Evers-Diät

Aus Psiram
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Evers-Diät ist eine in alternativmedizinischen Kreisen beachtete Diät zur Behandlung der Multiplen Sklerose (MS). Ein unabhängiger Wirksamkeitsnachweis fehlt.

Der in Hachen wirkende Arzt Dr. med. Joseph Evers propagierte in den 1960er Jahren eine Diät, die Patienten mit Multipler Sklerose helfen sollte. Er behauptete, angeblich 9.000 MS-Patienten mit seinem Verfahren diätetisch behandelt zu haben (Evers 1969).

Die Evers-Diät

Evers (1969) beschrieb in seiner Publikation seine Diät folgendermaßen:

Bei dieser Diät [...] handelt es sich in erster Linie nicht darum, was der Mensch ißt, ob Fleisch oder nicht Fleisch, ob viel Fett oder wenig Fett, ob viel Eiweiß oder wenig Eiweiß, ob basenüberschüssig oder säureüberschüssig, usw.; der springende Punkt ist vielmehr der, daß jedes Nahrungsmittel so naturnahe wie möglich verzehrt wird. Daher kommt es auch, daß bei dieser Diät Früchte, Nüsse, Wurzeln, Milch, gekeimte Körner und Honig im Vordergrund stehen, eben weil diese ohne jede Bearbeitung, ohne irgendwelche Zusätze mit Genuß vom Menschen verzehrt werden können. Wenn der Patient sich bessert, gebe ich als nächstes rohen Schinken, Speck und rohes Gehacktes [...]

In seiner siebenseitigen Publikation über seine Diätform berichtete Evers eher oberflächlich über die angebliche Heilung von fünf an Multipler Sklerose erkrankten Patienten. Dabei handelte es sich um Fälle, die er während oder kurz nach dem II. Weltkrieg behandelt hatte. Im gleichen Aufsatz behauptete er, dass ab 1940 im Verlauf von 28 Jahren 13.000 MS-Patienten durch seine Praxis gegangen seien, von denen er 9.000 jahrelang behandelt haben wollte. Angeblich habe er 1.335 Patientenfilme gedreht, um den Behandlungserfolg zu dokumentieren. Wie genau jedoch die Patienten mit welchen Diätvorschriften behandelt wurden, wie sie diagnostiziert und wie der angebliche Behandlungserfolg wirklich bewertet wurde, erwähnte Evers nicht. Er behauptete lediglich lapidar die Heilung der Patienten aufgrund seiner Diät.

Vor dem Hintergrund, dass die Multiple Sklerose eine relativ seltene Erkrankung ist (sie kommt in einer Häufigkeit von 1-1,8 pro 1.000 Einwohner vor), ist es erstaunlich, dass Evers so viele MS-Patienten in seiner Praxis gesehen haben will. Glaubt man seinen Ausführungen aus dem Jahre 1969, so gingen täglich durchschnittlich neun Patienten durch seine Praxis, darunter bis zu sieben MS-Patienten. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei Evers' MS-Patienten um tatsächliche MS-Erkrankte handelte, ist aus statistischer Sicht ausgesprochen gering. Vielmehr lässt sich nicht ausschließen, dass Evers nicht sorgfältig diagnostizierte und leichtfertig MS-Diagnosen stellte.

Wirksamkeitsnachweis fehlt

Bereits zu Lebzeiten Evers stellte sich heraus, dass die Diät bei Untersuchungen unabhängiger Dritter offenbar keinen Einfluss auf den Krankheitsverlauf hatte. Dass bereits zu Zeiten Evers Spontanremissionen von Patienten, bei denen eine Multiple Sklerose diagnostiziert worden war, in einer Häufigkeit von 40-45% auftraten (Welte 1966) und Evers selbst nicht in der Lage war zu zeigen, dass seine Diät bei mittelschweren und schweren MS-Fällen signifikant besser als ein Placebo funktionierte, ist dem historischen Fachschrifttum zu entnehmen. Bis heute hat niemand die Wirksamkeit der Evers-Diät in einem kontrollierten, prospektiven Versuch beweisen können. Diese Diät ist zur Behandlung der Multiplen Sklerose nicht geeignet.

Trotzdem wird diese in der Klinik Dr. Evers in Sundern-Langscheid weiterhin eingesetzt. Dort hat man sich propagandistisch an den alten 'Evers-Trend' angehängt und preist auf einer entsprechenden Website (www.klinik-dr-evers.de) die Vorzüge der Methode an. Das Marketing wird durch Laienpublikationen ergänzt.

Multiple Sklerose - Eine Infektionskrankheit?

Die Multiple Sklerose (MS) ist eine Erkrankung des zentralen Nervensystems. Sie führt über einen Zeitraum von Monaten bis Jahren zu einer Vernichtung der die Nervenbahnen umhüllenden Strukturen, was letztlich den Funktionsausfall der Nerven bewirkt. In der Folge kann es zum Tode des Erkrankten kommen (van Noort et al. 2000). Die Ursachen der Erkrankung sind vielfältig. Verschiedene Ursachen können zum Symptombild der Multiplen Sklerose führen. Der Begriff MS ist eine übergeordnete Bezeichnung, unter der eine Vielzahl einzeln zu diagnostizierender bzw. auszuschließender Grunderkrankungen subsumiert werden.

Eine wahrscheinlich anteilsmäßig große Gruppe von MS-Erkrankten leidet an einer Infektion mit einem Keim aus der Familie der Clamydien (Clamydiacea pneumoniae). Diese Bakterien vermehren sich analog zu Pilzen mit einer Art Sporen, die durch die Luft schweben und wie Virenpartikel eingeatmet werden können. Bereits der französische Arzt P. Marie vermutete im Jahre 1884, dass Bakterien eine Rolle bei MS spielen könnten. Allerdings fand dies in der Ärzteschaft kaum Widerhall. In den 1960er Jahren fand man im Serum von MS-Patienten Antikörper gegen diverse Rickettsien (die damalige Bezeichnung für Chlamydien). Jadin (1962) wies im Serum von 374 MS-Patienten in 264 Fällen Antikörper gegen insgesamt fünf verschiedene Rickettsienarten nach. Diese Infektionstheorie passte ins Bild: in den Jahren 1943-1960 war man auf den Faroer-Inseln, die zwischen 1940-1945 von britischen Truppen besetzt waren und auf denen es zwischen 1920-1943 keinen einzigen MS-Fall gab, mit einer richtigen MS-Epidemie konfrontiert. In den Jahren nach der Besetzung erkrankten 25 der ursprünglichen Inseleinwohner an Multipler Sklerose, was eindeutig auf die Übertragung eines infektiösen Agens hinwies, das durch die britischen Truppen eingeschleppt worden sein musste (Perlmutter 1983).

Im Liquorgewebe MS-Erkrankter konnten vor einigen Jahren Antikörper von Chlamydia pneumoniae nachgewiesen werden (Sriram et al. 1998). Dies stützt die Infektionstheorie. Allerdings ist der Nachweis schwierig, da Chlamydien Bakterien sind, die innerhalb der Nervenzellen leben und sich somit dem Zugriff des Immunsystems entziehen können. Deshalb ist auch die Antikörperproduktion der Abwehrzellen gegen C. pneumoniae gering. Da man den Keim selbst nur sehr schwer nachweisen kann und auch bei einer vorhandenen Infektion nicht unbedingt Antikörper in ausreichender Menge produziert werden müssen, können diese Infektionen laboranalytisch leider auch heute noch leicht übersehen werden. Man findet einfach keinen positiven Befund, obwohl der Patient aller Wahrscheinlichkeit nach an einer behandelbaren ZNS-Infektion mit einem Bakterium leidet.

Bei MS-Patienten mit klinischen Symptomen findet man allerdings relativ häufig Antikörper gegen C. pneumoniae. Sriram et al. (1999) konnten bei 64% von 37 Patienten mit Multipler Sklerose einen entsprechenden Befund sichern.

Es gibt Antibiotika, die in der Lage sind, auch innerhalb der menschlichen Zelle ausreichende Wirkspiegel zu erzeugen, um C. pneumoniae zu bekämpfen. Dabei handelt es sich um bestimmte Antibiotika (Oflocaxin, Rifampicin, Roxithromycin), deren Anwendung aber nicht nebenwirkungsfrei ist. Mit ihnen ist es möglich, symptomatische MS-Patienten, deren Erkrankung auf eine Infektion mit C. pneumoniae zurückzuführen ist, erfolgreich zu behandeln (Treib und Haaß 1999).

Nicht jeder Fall einer Multiplen Sklerose ist durch eine Chlamydien-Infektion bedingt, aber es deutet vieles darauf hin, dass dieser intrazellulär lebende Parasit eine der Hauptquellen für dieses Symptombild ist. Eine Diät kann gegen eine solche Infektion nicht wirksam sein, was auch eine der Hauptursachen für das Versagen der Evers-Diät sein dürfte. Sie wirkt nur, wenn sie von wirksamen Heilbehandlungsmethoden flankiert ist und sich in deren therapeutischen Windschatten bewegen kann.

Quellennachweise

  • Evers J: Die diätetische Therapie der Multiplen Sklerose. Kasuistik und Epikrise meiner ersten durch Diät geheilten Multiplen Sklerose Patienten nach einer Verlaufsbeobachtungszeit von 20 Jahren und Bericht über meine anderen 9.000 diäetetisch behandelten Multiple-Sklerose-Patienten. Med Welt, Nr.31, 1700-1707, 1969
  • Jadin Y: Maladies rickettsiene en sclerose en plaques. Ann Soc Belge Med Trop, 3, 321-345, 1962
  • Marie P: Sclérose en plaque et maladies infectieuses. Prog Med Paris, 12, 287-289, 1884
  • Perlmutter LJ: Possible relationship of chlamydia to mutiple sclerosis. Med Hypotheses, 12, 95-98, 1983
  • Sriram S, Mitchell W, Stratton C: Mutiple sclerosis associated with Chlamydia pneumoniae infection of the CNS. Neurology, 50, 571-572, 1998
  • Sriram S, Stratton C, Yao SY, Tharm A, Ding L, Bannan JD, Mitchell WM: Chlamydia pneumoniae infection of the central nervous system in Multiple Sclerosis. Ann Neurol, 46, 6-14, 1999
  • Treib J, Haaß A: Infektionskrankheiten des Nervensystems. Mögliche Auslöser der Multiplen Sklerose. Dt. Ärzteblatt, 96, 2906-2913, 1999
  • van Noort JM, Bajramovic JJ, Plomp AC, van Stipdonk MJB: Mistaken self, a novel model that links microbial infections with meylin-directed autoimmunity in mutiple sclerosis. J Neuroimmunol, 105, 46-57, 2000
  • Welte E: Schlusswort. Dtsch Med Wschr, 91, 2352-2353, 1966
Dieser Text ist ganz oder teilweise von Paralex übernommen