Periphere Hirnstimulation nach Werth

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Erfinder Ulrich Werth (Bild: "Flieges Welt" von Jürgen Fliege)
Ulrich Werth bei "Flieges Welt".(Bild: "Flieges Welt")

Die Periphere Hirnstimulation nach Werth (Werth-Parkinson-Implantat-Therapie, WPIT, Implantatakupunktur nach Werth, "ewige Nadel", Werth Parkinson Implant Therapy, peripheral brain stimulation – PBS) ist eine seit 2001 bekannte umstrittene pseudomedizinische Behandlungsmethode der Parkinsonschen Erkrankung des deutschen Neurologen, Psychiaters und Akupunkteurs Ulrich Werth der sich zur Zeit in Valencia (Spanien) aufhält, wo er ein Werth Parkinson Center (WPC) betreibt. Im Prinzip handelt es sich um eine Variante der Ohrakupunktur (Aurikulotherapie, Implantatohrakupunktur als Sonderform einer Implantatakupunktur) mit kleinen Titan-Stiften, die über sehr lange Zeit als Dauer-Akupunktur im Körper des Behandelten verbleiben sollen.

Die Periphere Hirnstimulation nach Werth (PBS) wird im Internet durch ein entsprechendes Marketing und Heilversprechen promotet. Zu den Versprechen gehört die Behauptung nach PBS weniger Medikamente (z.B. L-DOPA) einnehmen zu müssen. Auch werden Therapieerfolge der Methode verbreitet. Aktiv sind dabei das "Werth Implantat-Therapie Center S.L.U." in Valencia (Spanien)[1] und ein "Institut für Akupunktur und periphere Hirnstimulation GmbH" in Magdeburg.[2]

Im Zusammenhang mit Betrugsfällen wurde dem Erfinder Ulrich Werth in Deutschland die ärztliche Approbation entzogen.

Zahlreiche Neurologen warnen vor der Peripheren Hirnstimulation.

Methode

Die Periphere Hirnstimulation nach Werth ist eine Implantatakupunktur, die am Ohr des Patienten zum Zwecke einer Behandlung der Parkinson-Krankheit durchgeführt wird. Wegen der langen Verweildauer der Implantate handelt es sich um eine Dauerohrakupunktur zur "ewigen", also lebenslangen Implantation der eingesetzten kleinen Stifte. Verwendet werden kleine dabei zwischen 70 bis 120 kleine Titan-Stifte (bzw Titan-Nadeln) die an bestimmten Punkten in das Unterhautfettgewebe der Ohrmuschel implantiert werden. Zu Beginn der PBS wandte Werth nur 20-30 Implantate an, erhöhte dann aber die Zahl später um Therapieeffekte zu steigern. Die Titan-Implantate sind als Gebrauchsmuster unter der Nummer 20101854 U1 registriert worden. Die Implantation erfolgt ambulant unter lokaler Betäubung und soll nach Angaben von Werth innerhalb einer halben Stunde durchführbar sein. Nach 6-12 Monaten sollen erneut einige Titanspitzen implantiert werden um die Therapieeffekte zu steigern. Die Implantate stammen von einer französischen Firma und sollen kein Hinderungsgrund für MRT-Untersuchungen sein und sollen auch kein allergieauslösendes Potential haben.

Als Folge der Behandlung käme es zu einer Besserung der Symptome der auch als "Schüttellähmung" bekannten Parkinsonschen Krankheit und zu einer Zunahme der körpereigenen Dopaminproduktion. Der Krankheit liegt ja ein Dopaminmangel zu Grunde.

Nach Werths Angaben führe er vor der Behandlung und währed der Behandlungszeit so genannte "Datscan-Untersuchungen" durch.

Werths eigener Anekdote nach soll er durch Zufall auf das Prinzip der Methode gestossen sein, auch wenn es sich dabei nicht um die Behandlung der Parkinsin-Krankheit handelte. Bei einer Patientin mit einer Trigeminusneuralgie die mit Akupunktur behandelte soll er eine "unter die Haut gerutschte" Nadel vergessen haben, woraufhin die eingewachsene Nadel eine Art Wunderwirkung entfaltet haben soll und die Schmerzen bei der Patientin verschwanden. Als Werth die Nadel später fand und diese entfernte, sollen die Schmerzen sich wieder in ursprünglicher Weise eingestellt haben und seien erst durch weitere aufwendige Akupunktur-Massnahmen wieder zurückgegangen.

Letzendlich bezeichnet sich Werth als der Erfinder der dauerimplantierten Akupunkturnadeln.

Nach Angaben der "Deutschen Parkinsonvereinihung" koste das Verfahren dem Patienten mehrere tausend Euro. Die Kosten werden nicht von den gesetzlichen Krankkassen erstattet. Da Werth den Patienten jeden einzelnen implantierten Titanstift in Rechnung stellte, wurde er in Magdeburg wegen Betruges zu einer Geldstrafe verurteilt und verlor in letzter Instanz seine ärztliche Approbation.

Die Implantationen sind nicht risikofrei. Prinzipiell kann es bei der Implantation zu einer Infektion kommen, Fremdkörperreaktionen mit Riesenzell- und Granulombildung sind möglich.

unterstelltes Wirkprinzip

Ulrich Werth bezieht sich ausdrücklich auf den Erfinder der Ohrakupunktur, den französischen Arzt und Akupunkteur Paul F. M. Nogier (1908 - 1996) aus Lyon. Die Ohrakupunktur ist wiederum eine Variante der Akupunktur aus der traditionellen chinesischen Medizin (TCM). Anhänger der TCM gehen von der Existenz so genannter Meridiane, die "Energiebahnen" darstellen sollen. Diese wurden bislang trotz intensiver Suche nicht gefunden. Die Tatsache, dass es konkurrierende Meridiansysteme je nach Akupunkturlehre gibt, macht das Prinzip nicht plausibler. Aus Sicht der Ohrakupunktur werde am Ohr der Körper abgebildet. Eine Stimulation bestimmter Akupunkturpunkte des Ohres übe dabei einen (stets positiven) Einfluß auf die als dazugehörig bezeichneten Körpergebiete oder Organe aus.

Demzufolge wären die Effekte der PBS auch nicht auf die Parkinson-Krankheit beschränkt, vielmehr könnte – zumindest in der Theorie - jede Krankheit zentralnervösen Ursprungs mit der PBS behandelt werden.

Grundlage der Behandlung ist auch die Annahme, dass bei Parkinsonkranken ein „selbsttherapierende körpereigener Selbstregulationsmechanismus“ versage. Ein Dauerreiz auf entsprechende Akupunkturpunkte helfe dem ab.

Studienlage

Nach Angaben von Ulrich Werth würden bei vielen seiner behandelten Parkinson-Patienten Besserungen eingetreten sein. Das Spektrum der Ergebnisse reiche von einem "Stillstand" bis hin zu einem "fast vollständigen Rückgang aller Symptome". Nach seinen Angaben bräuchten 75% seiner Patienten nur noch halb soviel Parkinsonmittel, 10% bräuchten überhaupt keine Medikation, da sie "symptomfrei" seien. Bei 10% sei ein Stillstand zu beobachten und bei lediglich 5% der Patienten habe sich kein Erfolg gezeigt, weil "Störfelder" den Akupunkturerfolg zu nichte gemacht hätten. Zusammengefasst wird behaupt, dass bei fast allen Patienten das Fortschreiten der Krankheit gestoppt worden sei und typische Parkinson-Symptome wie Unbeweglichkeit (Akinese), Rigor (Steifigkeit) oder Tremor (Zittern) nachhaltig reduziert worden seien. In diesem Zustammenhang berief sich Werth auch auf Angaben anderer behandelnder Neurologen und Kliniken.

Ulrich Werth

Ulrich Werth wurde 1948 geboren und wurde 1982 promovierter Facharzt für Neurologie und Psychiatrie. Nach seiner Niederlassung (1991) machte er eine Akupunkturausbildung in Peking. Auf das Jahr 2001 geht die Entdeckung der Implantatakupunktur zurück. 2002 gründete er den "Akupunkturkompass". Seit 2005 hat Werth eine Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufs in Spanien.

Werth bezeichnet sich als "Gastprofessor für Neurologie und Akupunktur" an der "Universität Pune" in Indien, "Professor der Neurologie und Acupunktur" der "Universität in Neu Delhi".

Betrugsvorwürfe und Approbationsentzug

Dem Erfinder Werth wurde inzwischen in Deutschland die ärztliche Approbation entzogen, er darf also nicht mehr als Arzt tätig sein. Dies entschied in letzter Instanz das Oberverwaltungsgericht Magdeburg. Nach eigenen Angaben hat Werth allerdings gegen das Urteil eine Verfassungsbeschwerde eingelegt. Werth wurde die Approbation entzogen weil er gesetzwidrig Gebühren nicht nach Sitzung, sondern pro einzelner gesetzter Nadel erhob. Im Februar 2005 erhielt Werth deshalb durch das Amtsgericht Magdeburg einen Strafbefehl wegen Betrugs.[3]

Quellennachweise

  1. Werth Implantat-Therapie Center S.L.U., Dr. med. Ullrich Werth, Gran Via Marqués del Turia No. 65 1, pta. 4, E-46005 Valencia, Spanien
  2. Institut für Akupunktur und periphere Hirnstimulation GmbH, Hasselbachplatz 2, D-39104 Magdeburg
  3. http://www.parkinson-vereinigung.de/dpv_nachr/dPV105_0708.pdf