Noceboeffekt
Im Gegensatz zum Placeboeffekt handelt es sich beim Noceboeffekt (lat. nocere = ‚schaden‘, nocebo = ‚ich werde schaden‘) (auch reverse placebo effect) um eine unspezifische, nicht auf einen bestimmten Wirkstoff gerichtete, psychische Abwehrreaktion. Man entwickelt Angst oder Ablehnung gegen eine Arznei oder eine Therapie, die als schädlich empfunden bzw. eingestuft wird. Dies ist unabhängig vom tatsächlichen Wirkungs- oder Nebenwirkungspotential der Arznei oder des Verfahrens. Tatsächlich kann der Noceboeffekt die Wirksamkeit von als effektiv erkannten Medikamenten herabsetzen.
Beispiele
- In einer Chemotherapie-Studie fielen einigen Beteiligten, die ein Placebomittel erhalten hatten, die Haare aus, weil sie glaubten, dass Chemotherapie immer zu Haarausfall führe.[1] Der amerikanische Chirurg Fielding berichtete im Jahre 1983 darüber, dass bei einem Patientenkollektiv, dem ein Placebomittel (physiologische Kochsalzlösung) gegeben wurde, das aber als chemotherapeutisches Mittel angekündigt war, bei einem Drittel der Patienten ein Haarausfall zu beobachten war (im Durchschnitt wird bei der zytotoxischen Chemotherapie bei 1 bis 60% der Patienten ein Haarausfall beobachtet).[2]
- Elektrosmog: Menschen, die sich als elektrosensibel bezeichnen, entwickelten unter Studienbedingungen auch dann eine Symptomatik, wenn keine hochfrequenten Felder anwesend waren, dies aber aufgrund der Umstände annahmen.
- Im Jahr 2007 wollte sich der 26-jährige Amerikaner Derek Adams nach der Trennung von seiner Freundin töten und schluckte 29 Kapseln eines Antidepressivums, das er im Rahmen einer verblindeten Medikamentenstudie erhalten hatte, und bekam Todesangst. Nach der massiven Überdosis sackte sein Blutdruck ab, er kam in die Klinik und sein Blutdruck konnte trotz Therapie nicht stabilisiert werden. Die Hälfte der Teilnehmer der Medikamentenstudie hatte echte Medikamente erhalten, den anderen waren nur Placebopräparate verabreicht worden. Adams wusste selbst nicht, dass er (zufällig festgelegt) nur ein Placebomittel erhalten hatte, und war ansonsten körperlich völlig gesund, wie eine Untersuchung ergab.[3][4]
- Gruppenweise Hysterien und Erkrankungen an Schulen, wenn vorher in Medien auf bestimmte Umweltgefahren hingewiesen wurden.
Siehe auch
Anderssprachige Psiram-Artikel
- Nederlands: Nocebo-effect
Weblinks
- Nocebo-Effekt deutschsprachiger Wikipedia-Artikel
- Werner Bartens: Das falsche Signal Süddeutsche Zeitung Magazin, Heft 04/2013
- Christian Gruber: Nocebo-Effekt: "Wir schläfern Sie ein, gleich ist es vorbei" Spiegel-Online 15. August 2012
- Jörn Weißenfeld: Nocebos. Wirkstoffunabhängige Nebenwirkungen Pharmazeutische Zeitung 28/2010
- Werner Bartens: Nocebo-Effekt. Wenn der Arzt mit Worten tötet Süddeutsche Zeitung, 12. Juli 2012
- Magnus Heier: Ich werde schaden Frankfurter Allgemeine, 21. September 2009
- Stefan Fobes: The science of voodoo: The reverse placebo effect detailed 26. Mai 2009 (Archive-Version)
- Der "normale" Wahn des Alltags: Coca-Cola-"Vergiftungen" waren Massenpsychose medi-report.de 2. April 2000
- Rainer Wolf, Jürgen Windeler: Erfolge der Homöopathie - nur ein Placebo-Effekt? Der Regiomontanusbote, Oktober 1997
Quellennachweise
- ↑ R v. Bredow: Homöopathie. GEO Heft 6:44-56 (1997)
- ↑ Fielding, J.W.L.: An Interim Report of a Prospective, Randomized, Controlled Study of Adjuvant Chemotherapy in Operable Gatric Cancer: British Stomach Cancer Group. World Journal of Surgery 7 (1983): S. 390-99
- ↑ Reeves RR, Ladner ME, Hart RH, Burke RS.: Nocebo effects with antidepressant clinical drug trial placebos. Gen Hosp Psychiatry, 2007 Mai-Jun;29(3):275-7
- ↑ http://www.faz.net/aktuell/wissen/medizin/psychologie-ich-werde-schaden-1858100.html
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