] 1 = Ampulle mit Substrat, 3,4 = Kondensatorflächen, 5 = Verstärker, 6 = "magnetischer Dipol" (statt Handelektrode o.ä.), wird in die Nähe des zu behandelnden Organs gebracht

Statt das Substrat in einen Metallbehälter zu geben, soll der Test auch funktionieren, wenn der Patient eine Ampulle mit dem Substrat einfach in der Hand hält. Häufig hat auch das EAV-Gerät selbst eine Aufnahmevorrichtung ("Messwabe") oder einen entsprechenden Anschluss, und das angeblich vom Substrat stammende elektrische Signal ist auf nicht näher erklärte Weise in den Messkreis des EAV-Gerätes einbezogen. Teilweise können die Signale im Gerät auch verstärkt und anderweitig manipuliert werden.[2] Obwohl sie also mit herkömmlichen elektronischen Komponenten verarbeitet werden können, bleibt die Beschaffenheit der Signale nebulös; in Darstellungen zur EAV finden sich keine Angaben wie Spannungs-Zeit-Verläufe oder Frequenzspektren.

Eine Weiterentwicklung der Medikamententestung besteht darin, die von den Nosoden oder anderen Präparaten angeblich abgenommenen "Informationen" auf eine andere Substanz zu übertragen, die sich dazu in einem angeschlossenen zweiten Gefäß befindet. Die Substanz soll damit die therapeutischen Eigenschaften der Ausgangssubstanz erhalten. Für diese Prozedur sind auch spezielle Geräte erhältlich, z.B. Wave Transfer.

Geschichte der EAV

Reinhold Voll, ein Plochinger Hausarzt, erhielt von einem anderen Arzt in den 1950er Jahren ein Elektroakupunkturgerät und untersuchte gemeinsam mit dem Ingenieur Fritz Werner die Messbarkeit "energetischer Störungen" im menschlichen Körper. Sie postulierten einen Zusammenhang zwischen dem Widerstands- bzw. Leitwert an den entsprechenden, aus der Akupunktur bekannten Hautregionen, und Krankheiten. Die spätere Bioresonanz ist aus der EAV durch den deutschen Arzt Franz Morell hervorgegangen, einem Anhänger Volls.

Begutachtung von Scharlatanerieprodukten

EAV zur Glaubhaftmachung der Wirksamkeit von Scharlatanerieprodukten gegen Erdstrahlen und Elektrosmog

Die EA nach Voll wird auch zur Begutachtung von offensichtlichen Scharlatanerieprodukten eingesetzt. So zeigt eine Firma Georg Bellof - Life Power Products aus dem deutschen Pohlheim[3] Bilder von angeblichen Hautwiderstandsänderungen bei alleiniger Anwesenheit von so genannten Schutzprodukten gegen Erdstrahlen und Elektrosmog.

Wirksamkeitsnachweise und Kritik an der EAV

Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es keinen Wirksamkeitsnachweis der EAV. Der Hautwiderstand wird in erster Linie durch die Aktivität der Schweißdrüsen bestimmt. Allein deshalb ist seine Nutzung zur Diagnose und Bewertung von Krankheiten abwegig, denn ihre Aktivität wird auch von Faktoren beeinflusst, die nicht mit Krankheiten in Verbindung stehen. Des Weiteren kann der Behandler bei der Messung seine Testelektrode mehr oder weniger stark auf die Haut drücken, was eine Widerstandsänderung nach sich zieht und so nach Belieben das Messergebnis beeinflussen kann.[4][5][6][7][8] Hersteller reagierten auf dieses Manko mit der Entwicklung von Hautelektroden, bei denen durch eine Feder ein konstanter Druck auf die Haut ausgeübt wird. Derartige Elektroden finden jedoch in der Regel keine Anwendung bei den einzelnen Therapeuten.

Wissenschaftliche Untersuchungen im Bereich der Akupunktur konnten keine Hinweise für eine Existenz von Meridianen finden.[9][10][11] Widerstands- oder Impedanzänderungen an Akupunkturpunkten zu benachbarten Punkten konnten nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden.[12][13] In der Allergiediagnostik versagte das Verfahren der EAV bei wissenschaftlichen Studien.[14][15][16]

Krankenkassen übernehmen die Kosten für eine EAV-Behandlung wegen des fehlenden Wirksamkeitsnachweises nicht.

Varianten

Die Elektroakupunktur nach Fritz Kramer (EAP) ist eine Variante der EAV, bei der nur Akupunkturpunkte der Hände und Füße herangezogen werden. Es wird dabei aus mehreren Messwerten ein Mittelwert berechnet, der als Bezugswert für die anderen Messwerte herangezogen wird. Auf Kramer geht auch ein Elektroakupunktur-Meridian-Test (EAM) zurück.

Anderssprachige Psiram-Artikel

Weblinks

siehe auch

Quellennachweise

  1. http://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2006/0117/pdf/dse.pdf
  2. 2,0 2,1 Gebrauchsmuster DE 29809278 U1: Neue Anordnung zur Übertragung elektromagnetischer Signale. Anmelder: Ludwig, Wolfgang. Bekanntmachungstag im Patentblatt: 08.10.1998. Inhaber: AMS Advanced Medical Systems GmbH, 97941 Tauberbischofsheim (bis 2005 W. Ludwig)
  3. Georg Bellof - Life Power Products, Ludwigstraße 20, D-35415 Pohlheim
  4. G.T. Lewis, J.N. Kenyon, J. Broomfield, P. Prescott, J. Goddard, S.T. Holgate (2001): Is electrodermal testing as effective as skin prick tests for diagnosing allergies? A double blind, randomised block design study. BMJ (British Medical Journal) 322:131-134
  5. R. Mosenkis (2001): Examination of a Vegatest device. Quackwatch, Sept 4, 2001
  6. Van Wijk R, Homoeopathic remedies and pressure induced changes and the galvanic resistance of the skin. Utrecht: State University of Utrecht, Research Unit for Complementary Medicine, 1989
  7. Semizzi M, A double-blind, placebo-controlled study on the diagnostic accuracy of an electrodermal test in allergic subjects, Clinical & Experimental Allergy Volume 32 S. 928, Juni 2002
  8. Gloerfeld H. Elektroakupunktur nach Voll (EAV): ein Beitrag zur kritischen Einschätzung eines unkonventionellen Verfahrens [thesis]. Marburg, Germany: Philipp University of Marburg, 1987.
  9. S. Witte, H.-P. Scharf , U. Mansmann, K. Streitberger, C. Klose, C. Knauer, J. Krämer, N. Victor: Wirksamkeit und Sicherheit von Akupunktur bei gonarthrosebedingten chronischen Schmerzen: Multizentrische, randomisierte, kontrollierte Studie, Dezember 2005
  10. Ernst E.: Acupuncture as a Symptomatic Treatment of Osteoarthritis. A Systematic Review., Scand J. Rheumatol, 26:444–447, 1997
  11. Berggold O, der so genannte Medikamententest in der Elektroakupunktur, Zeitsch Allgemeinmed,1976,52 S.312
  12. Pearson S, Colbert AP, McNames J, Baumgartner M, Hammerschlag R., Electrical skin impedance at acupuncture points, J Altern Complement Med. 2007 May;13(4):409-18
  13. Ahn AC, Wu J, Badger GJ, Hammerschlag R, Langevin HM, Electrical impedance along connective tissue planes associated with acupuncture meridians, BMC Complement Altern Med. 2005 May 9;5:10
  14. Katelaris CH, Vega testing in the diagnosis of allergic conditions. The Australian College of Allergy, Med J Aust. 1991 Jul 15;155(2):113-4
  15. http://www.pubmedcentral.nih.gov/articlerender.fcgi?tool=pubmed&pubmedid=11159567
  16. Bresser H, Allergietestung mit der Elektroakupunktur nach Voll, Hautarzt,1993 44 S.408