Tibetischer Buddhismus: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 7. Dezember 2010, 13:51 Uhr

Dalai Lama als tibetischer Feudalherr 1956 (Bild:[1]

Der tibetische Buddhismus, bekannt auch als Vajrayana oder „Diamantgefährt“ ist eine besondere Form des Buddhismus, die ab dem 4. Jahrhundert u. Z. als Untergliederung des Mahayana oder „Großen Gefährtes“ entstand. Er versteht sich als höchstentwickelte Schule der buddhistischen Lehre, die alle anderen Schulen übertreffe beziehungsweise in sich vereine. Angeblich sei sie von Buddha selbst zusammengestellt worden, erst tausend Jahre später sei die Menschheit reif genug gewesen, sie zu erfahren. Mitte des 7. Jahrhunderts u. Z. wurde sie von indischen Mönchen in Tibet eingeführt und entwickelte sich, nach anfänglichen Schwierigkeiten, ab dem 11. Jahrhundert zur letztlich alles durchherrschenden kulturellen Kraft des zentralen Himalayaraumes. Vajrayana stellt auch im Westen die weitestverbreitete Form des Buddhismus dar und wird oft, entgegen ihrer Realität, als besonders friedliebend verklärt.

Geschichte

Die „Erste Verbreitung der Lehre“ im 7. Jahrhundert fiel mit dem Aufstieg Tibets zu überregionaler politischer Macht zusammen. König Songtsen Gampo (Regierungszeit 620-649 u.Z.) hatte Tibet geeint und durch die Teileroberung Birmas und Nepals zur regionalen Großmacht erhoben. Zur ideologischen Untermauerung seines Einigungswerkes übernahm er Teile des in Nepal vorherrschenden Hinayana-Buddhismus, dessen Durchsetzungskraft allerdings bescheiden blieb. Die Priesterschaft der in Tibet bis dahin herrschenden Bön-Religion, einem archaischen Geister- und Dämonenglauben, widersetzte sich mit Vehemenz einer Entmachtung; auch dem Volk, das an den schamanistischen Riten des Bön festhielt, blieb der Buddhismus fremd. Selbst der berühmte indische Missionar Padmasambhava (ca. 700~780 u.Z.) hatte wenig Erfolg. Unter König Lang Darma (Regierungszeit 838-842 u.Z.) wurde die buddhistische Lehre verboten, man kehrte offiziell zum Bön-Glauben zurück.

Ende des 10. Jahrhunderts u.Z. setzte von Westtibet aus eine Renaissance des Buddhismus ein, diesmal allerdings in Gestalt des Mahayana. Die „Zweite Verbreitung der Lehre“ wurde wesentlich durch den bengalischen Prediger Tshu Atisha (982-1054) vorangetrieben, der die ausgefeilten Paradies-, Höllen- und Teufelsdogmen des „Großen Fahrzeugs“ geschickt in Verbindung zu setzen wusste mit den animistischen Traditionen des Bön. Im 11. und 12. Jahrhundert u.Z. wurde Tibet mit einem Netz an buddhistischen Klöstern überzogen, die unzählige Mönche – die Rede ist von bis zu einem Drittel der männlichen Bevölkerung des Landes – in ihren Mauern versammelten. Es bildeten sich zahlreiche Schulrichtungen und Sekten heraus, von denen vier zu letztlich nachhaltigerer Bedeutung gelangten. Die Mitte des 11. Jahrhunderts begründete Schule der Kadampa (tibet.: die am Worte Festhaltenden) bezog sich unmittelbar auf die Lehre Atishas. Die zeitgleich etablierte Schule der Nyingmapa (tibet.: die Alten) griff dagegen auf Padmasambhava zurück, der bei seinen Missionierungsversuchen Mitte des 8. Jahrhunderts exakt 238 Geheimschriften und Bildrollen versteckt habe, die man zufällig wiedergefunden zu haben vorgab. Wie die Kadampas kaprizierten sich auch die Nyingmapas in erster Linie auf Geister- und Teufelsbeschwörung. Mehr auf die Tradition (hinduistisch-)tantrischer Sexualpraktiken stellte die im Jahre 1080 von den indischen Mystikern Marpa (1012-1098) und Milarepa (1040-1123) begründete Schule der Kagyüpa (tibet.: die den Vorschriften Folgenden) ab; darüberhinaus interessierte sich die Kagyüpa besonders für den Bardo-Zustand zwischen Tod und Wiedergeburt. Als Ableger der Kadampa-Schule etablierte sich gegen Ende des 11. Jahrhunderts die Schule der Sakyapa, benannt nach dem Ort Sakya (tibet.: Graue Erde), an dem sie ihr erstes Kloster errichtete. Die Sakyapa stieg innerhalb weniger Jahrzehnte zur beherrschenden politischen Macht auf, unter den Äbten ihrer zahlreich errichteten Klosterdependancen entwickelte Tibet sich zum Priesterstaat. Zu größter Machtfülle gelangte die Sakyapa ab Mitte des 13. Jahrhunderts mit Hilfe des Mongolenfürsten Godan Chan, einem ansonsten gänzlich unbedeutenden Enkel Dschingis Chans.

Um eine Invasion der Mongolen unter Dschingis Chan abzuwenden, war Tibet im Jahre 1207 diesen gegenüber tributpflichtig geworden. Nach dem Tod des Mongolenkaisers im Jahre 1227 hatte man die Zahlungen eingestellt, was eine erneute militärische Bedrohung, diesmal durch besagten Godan Chan, hervorrief. Im Jahre 1244 beorderte Godan den Großlama der Sakyapa-Schule, Kunga Gyältsen (1182-1251), an seinen Hof. Es gelang diesem innerhalb kürzester Zeit, als „spiritueller Lehrmeister“ des Mongolischen Chan zu reüssieren und sich beziehungsweise der Sakyapa von diesem die politische Vorherrschaft über Tibet zusprechen zu lassen; unter der militärischen Schutzherrschaft der Mongolen konnte Kunga Gyältsen im Jahre 1249 den Sakyapa-Lamaismus zur Staatsreligion erklären.

Mit dem Niedergang der mongolischen Chan-Herrschaft und dem damit verbundenen Ende des Protektorats der Sakyapa brachen (ab etwa 1335) erbitterte Machtkämpfe zwischen den einzelnen Schulen und Klöstern Tibets aus, die sich über mehrere Genrationen hinzogen. Aus den teilweise mit brutalster Gewalt ausgefochtenen Rivalitäten, in die sich auch die vom Sakyapa-Klerus entmachteten Fürsten einmischten, ging letztlich eine neuformierte Sekte hervor, die als Gelugpa (tibet.: die Tugendhaften), weit mehr aber nach der Farbe ihrer Kopfbedeckungen als „Sekte der Gelbmützen“, bekannt wurde.

Diktatur der Gelbmützen

Die Schule der Gelugpa wurde zu Beginn des 15. Jahrhunderts von dem Wanderprediger Tsong Khapa (1357-1419) gegründet. 1409 legte dieser den Grundstein für das spätere Großkloster Ganden, zu dessen erstem Abt er sich gleichzeitig berief. Seine Nachfolge trat sein Neffe Gendün Drub (1391-1475) an, der für die Nachfolge seiner selbst das sogenannte Inkarnationsprinzip verfügte: er, Gendün Drub, würde in Gestalt eines kleinen Jungen wiederkehren.

Der „wiedergeborene“ Gendün Drub, ein gewisser Gendün Gyatso (1475-1542), baute vor allem das Ritualwesen der Gelugpa aus: prunkvolle Spektakel, die in phantasievollen Kostümen und unter Verwendung von Trompeten, Trommeln und Glocken, mit Fahnen, Bannern und jedem sonstigen Aufwand, inszeniert wurden. Im Jahre 1578 stattete Sonam Gyatso (1543-1588), Nachfolger Gendün Gyatsos, dem Mongolenherrscher Altan Chan einen Höflichkeitsbesuch ab, bei dem er von diesem den Ehrentitel „Dalai Lama“ (mongol.-tibet.: „Ozean der Weisheit“) erhielt. Er sprach seinen beiden Amtsvorgängern (als deren Reinkarnation er sich vorkam) posthum denselben Titel zu, so dass er selbst als „Dritter Dalai Lama“ firmierte. Der Vierte Dalai Lama, Yontsen Gyatso (1589-1617), wurde in der Familie Altan Chans ausfindig gemacht.

Mit Hilfe des nachfolgenden Mongolenfürsten Gushri Chan entledigte sich die Gelugpa zwischen 1639 und 1642 sämtlicher innenpolitischer Widersacher. Angehörige anderer Schulen wurden zu tausenden erschlagen, eingekerkert oder vertrieben, man eignete sich ihren Besitz an, verbot ihre Lehre, verbrannte ihre Schriften. Gushri Khan ernannte Lobsang Gyatso (1617-1682), der bereits als Fünfter Dalai Lama inthronisiert war, zur höchsten geistlichen und weltlichen Autorität des Landes; er selbst behielt die militärische Suzeränität. Lobsang Gyatso entwickelte in der Folge jene absolutistische Hierokratie – ein diktatorisches Regime mit feudaler Leibeigenschaftsordnung und gnadenloser Ausbeutung der Massen –, wie sie bis zum Einmarsch der Chinesen im Jahre 1950 Bestand hatte. Unter seiner Herrschaft wurde auch das größenwahnsinnige Bauvorhaben des Potala-Palastes in Lhasa begonnen.

Gewalttätige religiöse Auseinandersetzungen

Seit hunderten von Jahren sind konkurrierende tibetische buddhistische Sekten in gewalttätige Auseinandersetzungen engagiert mit unzähligen Exekutionen. Im Jahre 1660 gab es eine Rebellion gegen den 5. Dalai Lama in der Tsang-Province, die die Hochburg der rivalisierenden Kagyusekte mit ihrem Karmapa genannten Oberlama. Der 5. Dalai Lama rief nach harter Vergeltung gegen die Rebellen und beauftragte die mongolische Armee, die männlichen und weiblichen Linien und ihre Nachkommen auszuradieren „wie man Eier gegen Felsen wirft….kurz, jede Spur von ihnen, sogar ihre Namen zu vernichten“ [2]. Im Jahre 1792 wurden viele Kagyuklöster konfisziert und ihre Mönche gewaltsam gezwungen, zur Gelugsekte, der Sekte des Dalai Lama zu konvertieren. Die Gelugschule, bekannt auch als die „Gelbhüte“, legten wenig Toleranz oder Bereitschaft an den Tag, ihre Lehren mit anderen buddhistischen Sekten zu vermischen[3]. Ein Tagebuch eines tibetischen Generals aus dem 18. Jahrhundert belegt Sektenkämpfe unter Buddhisten, die so brutal und blutig verliefen wie religiöse Konflikte nur sein können[4].

Glaube

Karma und Reinkarnation

Zentrales Diktum der (tibetisch-)buddhistischen Lehre, die selbst größte Unrecht rechtfertigen, ist das „Gesetz des Karma“, die Vorstellung, die guten bzw. schlechten Taten eines Lebens die Art der Wiedergeburt im nächsten Leben bestimmen. Verdienstvolles Handeln führe zu einer günstigen Reinkarnation, ruchloses zu einer ungünstigen.

Privilegierte Lebensverhältnisse bedeuten demnach auf ein im Vorleben angesammeltes positives Karma hin, missliche seien ein Hinweis auf abzutragendes negatives Karma.

Bei besonders schlechtem Karma – als schlimmste aller Sünden gilt Zorn oder Verachtung gegenüber dem Lama – finde man sich in einer der zahlreichen Höllen wieder. Pausenlos werde man dort den schrecklichsten Folterqualen ausgesetzt: „In der Heißen Hölle wird man wie ein Fisch in riesigen, rotglühenden Eisenkesseln gebraten. Mit einem brennenden, spitzen Pfahl wird man vom Anus her durchstoßen, bis dieser wieder am Scheitel austritt“. In einer anderen Hölle falle man in einen stinkenden Sumpf aus Exkrementen, in dem man bis zum Hals versinke; zugleich werde man von „in diesem Sumpf lebenden Insekten bis aufs Mark zerfressen und zerpickt“. Die Qualen seien indes keineswegs beendet, wenn Haut und Fleisch verbrannt, zerschlagen, zerschnitten oder von Insekten aufgefressen seien, vielmehr wachse alles wieder nach, und die Tortur vollziehe sich aufs Neue. Ein Leben in einer der Höllen währe das Zwanzigfache der Zeit, die man „benötigt, um einen großen Speicher voll mit achtzig Viertelzentnern Sesam zu leeren, indem man alle hundert Jahre ein Sesamkorn daraus entnimmt“.

Buddhistischer Vorstellung zufolge sei es möglich – und dies sei Ziel aller Mühe des Daseins –, aus dem ewig-leidvollen Kreislauf (sanskr.: Samsara) von Geburt, Tod und Wiedergeburt auszubrechen. Dann nämlich, wenn alles negative Karma aus früheren Leben abgebüßt und gelöscht und im jetzigen Leben kein neues mehr angehäuft worden sei, finde man zur Befreiung (sanskr.: Moksha): man werde zum Buddha, als welcher man sich ins wohlverdiente Nichts (sanskr.: Nirvana) auflöse.

Sexualität und Frauenfeindlichkeit

Die Lehre des Vajrayana bietet im Gegensatz zu sämtlichen anderen Schulen des Buddhismus die Möglichkeit, innerhalb eines einzigen Lebens zur Erleuchtung zu erlangen und sich damit ins Nirvana aufzulösen. Der Weg lässt sich mit Diamantszepter-, Blitz- oder auch Phallusgefährt übersetzen – besteht aus einer Vielzahl (phallisch-)sexueller Übungen und Initiationen. Tibetischer Buddhismus ist insofern auch als Tantrischer Buddhismus bekannt. Zugang zu den Geheimpraktiken des „Phallusgefährtes“ hatte seit jeher nur eine kleine Elite innerhalb der monastischen Hierarchie, die sich im Verborgenen eigens rekrutierter „Sexgefährtinnen“ (tibet.: Songyum) bediente. Während die einfachen Mönche zu sexueller Enthaltsamkeit beziehungsweise zu tantrischen Praktiken lediglich in Gestalt von Visualisierungsübungen, (Masturbation und ohne anwesende Frau) verpflichtet werden, hatten höhere Lamas schon immer ihre geheimen Konkubinen.

Die beteiligten Mädchen und Frauen werden durch massive Einschüchterung und Bedrohung, unter anderem mit grausigen Höllenqualen, zu absolutem Stillschweigen verpflichtet. Überdies wird den Frauen suggeriert, sie könnten durch die sexuelle Beziehung mit einem Lama jede Menge „gutes Karma“ für künftige Inkarnationen ansammeln; allerdings nur, wenn sie diese geheim hielten. Seitens der Lamas werden sexuelle Praktiken mit realen Frauen kategorisch abgestritten, selbst dann, wenn sie ihnen unabstreitbar nachgewiesen worden sind. In der Regel wird behauptet, bei den tantrischen Ritualen handle es sich ausschließlich um imaginatives Geschehen, um das „meditative Visualisieren der Vereinigung einer männlichen Gottheit mit einer weiblichen Gefährtin“ mit dem Ziel, zu tieferen Einsichten in die „Integration polarer Gegensätze“ zu gelangen. Tatsächlich sind derlei Visualisierungsübungen nur ein Aspekt der tantrischen Praxis, auf den höheren Stufen der Einweihung bedienen sich die Lamas sehr wohl ganz realer Frauen. Gerüchte und Berichte über sexuell ausbeuterische Beziehungen tibetischer Lamas zu Schülerinnen, auch aus dem Westen, hatten sich seit Jahren derart verdichtete, dass das Thema nicht länger verschwiegen oder als Einzelfall unter den Tisch geredet werden konnte. Selbst der Dalai Lama sah sich genötigt, Position zu beziehen.

Erwartungsgemäß wälzte er aber die Schuld an dem Missbrauch auf die jeweiligen Schülerinnen ab, die „ihre spirituellen Lehrmeister zu sehr verwöhnen; sie verderben sie“. Der Zweck der (angeblich nur visualisierten) tantrischen Sexbeziehungen liege im übrigen keineswegs in der Befriedigung sexueller Lust. Vielmehr werde die sexuelle Praktik ausschließlich zur „Bewusstseinsintensivierung“ benutzt.

Mit Sinnenfreude habe das alles nichts zu tun: Vajrayana bediene sich „geschickter Mittel, mit deren Hilfe die Kraft der Begierde so gelenkt werden kann, dass sie für den spirituellen Pfad nutzbar wird und Begierde schließlich selbst das Mittel zur Überwindung der Begierde wird“. Im Widerspruch hierzu steht ein Kompendium, das der tibetische Lama Gedün Chöpel (1895-1951) Anfang der 1930er Jahre für seinesgleichen verfasst hat. Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das indische Kamasutra erörtert Chöpel nicht nur allerlei Stellungen des Beischlafs und die dazugehörigen rhythmischen Bewegungen, sondern mithin auch die Kunst, währenddessen anregende Geräusche zu erzeugen. Detailliert beschreibt er auch einzelne Techniken zur Stimulierung von Penis und Klitoris sowie die Anwendung verschiedener Hilfsgeräte bei Erektionsproblemen. Die als Sexgefährtinnen in Frage kommenden Frauen müssen bestimmte Kriterien erfüllen: Laut tantrischer Lehre solle die Songyum mit „Anmut und Jugend“ ausgestattet sein und aus „gutem Hause“ stammen. Ihre Haut dürfe nicht zu dunkel und nicht zu hell sein und ihrer Vagina müsse ohne Unterlass ein „Duft wie von verschiedenen Lotusarten oder süßem Lilienholz“ entströmen. In einem Tantratext werden fünf Arten von Sexgefährtinnen, auch „Weisheitsgefährtinnen“ genannt, unterschieden: Die Achtjährige, die Zwölfjährige, die Sechzehnjährige, die Zwanzig- und die Fünfundzwanzigjährige. Jede Altersstufe diene ganz bestimmten Zwecken. Lama Chöpel rät davon ab, „mit Gewalt in ein junges Mädchen einzudringen“, das sich zu sehr wehre; es könne dies ihre Geschlechtsteile verletzen, was sie womöglich für weitere Praktiken unbrauchbar mache. Ratsam sei in solchem Falle, sich lediglich zwischen ihren Schenkeln zu reiben. Allemal empfehle es sich, Kinder vor dem Geschlechtsverkehr mit etwas Honig oder mit Süßigkeiten zu beschenken. Im übrigen sei es durchaus rechtens, ein Mädchen, das die sexuelle Vereinigung verweigere, dazu zu zwingen. Mit Frauen im fortgerückteren Alter, so die Lehre des Vajrayana, solle tunlichst nicht praktiziert werden: ab dreißig gelten Frauen als Manifestationen bösartiger Geister; ab Ende dreißig werden sie nur noch als „Hundeschnauze, Saugfresse, Schakalfratze, Tigerdrachen, Eulengesicht“ und dergleichen bezeichnet.

Tantra

Den (tibetisch-)tantrischen Praktiken geht es stets um die Transformation sexueller Energie in Macht, von Macht über einzelne Personen bis hin zur phantasmagorischen Macht, auf das Geschehen des Universums Einfluss zu nehmen. Zur Freisetzung derartiger (All-)Macht, bedarf der männliche Lama spezifisch weiblicher Energie. Diese Energie, in den Vorstellungen des Tantrismus ein durchaus materiell zu verstehendes „Elixier“, sucht der Lama sich mittels rituellen Sexualkontaktes zu Frauen anzueignen. In der Absorption der weiblichen Energie – diese wird vor allem in Menstruationsblut oder Vaginalsekret gewähnt – könne der Lama eine Art mystischer „Doppelgeschlechtlichkeit“ aufbauen, die die Urkräfte des Kosmos (tibet.: yab/yum) in ihm integriere und dadurch ins Omnipotente steigere. Ziel ist es, zum sogenannten Adibuddha zu werden, zum Herrn allen weltlichen und überweltlichen Geschehens. Interessant sind insofern die Ritualgegenstände, mit denen die Lamas bei ihren Zeremonien hantieren: in der Rechten führen sie stets das phallussymbolische Diamantszepter (sanskrit: Vajra), in der Linken die vaginasymbolische Glocke (sanskrit: Gantha): der Lama versteht sich als Herr des männlichen wie auch es weiblichen Prinzips, er ist Mann und Frau.

Das Entscheidende des Sexualkontaktes zwischen dem Lama und seiner „Weisheitsgefährtin“ ist zunächst die kategorische Verhinderung des Samenergusses: das „männliche Elixier“ müsse unbedingt im Körper zurückgehalten und dort mit dem anzueignenden „weiblichen Elixier“ verbunden werden. Das erstrebte „weibliche Elixier“, so die Vorstellung des Vajrayana, werde (auf magisch-mystische Art) durch den in die Vagina eingeführten Penis aufgesogen. Das Sperma vereinige sich mit den absorbierten weiblichen Fluiden und steige als „Medizin ewigen Lebens“ zum Schädeldach hinauf. Der Lama trage nun beide Lebenselixiere in sich, er werde sozusagen zu einem „aus sich selbst Geborenen“, der den Fluch der Wiedergeburt überwunden hat.

Die Lebensbedingungen der Tibeter unter der Theokratie

Die Macht des buddhistischen Klerus in Tibet kannte bis zum Jahre 1950 praktisch keine Einschränkung. Mittels eines eng gespannten Netzes an Klöstern wurde das Volk aufs Brutalste unterdrückt. Bitterste Armut und Hunger durchherrschten den Alltag, es gab keinerlei Bildungs- oder Gesundheitseinrichtungen. Die Analphabetenquote lag – bis in die Amtszeit des gegenwärtigen Dalai Lama hinein – bei 97 Prozent.

Unter der uneingeschränkten Herrschaft des tibetischen Buddhismus waren die Lebensbedingungen der Tibeter entsetzlich. Die überwiegende Mehrzahl der Menschen war sehr arm. Unnachgiebig wurden sie von den Mönchen ausgebeutet, die ihre Machtansprüche durchaus mit brutaler Gewalt durchsetzen konnte, unter anderem mit Hilfe zweier Institutionen: der Mönchspolizei (Zimzag) und den Mönchssoldaten (Dob-Dobs). Außerhalb der Klostermauern konnte niemand lesen, ein Sozial- oder Gesundheitswesen für die breite Masse der Bevölkerung existierte nicht. Währenddessen brauchte die Mönchselite auf keinen Luxus zu verzichten.

Harrer, der vom Dritten Reich zwecks „Rassenforschung“ nach Tibet entsandt wurde, schreibt z.B.:

Es gibt keine Polizei in unserem Sinn, doch werden Übeltäter immer öffentlich abgeurteilt. Die Strafen sind ziemlich drastisch, aber in ihrer Art das einzig Richtige bei der Mentalität der Bevölkerung. Einem Mann, der eine Butterlampe aus einem Tempel gestohlen hatte, wurden öffentlich die Hände abgehackt und sein verstümmelter Körper in eine nasse Yakhaut eingenäht. Dann ließ man die Haut trocknen und warf ihn in die tiefste Schlucht.”

Schäfer, ein anderer Nazi, berichtet von der südtibetischen Stadt Phari:

So erstickt Phari förmlich im eigenen Auswurf, und nur die Härte des Klimas scheint seine Bewohner notdürftig gegen Pocken, Pest und Cholera zu schützen. In Unrat geschlagene Treppen führen zu den Eingangstüren der stallähnlichen Behausungen hinab, wo sich Menschen und Tiere in trauriger Gemeinschaft gegen die Unbilden der Witterung zu schützen suchen. Ich habe lange genug in Asien gelebt, um gegen Schmutz recht unempfindlich geworden zu sein. In Phari aber kostet es mich doch einige Überwindung, in eine der lichtlosen, entsetzlich riechenden Behausungen hinabzukriechen, die gleichzeitig als Wohnraum, Schlafraum, Küche und Stall dient. Fenster existieren nicht, der Boden besteht aus festgetretenen Kuhfladen, und die Wände glitzern von Ruß und Reif.”

In Lhasa, der Hauptstadt und dem Regierungssitz des tibetischen Gottkönigs war er persönlicher Gast des seinerzeitigen Regenten Reting Rinpoche, in dessen Residenz er mit Pracht ausgestattete Klöster, Tempel, Paläste und Gärten vor (allein der Potala, Winterresidenz des Dalai Lama, verfügte über mehr als 1000 Prunkräume, die etwas außerhalb Lhasas gelegene Sommerresidenz von Norbulingka über 500 Räume samt einer mehr als vierzig Hektar großen Parkanlage) vorfand. Jenseits der Tempel- und Palastbezirke herrschten die gleichen elenden Lebensbedingungen wie überall.

Auch mit Herrschaftsantritt des derzeitigen Dalai Lama änderten sich die sozialen Bedingungen in Tibet nicht.

ökonomische Ausbeutung der Bevölkerung

Bis 1959, als der jetzige Dalai Lama Tibet vorstand, befand sich fast das ganze bewirtschaftbare Land in Großgrundbesitz, auf dem Leibeigene arbeiteten. Diese Güter standen im Besitz von zwei Gruppen: reiche säkulare Fürsten und reiche theokratische Lamas. Sogar ein Autor, der mit der alten Ordnung sympathisiert muss zugeben, dass „ein großer Teil des Grundbesitzes des Klöstern gehörte und die meisten großen Reichtum anhäuften“. Ein großer Teil des Reichtums wurde angehäuft „durch aktive Teilhabe an Handel, Wirtschaft und Geldverleih.“[5]

Das Drepungkloster war einer der größten Landbesitzer der Welt mit seinen 185 Herrensitzen, 25000 Leibeigenen, 300 großen Weidegebieten und 16000 Viehtreibern. Der Reichtum der Klöster konzentrierte sich in den Händen einer kleinen Zahl hochrangiger Lamas. Die meisten gewöhnlichen Mönche lebten bescheiden und hatten keinen direkten Zugang zu größerem Wohlstand. Der Dalai Lama selbst lebte luxuriös im Potala-Palast mit seinen 1000 Zimmern auf 14 Etagen.“ [6]

Säkularen Führern ging es auch gut. Ein Beispiel ist der Chef der tibetischen Armee, ein Mitglied des Kabinetts des Dalai Lama, dem 4000 Quadatkilometer gehörten mit 3500 Leibeigenen[7].

Drakonische Strafen

Im Gegensatz zu der in der westlichen Welt, insbesondere in esoterischen Kreisen proklamierten Sanftheit des Buddhismus in Tibet, waren auch die Strafen für Vergehen grausam. Das tibetische Strafrecht leitete sich aus einem Gesetzeswerk Dschingis Khans des frühen 13. Jahrhundert ab und zeichnete sich durch extreme Grausamkeit aus. Zu den bis weit in das 20. Jahrhundert hinein üblichen Strafmaßnahmen zählten öffentliche Auspeitschung, das Abschneiden von Gliedmaßen, Herausreißen der Zungen, Ausstechen der Augen, das Abziehen der Haut bei lebendigem Leibe und dergleichen. Obgleich der 13. Dalai Lama 1913 das Abhacken von Gliedern unter Verbot gestellt hatte, wurden derlei Strafen noch bis in die 1950er Jahre hinein vorgenommen.

Dabei wurden für den selben Rechtsverstoß Menschen aus verschiedenen Klassen mit unterschiedlicher Strafzumessung und Bestrafung belegt. Im Gesetz über die Sühne für einen Getöteten wurde festgelegt: "Die Menschen gehören unterschiedlichen Klassen an, deshalb ist der Wert ihres Lebens unterschiedlich." Der Wert des Lebens der Hocharistokratie wie der Prinzen und der Großen Lebenden Buddhas wurde mit Gold nach ihrem Körpergewicht bemessen; der Wert von Frauen, Metzgern, Jägern und Schmieden, die zur untersten Unterschicht der unteren Klasse gehörten, entsprach dem Wert eines Strohseils. Die Strafbestimmungen bei Körperverletzung sahen vor: "Verletzt ein Diener seinen Herrn, müssen ihm seine Hände oder Füße abgehackt werden; wenn ein Herr seinen Diener beim Prügeln verwundet hat, muss er ihn nur medizinisch behandeln lassen und braucht ihm keine Entschädigung zu zahlen." Die damalige tibetische Lokalregierung sowie die großen Klöster hatten eigene Gerichte und Gefängnisse, die Gutsherren unterhielten auf ihren Gutsanwesen ebenfalls eigene Gefängnisse.

Im Jahre 1959 besuchte Anna Louise Strong eine Ausstellung über Folterwerkzeuge, die von tibetischen Landlords benutzt wurden. Man sah dort Handschellen aller Größen inclusive von kleinen für Kinder ferner Instrumente zum Ausstechen der Augen, solche zum Brechen der Hände und zum Zerschneiden der Achillessehnen. Es gab Brandzeichen, Peitschen und spezielle Geräte zum Aufschlitzen des Bauches. Die Ausstellung präsentierte Fotographien und Zeugenaussagen von Opfern, die geblendet oder verstümmelt worden waren wegen Diebstahl. Da gab es den Schäfer, dessen Herr ihm eine Entschädigung schuldete in Yuan und Weizen, sich aber weigerte zu zahlen. Als er sich darauf eine Kuh seines Herrn nahm wurden ihm die Hände abgehackt. Einem anderen Hirten wurden die Hände gebrochen, weil er sich darüber beschwert hatte, daß sein Herr ihm seine Frau weggenommen hatte. Man sah Bilder von kommunistischen Aktivisten mit abgeschnittenen Nasen und Oberlippen und von einer Frau, der nach ihrer Vergewaltigung die Nase abgeschnitten wurde[8].

Sklaverei und Leibeigenschaft

In der feudalen tibetischen Gesellschaft waren Leibeigenschaft und Sklaverei üblich. Tibetische Jungen wurden regulär ihren Eltern auf dem Lande genommen, in die Klöster gebracht und dort zu Mönchen ausgebildet. Einmal dort, waren sie für ihr Leben gebunden. Tashi-Tsering, ein Mönch, berichtet, dass es normal war, dass Bauernkinder in den Klöstern sexuell missbraucht wurden. Er selbst war ein Opfer wiederholter Vergewaltigungen beginnend im Alter von 9 Jahren[9]. Die klösterlichen Domänen dienten auch zur Aushebung von Kindern zur lebenslangen Dienerschaft, Tänzern und Soldaten.

Im alten Tibet gab es eine kleine Anzahl von Bauern, die eine Art freien Bauernstand darstellten sowie vielleicht 10000 Menschen, die die „Mittelklasse“ ausmachten, Familien von Kaufleuten, Inhaber kleiner Geschäfte und kleine Händler. Tausense andere waren Bettler. Es gab auch Sklaven, die normalerweise als Hausdiener gehalten wurden und keinerlei Lohn erhielten. Ihre Kinder wurden ebenfalls in die Sklaverei geboren[10].

Die Mehrzahl der ländlichen Bevölkerung waren Leibeigene. Sie wurden etwas besser behandelt als Sklaven, aber es gab für sie keinerlei Schulbildung und medizinische Versorgung. Sie hatten die lebenslange Verpflichtung, auf dem Land des Fürsten oder Klosters ohne Bezahlung zu arbeiten, die Häuser der Herren zu reparieren, ihre Waren zu transportieren und Feuerholz für sie zu sammeln. Sie mussten auch Tiere hüten und bei Bedarf transportieren[11]. Ihre Herren wiesen sie an, was angebaut werden sollte und welche Tiere gezüchtet werden sollten. Sie durften nicht ohne Zustimmung ihres Herrn oder Lamas heiraten. Sie konnten ohne weiteres von ihrem Familien getrennt werden, wenn ihr Besitzer sie zur Arbeit zu einem entfernten Ort schickte[12].

Den Leibeigenen wurden Steuern abverlangt für eine Heirat, für jedes Kind und für jeden Todesfall in der Familie. Steuern waren fällig für jedes religiöses Fest und für öffentliches Tanzen und Trommeln, dafür ins Gefängnis zu kommen und dafür aus diesem entlassen zu werden. Wer keine Arbeit fand, wurde für Arbeitslosigkeit besteuert und für eine Fahrt in ein anderes Dorf auf der Suche nach Arbeit wurde eine Wegesteuer verlangt. Wenn jemand eine Steuer nicht zahlen konnte, lieh das Kloster ihm das Geld zum Zinssatz von 20 bis 50%. Manche Schulden wurden vom Vater an den Sohn und weiter an den Enkel vererbt. Schuldner, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen konnten riskierten, in die Sklaverei verkauft zu werden[13].

Quellen und Weblinks

  1. http://www.linkezeitung.de/cms/index.php?option=com_content&task=view&id=4284&Itemid=199
  2. Curren, Buddha's Not Smiling, 50
  3. Stephen Bachelor, "Letting Daylight into Magic: The Life and Times of Dorje Shugden," Tricycle: The Buddhist Review, Spring 1998. Bachelor discusses the sectarian fanaticism and doctrinal clashes that ill fit the Western portrait of Buddhism as a non-dogmatic and tolerant tradition
  4. Dhoring Tenzin Paljor, Autobiography, cited in Curren, Buddha's Not Smiling,
  5. Pradyumna P. Karan, The Changing Face of Tibet: The Impact of Chinese Communist Ideology on the Landscape (Lexington, Kentucky: University Press of Kentucky, 1976), 64.
  6. See Gary Wilson's report in Worker's World, 6 February 1997
  7. Gelder and Gelder, The Timely Rain, 62 and 174.
  8. Strong, Tibetan Interviews, 91-96
  9. Melvyn Goldstein, William Siebenschuh, and Tashì-Tsering, The Struggle for Modern Tibet: The Autobiography of Tashì-Tsering (Armonk, N.Y.: M.E. Sharpe, 1997).
  10. Gelder and Gelder, The Timely Rain, 110.
  11. Melvyn C. Goldstein, A History of Modern Tibet 1913-1951 (Berkeley: University of California Press, 1989), 5 and passim
  12. Anna Louise Strong, Tibetan Interviews (Peking: New World Press, 1959), 15, 19-21, 24
  13. Gelder and Gelder, The Timely Rain, 175-176; and Strong, Tibetan Interviews, 25-26