Kalte Fusion
Als kalte Fusion werden kontrollierte Kernumwandlungen bezeichnet, die außerhalb von Fusionsreaktoren stattfinden. Derartige Prozesse sind selten und nicht geeignet, nennenswerte Energiemengen freizusetzen oder relevante Fusionsprodukte zu erzeugen. Seit 1978 ist bekannt, dass Myonen derartige Fusionen auslösen können. Die dabei anfallende Energiemenge reicht aber nicht aus, um weitere Fusionen in Kette auszulösen. Theoretische Vorüberlegungen zu Myonen-katalysierten Fusionen gab es bereits in den 1940er Jahren von F. C. Frank und Andrej Sacharov.
Myonen-katalysierte Fusionen haben heute keine praktische Bedeutung.
Fleischmann und Pons 1989
1989 behaupteten die Forscher Martin Fleischmann und Stanley Pons, eine kalte Fusion auf elektrochemischem Wege praktisch durchgeführt zu haben, was zu einem großen Presseecho und der Popularisierung des Begriffs führte. Hoffnungen auf eine sensationelle neue Energiequelle wurden auf diese Weise geschürt. Das Fleischmann-Pons-Experiment, das eine geringe Energiefreisetzung zeigte, konnte jedoch nicht repliziert werden. Auch die Autoren waren später nicht mehr in der Lage, ihr Experiment erfolgreich zu wiederholen. Bei diesem Experiment soll die Verschmelzung von Wasserstoff während einer Elektrolyse eines Elektrolyten an der Oberfläche einer von zwei Palladium-Elektroden stattfinden. Praktisch sollte hier einfach Energie aus Wasser gewonnen werden.
Rossi-Energiekatalysator / Piantelli-Focardi-Rossi-Experimente
Am 14. Januar 2011 machten der italienische Physiker Sergio Focardi und der Ingenieur Andrea Rossi in einer Pressekonferenz und mit einem begleitenden Experiment auf einen von ihnen erfundenen Reaktor ("Rossi Energiekatalysator") aufmerksam, der in der Lage sein soll, große Energiemengen durch eine kalte Fusion zur Verfügung zu stellen.[1] Das nur teilweise offengelegte, aber patentierte[2][3][4] Verfahren sieht dabei vor, dass sich Nickel in Anwesenheit von Wasserstoffgas unter Wärmeabgabe und Gammastrahlung in Kupfer umwandelt. Bei der Strahlung soll es sich um die relativ seltene β+-Korpuskularstrahlung mit Positronen handeln. Die beiden Erfinder geben an, das genaue Funktionsprinzip selbst nicht zu kennen. Sie arbeiteten seit Jahren an ihrem Projekt und nach ihren Angaben konnte im Lauf der Jahre eine immer größere Energieausbeute erzielt werden. Auf der Pressekonferenz im Januar 2011 war die Rede von einer zugeführten Heizleistung von 600 Watt, bei rechnerischer Energieabgabe von 12.000 Watt (12 kW). Bereits im Lauf des Jahres 2011 wollen die beteiligten Investoren und die Erfinder (Firma EON Srl) gebrauchsfertige Reaktoren anbieten. Während der Vorführung durften beobachtende Physiker einige Messungen vornehmen. Diese waren jedoch enttäuscht, keine Spektralanalyse der Gammastrahlung machen zu dürfen, die ihnen aus Gründen der Geheimhaltung verwehrt wurde. Eine Veröffentlichung in einem anerkannten Journal ist bislang nicht erfolgt. Die Erfinder publizierten hingegen in "Il Cimento" und in einer eigens von ihnen gegründeten und geführten "Zeitschrift" namens "Journal of Nuclear Physics" (in Wirklichkeit ein Blog).
Zur Vorgeschichte: 1989 war durch große mediale Aufmerksamkeit für die kalte Fusion gekennzeichnet, als Folge der Behauptungen zu den misslungenen Experimenten von Fleischmann und Pons. In diesem Jahre meinte der italienische Biophysiker Francesco Piantelli (Universität Siena) zufällig bei Untersuchungen mit organischem Material, das gleichzeitig mit Nickel und Wasserstoff in Kontakt kam, eine geringe Wärmeentwicklung zu beobachten, die er sich nicht erklären konnte. Die Nachricht darüber war Thema mehrerer italienischer Tageszeitungen. Davon erfuhr der Physiker Sergio Focardi von der Universität Bologna, der mit Piantelli eine Arbeitsgruppe bildete, um das Phänomen zu untersuchen. Nach einigen Jahren war ein entsprechender Nickel-Wasserstoff-Reaktor fertig, und im Februar 1994 kündigten die beiden auf einer Pressekonferenz den Reaktor als Prinzip für "Reazioni Nucleari a Bassa Energia" (LENR, "Kernreaktionen bei niedriger Energie") an, dabei aber den Begriff "kalte Fusion" vermeidend.[5] Wieder erschienen Artikel in der Tagespresse, und wie bereits zuvor 1989, kam es nicht zu einer wissenschaftlichen Veröffentlichung. Die Rede war hier von einer Leistung von 40-50 thermischen Watt. Ein oberflächenvorbehandelter und mehrere Stunden "entgaster" Nickelstab sollte im Reaktor von Wasserstoffgas umgeben sein. Bei den späteren Versuchen soll Nickelpulver (die Rede ist von Partikelgrössen im nm-Bereich) verwendet worden sein. Durch Erhitzung mittels Zufuhr elektrischer Heizleistung würden bei 180-400 Grad Protonen aus dem Wasserstoffgas in die Nickelatome gelangen, um zu einer Kernreaktion zu führen, wenn der Wasserstoffdruck regelmäßig impulsartig stark erhöht wird. Zum Einsatz kämen dabei auch geheime Katalysatoren. Insgesamt solle sich ein Wasserstoffverbrauch einstellen und etwas Helium entstehen.[6] Unter der Reaktion soll es auch zu einer schwachen Gamma- und Neutronenstrahlung kommen.[7] Der Nickelstab solle außerdem nach Reaktion auf der Oberfläche kleine Krater aufweisen. Nach Angaben der Erfinder reiche ein Nickelstab für einen 6-monatigen Betrieb. Anekdotisch berichten sie darüber, mit einem Testreaktor Monate lang Räumlichkeiten geheizt zu haben und dabei 90% der Stromkosten eingespart zu haben.
Es kam zu Replikationsversuchen: 1996 versuchte ein Gruppe unter Antonino Zichichi ein Jahr lang am Genfer CERN das Experiment zu wiederholen, blieb aber erfolglos. Die Autoren sprechen zwar von beobachteten Temperaturerhöhungen, die jedoch keiner Energiefreisetzung entsprechen würden.[8] 1998/1999 kam es zu einem weiteren Replikationsversuch in Pavia (Italien) durch die Forscher Luigi Nosenzo und Luigi Cattaneo. Wieder konnte über mehrere Monate hinweg keine Fusionsreaktion oder Energiefreisetzung beobachtet werden.[9]
Der "Rossi-Energiekatalysator" ist nicht die erste Erfindung von Andrea Rossi. Rossi hatte in den siebziger und achziger Jahren vergeblich versucht, aus Abfall Kohlenwasserstoffe herzustellen. Es kam zu zahlreichen Prozessen und Strafverfahren mit Haftstrafen gegen den "Scheich der Brianza" (Sceicco della Brianza auf die Behauptung bezogen er würde als "Scheich" aus Industrieabfällen Erdöl gewinnen. Petroldragon-Affäre. Brianza ist der Name einer Region nördlich von Mailand), da er große Menge auch giftiger Abfälle nicht ordungsgemäß entsorgte, mit ihnen handelte. Auch Steuervergehen wurden ihm zur Last gelegt. Er wanderte daraufhin in die USA aus.
Weitere Verfahren
Weitere Verfahren sind die:
- Pyrofusion (ohne praktische Bedeutung)
- Sonofusion (offenbar Datenfälschung)
Biologische Transmutation
Als Biologische Transmutation werden hypothetische Fusionsprozesse in biologischen Systemen bezeichnet. Für ihre Existenz gibt es keine wissenschaftlichen Belege.
Quellennachweise
- ↑ http://bologna.repubblica.it/cronaca/2011/01/14/news/fusione_nucleare_a_freddo_a_bologna_ci_siamo_riusciti-11237521/
- ↑ WO/2009/125444 METHOD AND APPARATUS FOR CARRYING OUT NICKEL AND HYDROGEN EXOTHERMAL REACTIONS; pub. Date: 15.10.2009
- ↑ http://www.wipo.int/pctdb/en/wo.jsp?WO=2009125444
- ↑ Patentanmeldung EP 02259998
- ↑ Pressekonferenz vom 20. Februar 1994, Aula magna der Universität Siena
- ↑ S. Focardi, V. Gabbani, V. Montalbano, F. Piantelli, S. Veronesi. "Large excess heat production in Ni-H systems". Il Nuovo Cimento Vol. 111 A, N.11 pp. 1233, novembre 1998
- ↑ Battaglia, L. Daddi, S. Focardi, V. Gabbani, V. Montalbano, F. Piantelli, P.G. Sona, S. Veronesi. "Neutron emission in Ni-H Systems". Nuovo Cimento 112A, pp. 921, 1999.
- ↑ Cerron-Zeballos, E., Crotty, I., Hatzifotiadou, D., Lamas Valverde, J., Williams, M.C.S., and Zichichi, A., "Investigation of Anomalous Heat Production in Ni-H Systems". Nuovo Cimento, Vol. 109A, p. 1645-1654, (1996).
- ↑ Adalberto Piazzoli. "Fusione Fredda? Una ricerca italiana". CICAP - Scienza & Paranormale N. 78 (Mai 2008)