Liv.52: Unterschied zwischen den Versionen
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* Ziegler R: Ayurveda & Co. Sanfte Killer aus Fernost. VRZ Verlag, Weiskirchen, 2001 | * Ziegler R: Ayurveda & Co. Sanfte Killer aus Fernost. VRZ Verlag, Weiskirchen, 2001 | ||
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Version vom 18. Juni 2008, 14:53 Uhr
LIV.52 ist ein pflanzliches Präparat aus aus verschiedenen Pflanzen (Kapernstrauch, Wurzel-/Kaffezichorie, Schwarzer Nachtschatten, Terminalia arjuna, Senna, Schafgarbe und Tamariske) sowie dreiwertigem Eisen. Es wird zur Behandlung von Lebererkrankungen, Hepatitis A und HIV/AIDS sowie zur Stärkung des Immunsystems beworben. Methodisch fragwürdige Studien aus Indien zeigen eine Wirksamkeit, die sich unter strenger klinischer Prüfung nicht bestätigt.
Seit einigen Jahren wird zur Behandlung von Lebererkrankungen, aber auch zur Begleittherapie von HIV/AIDS und anderen Leiden, das aus Indien stammende Pflanzengemisch LIV.52 angepriesen. Am stärksten wird das Produkt im Internet derzeit auf US-Websites angeboten. Es finden sich allerdings erwartungsgemäß auch Anbieter aus Großbritannien, welches durch die Commonwealth-Handelsbeziehungen mit Indien für Europa als Haupteinfallstor für den (semi-)legalen Handel von Wundermitteln aus Indien und China fungiert.
Tatsächlicher Hersteller von LIV.52 ist die in Indien registrierte The Himalaya Drug Company (http:// www.thehimalayadrugco.com).
Der Anspruch der Firma ist vollmundig: 'we have taken the mystery out of the world’s oldest healing tradition. Since 1930. Und bei dieser weltältesten medizinischen Tradition handelt es sich selbstverständlich um die Ayurveda. Die HDC hat ihren Geschäftssitz in der indischen Stadt Bangalore im Bundesstaat Karnataka. Die Firma stellt eine ganze Reihe von pflanzlichen Präparaten her, u.a. 'Geriforte' als Antistressmittel bei Erwachsenen, den Gedächtnisverbesserer 'Mentat', das Potenzmittel 'Himcolin' oder den Libidoförderer 'Tentex forte'. Den Angaben zufolge werden jährlich etwa 5 Mrd. Tabletten und 60 Mio. Fläschchen Arzneiflüssigkeit produziert. In Europa sind die meisten Produkte bis heute gänzlich unbekannt geblieben.
LIV.52 ist eine Pflanzenzubereitung, die nicht einmal in Indien selbst als Arzneimittel registriert ist. Lediglich in der Schweiz ist es bei der Interkantonalen Registrierungsstelle (http://www.iks.ch) unter der IKS-Nr. 45682 als »Varia« (= sonstiges Mittel) gelistet. Damit besteht eine Verkehrsfähigkeit innerhalb der Schweiz, nicht jedoch innerhalb der Europäischen Union. Die deutsche Ayurmedica GmbH in Pöcking, die belgische China Nature B.V. in Waregem, die niederländische Holistic Health Products in Lelystad, die italienische Ambrosia S.A.S. in Florenz oder die tschechische Avicenna Co in Prag sind jedoch angeblich Kooperationspartner der indischen Herstellerfirma. In der Schweiz wird Liv.52 von der Arunex AG/EBI-Pharm AG in Kirchlindach vertrieben. Diverse virtuelle Drogerien in der Schweiz bieten sogar den Direktbezug von Liv.52 an, z.B. das Fachzentrum Naturheilmittel Drogerie Meier in Oberwinterthur. Laut der IKS-Datenbank für Humanarzneimittel beläuft sich der Preis für eine 100 Tabl.-Packung auf 27.50 SFr.
LIV.52: ein Cocktail aus sieben Pflanzen und dreiwertigem Eisen
Als Inhaltsstoffe sind neben einer relativ hohen Menge an dreiwertigem Eisen insgesamt sieben Pflanzenextrakte auszumachen, die in unterschiedlicher Menge eingesetzt werden. Geht man von einer herstellerseitig empfohlenen Dosierung von dreimal täglich 3-4 Tabletten Liv.52 aus, so nimmt ein Erwachsener täglich maximal 780 mg Capparis spinosa (Kapernstrauch) und Cichroium intybus (Wurzel-/Kaffezichorie), 384 mg Solanium nigrum (Schwarzer Nachtschatten) und Terminalia arjuna, 192 mg Cassia occidentalis (Senna), Achillea millefolium (Schafgarbe) und Tamarix gallica (Tamariske) sowie 36 mg dreiwertiges Eisen (Fe3+) ein.
Scheinbar positive Wirkungen in klinischen Studien
In diversen indischen Studien wurden bei Patienten hepatoprotektive, also leberschützende, Wirkungen von Liv.52 festgestellt. So berichteten Sama et al. (1976) vom Department of Gastroenterology des All-India Institute of Medical Sciences in New Delhi von einer Untersuchung an 34 Patienten, die wegen einer viralen Hepatitis A behandelt worden waren. Dabei wurden nur Patienten mit maximal 10tägiger Erkrankung und einem Serumbilirubinspiegel von mindestens 4,5 mg/dl (Normwert 1 mg/dl) in die Studie aufgenommen. Die Patienten wurden in zwei 17köpfige Therapiegruppen aufgeteilt. Beide erhielten in einem randomisierten Doppelblindversuch entweder dreimal täglich zwei Tabletten Liv.52 oder Placebo für einen Zeitraum von sechs Wochen. Als Zielparameter zur Erfolgskontrolle wurde der Bilirubinspiegel benutzt und von einem Behandlungserfolg wurde ausgegangen, wenn die Bilirubinwerte um 50% reduziert werden konnten. In der Liv.52-behandelten Gruppe reduzierten sich die Werte in einer signifikant kürzeren Zeitspanne (6.53 ± 2.45 Tage) um 50% als dies in der Placebogruppe der Fall war (12.62 ± 4.57 Tage). Sowohl die Zeit bis zur klinischen Beschwerdefreiheit war unter Liv.52-Therapie kürzer als auch lag der Gewichtsverlust der Patienten in der Behandlungsgruppe niedriger. Nebenwirkungen konnten Sama et al. (1976) nicht feststellen.
Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine Studie von Desai et al. (1977), die Kinder mit infektiöser Hepatitis mit einem Liv.52-Sirup behandelt hatten. Auch hier war der Erkrankungsverlauf unter Therapie (n=70 Kinder) besser als in einer 60köpfigen Kontrollgruppe. Eine Aufstellung von Nebenwirkungen machten diese Autoren vom Department of Pediatrics des Municipal Medical College im indischen Ahmedabad nicht. Sie führten lediglich in einem Satz aus, dass ihnen in der mehrmonatigen Beobachtungszeit keine ungewöhnlichen Nebenwirkungen aufgefallen seien. Auch Ramalingam et al. (1971) hatten auf der Basis einer Studie an 250 Kindern, die an akuter Hepatitis gelitten hatten, festgestellt, dass die klinische Symptomatik mit Liv.52 schneller gebessert werden konnte. Angaben zu Nebenwirkungen machten Ramalingam et al. (1971) überhaupt nicht. Es war demzufolge unklar, ob unerwünschte Wirkungen eingetreten waren oder nicht. Nigam et al. (1978) berichteten über eine Studie an 50 Patienten mit Hepatitis, die aufgrund einer Lepra-Erkrankung entstanden war. 30 Personen erhielten zusätzlich zu einer konventionellen Anti-Lepra-Therapie (Dapsone) dreimal täglich zwei Tabletten Liv.52 für zumindest zwei Monate. Wirklich genaue An- gaben über die Dauer der Therapie machten die Autoren allerdings nicht. Sie stellten bei Nachuntersuchungen fest, dass die Liv.52-behandelten Patienten von der Zusatztherapie profitierten, da sie schneller an Gewicht zunahmen, kürzer an Übelkeit/Erbrechen litten, eine kürzere Schmerzsymptomatik aufwiesen und weniger lang Stuhlunregelmäßigkeiten hatten. Lediglich bei der Zeitdauer des Anhaltens von Blähungen und Dyspepsie gab es keinerlei Unterschiede. In einer Studie von Patney et al. (1973), die am Postgraduate Department of Medicine im indischen Agra durchgeführt worden war, waren 30 Personen mit klinisch diagnostizierter Leberzirrhose einer Behandlung mit Liv.52 zugeführt worden. Die Dosis betrug dreimal täglich 2 Tabletten und die Anwendungsdauer betrug zumindest 30 Tage. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass das Medikament einen bemerkenswert positiven Effekt auf den Erkrankungsverlauf gehabt habe.
Da dieser Fachbeitrag von Patney et al. (1973) auf der Homepage der Herstellerfirma unter http://www.thehimalayadrugco.com/liv-008.htm im Volltext downgeloaded werden kann, kann man ihn statistisch überprüfen. Ziegler (2001) fand dabei heraus, dass es weder für Bilirubin, noch für Albumin, Globulin, Alkalische Phosphatase oder Zinkphosphatase war dies der Fall keine signifikanten Unterschiede zwischen der mit LIV.52- bzw. mit Placebo behandelten Untersuchungsgruppe sowohl vor als auch nach der Therapie gab. Dies bedeutet, dass die entsprechenden Unterschiede zwischen der Liv.52- und der konventionell behandelten Patientengruppe so gering waren, dass sie als bedeutungslos einzustufen sind. Bei der geringen Probandenzahl war es zusätzlich nicht wahrscheinlich, überhaupt Unterschiede zu entdecken, selbst wenn sie vorhanden gewesen wären. Die Studie von Patney et al. (1973) war demzufolge als Nachweis der Wirksamkeit von LIV.52 wertlos.
Massive Nebenwirkungen in russischen Studien
In den 1980iger Jahren wurde bereits in russischsprachigen medizinischen Fachzeitschriften über erhebliche Nebenwirkungen von LIV.52 berichtet.
Aus der Abteilung für Infektionskrankheiten des zentralen Gebietskrankenhauses der russischen Stadt Penschikenta wurde ein Bericht bekannt, in dem sieben Patienten (drei mit chronischer, vier mit akuter infektiöser Hepatitis) während der Behandlung mit Liv.52 ein sog. Lyell-Syndrom entwickelt hatten (Mirov und Iunusova 1982).
Beim Lyell-Syndrom handelt es sich um die vom englischen Dermatologen Allan Lyell erstmals 1956 beschriebene Epidermiolysis acuta toxica, die auch als Necrolysis epidermica oder als Staphylococcal Scalded Skin Syndrome bezeichnet wird. Dabei schält sich innerhalb kürzester Zeit die Haut der Patienten unter entzündlicher Blasenbildung ab. Man nennt diese Erkrankung deshalb auch das »Syndrom der verbrühten Haut« (Roche 1993, Zetkin und Schaldach 1999).
Zwei der sieben von Mirov und Iunusova (1982) berichteten Patienten wurden von den Autoren im Rahmen einer ausführlichen Fallbeschreibung dargestellt.
Ein vierjähriger Junge, der am 23.09.1981 mit der Diagnose einer akuten infektiösen Hepatitis eingeliefert worden war, hatte am 1.10.1981 Liv.52 in einer Dosierung von 3 × tgl. 1 Tablette verschrieben erhalten. Bereits 9 Stunden nach der ersten Tabletteneinnahme klagte das Kind über Juckreiz. Es entwickelten sich erythematöse Flecken im Bereich des Bauches und der unteren Extremitäten. Es traten Atemnot und tonische Krämpfe hinzu, während das Fieber des Knaben auf 40°C kletterte. Als das Kind von den Ärzten untersucht wurde, stellten diese eine massiv erhöhte Atemfrequenz von 45-50 Atemzügen pro Minute fest, der Puls war auf 140 Schläge/Min. angestiegen und es waren vesikuläre Atemgeräusche zu hören. Der Rachen des Kindes war gereizt, der Bauch weich, die Leber vergrößert und druckschmerzhaft. Die Analyse des Blutes ergab 4.3 Mio. Erythrozyten/ml, einen Hb von 14.0 g/dl, 7.800 Leukozyten/ ml, eine Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit von 10 mm/h und einen Bilirubinspiegel von 2.3 mg/dl. Das Kind wurde u.a. mit Prednisolon (30 mg/ d) und Penicillin (6 × 300.000 Einheiten/d) behandelt und es erhielt auch eine i.v.-Schmerztherapie. Nach 3tägiger Therapie öffneten sich die mittlerweile im unteren Bereich des Körpers gebildeten, großflächigen Blasen und es erschienen Hauterosionen, die die Autoren u.a. mit vaselinhaltiger Salbe behandelten. Der Zustand des Jungen besserte sich nach 10tägiger Behandlung und nach dem 12. Tag waren die Hautläsionen in Narben übergegangen. Bei der Nachuntersuchung war festzustellen, dass der Junge pigmentierte Hautstellen an den Orten, wo sich die Blasen gebildet hatten, zurückbehalten hatte (Mirov und Iunusova 1982).
Die russischen Ärzte aus Penschikenta beschrieben ebenfalls den Krankheitsverlauf eines 72-jährigen Patienten, der mit der Diagnose einer infektiösen Hepatitis eingeliefert worden war. Am 1.11.1982 war dem Kranken eine Liv.52- Therapie in einer Dosierung von 3 × täglich 2 Tabletten verordnet worden. Bereits 11 Stunden später bildeten sich am Hals des Mannes fleckige Punkte aus, die papulösen Charakter hatten. Sie breiteten sich innerhalb kurzer Zeit auf die gesamte Haut des Patienten aus. Dazu kam generalisierter Juckreiz, die Augenlider schwollen an und es trat eine Konjunktivitis der Augen hinzu. Das Allgemeinbefinden verschlechterte sich stark. Die Körpertemperatur kletterte auf 39-40°C. Der Puls stieg auf 124-152 Schläge/Min., der Blutdruck betrug 90/60 mmHg und es war eine vesikuläre Atmung festzustellen. Die Leber hatte sich um 3 cm vergrößert. Am 3.11.1982 bildeten sich auf der Haut des Patienten große Blasen, die eine Größe von bis zu 10 × 12 cm erreichten und mit einer graublutigen Flüssigkeit gefüllt waren. Die Blutanalyse ergab 5.4 Mio. Erythrozyten/ml, 9.100 Leukozyten/ ml, einen Hämoglobinwert von 17.0 g/dl und eine Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit von 15 mm/h. Der Mann wurde u.a. ebenfalls mit Prednisolon (45 mg/d) und Penicillin (4 × 500.000 Einheiten/d) behandelt und mit einer i.v.-Schmerztherapie versorgt. Nach etwa sechs Tagen hatten sich die Flecken auf der Haut deutlich reduziert und die Blasen waren bis auf Pigmentflecken abgeschuppt. Bei einer später folgenden Nachuntersuchung (am 35. Tag) waren bis auf pigmentierte Hautflächen im Bereich der Blasenbildung keine Hautveränderungen zurückgeblieben. Nach 45 Tagen konnte der Patient in einem befriedigenden Zustand aus dem Krankenhaus entlassen werden (Mirov und Iunusova 1982).
Mirov und Iunusova (1982) hatten von drei Patienten mit chronischer Hepatitis berichtet, die nach Liv.52-Gabe innerhalb von 1-2 Tagen ein Lyell-Syndrom entwickelt hatten. Ihre Behandlung wurde in analoger Weise wie bei den bereits beschrieben Patienten mit akuter Hepatitis durchgeführt, jedoch zog sich hier die Therapie wesentlich länger hin. Die Heilung erfolgte sehr langsam, so dass die Kranken erst 2-3 Monate nach Beginn der Erkrankung entlassen werden konnten. Ein weiterer Fall, bei welchem ein russischer Patient unter Liv.52-Behandlung ein Lyell-Syndrom entwickelt hatte, wurden einige Jahre später von Simochkina et al. (1989) berichtet.
In Deutschland erschien – leider nur in Form einer kleinen Kurzzusammenfassung – eine Studie von Fleig et al. (1997) in einem medizinischen Fachjournal. Sie war an der Universität Halle-Wittenberg, Erlangen-Nürnberg und dem Royal Free Hospital in London durchgeführt worden und hatte 188 Patienten mit histologisch gesicherter alkoholischer Leberzirrhose zum Untersuchungsgegenstand gehabt. Die 155 Männer und 73 Frauen waren hinsichtlich ihres Zirrhosegrades nach der Child-Pugh-Skala eingruppiert worden. Nach dem Child-Pugh-Schema vergibt man für fünf Kriterien jeweils einen Punkt. Fleig et al. (1997) hatten sich nicht vollständig an diese Klasseneinteilung gehalten. In ihrer Untersuchung teilten sie Patienten mit 5-8 Child-Pugh-Punkten in die Gruppe 1 und Patienten mit 9-12 Child-Pugh-Punkten in die Gruppe 2 ein. Danach erhielten diese Patienten entweder täglich vier Liv.52-Tabletten oder Placebo. Die Auswertung ergab, dass die Patienten der beiden Untergruppen, deren Alkoholkonsum durch Befragung und Serum-/Urinproben bestätigt worden war, hinsichtlich soziodemographischer Parameter und Erkrankungsschwere vergleichbar waren.
Auf dieser Basis war es besonders erschreckend festzustellen, dass bei einer nach zwei Jahren stattfindenden Nachuntersuchung die Überlebensrate aller mit Liv.52 behandelten Alkoholiker 74.4% und jene der Placebotherapierten 86% betrug (p = 0.06). War diese Diskrepanz in der Gruppe 1 (5-8 Child-Pugh-Punkte) mit 83.4% versus 87.8% nicht signifikant (p = 0.56), so war bei den Personen der Gruppe 2 (9-12 Child-Pugh-Punkte) eine signifikant (p = 0.05) niedrigere Überlebensrate unter Liv.52-Therapie (53.5%) im Vergleich zu placebobehandelten Personen (80.8%) feststellbar. Eine multiple logistische Regressionsanalyse der Patientendaten erbrachte, dass ein direkter Zusammenhang zwischen der Compliance der Liv.52-Patienten und ihrem Mortalitätsrisiko bestand. Auf gut deutsch: je stärker sich die Liv.52-Patienten an die Liv.52-Medikation hielten, desto höher war ihr Sterberisiko. In der Liv.52-Gruppe waren 23 Patienten verstorben, unter Placebo nur 11 Patienten. Die Nachuntersuchung ergab, dass bei 22 der 23 Liv.52-Behandelten die Todesursache in Beziehung zum Leberleiden und/oder zu gastrointestinalen Blutungen stand, während solch ein Zusammenhang lediglich bei 3 der 11 placebotherapierten Patienten bestand. Fleig et al. (1997) schlossen aus diesen Resultaten, dass das ayurvedische Medikament Liv.52 den Krankheitsverlauf von Patienten mit alkoholbedingter Zirrhose dramatisch verschlechtert hatte.
von LIV.52 sollte man die Finger lassen! Liv.52 ist ein Cocktail aus sieben Pflanzenextrakten, angereichert mit dreiwertigen Eisens. Fe3+ kann die Wirksamkeit von Antibiotika mindern, in dem es mit ihnen schwer lösliche Komplexe im Bereich des Dünndarms bildet.
Eine Reihe der pflanzlichen Inhaltsstoffe können selbst Leberschäden oder Allergien verursachen. Der Pflanzenbestandteil Solanum nigrum kann, sofern dauerhaft eingenommen, Krebs befördern. Liv.52 ist kein Placebo, sondern als eine z.T. unkalkulierbare Pflanzenmixtur mit mutmaßlich weit über 100 verschiedenen Wirksubstanzen, die aus den einzelnen Pflanzen stammen.
Die Humanstudien, die die Vorzüge bei Liv.52 am Menschen preisen, sind überwiegend sehr alt und ausschließlich in Indien durchgeführt worden. Bei der bisher ersten, methodisch sauber strukturierten, klinischen Studie aus Europa, die Liv.52 bei Alkoholikern mit Leberzirrhose prüfte, resultierte eine erhöhte Sterberate der Patienten, die eindeutig mit der eingenommenen Liv.52-Menge in Zusammenhang stand. Kritik, die von wissenschaftlich verantwortlichen Repräsentanten der Himalaya Drug Company an dieser Studie geübt wurde, hält einer kritischen Nachprüfung nicht stand und erscheint offensichtlich zweckorientiert und substanzlos.
Interessanterweise werden negative Fallberichte aus Rußland, die z.T. fast 20 Jahre alt sind und eindeutig schwere Zwischenfälle direkt nach der Einnahme von Liv.52-Tabletten bei Kindern und Erwachsenen zeigen, von den Befürwortern des ayurvedischen Präparates konsequent ignoriert, obgleich sie frei zugänglich und mit einem gewissen Aufwand auch beschaffbar und übersetzbar sind.
Schadensfälle: massive Nebenwirkungen bekannt, Krebsgefahr durch die Beimengung des Schwarzen Nachtschattens nicht auszuschließen, dreiwertiges Eisen vermindert die Resorption bestimmter Fertigarzneimittel (Antibiotika). Fazit: fragwürdiger, möglicherweise sogar gesundheitsschädlicher Cocktail, der bei Leberpatienten gehäuft zu Todesfällen führte.
Quellennachweise
- Fleig WE, Morgan MY, Hoelzer MA: The ayurvedic drug liv.52 in patients with alcoholic cirrhosis. Results of a prospective, randomized, double-blind, placebo-controlled clinical trial. J Hepatol 26, Suppl., 1, 127, 1997
- Desai IV, Dudhia MV, Gandhi VK: A clinical study of infective hepatitis treated with Liv.52. Indian Pediatrics, 14, 197-202, 1977
- Mirov PM, Iunusova MA: Toxic epidermal necrolysis (Lyell's syndrome) after administration of Liv. 52. Klin Med (Mosk), 60, 97-98, 1982
- Nigam P, Dayal SG, Goyal BM, Nimkhedakar KV, Joshi LD, Samuel KC: Leprous hepatitis: clinico-pathological study and therapeutic efficacy of Liv.52. Lepr India, 50, 185-195, 1978
- Patney NI, Jasuja RK, Kumar A: Liv.52 - a new therapeutic agent in the management of steatorrhoea of cirrhosis of the liver. J Res Ind Med, 3, 28, 1973
- Ramalingam V, Sunderavalli N, Balgopal Raju V: Liv.52 studies in acute hepatitis. Indian Pediatr, 8, 839-842, 1971
- Roche: Lexikon der Medizin. Urban & Schwarzenberg, München, 3. Aufl., S.1029, 1993
- Sama SK, Krishnamurthy L, Ramachandran K, Lal K: Efficacy of an indigenous compound preparation(Liv-52) in acute viral hepatitis - a double blind study. Ind J Med Res, 64, 738-742, 1976
- Simochkina ZA, Velikata LA, Mikhailova VA: A case of Lyell's syndrome. Vrach Delo, 10, 91-92, 1989
- Zetkin M, Schaldach H: Lexikon der Medizin, 16. Aufl., Urban & Schwarzenberg, München, S.1209, 1999
- Ziegler R: Ayurveda & Co. Sanfte Killer aus Fernost. VRZ Verlag, Weiskirchen, 2001
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