Ein Probiotikum (von gr. "pro" = für und "bios" = das Leben) sind Produkte, die entweder lebende oder lebensfähige Mikroorganismen enthalten, die oral (über den Mund) aufgenommen werden sollen um gesundheitliche Wirkungen zu entfalten.

Probiotika werden entweder als Lebensmittel (Functional Food), Nahrungsergänzungsmittel oder als zugelassene Arzneimittel angeboten.

Ein Präbiotikum ist hingegen ein Präparat, das das Wachstum von bereits sich im Darm befindenden Mikroorganismen fördern soll. Symbiotika sind Mittel die sowohl als Probiotikum und als Präbiotikum angesehen werden sollen. Der Begriff Multi-probiotic bezieht sich auf Mischungen von Bakterien mit probiotischen Eigenschaften.

Probleme bei der Anwendung

Insgesamt ergeben sich für Probiotika-Anwendungen schwerwiegende Probleme:

  • Die Menge der in Probiotika enthaltenen Erreger ist verschwindend gering im Vergleich zu den Bakterien und Pilzen, die sich bereits im Darm des Essenden befinden. Daher ist, wenn überhaupt, nur eine geringe Wirkung zu erwarten. Im Darm des erwachsenen Menschen leben schätzungsweise rund 100 Billionen Mikroorganismen, die in ihrer Gesamtheit als Darmflora bezeichnet werden. Die Gesamtzahl der Bakterien des Menschen liegt etwa zehnmal höher als die Zahl der Zellen des menschlichen Körpers. Die Gesamtmasse aller Bakterien eines Erwachsenen beträgt dabei etwa 2 Kilogramm. Dies ist ein Vielfaches des Gewichts der mit Probiotika zugeführten Keime. In einem Gramm Stuhl finden sich etwa 1 Billion Keime. Studien aus den Niederlanden und Großbritannien zeigen, dass in Proben aus Probiotika überhaupt keine oder nur sehr wenige lebende Bakterien enthalten waren, und dies auf dem Etikett falsch angegeben war. Die Zeitschrift "Ökotest" stellte 1999 viel niedrigere Konzentrationen in Joghurts fest, als auf dem Etikett vermerkt war. Zudem überlebten nur 10% bis maximal 40% der Keime den Weg durch Magen und Galle, der größere Teil kam also gar nicht im Darm an.
  • Die über den Mund aufgenommenen Bakterien müssen den Magen passieren. Im Magen herrscht ein niedriger pH-Wert vor, der einen schädlichen Einfluss auf einen Großteil der zugeführten Bakterien hat.
  • Vermehrungsfähige Probiotika-Bakterien (etwa "Milchsäurebakterien") müssen im Darm eine Überlebensmöglichkeit haben. Im Darm müssen diese zugeführten Bakterien zusammen mit anderen Keimen und Pilzen koexistieren können. Um ein Absterben der Bakterien zu verhindern, werden diese auch verkapselt in Lebensmittel verbracht. Im baden-württembergischen Ellwangen steht beim Chemieunternehmen Rettenmaier & Söhne bereits eine Produktionsanlage, die das Verfahren zur Herstellung von mikroverkapselten "Lactobacillus reuteri"-Bakterien nutzt.
  • Die Vermehrungsfähigkeit eines bestimmten Bakterienstammes muss zumindest bei einer großen Zahl von Anwendern nachweisbar sein. Studien die sich auf eine bestimmte Person beziehen, sind nicht generell auf die Gesamtbevölkerung beziehbar.
  • Auch viele konventionelle Lebensmittel, die nicht als Probiotikum beworben werden und seit Menschengedenken zur Ernährung des Menschen beitragen, können regelmäßig Bakterien oder Pilze in hoher Konzentration enthalten (etwa Gemüse oder Obst). Ein Probiotikum müsste daher, um seinem gesundheitsfördernden Ruf gerecht zu werden, eine bestimmte Wirkung erzielen, die über die allgemeinen Einflüsse auf die Gesundheit durch Obst oder Gemüse hinausgeht.
  • Bestimmte, mit Probiotika zugeführte, Keime können bei bestimmten Menschen zu Infektionen führen.
  • Bei der Auszeichnung werden häufig falsche Angaben zum verwendeten Bakterienstamm gemacht. Es werden veraltete Bezeichnungen verwendet und sogar Fantasienamen für Bakterienstämme erfunden.

Probiotische Lebensmittel

Die Lebensmittelindustrie bietet eine Reihe von Lebensmitteln an, die als Lebensmittel-Probiotika die ansonsten die durch Sterilisation, Pasteurisierung und andere Maßnahmen ferngehaltenen Mikroorganismen enthalten. Allerdings werden hier zu gesundheitsfördernden Zwecken bestimmte Mikroorganismen eingesetzt.

Probiotika-Lebensmittel sind meist Joghurts, Quark, Käse oder Wurstprodukte, die probiotische Bakterien enthalten oder enthalten sollen. Typische Produkt aus dieser Kategorie sind Yakult, Müller-Procult oder das Produkt "Activia".

Das wohl bekannteste Probiotikum-Lebensmittel ist der probiotische Joghurt. Nestle bietet "LC1" an und Müller Milch "ProCult", Discounter folgen ebenfalls mit entsprechenden Produkten.

Actimel und Activia

Besonders effektiv wurden die Danone-Produkte Actimel und Activia beworben. Am 15. April 2010 gab der weltgrößte Joghurthersteller Danone bekannt, mehrere Anträge bei der europäischen Aufsichtsbehörde EFSA zurückzuziehen, mit denen es die angeblich gesundheitsfördernde Eigenschaft des Produkts bestätigen lassen wollte[1]. Offenbar war die wissenschaftliche Basis für Health-Claims nicht ausreichend. In einigen Ländern stoppte der Konzern sofort seine Werbung für angebliche verdauungsfördernde und immunstärkende Wirkungen.

Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch hatte im Vorfeld kritisiert, dass die Werbung von Danone "ein großes probiotisches Märchen" sei. Das Produkt stärke das Immunsystem ähnlich wie ein herkömmlicher Naturjoghurt, sei aber viermal so teuer und enthalte doppelt so viel Zucker.

In Großbritannien hatte die Werbeaufsicht im Oktober 2009 mehrere Werbespots für Actimel im Fernsehen gestoppt, weil die Behauptungen des Lebensmittelkonzerns zur gesundheitsfördernden Wirkung nicht erwiesen seien. In den USA führte die Vermartungsstrategie von Activia (durch die Inc.) im Jahre 2010 zu einer Reaktion der Regulierungsbehörde FTC.[2]

Die europäische Lebensmittelagentur EFSA überprüfte seit 2006 gesundheitsbezogene Werbeaussagen. Der Ausschuss für Verbraucherschutz im Europaparlament verbot am 21. März 2012 über 1500 Werbeslogans, darunter die Behauptung, so genannter probiotischer Joghurt stärke das Immunsystem.[3] Viele weitere Werbeaussagen über Probiotika dürfen nicht mehr verbreitet werden (siehe EU Register on nutrition and health claims). Insbesondere Actimel darf u.a. nicht mehr mit der Aussage beworben werden, das Durchfallrisiko durch Clostridium difficile-Toxin nach einer Antibiotikumtherapie zu reduzieren.[4]

Produkt Kijimea

Kijima ist ein Nahrungsergänzungsmittel der Münchner Firma "Dr. Fischer Gesundheitsprodukte GmbH".[5] Die Firma behauptet eine Wirkung im Sinne eines Probiotikums. Nach Herstellerangaben sei Kijima als ein "hochdosiertes Immunpräparat", das auf die afrikanische Volksgruppe der Massai zurückginge. Andererseits ist jedoch von einer nicht traditionellen, sondern "innovativen Mikrokulturen-Kombination" die Rede, die zur "Stärkung der Immunabwehr" führen soll und ein "afrikanischer Bodyguard für die Abwehr" sei.

Probiotische Arzneimittel

 
Mutaflor

Probiotika werden für ein großes Spektrum von Erkrankungen eingesetzt, meist im Bereich der Alternativmedizin. Einen festen Platz haben probiotische Arzneimittel bei der so genannten Symbioselenkung bzw. "mikrobiologischen Therapie". Zu nennen ist hier das bekannte Mittel "Mutaflor".

Die gesetzlichen Krankenkassen erstatten wegen fehlenden Nachweises einer Wirksamkeit nicht die Kosten für eine "Mikrobiologische Therapie" oder Symbioselenkung.

Eingesetzte Keime, veraltete Namen und Fantasienamen

Die in Probiotika eingesetzten Bakterien müssen bestimmte Kriterien erfüllen, um überhaupt lebend in den Darm zu gelangen und um dort weiter leben zu können. Die Keime müssen weitgehend resistent gegen die Magensäure sein und müssen unter anaeroben Bedingungen (ohne Sauerstoff) wachsen können. Außerdem dürfen sie keine Toxine (Gifte) bilden und zur GRAS-Gruppe (Generally Recognized As Safe) gehören. Diese Kriterien treffen nur auf einige Bakterienarten zu:

  • Lactobacillus. Lactobacilli gehören zu den Milchsäurebakterien und tragen zur Fermentierung bei.
  • Streptococcus. Einige Stämme dieser Spezies können pathogen sein. Deswegen ist die Angabe der Stammnummer und des Namen sehr wichtig.
  • Bifidobacterium Spezies (lat. bifidus = zweigeteilt). Die Bifidobakterien gehören zu den Milchsäurebakterien, die unter Bildung von Milch- und Essigsäure Kohlenhydrate spalten. Ihren Namen verdanken sie ihrer Y-Form.

Die Joghurtbakterien Lactobacillus delbrueckii ssp bulgaricus und Streptococcus salivarius ssp thermophilus, Lactobacillus helveticus können den Magen nicht unbeschadet passieren.

Auf Etiketten von Probiotika können veraltete Bezeichnungen gefunden werden:

  • Lactobacillus bifidus: Dieser Name ist seit 1969 obsolet. Produzenten, die diesen Namen verwenden, verhalten sich unseriös. Der Name wurde für Bakterien, die aktuell dem eigenen Genus Bifidobakterium mit 22 verschiedenen Spezies angehören, verwendet. Der Name hat also so gut wie keinen Aussagewert.
  • Streptococcus faecium. Dieser Name wurde in den frühen 1980er Jahren ungültig. Der korrekte Name ist nun Enterococcus faecium.

Fantasienamen sind:

  • Lactobacillus sporogenes. Der Name deutet darauf hin, dass das Bakterium Sporen produziert. Laut Definition sind Lactobacillen jedoch keine Sporenbildner.
  • Lactobacillus caucasicus. Eine unbekannte Bakterienspezies.
  • Lactobacillus acidophilus casei. Diese Bezeichnung kann sich auf Lb. acidophilus oder Lb. casei beziehen.

Ein bestimmter Keim (Streptococcus faecium) wurde von der Lebensmittelindustrie ursprünglich aus menschlichen Fäkalien gewonnen, ein Umstand, der den Lebensmittel-Experten Udo Pollmer ("Lexikon der Ernährungsirrtümer) 1999 zu der Aussage brachte: "Womit es der Lebensmittelwirtschaft tatsächlich gelungen ist, aus Scheiße Geld zu machen."

Literatur

  • M. de Vrese u.a. (2005): Effect of Lactobacillus gasseri PA 16/8, Bifidobacterium longum SP 07/3, B. bifidum MF 20/5 on common cold episodes: a double blind, randomized, controlled trial, in: Clinical Nutrition, Nr. 24, S. 481-491.
  • Catanzaro, J.A.; L. Green (1997): Microbial ecology and probiotics in human medicine (part II). Alt. Med. Rev. 2: S. 296-305.
  • Probiotics or con? The Lancet, Volume 371, Issue 9613, Seite 624, 23.2.2008. doi:10.1016/S0140-6736(08)60275-5

Weblinks

Quellenangaben


  1. Spiegel Online, "Immunstärkende Wirkung" - Danone stoppt Actimel-Werbung 15.04.2010 [1]
  2. http://www.ftc.gov/opa/2010/12/dannon.shtm
  3. http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/49589
  4. http://www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/doc/1903.pdf
  5. Dr. Fischer Gesundheitsprodukte GmbH, Bauerstr. 22, 80796 München