Nahrungsergänzungsmittel

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Nahrungsergänzungsmittel (NEM) sind Lebensmitteln entsprechende Produkte im Grenzbereich zu Arzneimitteln, die in Deutschland der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV) unterliegen und im EU-Recht der Richtlinie 2002/46/EG entsprechen. Es handelt sich dabei stets um Lebensmittel, die auch dem LFGB-Gesetz unterliegen und nicht dazu bestimmt sind, Arzneimittelwirkungen zu entfalten, Erkrankungen zu heilen oder ihnen vorzubeugen oder ohne deren Einnahme es zu Erkrankungen käme. Nahrungsergänzungen dürfen in Deutschland also keinen therapeutischen Nutzen erfüllen oder beanspruchen und haben keinen nennenswerten Anteil an der menschlichen biologischen Energiegewinnung. Ein Ausgleich einer längerdauernden Fehlernährung ist durch sie nicht möglich. Es besteht eine Überschneidung mit dem Begriff Functional Food.

In den USA entsprechen die NEM weitgehend dem Begriff der OTC-Produkte, also over-the-counter. Derartige Produkte können dort außerhalb von Apotheken rezeptfrei verkauft werden. Allerdings ist die dortige Einordnung liberaler: Nach deutschem Recht müssten viele der US-amerikanischen OTC-Produkte in Deutschland als zulassungspflichtige Arzneimittel eingeordnet werden.

NEM sind äußerlich fast immer ähnlich zu Medikamenten aufgemacht und lassen sich vom Laien nicht immer klar von diesen unterscheiden und können daher zu Verwirrung führen. Die Einordnung der in NEM enthaltenen Substanzen, bei Beachtung ihrer Konzentrationen, kann aber selbst Fachleuten in Einzelfällen Probleme bereiten diese von Arzneimitteln zu unterscheiden.

Nahrungsergänzungsmittel sind eine typische Domäne des Multilevel-Marketing (MLM) mit ihren spezifischen Werbe- und Marketingsverfahren. Typisch sind auch extreme Preisunterschiede auf dem NEM-Markt für ein und denselben Wirkstoff. Nahrungsergänzungsmittel sind fast immer im Bereich des Bodybuilding und der entsprechenden Trainingseinrichtungen, aber auch des Leistungssports zu finden. Auch die Geschäfte im Bereich der orthomolekularen Medizin wären ohne Nahrungsergänzungsmittel nicht denkbar.

In Deutschland werden Nahrungsergänzungsmittel vor allem von älteren Menschen gekauft. Jeder zweite Deutsche über 55 Jahre nimmt jeden Tag Nahrungsergänzungsmittel ein.

Definition und Rechtliches

In Deutschland sind Nahrungsergänzungsmittel rechtlich gesehen Lebensmittel für das LFGB-Gesetz gilt. Bei NEM handelt es sich genauer um Lebensmittel mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung die dazu bestimmt sind die allgemeine Ernährung zu ergänzen. Es sind Produkte in Form von Kapseln, Pastillen, Tabletten, Pillen, Brausetabletten, Pulverbeuteln, Flüssigampullen oder Flaschen die in abgemessenen kleinen Mengen in den Verkehr gebracht werden. Da sie rechtlich zu den Lebensmitteln gehören, fallen sie in Deutschland unter die Regelungen des Lebensmittel- und Futtergesetzbuchs (LFGB). Die erlaubten Inhaltsstoffe sind in Anhang 1 der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV) [2] aufgeführt.

Die Nahrungsergänzungsmittel unterliegen lediglich einer Registrierungspflicht beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Die Überwachung der in den Geschäften angebotenen Nahrungsergänzungsmittel und der Herstellerbetriebe ist Aufgabe der Lebensmittelüberwachungbehörden der Länder.

Regelungen zum Nahrungsergänzungsmittelrecht werden gerne durch Exporte aus anderen Ländern mit liberalerem Recht umgangen. So können problemlos in Deutschlang nicht erlaubte NEM aus den USA, Russland oder Holland bezogen werden, wobei nur in Einzelfällen der Zoll die Einfuhr verhindern kann. Auch ist in diesen Fällen oft völlig unklar was eigentlich in der bestellten Ware enthalten ist.

Erlaubte Inhaltsstoffe

Typische Inhaltsstoffe sind Mineralstoffe, Vitamine, Pseudovitamine und Antioxidantien. Die NemV regelt in einem Anhang die erlaubten Substanzen, die in einem Nahrungsergänzungsmittel enthalten sein dürfen [3].

Werbende Aussagen mit NEM

Werbeaussagen über Nahrungsergänzungsmittel werden seit dem 1. Juli 2007 durch die neue Health-Claims-Verordnung geregelt. Krankheitsbezogene Aussagen und Indikationen sind, wie für andere Lebensmittel auch, nicht erlaubt und können mit Geldbußen geahndet werden. In der Praxis wird das Werbeverbot für NEM regelmäßig und in großem Umfang nicht beachtet. Dies ist insbesondere im Internet zu beobachten. Zur Umgehung des abmahnbaren Werbeverbotes werden auch gezielt sogenannte Onlinemarketing-Bewerber eingesetzt, die im Rahmen des sogenannten Guerilla-Marketings in Internetforen Produkte bewerben. Dabei treten gehäuft entweder mehrere derartige Berater - als übliche User getarnt - auf, die zusammen arbeiten und sich ergänzen, oder aber eine einzige Person beginnt Selbstgespräche mit eigenen Pseudonymen. Üblicherweise treten Neu-User mit Gesundheitsfragen auf, die sich nach Hilfe für ein Problem erkundigen. Kurze Zeit später weiß dann ein weiterer Neuuser erstaunlich schnell Rat, bewirbt ein Produkt und rühmt angebliche Heilwirkungen bei sich oder Bekannten. Auch treten solche Werber gerne mit privaten Nachrichten oder E-Mails an nachfragende Personen in Aktion.

Die Verbraucherzentrale NRW weist aufgrund einer stichprobenartigen Untersuchung von Userforen im Internet darauf hin, dass in Meinungsforen für umstrittene Nahrungsergänzungsmittel getrommelt werde. Die zumeist absurden Beiträge würden dabei oftmals von Verkäufern selbst verfasst. Ins Visier gerieten so insgesamt 30 Berichte zu Aloe Vera-Gels, zu Vitamin- und Mineralstoffpräparaten. Jeder zweite Autor in den Meinungsportalen outete sich offen als Verkäufer (5 Berichte) oder offerierte zumindest weitere Informationen zum Produkt oder dessen Bestellmöglichkeiten (10 Berichte). Nicht verwunderlich also, dass von den 30 überprüften Produktbewertungen nicht weniger als 26 mit irregulären und absurden Werbeaussagen aufwarteten. Während Hersteller und gewerbliche Händler mit solchen Aussagen gegen das Verbot krankheitsbezogener Werbung verstoßen würden, meinen die Berichterstatter in den Internetforen offenbar ungehindert operieren zu können. ”Sie agieren in einer Grauzone, entziehen sich weitgehend der Lebensmittelüberwachung und werden bisher nicht behelligt”, kritisiert Ernährungsexpertin Angela Clausen von der Verbraucherzentrale NRW. Das Oberlandesgericht Köln (Az.: 6 U 149/07) hatte aber Februar 2008 entschieden, dass MLM-Unternehmen für fehlerhafte und übertriebene Werbung auf der Homepage ihrer Vertriebspartner mithaften.[1]

Fast immer wird in Werbung für NEM von der milliardenschweren Nahrungsergänzungsmittelindustrie (NEMI) auf einen angeblichen Mangel an bestimmten Wirkstoffen oder Substanzen hingewiesen, nennen dabei aber regelmäßig dubiose oder einseitig recherchierte Quellen.

Angeblicher Vitaminmangel als Werbeargument

Häufig werden Nahrungsergänzungsmittel mit einem angeblichen zunehmenden Vitaminmangel beworben. Wenn ein gesunder Mensch sich ausgewogen ernährt, sind Vitamine in Nahrungsergänzungsmittel (NEM) überflüssig. Nach Untersuchungen zur allgemeinen Ernährungslage in Deutschland sind außer in Sonderfällen wie beabsichtigte oder vorliegende Schwangerschaft (Folsäure), Alkoholismus (Vitamin B12) oder Erkrankungen, die eine besondere Diät erfordern, NEM nicht notwendig. Dieser Personenkreis sollte sich jedoch vom Arzt beraten lassen und nicht einfach Mittel auf die Empfehlung von Laien hin einnehmen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat den Nährstoffgehalt dreier Lebensmittel in den letzten 50 Jahren verglichen. Demnach enthalten Orangen heute genauso viel Vitamin C wie vor 50 Jahren. Das gleiche gilt für Kartoffeln. Nur bei Äpfeln schwanken die Werte über die Jahre hinweg. Allerdings halten das die Wissenschaftler eher für jahreszeitlich bedingt, und sehen darin kein Indiz für einen generellen Verlust an Nährstoffen. Lebensmittelchemiker der Universität Kaiserslautern haben die Hypothese vom angeblichen Nährstoffmangel untersucht. Und keinen Hinweis darauf gefunden, dass bei einer ausgewogenen Ernährung der Körper mit Vitaminen oder Mineralsstoffen unterversorgt wird. Gerhard Eisenbrand, der Leiter der Forschungsgruppe, nennt den angeblichen Mangel an Vitaminen und Mineralstoffen einen "Mythos". Über die Geschichte der Vermarktungsstrategien von Vitamin C gibt ein Buch von Beat Bächi Auskunft[2] [4] [5].

Geschäfte und NEM-Umsatz in Deutschland

Nahrungsergänzungsmittel haben oft einen niedrigen Herstellungspreis und einen hohen Verkaufspreis, d.h. es gibt eine große Gewinnspanne. Frucht- und Gemüsepulver sind billig, in Gelatinekapseln in Kleinstmengen verpackt jedoch recht teuer. Krabbenschalen und Grapefruitkerne sind Abfälle der Nahrungsmittelindustrie. Als NEM in Kapseln verpackt werden sie an den Kunden zu einem vergleichsweise hohen Preis abgegeben. In jedem Jahr werden allein in Deutschland Nahrungsergänzungsmittel im Wert von einer Milliarde Euro[3] bis 1,3 Milliarden Euro[4] verkauft.

Kritik

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hält Nahrungsergänzungsmittel für gesunde Personen, die sich normal ernähren, für überflüssig. Bei dieser Ernährung bekomme der Körper alle Nährstoffe die er brauchte. Eine zusätzliche Zufuhr einzelner Nährstoffe sei deshalb nicht notwendig. Eine einseitige, unausgewogene Ernährungsweise könne nicht durch den Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln ausgeglichen werden. Nur in bestimmten Situationen, die in Deutschland aber selten seien, könne eine gezielte Ergänzung der Nahrung mit einzelnen Nährstoffen sinnvoll sein. Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sind Nahrungsergänzungen dagegen nur bei Jod in Form von jodiertem Speisesalz und bei Folsäure für Schwangere sinnvoll.

In einer Auswertung verschiedener Metaanlysen und randomisierter Studien wurde der Stand der Kenntnis zum Einfluss der als Antioxidantien angepriesenen Vitamine A, C und E sowie von Betakarotin auf Behandlung oder Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Augenerkrankungen und Erkältungen zusammengefasst. Das Fazit daraus: Ein klarer klinischer Nutzen lässt sich aus den vorliegenden randomisierten Studien nicht ableiten. Darüber hinaus steigert Betakarotin vor allem bei Rauchern Lungenkrebsrate und Gesamtsterblichkeit.[5]

Antioxidanzien werden häufig auch von Krebspatienten eingenommen, um unerwünschten Effekten einer Chemo- oder Strahlentherapie vorzubeugen. Experimentelle und klinische Daten unterstützen jedoch Befürchtungen, dass sie zu einem gewissen Grad Tumorzellen sogar schützen könnten. Vor allem die gleichzeitige Anwendung hochdosierter Antioxidanzien mit einer Bestrahlung verschlechtert in einigen randomisierten Studien das Ansprechen und verkürzt die Überlebenszeit der Patienten.[6]

Nahrungsergänzungsmittel und Doping

Eine internationale vom IOC geförderte Studie des Instituts für Biochemie an der Deutschen Sporthochschule Köln hat gezeigt, dass etwa 15% der in 13 verschiedenen Ländern erworbenen Nahrungsergänzungsmittel Anabolika (hauptsächlich Prohormone) enthielten, die nicht auf der Packung angegeben waren. In Deutschland enthielten ca. 11% der getesteten Nahrungsergänzungsmittel verbotene Anabolika. Bei den Anabolika handelt es sich wahrscheinlich um Verunreinigungen, die keinen Dopingeffekt haben, aber unabsichtlich zu positiven Dopingbefunden führen können. Dies stellt sowohl Sportler, hier vor allem Leistungssportler, aber auch Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln vor ein Problem. Die so genannte Kölner Liste des Olympiastützpunkts Köln-Bonn-Leverkusen bietet hinsichtlich der Dopingkontamination eine Orientierungshilfe.

Beispiele

Als Nahrungsergänzungsmittel werden u.a. folgende Produkte vertrieben:

Literatur

  • Udo Pollmer, Susanne Warmuth. Pillen, Pulver, Powerstoffe: Die falschen Versprechen der Nahrungsergänzungsmittel. Verlag: Eichborn; (April 2008) ISBN-10: 382185622X ISBN-13: 978-3821856223

Weblinks

Quellennachweise

  1. http://www.vz-nrw.de/UNIQ122313037328397/link502181A.html
  2. Beat Bächi: Vitamin C für alle! Pharmazeutische Produktion, Vermarktung und Gesundheitspolitik (1933-1953). Chronos Verlag
  3. Angaben des Bayerischen Rundfunk, 2008 [1]
  4. http://www.vz-nrw.de/UNIQ124099406705519/link556511A.html
  5. Arzneimitteltelegramm, 2003; 34: 100-2, 111-3
  6. "Prävention mit Antioxidanzien: Schaden überwiegt", Arzneimitteltelegramm, 12/2008