Darmverpilzung
Das Candida Hypersensibilitäts-Syndrom (Darmverpilzung, Candida-Syndrom oder Truss-Hypothese. Englisch: Candida/Yeast Hypersensitivity Syndrome) bezeichnen eine pseudomedizinische Hypothese der siebziger Jahre um die angeblich zwingend krankheitenauslösende Wirkungen von Sprosspilzen (bzw Hefepilzen) der Gattung Candida Albicans im Verdauungstrakt bzw bestimmte beschuldigte Ernährungsformen die zwangsläufig zu einer Darmverpilzung führen würden. Das Candida Hypersensibilitäts-Syndrom ist in der wissenschaftlichen Medizin nicht anerkannt, ist jedoch in alternativmedizinischen Kreisen fest etabliert und gehört zu den häufigsten Pseudodiagnosen und Verlegenheitsdiagnosen in diesem Bereich und kann als ein Beispiel für eine alternativmedizinische Krankheitserfindung gesehen werden. Das Candida Hypersensibilitäts-Syndrom ist nicht mit einer Candidasepsis oder einer nachgewiesenen handfesten Mykose (genauer gesagt: Kandidose, Candidose, Candidiasis, Soor oder Monoliasis) zu verwechseln, für die effektive Therapien existieren.
Bei den meisten Menschen (bis zu 80%) läßt sich Candida nachweisen. Candida albicans ist nur in Ausnahmefällen der Verursacher von Beschwerden und spielt meist eine unauffällige Rolle im Bakterien-Pilz-Milieu des Darmes. Candida species ist Bestandteil der Darmflora aller Warmblüter, und ihr Nachweis im Stuhl ist beim immunkompetenten Menschen als unauffälliger Befund zu werten. Bei schwer erkrankten Patienten, z.B. Aids oder Schwerverletzten mit Zusammenbruch oder Schädigung des Immunsystems kann es zu einer Candidabesiedlung der Lunge oder anderer innerer Organe kommen die intensivmedizinisch behandelt werden muss.
Postulierte Folgen und Symptome
Folge dieses hypothetischen Candida Hypersensibilitäts-Syndroms wäre laut Befürwortern ein Sammelsurium verschiedenster Beschwerden und Symptome:
- Abgeschlagenheit bis hin zu chronischer Müdigkeit
- geblähter Bauch
- Gier nach Süssigkeiten
- Juckreiz der Haut
- Durchfall
- Depression
- Asthma.
Viele Therapeuten verlassen sich alleine auf die genannten Symptome um die Modediagnose Candida-Syndrom zu stellen.
Typische Therapie des Candida Hypersensibilitäts-Syndroms
Fast immer wird von den Diagnostikern des Candida Hypersensibilitäts-Syndroms eine sogenannte Anti-Pilz-Diät verordnet, die ausreiche das angenommene Problem in den Griff zu bekommen. Teilweise sind die entsprechenden Diätvorschriften martialisch und entsprechen einer strengen zuckerfreihen Diät mit Obstverbot und endet bei einer absoluten Meidung sämtlicher Kohlenhydrate und Bäckerhefe für Monate bis zu zwei Jahren. Therapiert wird aber auch teilweise mit mit homöopathischen Präparaten wie Albicansan D 5 oder über eine Orthomolekulare Darmsanierung (ODS). Auch sind hier Darmspülungen (Colon-Hydro-Therapie) und Probiotika bliebt. Manche Ärzte verschreiben aber auch anerkannte Antimykotika wie Nystatin.
Kommerzielle Aspekte
Das Candida Hypersensibilitäts-Syndrom wird über (umstrittene) Nachweisverfahren versucht nachzuweisen. In der Regel wird dies anhand von Tests mit Stuhlproben durchgeführt. Allerdings ist bekannt dass bei etwa 70% aller Menschen ein Candidanachweis im Stuhl positiv ausfällt. Derartige Nachweisverfahren muss der Patient in der Regel selbst bezahlen, die Kassen erstatten zumeist den Test nicht. Es hat sich inzwischen ein reger Markt um diese Testverfahren etabliert.
Die Geschichte des Candida-Syndroms, die Truss-Crook Hypothese
Die Geschichte mit dem Candida-Syndrom begann 1976. In diesem Jahr veröffentlichte der Amerikaner C.O. Truss sein Buch "Candida-Hypersensitivitäts-Syndrom". Seitdem sind zahlreiche weitere Bücher erschienen und in Fernsehsendungen und Zeitungsartikeln wurde der Mythos von der Invasion der Pilze hochgehalten. 1983 folte das Truss-Buch The Missing Diagnosis dem ein Buch eines William Crook mit dem Titel The Yeast Connection folgte indem vermutet wurde dass eine chronische Besiedelung mit Candida Hefepilzen eine Allergie-ähnliche Symptomatik bewirken würde. Crook empfahl Antibiotika, Kortison, Kontrazeptiva, Zucker und alle Süssigkeiten zu meiden. Nach siner Ansicht würden Zucker und Süssigkeiten Candida quasi füttern. Darüber hinaus wären alle Nahrungsmittel die selbst Pilze enthielten (zum beispiel Hefe) oder die fermentiert waren ebenfalls zu meiden. Dazu sollte Bier aber auch Käse gehören.
Die Realität
Bereits 1986 nahm die Amerikanische Akademie für Allergologie und Immunologie das Candida-Syndrom unter die Lupe. Ihr Ergebnis: Das Konzept ist rein "spekulativ und unbewiesen" [1]. Zu einer ähnlichen Aussage kommt 1990 auch das renommierte "New England Journal of Medicine". In einer Studie konnte nachgewiesen werden, dass sich die angesprochenen Krankheitssymptome durch eine Behandlung mit einem Anti-Pilzmittel nicht beeinflussen lassen, was gegen die Annahme spricht dass eine Candidabesiedelung als Ursache anzunehmen ist. Eine andere Untersuchung zeigt, dass chronische Müdigkeit bei 100 Patienten unabhängig davon war, ob die Personen Pilze im Darm hatten oder nicht. Die beschuldigten Pilzgifte konnten bislang nie nachgewiesen werden. Die von Candida gebildete Gasmenge im Darm beträgt selbst bei einer relativ hohen Keimzahl von 107 Pilzen pro Gramm Stuhl nur 0,005 Prozent der gesamten im Darm gebildeten Gase. Ein schmerzhaft gedehnter Blähbauch kann somit nicht von dem Pilz hervorgerufen werden. Ähnlich gering wie die Gasbildung ist auch die Alkoholbildung.
Literatur
- Renford L, Feder HM Jr, Lane TJ, et al. Yeast connection among 100 patients with chronic fatigue. Am J Med. 1989;86:165-168.
- Middleton SJ, Coley A, Hunter JO. The role of faecal Candida albicans in the pathogenesis of food-intolerant irritable bowel syndrome. Postgrad Med J. 1992;68:453-454.
- Dismukes WE, Wade JS, Lee JY, et al. A randomized, double-blind trial of nystatin therapy for the candidiasis hypersensitivity syndrome. N Engl J Med. 1990;323:1717-1723.
- Haas A, Stiehm ER, The "yeast connection" meets chronic mucocutaneous candidiasis. N Engl J Med 1986; 314: 854–855
Quellennachweise
- ↑ Executive Committee of the American Academy of Allergy and Immunology: Candida hypersensitivity syndrome. J Allergy Clin Immunol 1986; 78: 271–273