Operation INFEKTION: Unterschied zwischen den Versionen
Abrax (Diskussion | Beiträge) |
Abrax (Diskussion | Beiträge) |
||
Zeile 32: | Zeile 32: | ||
[[image:Segal30.jpg|Artikel in indischer Zeitung|thumb]] | [[image:Segal30.jpg|Artikel in indischer Zeitung|thumb]] | ||
[[image:Segal31.jpg|Artikel in indischer Zeitung|thumb]] | [[image:Segal31.jpg|Artikel in indischer Zeitung|thumb]] | ||
− | + | Am 30. Oktober 1985 erschien ein Artikel zum Thema mit dem Titel "Panik im Westen — oder: Was steckt hinter der AIDS-Sensation" in der russischen "Literaturnaja Gazeta", in dem behauptet wurde, dass AIDS ein Produkt us-amerikanischer Biowaffenforschung gewesen sei, und infizierte amerikanische Soldaten hätten sodann das Virus als eine Art Versuchskaninchen weltweit verbreitet. Man berief sich dabei ausdrücklich auf den Leserbrief an den indischen "Patriot".<ref>Zapevalov,V. 1985, "Panik im Westen – oder: Was steckt hinter der AIDS-Sensation" (in Russisch), Literaturnaja Gaseta, 30. Oktober 1985</ref> | |
Anfang 1986 wurde das Gerücht von AIDS als Folge amerikanischer Biowaffenforschung mindestens fünfmal in russischen Medien erwähnt. Man berief sich hierbei auch auf einen Londoner Arzt namens John Seale, der selbst jedoch kein AIDS-Forscher war und an eine künstliche Herkunft des HIV glaubt. | Anfang 1986 wurde das Gerücht von AIDS als Folge amerikanischer Biowaffenforschung mindestens fünfmal in russischen Medien erwähnt. Man berief sich hierbei auch auf einen Londoner Arzt namens John Seale, der selbst jedoch kein AIDS-Forscher war und an eine künstliche Herkunft des HIV glaubt. | ||
Zeile 43: | Zeile 43: | ||
Um diese Zeit (1986) erschien auch ein 52 Seiten Büchlein von Ronald Dehmlow, [[Jakob Segal]] und Lilly Segal mit dem Titel "AIDS it's nature and origins", der im englischen Sprachraum auch als "Segal report" bekannt wurde. Die Autoren waren DDR-Wissenschaftler. Jakob Segal war habilitierter Biologe, seine Ehefrau Lilly Segal war Epidemilogin, Dehmlow Chemiker an der Humboldt Universität in Ost-Berlin. Der diesmal von Wissenschaftlern veröffentlichte "Segal report" änderte schlagartig die Situation: nun waren erstmals ernstzunehmende Forscher die Autoren und der report wartete mit Fachbegriffen und scheinbaren Fakten auf. US-amerikanische Behörden wurden aufmerksam, man sah das Ansehen der USA in der Welt gefährdet. Nach Erscheinen des Segal report nahmen Mitarbeiter der amerikanischen Botschaft in Berlin am 10. Oktober 1986 direkt Kontakt mit Lilly Segal auf um diese auf Unstimmigkeiten in der Veröffentlichung hinzuweisen. Lilly Segal soll die Hinweise zurückgewiesen haben und auf eine (heute nicht eruirbare) Veröffentlichung des Leipziger Verlags Urania hingewiesen haben, in dem Jakob Segal publizierte. Am gleichen Tag, den 10. Oktoer 1986 veröffentlichte die sowjetische Nachrichtenagentur TASS eine Pressemeldung zur Segal-Hypothese, die von mehreren Zeitungen der Dritten Welt unkritisch übernommen wurde. Ein veröffentlichter Artikel mit einem Jakob Segal-Interview in der eher als konservativ angesehenen (und somit glaubwürdiger erscheinenden) englischen Zeitung "London Sunday Express" vom 26. Oktober 1986 werte die Segal-Hypothese weiter auf und sorgte für weitere Aufmerksamkeit und zahlreiche Zitaten in Zeitungen von mehr als dreissig Ländern. Nach Ansicht westlicher Analysten soll danach die damalige Sowjetunion gezielt über Novosti versucht haben die Segal-Hypothesen in Afrika zu verbreiten, einem Kontinent in dem laut wissenschaftlichen Untersuchungen das HI-Virus herstammt und in dem die Bevölkerung (zumindest damals) am meisten von AIDS bedroht war. Afrikanischen Journalisten und Politikern wurde hierbei unterstellt ein grosses Interesse daran zu haben Afrika nicht als "Wiege von AIDS" erscheinen zu lassen und als besonders empfänglich für die Kampagne zu sein. Die zunehmende Zahl von Zeitungsberichten machte - insbesondere für Afrikaner und medizinische Laien – die Hypothese immer glaubwürdiger, afrikanische Politiker begannen vermehrt sich auf diese zu berufen. Auch in Indien erschienen Artikel zum Thema. | Um diese Zeit (1986) erschien auch ein 52 Seiten Büchlein von Ronald Dehmlow, [[Jakob Segal]] und Lilly Segal mit dem Titel "AIDS it's nature and origins", der im englischen Sprachraum auch als "Segal report" bekannt wurde. Die Autoren waren DDR-Wissenschaftler. Jakob Segal war habilitierter Biologe, seine Ehefrau Lilly Segal war Epidemilogin, Dehmlow Chemiker an der Humboldt Universität in Ost-Berlin. Der diesmal von Wissenschaftlern veröffentlichte "Segal report" änderte schlagartig die Situation: nun waren erstmals ernstzunehmende Forscher die Autoren und der report wartete mit Fachbegriffen und scheinbaren Fakten auf. US-amerikanische Behörden wurden aufmerksam, man sah das Ansehen der USA in der Welt gefährdet. Nach Erscheinen des Segal report nahmen Mitarbeiter der amerikanischen Botschaft in Berlin am 10. Oktober 1986 direkt Kontakt mit Lilly Segal auf um diese auf Unstimmigkeiten in der Veröffentlichung hinzuweisen. Lilly Segal soll die Hinweise zurückgewiesen haben und auf eine (heute nicht eruirbare) Veröffentlichung des Leipziger Verlags Urania hingewiesen haben, in dem Jakob Segal publizierte. Am gleichen Tag, den 10. Oktoer 1986 veröffentlichte die sowjetische Nachrichtenagentur TASS eine Pressemeldung zur Segal-Hypothese, die von mehreren Zeitungen der Dritten Welt unkritisch übernommen wurde. Ein veröffentlichter Artikel mit einem Jakob Segal-Interview in der eher als konservativ angesehenen (und somit glaubwürdiger erscheinenden) englischen Zeitung "London Sunday Express" vom 26. Oktober 1986 werte die Segal-Hypothese weiter auf und sorgte für weitere Aufmerksamkeit und zahlreiche Zitaten in Zeitungen von mehr als dreissig Ländern. Nach Ansicht westlicher Analysten soll danach die damalige Sowjetunion gezielt über Novosti versucht haben die Segal-Hypothesen in Afrika zu verbreiten, einem Kontinent in dem laut wissenschaftlichen Untersuchungen das HI-Virus herstammt und in dem die Bevölkerung (zumindest damals) am meisten von AIDS bedroht war. Afrikanischen Journalisten und Politikern wurde hierbei unterstellt ein grosses Interesse daran zu haben Afrika nicht als "Wiege von AIDS" erscheinen zu lassen und als besonders empfänglich für die Kampagne zu sein. Die zunehmende Zahl von Zeitungsberichten machte - insbesondere für Afrikaner und medizinische Laien – die Hypothese immer glaubwürdiger, afrikanische Politiker begannen vermehrt sich auf diese zu berufen. Auch in Indien erschienen Artikel zum Thema. | ||
− | Auf Ablehnung stiessen Segal's Hypothesen nicht nur bei Wissenschaftlern aus dem Westen, sondern auch bei DDR-Wissenschaftlern. Zu diesen gehörte der habilitierte Genetiker und Molekularbiologe Erhard Geißler (geb. 1930), damals Abteilungsleiter am Zentralinstitut für Molekularbiologie in Berlin-Buch sowie der Ostberliner Virologe Hans-Alfred Rosenthal. Sie beschlossen dazu einen kritischen Artikel in der "Zeitschrift für ärztliche Fortbildung" zu veröffentlichen. Unterstützung fanden sie im Honecker-Schwager Manfred Feist, dem Leiter der Abteilung Internationale Beziehungen des ZK der SED, der gemeint haben soll dass die Autoren zwar nicht die USA "verteidigen" sollten, aber sich andererseits auch ''kein Bonbon ans Hemd kleben lassen'' sollten, wie sich Geißler später erinnert. Widerstand kam jedoch von Kurt Seidel, dem Leiter der Abteilung Gesundheitspolitik des ZK der SED, der befürchtete Leser könnten annehmen, die CIA stecke hinter dem Artikel. Die Autoren in spe verzichteten darauf hin auf den Artikel. Geißler äußerte sich jedoch Anfang 1989 auf der Jahrestagung der amerikanischen "Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften" in San Francisco mit unmissverständlichen Worten zur Segal-Hypothese und wurde am 17. Januar 1989 von der westdeutschen dpa zitiert. Darin war von einem ''unappetitlichen Politthriller'' und von einem ''absoluten Unsinn'' die Rede, und die ''Gerüchte säten nur Misstrauen''. Als Geißler nach Berlin zurückkehrte, wurde er ins ZK bestellt. Professor Seidel informierte ihn, dass Jakob Segal sich wegen der dpa-Meldung an das Politbüro-Mitglied Hermann Axen gewandt hätte und Geißler mit der abgeschriebenen dpa-Meldung "denunziert" hätte. Für Geißler hatte das Ereignis wenige Monate vor der politischen Wende jedoch keine weiteren Folgen, da er auf die seiner Meinung nach falsche Argumentation von Segal hinwies. | + | Auf Ablehnung stiessen Segal's Hypothesen nicht nur bei Wissenschaftlern aus dem Westen, sondern auch bei DDR-Wissenschaftlern. Zu diesen gehörte der habilitierte Genetiker und Molekularbiologe Erhard Geißler (geb. 1930), damals Abteilungsleiter am Zentralinstitut für Molekularbiologie in Berlin-Buch sowie der Ostberliner Virologe Hans-Alfred Rosenthal. Sie beschlossen dazu einen kritischen Artikel in der "Zeitschrift für ärztliche Fortbildung" zu veröffentlichen. Unterstützung fanden sie im Honecker-Schwager Manfred Feist, dem Leiter der Abteilung Internationale Beziehungen des ZK der SED, der gemeint haben soll dass die Autoren zwar nicht die USA "verteidigen" sollten, aber sich andererseits auch ''kein Bonbon ans Hemd kleben lassen'' sollten, wie sich Geißler später erinnert. Widerstand kam jedoch von Kurt Seidel, dem Leiter der Abteilung Gesundheitspolitik des ZK der SED, der befürchtete Leser könnten annehmen, die CIA stecke hinter dem Artikel. Die Autoren in spe verzichteten darauf hin auf den Artikel. Geißler äußerte sich jedoch Anfang 1989 auf der Jahrestagung der amerikanischen "Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften" in San Francisco mit unmissverständlichen Worten zur Segal-Hypothese und wurde am 17. Januar 1989 von der westdeutschen dpa zitiert. Darin war von einem ''unappetitlichen Politthriller'' und von einem ''absoluten Unsinn'' die Rede, und die ''Gerüchte säten nur Misstrauen''. Als Geißler nach Berlin zurückkehrte, wurde er ins ZK bestellt. Professor Seidel informierte ihn, dass Jakob Segal sich wegen der dpa-Meldung an das Politbüro-Mitglied Hermann Axen gewandt hätte und Geißler mit der abgeschriebenen dpa-Meldung "denunziert" hätte. Für Geißler hatte das Ereignis wenige Monate vor der politischen Wende jedoch keine weiteren Folgen, da er auf die seiner Meinung nach falsche Argumentation von Segal hinwies.<ref>http://www.kai-berlin.de/vp/8.6/documents/9783897068896_all.pdf</ref><ref>http://www.kai-homilius-verlag.de/vp/8.6/documents/9783897068896_93.pdf</ref> |
==Das Stefan Heym - Interview in der "Taz" vom 18.2.1987== | ==Das Stefan Heym - Interview in der "Taz" vom 18.2.1987== | ||
Zeile 100: | Zeile 100: | ||
*Segal, Segal, Kiper: "AIDS, die Spur führt ins Pentagon", Essen, 1990 | *Segal, Segal, Kiper: "AIDS, die Spur führt ins Pentagon", Essen, 1990 | ||
*Kuno Kruse (Hrsg.): "AIDS - Erreger aus dem Genlabor?", Berlin, 1987 | *Kuno Kruse (Hrsg.): "AIDS - Erreger aus dem Genlabor?", Berlin, 1987 | ||
− | *Segal Lilly: Buch ''AIDS ist besiegbar. Die künstliche Herstellung, die Frühtherapie und deren Boykott'' | + | *Segal Lilly: Buch ''AIDS ist besiegbar. Die künstliche Herstellung, die Frühtherapie und deren Boykott'' |
+ | *Segal, Jakob. 1987, "Where does AIDS come from?", Moscow News, Nr. 17. | ||
==Artikel in Publikumszeitschriften== | ==Artikel in Publikumszeitschriften== | ||
+ | *"AIDS – Man-made in USA". Interview von Jakob Segal durch Stefan Heym. TAZ 18. Februar 1987. | ||
*"Rote Fahne": "Zum Tod des Schriftstellers Stefan Heym" von Anna Bartholomé, Ausgabe Nr.51/01 vom 20.12.2001 | *"Rote Fahne": "Zum Tod des Schriftstellers Stefan Heym" von Anna Bartholomé, Ausgabe Nr.51/01 vom 20.12.2001 | ||
*"Der Spiegel": Dem Schwachsinn eine Schneise", Ausgabe 37/2002 | *"Der Spiegel": Dem Schwachsinn eine Schneise", Ausgabe 37/2002 |
Version vom 26. Juni 2010, 00:18 Uhr
Die Operation INFEKTION (auch unter dem Decknamen "Operation VORWÄRTS II" bekannt[1]) war der Deckname eines erfolgreichen Desinformationsprogramms der Geheimdienste KGB und MfS der achziger Jahre zu einer angeblich künstlichen Herkunft des HI-Virus (Errger von AIDS). Den beiden Diensten gelang es über Jahre hinweg Gerüchte zu verbreiten, nach denen das HIV im Rahmen eines Biowaffenprogrammes in einer militärischen Forschungsstation in den USA entanden sei, und ausser Kontrolle geraten sei. Die Opration INFEKTION ist den historischen Verschwörungstheorien zu AIDS zuzuordnen.
Die Gerüchte und Hypothesen verbreiteten sich erfolgreich weltweit in mehreren "Schüben" in Printmedien und elektronischen Medien und wurden auch Themen in diversen veröffentlichten Büchern. Die Gerüchte und Hypothesen waren Gegenstand in etwa 200 verschiedenen Zeitschriften und Zeitungen aus etwa 80 Ländern.
Mit einbezogen waren wissentlich oder unwissentlich einige Wissenschaftler, Journalisten und Publizisten und Zeitschriften aus West und Ost. Unwissentlich oder wissentlich beteiligt an der Kampagne waren neben den beteiligten Geheimdiensten der emeritierte DDR-Biologe Jakob Segal (1911- 1995) und seine Frau Lilly Segal, sowie der DDR-Autor Stefan Heym, die englische "London Sunday Express", die Berliner "Die Tageszeitung" (taz) und die MLPD-Zeitung "Rote Fahne".
Allerdings war bereits zu Beginn der Kampagne sowohl beobachtenden Wissenschaftlern und Fachleuten als auch US-Behörden klar, dass es sich um Spekulationen und/oder geplante Desinformation handelte. Rückschläge für die Kampagne waren auch kritische Stimmen zu den Gerüchten aus der damaligen UdSSR und der DDR. Die Kampagne geriet letzendlich auch ausser Kontrolle und entwickelte eine Art Eigendynamik als später rechte, libertäre Kreise in den USA sich auf die erfundenen Behauptungen beriefen und diese als ein Beispiel für eine angebliche Unterwanderung staatlicher und militärischer Einrichtungen durch russische Agenten bezeichneten. Die gleichen Kreise nutzten die Gerüchte auch zu Verschwörungstheorien gegen die verhassten eigenen staatlichen Einrichtungen.
Die Kampagne war insbesondere auf die öffentliche Meinungsbildung und politische Entscheidungsträger in der "Dritten Welt" (insbesondere Afrika und Indien) und auf "linke Kreise" innerhalb der "Ersten Welt" (damalige BR Deutschland) gezielt. Im Endeffekt trug die Kampagne mit dazu bei, dass sich in Afrika eine skeptische Meinung zu wissenschaftlichen Hypothesen der HIV-Herkunft verbreitete, die die späteren staatlich gelenkten AIDS-Therapie-Richtlinien in einigen afrikanischen Staaten beeinflussten.
Zum Ablauf und Einzelheiten der Kampagne liegen mittlerweile eine Fülle an Informationen und Zeugenaussagen vor, die eine heutige Rekonstruktion der Ereignisse ermöglicht. Die Segal-Hypothese zur Entstehung von HIV ist bereits zu Beginn überzeugend widerlegt worden, ehemalige KGB- und MFS-Mitarbeiter haben sich zu den geheimdienstlichen Hintergründen öffentlich geäussert. Im August 1987 entschuldigte sich Gorbatschow für die inzwischen von ihm gestoppte KGB-Kampagne, die das Verhältnis der UdSSR zu den USA belastete.
Auch heute noch, nachdem mehrere damalige Beteiligte sich zu ihrer Beteiligung äusserten und die Herkunft des HI-Virus sehr viel besser verstanden ist, wird eine vermeintliche "man – made" Herkunft dieses Virus – und damit von AIDS – weiter als eine populäre Verschwörungstheorie verbreitet.
Der Beginn
Der Beginn der Kampagne war laut Analysten der amerikanischen CIA und auch nach Berichten der deutschen Presse ein Leserbrief (letter to the editor: AIDS may invade India) eines anonymen amerikanischen Forschers und Antropologen vom 16. Juli 1983 in der indischen Zeitschrift "Patriot" aus New Delhi, die allgemein als eine "linke Zeitung" eingeschätzt wurde. Der Autor, der anonym bleiben wolle, behauptete in seinem Leserbrief, dass AIDS das Ergebnis amerikanischer Biowaffenforschung des Pentagon sei, die ausser Kontrolle geraten sei. Hastig hätten zudem die Virus-Schöpfer versucht die tatsächlichen Ursachen zu vertuschen und diese ins Ausland zu verlagern. Nach anderen Angaben sei dieser Leserbrief jedoch erst 1984 im "New Delhi Patriot" erschienen.[2] In einer Reihe von Zeitungsartikeln, die sich später auf den Leserbrief beziehen, wird jedoch dieser oft als "Artikel" gewertet, bzw "aufgewertet". Die Veröffentlichung des Leserbriefs geschah zu einer Zeit als die Krankheit AIDS erst kurz zuvor als vermeintlich "neue Krankheit" identifiziert wurde und als Infektionskrankheit durch ein Virus erkannt wurde, was weltweit Anlass zu großer Besorgnis und Aufmerksamkeit war, da keine Therapie oder Impfung bekannt war. Auch waren die damaligen wissenschaftlichen Befunde zu HIV und AIDS widersprüchlicher als heute. Laut amerikanischen Analysten folgte die Kampagne einem ihnen bekannten Muster, nämlich gezielt Zeitungsartikel in Dritte Welt Ländern oder Publikationen anderer kommunistischer Staaten zu plazieren um sodann sich darauf als Quelle berufen zu können.[3]
Einzelheiten zur Segal-Hypothese
Laut Behauptungen von Jakob Segal sei es als wahrscheinlich anzunehmen, dass das HIV das Ergebnis militärischer Biowaffenforschung sei. Enstanden sei das Virus in einem Sicherheits P4-Labor (Gebäude 550) des "United States Army Medical Research Institute of Infectious Diseases" (USAMRIID) in Fort Detrick, im US-Bundesstaat Maryland. Im Jahre 1977 wurde dort ein P4-Labor der höchsten Sicherheitsstufe errichtet worden sein, wenige Jahre vor dem Auftreten der ersten AIDS-Fälle in den USA. Segal geht von der Annahme einer engen Verwandschaft zwischen HI-Virus einerseits und dem Maedi-Visna-Virus der Schafe andererseits (ebenfalls ein Lentivirus und retrovirus). Eine weitere Ähnlichkeit sah er zum HTLV-1 Virus und er ging davon aus, dass das HI-Virus in Fort Detrick als Produkt gentechnischer Forschung Ende 1977-Anfang 1978 entstanden sei. Nach der geglückten Erschaffung des HI-Virus sei dieses an Strafgefangenen getestet worden. Viele von diesen seien während ihrer Haftzeit homosexuell geworden und hätten nach ihrer Freilassung gleichgesinnte gesucht, auf die sie dann unwissentlich die Erreger übertragen hätten.
Segal erklärt dabei nicht, warum in diesem Falle die Inkubationszeit recht kurz gewesen sein soll, und warum ausgerechnet die angeblich infizierten "Homosexuellen" aus Maryland als AIDS-Patienten im entfernten New York auftauchten.
Zur eigentlichen Urheberschaft seiner Hypothesen äusserte sich Segal am 8. Januar 1991 in einem veröffentlichten Leserbrief an die FAZ. Die "Fort-Detrick-Hypothese" sei nicht vom sowjetischen Geheimdienst ausgedacht worden, sondern: Meine Mitarbeiter und ich sind also die einzigen Autoren dieser Theorie, gegen die zur Zeit keine wissenschaftlich fundierten Argumente mehr vorgebracht werden und die daher als die einzig korrekte Darstellung des Geschehens angesehen werden muss.
Verlauf der Kampagne
Am 30. Oktober 1985 erschien ein Artikel zum Thema mit dem Titel "Panik im Westen — oder: Was steckt hinter der AIDS-Sensation" in der russischen "Literaturnaja Gazeta", in dem behauptet wurde, dass AIDS ein Produkt us-amerikanischer Biowaffenforschung gewesen sei, und infizierte amerikanische Soldaten hätten sodann das Virus als eine Art Versuchskaninchen weltweit verbreitet. Man berief sich dabei ausdrücklich auf den Leserbrief an den indischen "Patriot".[4]
Anfang 1986 wurde das Gerücht von AIDS als Folge amerikanischer Biowaffenforschung mindestens fünfmal in russischen Medien erwähnt. Man berief sich hierbei auch auf einen Londoner Arzt namens John Seale, der selbst jedoch kein AIDS-Forscher war und an eine künstliche Herkunft des HIV glaubt. [5]
Im September 1986 verbreitete Segal auf der "Konferenz der blockfreien Staaten" in Zimbabwe ein gemeinsam mit seiner Frau und einem weiteren Koautor verfasstes Manuskript über "Aids: USA Home-made Evil, Not Made in Africa". Darin wurde behauptet, der "hausgemachte amerikanische Teufel" (gemeint war das HIV) sei durch Zusammenbau des Erbmaterials zweier Viren in einem Labor des Biowaffeninstitutes der US-Armee in Fort Detrick erzeugt worden.
Am 26.10.1986 ging die englische Zeitung "The Guardian" auf Seale’s Hypothesen ein und zitierte ironischerweise dabei den russischen AIDS-Forscher Viktor Zhadanov, der die Vorwürfe von Seale aus wissenschaftlicher Sicht verwarf, und somit die Kampagne störte. Zhadanov war damals selbst Mitglied der kommunistischen Partei und in Russland anerkannter Forscher.
Um diese Zeit (1986) erschien auch ein 52 Seiten Büchlein von Ronald Dehmlow, Jakob Segal und Lilly Segal mit dem Titel "AIDS it's nature and origins", der im englischen Sprachraum auch als "Segal report" bekannt wurde. Die Autoren waren DDR-Wissenschaftler. Jakob Segal war habilitierter Biologe, seine Ehefrau Lilly Segal war Epidemilogin, Dehmlow Chemiker an der Humboldt Universität in Ost-Berlin. Der diesmal von Wissenschaftlern veröffentlichte "Segal report" änderte schlagartig die Situation: nun waren erstmals ernstzunehmende Forscher die Autoren und der report wartete mit Fachbegriffen und scheinbaren Fakten auf. US-amerikanische Behörden wurden aufmerksam, man sah das Ansehen der USA in der Welt gefährdet. Nach Erscheinen des Segal report nahmen Mitarbeiter der amerikanischen Botschaft in Berlin am 10. Oktober 1986 direkt Kontakt mit Lilly Segal auf um diese auf Unstimmigkeiten in der Veröffentlichung hinzuweisen. Lilly Segal soll die Hinweise zurückgewiesen haben und auf eine (heute nicht eruirbare) Veröffentlichung des Leipziger Verlags Urania hingewiesen haben, in dem Jakob Segal publizierte. Am gleichen Tag, den 10. Oktoer 1986 veröffentlichte die sowjetische Nachrichtenagentur TASS eine Pressemeldung zur Segal-Hypothese, die von mehreren Zeitungen der Dritten Welt unkritisch übernommen wurde. Ein veröffentlichter Artikel mit einem Jakob Segal-Interview in der eher als konservativ angesehenen (und somit glaubwürdiger erscheinenden) englischen Zeitung "London Sunday Express" vom 26. Oktober 1986 werte die Segal-Hypothese weiter auf und sorgte für weitere Aufmerksamkeit und zahlreiche Zitaten in Zeitungen von mehr als dreissig Ländern. Nach Ansicht westlicher Analysten soll danach die damalige Sowjetunion gezielt über Novosti versucht haben die Segal-Hypothesen in Afrika zu verbreiten, einem Kontinent in dem laut wissenschaftlichen Untersuchungen das HI-Virus herstammt und in dem die Bevölkerung (zumindest damals) am meisten von AIDS bedroht war. Afrikanischen Journalisten und Politikern wurde hierbei unterstellt ein grosses Interesse daran zu haben Afrika nicht als "Wiege von AIDS" erscheinen zu lassen und als besonders empfänglich für die Kampagne zu sein. Die zunehmende Zahl von Zeitungsberichten machte - insbesondere für Afrikaner und medizinische Laien – die Hypothese immer glaubwürdiger, afrikanische Politiker begannen vermehrt sich auf diese zu berufen. Auch in Indien erschienen Artikel zum Thema.
Auf Ablehnung stiessen Segal's Hypothesen nicht nur bei Wissenschaftlern aus dem Westen, sondern auch bei DDR-Wissenschaftlern. Zu diesen gehörte der habilitierte Genetiker und Molekularbiologe Erhard Geißler (geb. 1930), damals Abteilungsleiter am Zentralinstitut für Molekularbiologie in Berlin-Buch sowie der Ostberliner Virologe Hans-Alfred Rosenthal. Sie beschlossen dazu einen kritischen Artikel in der "Zeitschrift für ärztliche Fortbildung" zu veröffentlichen. Unterstützung fanden sie im Honecker-Schwager Manfred Feist, dem Leiter der Abteilung Internationale Beziehungen des ZK der SED, der gemeint haben soll dass die Autoren zwar nicht die USA "verteidigen" sollten, aber sich andererseits auch kein Bonbon ans Hemd kleben lassen sollten, wie sich Geißler später erinnert. Widerstand kam jedoch von Kurt Seidel, dem Leiter der Abteilung Gesundheitspolitik des ZK der SED, der befürchtete Leser könnten annehmen, die CIA stecke hinter dem Artikel. Die Autoren in spe verzichteten darauf hin auf den Artikel. Geißler äußerte sich jedoch Anfang 1989 auf der Jahrestagung der amerikanischen "Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften" in San Francisco mit unmissverständlichen Worten zur Segal-Hypothese und wurde am 17. Januar 1989 von der westdeutschen dpa zitiert. Darin war von einem unappetitlichen Politthriller und von einem absoluten Unsinn die Rede, und die Gerüchte säten nur Misstrauen. Als Geißler nach Berlin zurückkehrte, wurde er ins ZK bestellt. Professor Seidel informierte ihn, dass Jakob Segal sich wegen der dpa-Meldung an das Politbüro-Mitglied Hermann Axen gewandt hätte und Geißler mit der abgeschriebenen dpa-Meldung "denunziert" hätte. Für Geißler hatte das Ereignis wenige Monate vor der politischen Wende jedoch keine weiteren Folgen, da er auf die seiner Meinung nach falsche Argumentation von Segal hinwies.[6][7]
Das Stefan Heym - Interview in der "Taz" vom 18.2.1987
Einen medialen Durchbruch erfuhren Jakob Segals Hypothesen in (West-)Deutschland erst mit einem Interview das Jakob Segal dem DDR-Buchautor Stefan Heym in der Westberliner "Die Tageszeitung" am 18. Februar 1987 gewährte. Das Ehepaar Heym war mit dem Ehepaar Segal befreundet. Nach vorliegenden Zeugenaussagen muss hier angenommen werden, dass das Ministerium für Staatssicherheit der DDR steuernd im Hintergrund tätig war. Der damalige taz-Feuilletonredakteur Arno Widmann war von einem Mitarbeiter des DDR-Aussenministeriums angesprochen worden und besuchte Stefan Heym in Berlin-Grünau. Heym präsentierte das fertige Manuskript und bot es zur Veröffentlichung an - oder die taz solle es eben bleiben lassen. Biologielaie Widman habe dann entschieden, es sei "besser, einen Heym im Original im Blatt zu haben als keinen Heym", so Widmann im Rückblick.
Die russische Nachrichtenagentur TASS übernahm Segals Hypothesen am 30.3.1987. In dem Interview versuchte Segal seine Hypothesen plausibel zu machen. Nicht zu seinen Vermutungen passende Beobachtungen und alternative Hypothesen bezeichnete Segal dabei selbst als Verschwörungstheorie, etwa die Beobachtung dass sich nah mit HIV verwandte Viren bei bestimmten afrikanischen Affenarten gefunden wurden. Der "Taz" war die Entscheidung zur Veröffentlichung des Interviews nicht leichtgefallen, wie sich mehr als 20 Jahre später herausstellte, als in der "Taz" im Jahre 2010 noch einmal auf die damalige Veröffentlichung eingegangen wurde. Aber bereits zehn Tage nach dem Heym-Segal Interview entschloss man sich bei der Taz Kritik an Segal's Ansichten zu veröffentlich. So erschien am 28.02.1987 ein Artikel mit dem Aufmacher Die Kontrahenten - Eine "unerhörte" Theorie über man-made AIDS, in der Segal's Kritiker zu Wort kamen. Zitiert wurde der Virologe Meinrad Koch der Segal's Hypothese der HIV-Herkunft vom Virus HTLV-I und des Maedi-Visna Virus an Hand eines Vergleichs der Nukleotidsequenzen widerlegte (Zitat: "HIV ist kein gentechnologisches Produkt"..."Blödsinn"..."Ein übles, scheinwissenschaftliches politisches Machwerk"). Erkennbar wurde, dass die Taz die Segal-Ansichten zwar einerseits in Zweifel zog (..starke Zweifel..), aber andererseits wollte man aus nicht genau nachvollziehbaren Gründen ..daß die Thesen diskutiert werden.. Dies, obwohl Segal lediglich Vermutungen anstellte und keine Beweise vorlegte. Die Taz befand sich Februar 1987 noch in einer Anfangsphase. Ein Exklusivinterview mit dem prominenten Stefan Heym war sehr verlockend, andererseits schreckten die Behauptungen von Segal ab. Letzendlich entschloss man sich zur Veröffentlichung.
Segal, der sich nie von seinen Ansichten zur Biowaffenherkunft des HIV distanzierte, veröffentlichte zwei Jahre später im Jahre 1990 (nach der "Wende") ein Buch mit dem Titel "Die Spur führt ins Pantagon". Auch der Biologe Manuel Kiper, ehemals wissenschaftlicher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag und MdB von 1994 bis 1998 vertrat die These des Ehepaars Segal und verbreitete sie in zwei Büchern weiter. Eine weitere sehr frühe Veröffentlichung von Segal’s Hypothesen finden sich auch im Werk "AIDS Erreger aus dem Genlabor" des Taz-Mitarbeiters Kuno Kruse aus dem Jahre 1987. Kruse geht in seinem Werk (siehe Bild rechts) zwar auch auf Kommentare und Kritik von Experten zur Frage ein, stellt diese aber de facto gleichwertig vor.
Sendung "Panorama" (ARD) Januar 1992
Am 28. Januar 1992 sendete die ARD einen Panorama-Beitrag zu Jakob Segal, seinen Behauptungen zu AIDS und berichtete in der Sendung über die Beteiligung des MfS. Laut Panorama seien sowohl Stefan Heym als auch der Autor Mario Simmel (der ein Buch auf Basis der Hypothesen schrieb) über die geheimdienstlichen Hintergründe zur Verbreitung der Desinformation informiert gewesen. Jakob Segal widersprach später in einer veröffentlichten Erklärung den Panorama-Aussagen und berief sich dabei auch auf eine "Diskussion" aus dem Jahre 1984 über die Herkunft des HI-Virus auf einem Jahrestreffen der "American Academy for the Advancement of Science", sowie auf einen mit zehn Millionen Dollar dotierten "Auftrag" aus dem Jahre 1969 ein "synthetisches AIDS-like Virus" herzustellen. Auch hätte er in der DDR ein Publikationsverbot in Sachen AIDS, die US-Botschaft, das DDR-Gesundheitsministerium und die Stasi hätten ihn "kontaktiert".
Die Perversion der Kampagne in den USA
Auch nach dem Ende der geheimdienstlichen Desinformationsbemühungen blieben die Behauptungen und Verschwörungstheorien populär, verselbständigten sich und erfuhren im Laufe der Zeit erstanliche Wandlungen und wurden für andere Zwecke verwendet und umformuliert.
Der amerikanische Verschwörungstheoretiker, Medizinlaie und ehemalige Offizier Thomas E. Bearden (Tom Bearden) ist ein typischer Verbreiter von Ansichten zu einer künstlichen Herkunft des HI-Virus.[8]
Ein William C. Douglass (Mitglied der "John Birch Society") glaubte in seinem Buch "AIDS: The end of civilization" bei AIDS den KGB am Werk zu sehen, der heimlich über in amerikanische Institutionen eingeschleuste Agenten das als "künstlich erzeugt" angenommene Virus in die amerikanische Biowaffenforschung und darüber hinaus in die Bevölkerung verbreitet zu haben. Hiermit bezog er sich auf die Gerüchte um die vermeintliche Herkunft des Virus aus einem geheimen Biowaffenlabor in den USA. Ziel der eigentlichen Operation sei es die "westliche Gesellschaft" auszurotten. Er folderte Quarantänemassnahmen gegen AIDs-Infizierte. Wie sein Sinnesgenosse Robert Strecker glaubte Douglass an eine Mittäterschaft der WHO, die dabei gehilflich gesen sei das Virus weltweit zu verbreiten. Strecker behauptete in einem kommerziellen Video dass das HIV über Impfmassnahmen der WHO (gegen Polio) verbreitet würde. Um diese Zeit entstanden auch Verschwörungstheorien um eine Verbreitung des HIV durch Polio-Impfprogramme in Afrika (Alan Cantwell). Cantwell neigte ebenfalls der Hypothese des "man-made HIV" zu, liess die Frage jedoch letzendlich offen. Seiner Meinung nach sei das Virus im Rahmen einer "New Order Politik" geschaffen worden um Homosexuelle auszurotten. Analog entstanden zu dieser Zeit auch Verschwörungstheorien um AIDS als auf Menschen schwarzer Hautfarbe gezielte tödliche Krankheit.
Die Beteiligung der Nachrichtendienste
Dem russischen KGB-Überläufer Vasili Mitrokhin (Wassili Nikititsch Mitrochin) gelang es 1992, eine große Menge Geheimmaterial in die britische Botschaft in Litauen zu schmuggeln, die er im Lauf von zwölf Jahren heimlich im KGB-Archiv kopiert hatte, zu dem er als Leiter des Archivs Zugang hatte. Aus seinen Unterlagen wurde die Verantwortung des KGB mit Nennung des Namens Segal ersichtlich [9]. Der englische Historiker Christopher Andrew veröffentlichte zusammen mit Vasili Mitrokhin das Buch "The Sword and the Shield" (Verlag Basic Books 1999).
Nach dem Ende der DDR enthüllten zwei ehemalige MfS-Offiziere der Abteilung "Desinformation" (Abteilung X der Auslandsspionageeinheit HVA) ebenfalls diesen Vorgang [10][11][12][13].
Dass es eine vom KGB ausgehende Desinformation zur AIDS-Entstehungsgeschichte gab, wird 1990 auch vom ehemaligen KGB-Offizier Oleg Gordijewski in einem Buch "The KGB - The Inside Story" behauptet [14]. In seinem Buch The River behauptet zudem der englische Journalist Edward Hooper dass der ehemalige Leiter des russischen Auslandsnachrichtendienstes SWR (Sluschba Wneschnei Raswedki) und ehemalige stellvertretende Leiter des KGB, Jewgeni Maximowitsch Primakow eine entsprechende Verbreitung von Falschmeldungen zur Aids-Entstehungsgeschichte bestätigt hätte [15]
Das Ende der Desinformationskampagne
Die Kampagne wurde auch den damaligen Regierungen der UdSSR und DDR offensichtlich zur Last angesichts des Ende des "kalten Krieges" und politischen Veränderungen in der UdSSR. US-Aussenminister George Shultz beschwerte sich bei Michail Gorbatschow über die Kampagne. Laut Artikel in "Der Spiegel" von 2002 entschuldigte sich Gorbatschow im August 1987 schriftlich bei US-Diplomaten für die Kampagne seines Geheimdienstes.[16] Gleichzeitig stoppte er zu diesem Zeitpunkt alle entsprechenden Aktivitäten des KGB.
DDR-Botschafter berichteten dem DDR-Aussenministerium von zunehmender Kritik an den wissenschaftlich nicht haltbaren Anschuldigungen.
Heutige Anhänger der ehemaligen Desinformationskampagne "Operation INFEKTION" sind heute die Schweizer "Sterbeforscherin" Elisabeth Kübler-Ross, aber auch der deutsche Schlagersänger Christian Anders.[17]
Die Folgen
Experten nahmen die Gerüchte zum "man-made" Ursprung des HIV nicht ernst, zu groß waren die Widersprüche zu etabliertem Wissen zu HIV und AIDS. Kein einziger klinisch tätiger Virologe vertrat die Hypothesen. Die Kampagne lenkte jedoch von den tatsächlichen Untersuchungsergbnissen zu den Ursprüngen des Virus ab.
Des weiteren konnte erfolgreich ein Klima der Verunsicherung um AIDS und wirksamen Therapien erzielt werden, was sich insbesondere in Ländern der "Dritten Welt" auf die Therapierichtlinien bei AIDS auswirkte.
Noch im April 2001 meinte der libysche Staatschef Muammar Al Gaddafi auf der afrikanischen AIDS-Gipfelkonferenz: Laboratorien des US-Geheimdienstes, der CIA, haben Viren zur biologischen Kriegsführung benutzt, was zur Entstehung des AIDS-Erregers geführt hat. Sam Nujoma, der Präsident von Namibia, sagte im gleichen Monat, dieses Virus sei während des Vietnam-Krieges im Rahmen des US-amerikanischen Biowaffenprogrammes entwickelt worden. Ein Jahr später wurden diese Behauptungen von einem Minister Namibias wiederholt.
Literatur
- Erhard Geißler: Anthrax und das Versagen der Geheimdienste, Berlin Kai Homilius Verlag, 2003.ISBN 3-89706-889-3
- David Brion Davis: Encyclopedia of conspiracy theories in amercan history", Volume 1, Verlag ABC CLIO
- Andres Vaart, Thomas Boghardt, Terrence J Finnegan, Mark T Clark, Brian Janiskee, David Robarge, Hayden Peake, Kenneth A Daigler: Operation INFEKTION - Soviet Bloc Intelligence and Its AIDS Disinformation Campaign, Journal of the American Intelligence Professional, Volume 53, Heft 4, Dezember 2009
- Christopher Andrew and Vasili Mitrokhin, The Mitrokhin Archive: The KGB in Europe and the West, Gardners Books (2000), ISBN 0-14-028487-7, Seite 319
- John O Koehler: Stasi: The Untold Story of the East German Secret Police; Westview Press, 1999, Seite 260
- Oleg Gordievsky, "The KGB - The Inside Story"
- Disinforming the world: Operation INFEKTION. The Wilson Quarterly, 22.3.2010
- Edward Hooper, "The River", Little Brown and Company, 1999, ISBN 0-316-37261-7, Seite 154
- Segal, Segal, Kiper: "AIDS, die Spur führt ins Pentagon", Essen, 1990
- Kuno Kruse (Hrsg.): "AIDS - Erreger aus dem Genlabor?", Berlin, 1987
- Segal Lilly: Buch AIDS ist besiegbar. Die künstliche Herstellung, die Frühtherapie und deren Boykott
- Segal, Jakob. 1987, "Where does AIDS come from?", Moscow News, Nr. 17.
Artikel in Publikumszeitschriften
- "AIDS – Man-made in USA". Interview von Jakob Segal durch Stefan Heym. TAZ 18. Februar 1987.
- "Rote Fahne": "Zum Tod des Schriftstellers Stefan Heym" von Anna Bartholomé, Ausgabe Nr.51/01 vom 20.12.2001
- "Der Spiegel": Dem Schwachsinn eine Schneise", Ausgabe 37/2002
- FAZ, Artikel vom 15. Oktober 2004
- DER SPIEGEL, Heft 37/2003 vom 8. September 2003, Seite 64
Weblinks
- http://blogs.taz.de/hausblog/2010/01/12/schwul-durch-lange-haft/
- http://www.taz.de/?id=archivseite&dig=1987/02/28/a0083
- http://www.taz.de/?id=archivseite&dig=1987/02/28/a0082
- http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=hi&dig=2010/01/09/a0021&cHash=7c6cade87e
- http://ostblog.blog.de/2010/01/11/unglaubliche-ost-west-kgb-stasi-story-7735736/
- http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2010/0111/medien/0007/index.html
- http://www.zeit.de/wissen/2010-01/aids-virus-verschwoerung
- http://www.tagesspiegel.de/wissen/das-aidsvirus-als-geschoepf-des-klassenfeinds/1371428.html
Quellennachweise
- ↑ Decknamen dienstlicher Operationen werden traditionell in Großbuchstaben geschrieben
- ↑ David Brion Davis: Encyclopedia of conspiracy theories in amercan history, Volume 1, ABC CLIO, Seite 42
- ↑ Andres Vaart, Thomas Boghardt, Terrence J Finnegan, Mark T Clark, Brian Janiskee, David Robarge, Hayden Peake, Kenneth A Daigler: Operation INFEKTION - Soviet Bloc Intelligence and Its AIDS Disinformation Campaign, Journal of the American Intelligence Professional, Volume 53, Heft 4, Dezember 2009
- ↑ Zapevalov,V. 1985, "Panik im Westen – oder: Was steckt hinter der AIDS-Sensation" (in Russisch), Literaturnaja Gaseta, 30. Oktober 1985
- ↑ John Seale, "Origins of the AIDS Viruses, HIV-1 and HIV-2: Fact or Fiction?", The British Journal of the Royal Society of Medicine, 1988 (81: 617-619).
- ↑ http://www.kai-berlin.de/vp/8.6/documents/9783897068896_all.pdf
- ↑ http://www.kai-homilius-verlag.de/vp/8.6/documents/9783897068896_93.pdf
- ↑ Thomas E. Bearden: Buch AIDS Biological Warfare, 1988
- ↑ Christopher Andrew and Vasili Mitrokhin, The Mitrokhin Archive: The KGB in Europe and the West, Gardners Books (2000), ISBN 0-14-028487-7, Seite 319
- ↑ Artikel in der FAZ vom 15. Oktober 2004
- ↑ John O Koehler: Stasi: The Untold Story of the East German Secret Police; Westview Press, 1999, Seite 260
- ↑ DER SPIEGEL 37/2003 vom 8. September 2003, Seite 64
- ↑ Sendung der ARD Panorama vom 9. März 1992
- ↑ Oleg Gordievsky, The KGB - The Inside Story
- ↑ Edward Hooper, The River, Little Brown and Company, 1999, ISBN 0-316-37261-7, Seite 154
- ↑ "Der Spiegel": Dem Schwachsinn eine Schneise", Ausgabe 37/2002
- ↑ Christian Anders: Buch "Der Mann, der Aids erschuf"