Der DiaPat-Test ("DiaPat Health-Check") ist ein Set umstrittener[1] Urin-Testverfahren der Firma DiaPat GmbH aus Hannover[2] zur (Früh-)Erkennung von Krankheiten. Die DiaPat GmbH gehört zur Firma Mosaiques diagnostics and therapeutics AG, an gleicher Anschrift in Hannover[3]. Die Firma Mosaiques ist eine Ausgründung ("Spin-out") der Medizinischen Hochschule Hannover und wurde im Jahr 2000 von Professor Dr. Hermann Haller (Direktor der MHH-Abteilung Nephrologie) und Professor Dr. Dr. Harald Mischak gegründet. Mosaiques erhielt Fördergelder beim Bioprofile-Wettbewerb des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und vom Land Niedersachsen.[4]

Nach Angaben des Herstellers seien die hier gemeinten Screenings-Tests geeignet, Fälle von Blasen- und Prostatakrebs, Nierenerkrankungen und Nierenfunktionsverlust bei Diabetikern sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu erkennen. Als Erfinder der Methode gelten Hermann Haller und Harald Mischak (Medizinische Hochschule Hannover - MHH). Miterfinder Mischak wird in einer Pressemeldung dahingehend zitiert, daß mit dem DiaPat-Test Krankheiten "bis zu fünf Jahre vor Ausbruch [...] auch ohne Manifestation klinischer Symptome aufgrund der Proteomanalyse im Labor erkannt" werden könnten.[5]

Für diesen Test ist nach Ansicht von Experten ein klinischer Nutzen für den Patienten fraglich.[6][7] Die Kosten werden von den gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland nicht übernommen.[8] Die Testkosten liegen bei 443 Euro, bestimmte kombinierte Tests kosten jedoch bis zu 1398 Euro und werden als IGeL-Leistung in der Regel vom Patienten bezahlt.[9]

Methode

Nach Anbieterangaben wird eine Urinprobe einer so genannten Proteomanalyse (UPA) unterzogen. Dabei sollen verschiedene Peptide und Proteine im Urin bestimmt werden, deren Zusammensetzung aus Sicht der Firma DiaPat je nach Gesundheitszustand variieren soll. Die Substanzen werden kapillarelektrophoretisch aufgetrennt und anschließend massenspektrometrisch (Time of flight–Massenspektrometrie nach Elektrosprayionisierung, ESI-TOF-MS) analysiert. Eine Software vergleicht anschließend die Urinprobe mit DiaPat-bekannten Protein-"Mustern", um daraus eine Vorhersage zu errechnen.

Nach Angaben des Anbieters seien die DiaPat-Tests "zuverlässig", hätten eine hohe Sensitivität ("Sensitivität je nach Indikation mindestens 90%") und seien "risikolos". Nebenwirkungen seien nicht zu befürchten.

Kritik

Das unabhängige Berliner arznei-telegramm (a-t) riet 2008 "dringend von der Durchführung der kostspieligen Tests ab".[10] Demnach würden die Tests mit "vollmundigen Versprechungen" beworben und vermarktet ("DiaPat erkennt frühzeitig den lebenserhaltenden Unterschied"). Außerdem würden "für keine der im Rahmen des DiaPat-Health-Checks angebotenen Screeningtests mittels Proteomanalyse im Urin nachprüfbare valide Daten vorliegen, die die von der Firma behaupteten Testeigenschaften zur Früherkennung von Krankheiten belegen". Das arznei-telegramm weiter:

"Die klinischen Konsequenzen des Screenings einschließlich der Folgediagnostik oder -therapie sind nicht geprüft, geschweige denn, dass ein klinischer Nutzen, wie er für Screeningmaßnahmen gefordert wird, belegt sei."

Das arznei-telegramm berichtet zudem von kommerziellen Interessen der DiaPat GmbH, die "aggressiv" über Anwälte in zwei Instanzen vergeblich versucht habe, gegen eine kritische Stellungnahme Bonner Urologen vorzugehen, die im Juli 2007 vor der Anwendung des DiaPat-Tests zur Diagnostik des Prostatakarzinoms warnten.[11][12] Auch berichtet das Blatt über eine offensichtliche Email- und Telefonwerbekampagne für die DiaPat-Tests über offenbar vorgetäuschte Patienten.[13]

Das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) hat 2010 im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) den Test gestestet und kommt ebenfalls zu einem negativen Ergebnis:

"Die Urinproteomanalyse mittels Kapillarerelektrophorese gekoppelt mit Massenspektrometrie ist nicht als ausreichend gesichert für den Einsatz in der klinischen Routine bzw. als Selbstzahlerleistung einzustufen. Bei einer weiteren erforderlichen Validierung mit ausreichender Patientenzahl und optimalem Referenzstandard ist ein Vergleich mit Verfahren der Urin- oder Serumproteomanalyse zu erwägen, für die – ebenfalls noch nicht ausreichend validiert – bessere Testgüteparameter vorliegen. Dabei sollte in einem kontrollierten Design geprüft werden, ob insbesondere die Anzahl unnötiger Biopsien durch den Einsatz eines zusätzlichen Tests im Vergleich zum jetzigen Standard der Diagnostik gesenkt werden kann."[14]

Eine Publikation von Urologen der Klinik für Urologie und Kinderurologie, St. Agnes Hospital, Bocholt, Germany kommt 2008 zu dem Schluss:

"Unless reliable validation of the DiaPat urine test for PCA is available, no clinical consequences should be drawn from the test results." [15]

Kritik übt auch die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU). 'Die DiaPat-Methode sei zwar innovativ, aber die "Datenlage (…) zu gering, um diesen Test zu empfehlen", sagt DGU-Vorstand Prof. Gerhard Jakse.[16]

Literatur und Medienberichte

  • Oberpenning F, von Knobloch R, Sprute W, Roth S, Rathert M, Bierer S, Gerss J, Semjonow A (2008): DiaPat urine test for prostate cancer. Predictive value for results of transrectal ultrasound-guided prostate biopsies. Urologe A. 47(6):735-9 Volltext
  • Semjonow A (2007): DiaPat test for prostate cancer diagnosis. Urologe A. 46(10):1428
  • Semjonow A et al.: DiaPat-Prostatakarzinom-Urintest. Der Urologe 2008. 23. Mai 2008 DOI 10.1007/s00120-008-1767-S
  • Wittke S, Schiffer E, Bauer HW (Diapat GmbH, 30625, Hannover) (2007): Capillary electrophoresis coupled to mass spectrometry for proteome analysis. An innovative diagnostic method for prostate and bladder cancer. Urologe A 46(7):733-9
  • Theodorescu D, Fliser D, Semjonow A et al. (2005): "Pilot study of capillary electrophoresis coupled to mass spectrometry as a tool to define potential prostate cancer biomarkers in urine". Electrophoresis, 26. Juli 2005
  • Theodorescu D et al.: Discovery and validation of urinary biomarkers for prostate cancer. Proteomics Clin Appl 2008; 2, 556-570
  • "Ärzte warnen vor Prostatakrebs-Test". Handelsblatt, 17. Juli 2007
  • Krebstests: Verunsichernde Diagnose. WDR, 3. März 2008

Siehe auch

Quellennachweise

  1. http://www.medfuehrer.de/Krebs-Onkologen-Haematologen/Prostata-Vorsorge/Vorsorge-Prostatakrebs.html
  2. DiaPat GmbH, Geschäftsführung Joachim Conrads, Mellendorfer Straße 7-9, 30625 Hannover
  3. Mosaiques diagnostics and therapeutics AG, Mellendorfer Str. 7-9, D-30625 Hannover
  4. http://www.diabsite.de/aktuelles/nachrichten/2004/040421.html
  5. Bis zu fünf Jahre vor Ausbruch einer Erkrankung, erläutert Mischak, kann die Erkrankung auch ohne Manifestation klinischer Symptome aufgrund der Proteomanalyse im Labor erkannt werden. - Urologische Nachrichten Köln
  6. Oberpenning F, von Knobloch R, Sprute W, Roth S, Rathert M, Bierer S, Gerss J, Semjonow A., DiaPat urine test for prostate cancer. Predictive value for results of transrectal ultrasound-guided prostate biopsies. Urologe A. Juni 2008, 47(6):735-9
  7. Semjonow A., DiaPat test for prostate cancer diagnosis, Urologe A. Okt. 2007, 46(10):1428 [1]
  8. http://www.ukb.uni-bonn.de/42256BC8002AF3E7/vwWebPagesByID/E7BA8D7ACF8C3A89C12573D8003AE53C
  9. http://www.diapat.de/DiaPat-Diagnostik/preisliste/
  10. "Therapiekritik - FRÜHERKENNUNG VON KRANKHEITEN MIT DIAPAT-TEST SINNVOLL?", arznei-telegramm, 39(2008), 114 [2]
  11. Informationsdienst Wissenschaft: Pressemitteilung vom 21. Januar 2008: Umstrittene Urintests: Bonner Urologen dürfen kritisch bleiben.
  12. http://www.ukb.uni-bonn.de/42256BC8002AF3E7/vwWebPagesByID/E7BA8D7ACF8C3A89C12573D8003AE53C
  13. http://www.arznei-telegramm.de/html/2009_02/0902021_01.html
  14. http://www.aezq.de/mdb/edocs/pdf/literatur/evidenzbericht-proteomanalysen.pdf
  15. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18496663
  16. URL: http://www.wdr.de/tv/markt/sendungsbeitraege/2008/0303/07_krebstest.jsp