Heilerde
Heilerde ist ein mineralisches Pulver, das aus eiszeitlichen Lößablagerungen gewonnen und vor allem in der Pseudomedizin und von Anhängern der Urkost für verschiedene innere und äußere Anwendungen genutzt wird. Heilerde wird rechtlich als Medizinprodukt eingestuft.
Geschichte
Tonheilerden wurden bereits seit langer Zeit angewendet, im Mittelalter wurden sie auch als Bolus Armenicus bezeichnet. Später wurde ihre Anwendung unter anderem von Sebastian Kneipp, dem "Lehmpfarrer" Emanuel Felke und Adolf Just propagiert. Laut Just handelte es sich bei der Heilerde um "das beste Heilmittel der Natur".
Auch Tiere nehmen gelegentlich Erde zu sich, um ihren Mineralienbedarf zu decken.
Bestandteile
Heilerde besteht im Wesentlichen aus Silikaten (über 50%), Dreischichttonmineralen, Feldspat, Kalzit und Dolomit. Auf Elemente bezogen enthält Heilerde im Wesentlichen Sauerstoff, Silizium, Kalzium, Aluminium, Eisen und Kalium; ferner unter 1% Magnesium, Natrium, Titan und Wasserstoff.
Silizium
Der Hauptbestandteil von Heilerderde sind Siliziumsalze (Silikate). Silizium ist in zahlreichen anorganischen Mineralien wie zum Beispiel Quarz, Sand, Bergkristall, Feldspat oder Glimmer enthalten. Etwa 90% der Erdkruste bestehen aus Siliziumverbindungen.
Im menschlichen Körper wird Silizium vor allem im Bindegewebe und den Knochen eingelagert und kann zu deren Aufbau und Stabilität beitragen. Der menschliche Organismus enthält ca. 1 bis 1,5 Gramm Silizium.
Der tägliche Bedarf an Silizium wird auf 5 bis 10 Milligramm geschätzt; eine Empfehlung gibt es bisher jedoch nicht. In der Regel deckt ein Erwachsener aus den Industrienationen diesen Bedarf ab. Silizium ist vor allem in pflanzlichen Lebensmitteln wie Kartoffeln und Wurzelgemüse wie Möhren und Vollkorngetreide enthalten. Auch Bier hat einen relativ hohen Siliziumgehalt.[1] Tierische Produkte enthalten weniger Silizium, jedoch wird vermutet, dass das dort enthaltene Silizium vom Körper etwas besser aufgenommen werden kann. Mangelerscheinungen an Silizium konnten bisher nur an Tierversuchen nachgewiesen werden.[2] Eine Supplementierung von Silizium ist beim gesunden Menschen daher nicht notwendig.
Anwendung
Äußere Anwendung
Für Heilerde werden unterschiedliche Anwendungsgebiete angegeben, teils mit übertriebenen Versprechungen. Meist wird sie äußerlich in Form von Wickeln, Verbänden, Auflagen, Badezusätzen oder Gesichtsmasken angewendet. Sie soll bei allergischen Hautbeschwerden, Ausschlägen, Ekzemen und Insektenstichen, bei Arthrose, Muskel- und Gelenkbeschwerden und Prellungen, bei Akne, unreiner und fettender Haut, bei Durchblutungsstörungen und Entzündungen helfen, ebenso als Leibwickel bei Magenbeschwerden. Sogar gegen Cellulite soll Heilerde angeblich helfen,[3] was jedoch unmöglich ist, da die Ursachen hierfür im Binde- und Unterhautfettgewebe liegen, wo Heilerde von außen her nicht wirken kann.
Eine Wirkung lässt sich teilweise damit begründen, dass durch den Kältereiz bei der Anwendung die Blutgefäße verengt und Muskelspannungen und somit Schmerz oder Juckreiz gemindert werden. Eine entzündungshemmende Wirkung, weil beim Trocknen des aufgetragenen Breis eine Art Saugwirkung auftritt, die überflüssige Gewebsflüssigkeit nach außen ableitet, ist indes unplausibel und nicht belegt. Es gibt kaum wissenschaftlich fundierte Untersuchungen, wie gut Wickel und Auflagen wirklich wirken. Die meisten Empfehlungen beruhen lediglich auf Beobachtungen.
Innere Anwendung
Bei innerlicher Anwendung wird Heilerde in Kapseln, aber auch verrührt in einem Glas Wasser eingenommen. Einsatzgebiete sind insbesondere Durchfall, Sodbrennen, säurebedingte Magenbeschwerden sowie in der Pseudomedizin bei der Darmsanierung und der Entgiftung. Auch bei Mund- und Rachenspülungen und bei Zahnfleischauflagen kommt sie zum Einsatz, z.B. in Zahncremes.
Heilerde kann aufgrund der enthaltenen Tonmineralien Magensäure binden und neutralisieren. Mineralien können zudem durch die Magensäure teilweise herausgelöst werden, dies trifft besonders auf Kalzium und Magnesium zu. Heilerde ist, ähnlich wie Aktivkohle, auch in der Lage, andere Stoffe zu absorbieren. Daher kann Heilerde unter anderem auch die Wirkstoffe eingenommener Medikamente binden und unwirksam machen. Je feinkörniger die Heilerde, desto größer ist ihre innere Oberfläche und desto besser kann sie andere Stoffe binden.
Die Wirkung von Siliziumpräparaten ist bislang wissenschaftlich nicht erwiesen.[4] Entsprechende Studien zeigen widersprüchliche Ergebnisse, wie z.B. die Wirkung von Silikaten bei Osteoporose.[5]
Anwendung in der Urkost
Aus Sicht der Anhänger der Urkost sind Arztbesuche und Medikamente unnötig und sogar schädlich. Als einziges "Medikament" wird Heilerde verwendet, die die "Gifte" aus dem Körper leiten soll. In hartnäckigen Fällen wird das "Erdfasten" empfohlen, bei dem der Patient nichts außer täglich ein paar Teelöffeln Heilerde zu sich nimmt.
Nebenwirkungen
Eine Überdosierung ist eher unwahrscheinlich, extreme Mengen von Silizium, das in Heilerde enthalten ist, können aber zu einer erhöhten Harnsteinbildung führen. Ferner können siliziumhaltige Präparate bei entsprechend veranlagten Personen zu Überempfindlichkeitsreaktionen führen.[6]
Die Langzeiteinnahme von hochdosiert Silikat enthaltenden Medikamenten kann zu einer Zerstörung der Nierentubuli und zu chronisch interstitieller Nephritis führen.[7] Bei dialysepflichtigen Patienten besteht ein potenziell hohes Risiko aufgrund der Akkumulation von Silizium, welches zu Nephropathie, Neuropathie, Knochen- und Lebererkrankungen führen kann.[5]
Quellenverzeichnis
- ↑ http://www.g-o.de/wissen-aktuell-11197-2010-02-08.html
- ↑ http://www.onmeda.de/lexika/naehrstoffe/spurenelemente/silizium-bedarf-3432-2.html
- ↑ http://www.wellness-beauty-info.de/beauty/cellulite/cellulite-und-heilerde.html
- ↑ http://www.onmeda.de/lexika/naehrstoffe/spurenelemente/silizium-siliziumpraeparate-3432-4.html
- ↑ 5,0 5,1 http://www.kup.at/kup/pdf/7185.pdf
- ↑ http://www.onmeda.de/lexika/naehrstoffe/spurenelemente/silizium-siliziumpraeparate-3432-4.html
- ↑ Dobbie JW, Smith MJB. Urinary and serum silicon in normal and uraemic individuals. In: Evered D, O’Connor M (eds). Silicon biochemistry. Ciba Fundament Symposium 121. John Wiley & Sons, Chichester, 1986; 194–208