Ernährungsmedizin
Ernährungsmedizin gilt als medizinische Disziplin, welche sich mit dem Einfluss von Ernährung auf Funktionszustände des gesunden und kranken Organismus des Menschen, sowie dem Einfluss von Krankheiten auf den Nahrungsbedarf, -Aufnahme, -und der Verwertung beschäftigt.[1]
Sie ist ein interdisziplinäres Fach, in welcher Anteile aller wesentlichen medizinischen Fachrichtungen vereint sind, dazu noch unterstützend in Prävention, Diagnostik und Behandlung Psychologie, Epidemiologie, Soziologie und auch Ökonomie.
Nicht zu verwechseln ist die Ernährungsmedizin mit der Diätetik, da diese sich nicht mit allen Formen der Ernährung und dem Kontext der Krankheiten und Symptome befasst, wie z.B. künstliche Ernährung, welche nicht zum Feld der Diätetik gehört.
Diese ist allerdings durch den unmittelbaren Anwendungsbezug bei der Versorgung und Beratung von Kranken regelmäßig ein Bestandteil des Gesamtkonzeptes.
Ernährungsinterventionen sind - anders als in der Alternativmedizin - in der wissenschaftlichen Medizin immer nur Teil einer umfassenden Gesamttherapie. Das Ausmaß der Anteile hängt immer von der jeweiligen Erkrankung und den sich daraus ergebenden und notwendigen Interventionen ab.[2]
Heilungsversuche von Krankheiten, kurative Versprechen in jedweder Form ausschließliche durch Diät gilt in der Ernährungsmedizin als nicht haltbar, weil weder belegt noch medizinisch plausibel.
Derartigen Aussagen und Angeboten ist grundsätzlich mit allergrößter Vorsicht zu begegnen.
Menschen mit Erkrankungen sehen sich mit einer Vielzahl unseriöser Versprechungen und entsprechender Literatur konfrontiert, in denen ihnen Heilungen und Besserungen alleine durch ernährungsmedizinische und diätetische Maßnahmen oder Wechsel der Ernährungsgewohnheiten versprochen wird. Dies bezieht sich auch auf schwere chronische Krankheiten wie Krebs. In Buchläden finden sich Werke mit Titeln wie Die neue Anti-Krebs-Ernährung, Das große Kochbuch gegen Rheuma oder Das MS-Kochbuch. Auch im Internet finden sich zahlreiche fragwürdige bis irreführende Quellen, die entsprechende Ratschläge verbreiten. Private Kliniken, Heilpraktiker und Mediziner werben dort mit eigenen Ernährungsplänen, die Menschen von schwersten Leiden wie Multipler Sklerose, Krebs und Demenz befreien sollen, ohne herkömmliche Arzneimittel. Krebskranken werden beispielsweise auch Heilungen alleine durch eine so genannte Krebsdiät versprochen.
Nur wenige Krankheiten lassen sich alleine durch eine Beeinflussung der Ernährung tatsächlich heilen. Dazu gehören die Folgen einer Mangelernährung und Avitaminosen (Beri-Beri Krankheit, Skorbut), die durch Substitution gebessert oder geheilt werden können.
Allgemeines
Morbiditäts und Mortalitätsstatistiken der letzten fünf Jahrzehnte zeigen, dass zivilisationsbedingte Erkrankungen deutlich und permanent ansteigen. Dies gilt für Krebserkrankungen, (Auto-) Immunerkrankungen, metabolisches Syndrom und die mit ihm assoziierten kardiovaskulären Folgeerkrankungen, Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis, sowie für die Neurodermitis. Diesen Erkrankungen gemeinsam ist der, in der Regel chronische Verlauf mit einer folgenden Dauertherapie. Die damit verbundenen Kosten könnten durch eine entsprechend Ernährungsmedizinische Betreuung, sowie präventive Aspekte der Ernährungsmedizin deutlich gesenkt werden.
Daher ist Wissen über Grundprinzipien der Ernährungsmedizin von wachsender Bedeutung. Zum einen schützt es dann vor teuren, aber nutzlosen oder gar gefährlichen Pseudomedizin-Angeboten. Sie korreliert auch mit der Bedeutung des Essens für den Menschen als Erinnerung, Ritual, Unterhaltung, Belohnung und manchmal als Qual. Daher spielen Psychologie und Soziologie im Kontext der Ernährungsmedizin eine große Rolle.
Dazu kommt, dass im Jahr 2012 für das Gesundheitswesen in Deutschland insgesamt 300,4 Milliarden € aufgewendet wurden, davon entfielen auf die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) 185 Milliarden € (= 61,4 %). Der gesamte Bundeshaushalt betrug im Vergleich dazu 306 Milliarden. €[3] Damit ist Prävention, Aufklärung, sorgfältiger Diagnose und adäquate Behandlung im Kontext der Ernährungsmedizin eine immer größere Bedeutung beizumessen.
Aufgaben der Ernährungsmedizin
Grundsätzlich ist es die Aufgabe der Ernährungsmedizin ernährungsabhängige Erkrankungen (z.B. Adipositas, Fettleber, Hypertonie, Gicht, Struma) krankheits-assoziierte Ernährungsinterventionen (Osteoporose, Eisenmangelanämie, Niereninsuffizienz, Leberinsuffizienz, Magen-Darm-Krankheiten, Pankreasinsuffizienz), Krankheitsbedingte Fehlernährungen (Resorptionsstörungen, Anorexie/Bulemie) und stoffwechselbedingte chronische Erkrankungen wie z.B. Diabetes, in Prävention, Diagnose und Behandlung zu begleiten. Weiterhin sind relevant Lebensmittel-Intoxikationen, Nahrungsmittelallergien. In der Sucht- und Palliativ-Arbeit spielt Ernährungsmedizin eine Rolle. Und schlussendlich im großen Feld der vielen Einschränkungen bei Aufnahme, Verarbeitung und Ausscheidung in Folge von Krebserkrankungen.[4] Auch in der Betreuung von Sportlern liegt ein Betätigungsfeld der Ernährungsmedizin.
Ernährungsmedizinische Praxis
Rechtliche Lage
Nach der Health-Claims-Verordnung von 2007 dürfen Lebensmittelhersteller in der EU ihre Produkte nicht mehr als gesundheitsförderlich oder heilsam bewerben, wenn es dafür keine wissenschaftlichen Belege gibt. (Siehe auch das deutsche Heilmittelwerbegesetz). Ein derartiges Werbeverbot gilt aber nicht für Dritte, etwa Buchautoren. Ratgeberbücher, fragwürdige Gesundheitsportale wie Zentrum der gesundheit und Blogs dürfen weiterhin die medizinische Wirksamkeit von Diäten und Lebensmitteln bewerben, auch wenn es für die Behauptungen keine Beweise gibt.
Literatur
Weblinks
Quellennachweise
- ↑ Schauder P, Ollenschläger G., Ernährungsmedizin: Therapie und Prävention, 3.Auflage, Elsevier 2006
- ↑ Volltext)Schoenfeld JD, Ioannidis JP., Is everything we eat associated with cancer? A systematic cookbook review., Am J Clin Nutr. 2013 Jan;97(1):127-34. doi: 10.3945/ajcn.112.047142.
- ↑ Mathies D., Ernährung und Bewegung - Aktuelles medizinisches Wissen zur Gesundheit, 2015 Springer Verlag
- ↑ Ernährungsmedizin, Barth S. Kraft M, Urban & Fischer, 2009