Aloe Vera
Aloe Vera ist die Bezeichnung von Presssäften oder Extrakten aus dem Mark oder der Blattrinde von Aloe vulgaris oder Aloe barbadensis Miller. Diese werden in großem Umfang über Multilevel Marketing Strukturvertriebe an den Kunden gebracht.
Deutsche Firmen wie die Wertheimer Allcura priesen Aloe Vera Saft als Beitrag für eine gesunde Ernährung und zur Gesundheitsstärkung an. Täglich soll man 2 x 1 Esslöffel Aloe Vera Saft in Mineralwasser oder Fruchtsaft zu sich nehmen. Verkauft wird das Produkt legal als Lebensmittel.
Aloe spec.
Basis für Aloe-Produkte sind die in Ost- und Südafrika sowie Mittelamerika wachsenden sukkulenten Arten Aloe vera, Aloe vulgaris und Aloe barbadensis, die aus der Familie der Affodillgewächse (Asphodelaceae) stammen. Wild wachsende Aloe-Arten sind durch das Washingtoner Artenschutzabkommen vom 3. März 1973 geschützt - ausgenommen davon sind Pflanzenprodukte, die von außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes eingebürgerten oder von künstlich vermehrten Aloen stammen.
Traditionell gelten Aloen in Mesopotamien bereits seit dem 2. vorchristlichen Jahrtausend als medizinisches Mittel und auch in Ägypten wurde Aloesaft bereits 550 v.Chr. zur Behandlung von Hautinfektionen verwendet. In der US-amerikanischen Arzneibüchern ist Aloe vera bereits seit 1820 in verschiedenen Zubereitungsformen erwähnt und seit 1920 wird die Pflanze auch kommerziell angebaut (Hadley und Petry 1999). Es werden unterschiedliche Aloe-Zubereitungen verwendet. Das sog. Aloe-Gel stammt aus dem Mark der Pflanze, während Aloe-Saft aus den Blättern und der Blattrinde gepresst wird.
Aloe vera wird in Plantagen vor allem in Afrika, Texas, Florida und Mexiko, auf den Kanaren, den niederländischen Antillen, in den Küstengebieten von Venezuela und seit Kurzem auch auf einer großen Plantage in Colonche, Ecuador angebaut.[1]
Carter's Little Pills - Die ersten Wunderpillen aus Aloe vera
In den USA wurden schon vor Jahrzehnten oral einzunehmende Pillen, die Aloe und Podophylum Resin enthielten, als Abführmittel verkauft. Eines dieser Produkte hieß nach seinem Erfinder Carter's Little Pills. Aufgrund des vergleichsweise hohen Aloingehaltes führte es bei einer Patientin zu massiven Gesundheitsproblemen, die bis zu einer hypokalziämischen metabolischen Alkalose reichten (Ramirez und Marieb 1970). Probleme unter Aloe vera sind aber nichts Neues.
Der wissenschaftliche Wirksamkeitsnachweis ist dürftig
Aloe-Gel soll äußerlich bei Wunden, geringgradigen Verbrennungen, Hautreizungen und Psoriasis nützlich sein. Zubereitungen zur inneren Anwendung werden gegen Verstopfung, Husten, Kopfschmerzen, entzündliche Erkrankungen, rheumatisches Fieber, Allergien, Ulzera, Herzerkrankungen und sogar gegen HIV und Krebs angepriesen.
Das Arznei-Telegramm (2002) fand in einer kritischen Analyse gerade einmal fünf randomisierte klinische Studien zu Aloe vera. Bei der Behandlung von Druckulzera wirkte das Aloe Gel bei 49 Patienten nicht besser als ein mit Kochsalzlösung getränkter Gaze-Verband. Als Zusatz zur Standard-Wundbehandlung scheint es den Heilungsprozess nach einer weiteren Untersuchung an 40 Patienten sogar zu hemmen. Der vorbeugende Einsatz von Aloe-Gel bei 194 Brustkrebspatientinnen, die einer Bestrahlung unterzogen wurden, zeigte im Vergleich zu Placebo keinen Unterschied. Eine nachgeschobene Studie an weiteren 73 Patientinnen konnte das Resultat nicht widerlegen.
Landgericht Mainz stuft 'B. Vitan Aloe Vera Saft' als Arzneimittel ein
Das LG Mainz (Az. 11 HK 0 76/98) hat in einem Urteil vom 16. April 1999 den Vertrieb und die Bewerbung des Produktes B. Vitan Aloe Vera Saft wegen Verstoßes gegen § 21 Arzneimittelgesetz, § 3a Heilmittelwerbegesetz und das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb untersagt. Das Gericht folgte nicht der Ansicht der beklagten Firma, dass es sich bei dem Saft um ein Lebensmittel bzw. ein Nahrungsergänzungsmittel handele. Dass sich in der Bundesrepublik weiterhin Aloe-Säfte im Verkehr befinden, liegt an der Binsenweisheit: 'Wo kein Kläger, da kein Richter'.
Gesamtbewertung
Die Einnahme von Aloe-Presssäften oder die Verwendung von Aloe-Gel ist eine fragwürdige Therapie vor dem Hintergrund, dass bestimmte Inhaltsstoffe krebserzeugend sind. Bezeichnend ist, dass seit 1. Februar 1997 die zuständige Arzneibehörde (www.bfarm.de) zwar eine Anwendungsbeschränkung und eine Eingrenzung der Indikation für Aloe-Arzneimittel veranlasst hat, jedoch Aloe-Produkte, die als Lebensmittel oder Kosmetika im Handel sind, munter weiter verkauft werden können. Der Aloin- bzw. Anthrachinongehalt wird nicht deklariert, obwohl die Chance auf entsprechend saubere Produkte gerade im Lebensmittelbereich gering sein dürfte. Wie üblich spielt man sich zwischen der Arznei- und der Lebensmittelüberwachungsbehörde die Bälle der Nichtzuständigkeit zu, um das Geschäft mit einem fragwürdigen Wundermittel nicht zu behindern. Aloe vera hat keinen glaubwürdigen Wirksamkeitsnachweis. Man sollte es deshalb nicht verwenden. Jene, die es trotzdem einsetzen wollen, sollten auf jeden Fall vom Anbieter ein glaubwürdiges Zertifikat eines staatlich geprüften Analyseinstituts verlangen, das die Freiheit des Produkts von Aloin, Aloe-Emodin und anderen krebserzeugenden Anthrachinonen beweist. Man sollte diese Zertifikate auf jeden Fall nachprüfen, wenn man eine dauerhafte Einnahme plant. Kindern sollte man diese Produkte auf keinen Fall verabreichen.
Anpreisung
Aloe vera Produkte sollen laut Verkäufern zur Immunstimulation, vorbeugend gegen Erkältung bzw. zur Immunstimulation bis hin zur Behandlung von Krebs und HIV-Infektionen geeignet sein.
Wirksamkeitsnachweise
Es gibt keinen seriösen Hinweis auf Wirksamkeit.
Nebenwirkungen
Schadensfälle: Vor allem bei Aloe-haltigen Cremes sind Allergien möglich. Die enthaltenen Anthrachinone können im Darmbereich Veränderungen der Schleimhaut im Sinne von Krebsvorstufen bewirken.
Nebenwirkungen unter Aloe vera
Hauptsächlich wurden bisher Aloe vera-Produkte zur Behandlung von Hauterkrankungen eingesetzt oder als Beimischung in Kosmetika verwendet. Dies führte immer wieder zu Nebenwirkungen, weil die Inhaltsstoffe hautreizend wirken können. Hunter und Frumkin (1991) berichteten über drei Patientinnen, die sich nach einem Hautpeeling die gereizte Haut mit Aloe vera-Cremes behandelt hatten. Sie erlitten zum Teil massive Hautausschläge und in der Folge litten sie an langanhaltenden Hautveränderungen. Murrow et al. (1980) berichteten über eine generalisierte ekzematöse und papulöse Dermatitis bei einem 47-jährigen Mann als Folge einer mehrjährigen Selbstbehandlung mit oral eingenommenen Aloe-Kapseln in Kombination mit der dermalen Anwendung von Aloe-Cremes.
Die Einnahme als Abführmittel ist nicht unbedenklich
Die Einnahme von Aloe vera-Säften oder von Produkten, die Aloe vera enthalten, ist gesundheitlich nicht unbedenklich. Zwar gibt es eine Studie, die die Wirksamkeit eins Aloe vera-haltigen pflanzlichen Kombinationsarznei in einer doppelblinden Studie belegt (Odes und Madar 1991), aber die Inhaltsstoffe der Aloe selbst sind dabei nicht unbedingt positiv zu bewerten.
Avila et al. (1997) konnten im Hühnermodell zeigen, dass Inhaltsstoffe der Aloe barbadensis Miller zelltoxisch wirken können. Es handelte sich dabei um ein niedrigmolekulares Produkt, um Aloe-Emodin und Aloin (ein Anthrachinon aus der Blattrinde der Aloe vera). Auch Müller et al. (1996) zeigten die zellschädigende Wirkung von 1,8-Dihyeroanthraquinonen wie Aloin, Aloin-Emodin und Danthron im Zellversuch. Die Substanzen greifen in die Zellteilung ein und behindern die vollständige Zellteilung, was wiederum zur Entartung der Zellen führen kann.
Gesundheitsdrinks, die Aloe vera enthalten, weisen in unterschiedlichem Maße Aloin auf. Ursache dafür ist der Umstand, dass das bitter schmeckende Exsudat aus der Blattrinde gewonnen wird, die besonders aloinreich sein kann. Das Mark der Blätter (das sog. Aloe-Gel) enthält hingegen wenig bis kein Aloin, sondern vielmehr Kohlenhydratpolymere wie Glukomanne oder Pektinsäure. Der unterschiedliche Gehalt von Aloin bzw. den Anthrachinonen im Allgemeinen in einzelnen Aloesäften resultiert daher, dass während der Produktion nicht sauber zwischen dem Mark und den Rinden der Blätter getrennt wird. Es kann also gleichzeitig Saftprodukte geben, die aloinhaltig oder nicht aloinhaltig sind. Ebenfalls ist es möglich, dass der Saft des gleichen Herstellers chargenabhängig einmal mit Aloin belastet ist und das andere Mal nicht. Insofern ist die Zufuhr von Aloin nicht kalkulierbar.
Bereits 1996 schränkte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte die Anwendung von Anthranoid-Laxantien auf eine Zeitdauer von nicht länger als zwei Wochen bzw. auf eine einmalige Gabe ein. Bereits damals wurde auf eine Studie von Siegers et al. (1993) verwiesen, die zeigen konnte, dass nach einer 9- bis 12-monatigen Einnahme eine Verfärbung bzw. Pigmentierung des Darmes resultiert, die sich bei einer Darmspiegelung (Endoskopie) erkennen lässt. Diese sog. Pseudomelanosis coli ist ein sicheres Zeichen für einen dauerhaften Laxantienmissbrauch (Siegers et al. 1993). Vor nun fast einem Jahrzehnt konnte in der gastroenterologischen Abteilung der Universitätsklinik Lübeck bei 3.049 untersuchten Patienten, die sich einer Darmspiegelung unterziehen mussten, nachgewiesen werden, dass die Häufigkeit einer Pseudomelanosis coli bei Patienten mit Adenomen des Darms mit 8,64% signifikant (p < 0,01) höher war als bei einem adenomfreien Vergleichskollektiv (3,13%). Dies lässt den Schluss zu, dass dauerhafter Konsum pflanzlicher Abführmittel zu tumorösen Veränderungen des Darms führen kann. Verstärkt wird dieser Verdacht von Laborstudien (Schörkhuber et al. 1998), die eine Wachstumsstimulation von Kolonkarzinomzellen im Zellkulturversuch durch 1,8-Dihydroxyanthraquinone nachweisen konnten, welche sich u.a. in Aloe-Säften finden ließen.
Der Daily Telegraph berichtete am 22. Mai 2000 über eine weitere Gesundheitsgefahr, die Aloe-Säfte bewirken können. Durch den unkalkulierbaren Gehalt schädlicher Inhaltsstoffe wie Aloin würde bei schwangeren Frauen die Gefahr von Fehlgeburten steigen. In Deutschland müssen jedoch weder die Beipackzettel von Aloe-Produkten noch entsprechende Lebensmittel einen Warnhinweis vor möglichen Nebenwirkungen enthalten (Arznei-Telegramm 1996).
Fazit: nutzlos in der angepriesenen Indikation, mit Neben/-Wechselwirkungen behaftet, potentiell krebserzeugend.
Quellenverzeichnis
- Arznei-Telegramm: Warnhinweis. Pflanzliche Arzneimittel: Hinweise auf Krebsrisiko fehlen im Beipackzettel. AT Nr.8, 82, 1996
- Arznei-Telegramm: Aloe vera - was ist dran? AT, 33, 65, 2002
- Avila H, Rivero J, Herrera F, Fraile G: Cytotoxicity of a low molecular weight fraction from Aloe Vera (Aloe barbadensis Miller) gel. Toxicon, 9, 1423-1430, 1997
- Hadleyx SK, Petry JJ: Medicinal herbs: a primer for primary care. Hospital Practice, June 15th, 105-123, 1999
- Hunter D, Frumkin A: Adverse reaction to Vitamin E and Aloe Vera preparations after dermabrasion and chemical peel. Cutis, 47, 193-196, 1991
- Ramirez B, Marieb NJ: Hypokalemic metabolic alkalosis due to Carter's Little Pills. Conneticut Medicine, 34, 169-170, 1970
- Müller SO, Eckert I, Lutz WK, Stopper H: Genotoxicity of the laxative drug components emodin, aloe-emodin and danthron in mammalian cells: Topoisomerase II mediated? Mut Res, 371, 165-173, 1996
- Murrow DM, Rapaport MJ, Strick RA: Hypersensitivity to Aloe. Arch Dermatol, 116, 1064-1065, 1980
- Odes HS, Madar Z: A double-blind trial of a Celandin, Aloevera and Psyllium laxative preparation in adult patients with constipation. Digestion, 49, 65-71, 1991
- Schörkhuber M, Richter M, Dutter A, Sontag G, Marian B: Effect of Anthraquinone-laxatives on the proliferation and Urokinase secretion of normal, premalignant and malignant colonic epithelial cells. Eur J Cancer, 34, 1091-1098, 1998
- Siegers CP, Hertzberg-Lottin von E, Otte M, Schneider B: Anthranoid laxative abuse - a risk for colorectal cancer? Gut, 34, 1099-1101, 1993
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