Cutler-Protokoll
Das Cutler-Protokoll (Cutler protocol, The Cutler protocol of oral chelation oder ALA/DMSA Mercury Detoxification Protocol) beschreibt eine alternativmedizinische umstrittene und aus mehreren Gründen schwierig bis unmöglich durchzuführende Methode zur so genannten "Ausleitung" von Schwermetallen wie Quecksilber aus dem menschlichen Körper. Eingesetzt werden dazu verschiedene Substanzen, unter anderem Dimercaptobernsteinsäure (Dimercaptosuccinic acid, DMSA) und α-Liponsäure (alpha lipoic acid - ALA - Artikel Poly-MVA) sowie Dimercaptopropansulfonsäure (DMPS, Dimaval). Diese Methode nach "Andy" Cutler wird in der wissenschaftlichen Medizin nicht eingesetzt, da Nachweise einer Eignung oder Unbedenklichkeit nie erbracht wurden.[1]
Die Methode wird von Befürwortern beispielsweise bei angenommenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Zahnamalgame eingesetzt. Kunden wird meist empfohlen, mehrere Tests durchzuführen, unter anderem einen Haartest (Haarelementanalyse bzw. Haar-Mineral-Analyse). Die medizinische Diagnostik von Quecksilbervergiftungen umfasst Blut-, Urin- und/oder Stuhluntersuchungen. Speicheltests und Haaranalysen gelten als unzuverlässig. Bei negativ ausgefallener Haaranalyse auf Quecksilber wird von Befürwortern gelegentlich behauptet, dass dieses an einer angenommenen "gestörten Ausleitfähigkeit" liege.
Die Methode ist nach ihrem Erfinder, dem verstorbenen US-amerikanischen Chemiker Andrew Hall (Andy) Cutler (1956-2017) benannt. In seinem an Laien gerichteten Werk "Amalgam Illness: Diagnosis and Treatment" verbreitet Cutler seine Meinung, dass Millionen Menschen Quecksilber durch ärztliche Massnahmen ausgesetzt seien, namentlich durch die Anwendung von Zahnamalgamen.
Das Protokoll
Das eigentliche rund um die Uhr Cutler-Protokoll sieht vor:
Vorsorgliche Entfernung aller Zahnamalgame. Danach, nach einigen Monaten oder Tagen, sollen drei Substanzen oral (also über den Mund) verabreicht werden. Zur Dosierung liegen unterschiedliche Angaben vor. Eine Dosierung lautet beispielsweise:
- ALA-Einnahme von 30-200 mg spätestens alle drei Stunden (oder vier Std.), rund um die Uhr, also auch über Nacht
- DMSA-Einnahme von 50-400 mg spätestens alle vier Stunden, rund um die Uhr
- DMPS 50-800 mg spätestens alle acht Stunden, rund um die Uhr
Die Anwendung soll einige Tage (genannt werden beispielsweise drei Tage) dauern und danach soll sie für die gleiche Anzahl von Tagen unterbrochen werden, um wieder aufgenommen zu werden. Wie lange insgesamt die Anwendung dauern soll, wird von der angenommenen Quecksilbermenge im Körper abhängig gemacht. Rechnerisch ergeben sich Behandlungsdauern von 6-36 Monaten, was bedeuten würde, dass Anwender bis zu drei Jahre lang regelmäßig, und auch nachts, die entsprechenden Mittel einnehmen müssten und auch die entsprechenden Nebenwirkungen und hohen Kosten in Kauf nehmen müssten. Bei dieser Methode sollen die Mittel über den Mund (oral) zugeführt werden.
Da die Methode medizinisch nie evaluiert wurde, muss sie als experimentell bezeichnet werden. Wegen der fehlenden Nachweise einer Wirksamkeit im gemeinten Sinne der Befürworter, fehlender Nachweise ihrer Unbedenklichkeit werden die Kosten von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen. Der Kunde muss daher die Kosten für diese experimentelle Methode selbst tragen und die Behandlung bis zu mehreren Jahre in Rund-um-die-Uhr-Zyklen über sich ergehen lassen. Diese Umstände und die hohen Kosten machen das Cutler-Protokoll zu einer äußerst schwierig bis faktisch unmöglich umsetzbaren Behandlungsmethode.
DMSA
Die Dimercaptobernsteinsäure (DMSA) wird in der akademischen Medizin als Komplexbildner für radioaktive Technetiumisotope eingesetzt. Eine weitere Indikation sind nachgewiesene akute Schwermetallvergiftungen mit Quecksilber, Blei oder Arsen. Bei kindlichen Bleivergiftungen erfolgt beispielsweise ein Einsatz bei Blutkonzentrationen über 45 µg/dl. In diesem Fall wird DMSA in Form von Infusionen eingesetzt. Das Umweltbundesamt kommt in einer Mitteilung "Einsatz von Chelatbildnern in der Umweltmedizin?" zum Ergebnis, dass bei chronischen Schwermetallvergiftungen – mit Ausnahme der Bleiintoxikation im Kindesalter – keine ausreichenden Daten für einen sinnvollen Einsatz von DMSA vorliegen.[2] DMSA ist ganz offensichtlich nicht in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke des Menschen zu überwinden.[3][4] Eine 2004 durchgeführte Untersuchung zur Frage der Eignung von DMSA für einen (Urin-)Provokationstest kam zu einem negativen Ergebnis.[5]
Andrew Hall Cutler
(Abschnitt in Arbeit)
Siehe auch
Literatur
Fachliteratur zum Cutler-Protokoll ist im November 2017 nicht in wissenschaftlichen Datenbanken auffindbar. Eine wissenschaftliche Rezeption blieb der Methode versagt. Cutler zog es vor seine Methode in an Laien gerichteten Büchern zu veröffentlichen.
- Andrew Hall Cutler: Amalgam Illness: Diagnosis and Treatment
- Andrew Hall Cutler: Hair Test Interpretation: Finding Hidden Toxicities
- H. Vasken Aposhian et. al., Vitamin C, Glutathione, or Lipoic Acid Did Not Decrease Brain or Kidney Mercury in Rats Exposed to Mercury Vapor, Journal of Toxicology, CLINICAL TOXICOLOGY, Vol. 41, No. 4, pp. 339–347, 2003 Artikel
- Rooney J: The role of thiols, dithiols, nutritional factors and interacting ligands in the toxicology of mercury. In: Toxicology. 234, Nr. 3, 2007, S. 145-156. doi:10.1016/j.tox.2007.02.016
- Aasath, Jan; Dag Jacobsen, Ole Andersen, Elsa Wickstrøm (March 1995). Treatment of Mercury and Lead Poisonings with Dimercaptosuccinic Acid (DMSA) and Sodium Dimercaptopropanesulfonate (DMPS)
Weblinks
Quellennachweise
- ↑ Eine Absuche in zwei medizinischen Datenbanken zu "Cutler protocol" schlug im November 2017 fehl. Eine Suche in der medizinischen Datenbank PubMed (medline) ergab zum gleichen Zeitpunkt keine Treffer nach Fachartikeln des Autors "Cutler AH". Auch Google Scholar lieferte für beide Suchstrings nur Links zu Webseiten von Befürwortern oder von Anbietern
- ↑ Einsatz von Chelatbildnern in der Umweltmedizin? Bekanntmachung des Umweltbundesamtes, Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 42 (19), (1999), S. 823–824.
- ↑ Rooney, James (2007). "The role of thiols, dithiols, nutritional factors and interacting ligands in the toxicology of mercury". Toxicology 234 (3): 145–156. doi:10.1016/j.tox.2007.02.016. PMID 17408840
- ↑ Guzzi, GianPaolo; Caterina A.M. La Porta (2008). "Molecular mechanisms triggered by mercury". Toxicology 244 (1): 1–12. doi:10.1016/j.tox.2007.11.002. PMID 18077077
- ↑ Archbold GP, McGuckin RM, Campbell NA (May 2004). "Dimercaptosuccinic acid loading test for assessing mercury burden in healthy individuals". Ann. Clin. Biochem. 41 (Pt 3): 233–6