Airnergy: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Psiram
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Zeile 12: Zeile 12:
 
Die hier thematisierte Wellness/Alternativmedizin Methode hat nichts mit den in der Medizin eingesetzten Sauerstoff-Konzentratoren zu tun, die bei Menschen mit Herzinsuffizienz oder anderen schweren Erkrankungen eingesetzt werden.
 
Die hier thematisierte Wellness/Alternativmedizin Methode hat nichts mit den in der Medizin eingesetzten Sauerstoff-Konzentratoren zu tun, die bei Menschen mit Herzinsuffizienz oder anderen schweren Erkrankungen eingesetzt werden.
 
==Insolvenz 2007==
 
==Insolvenz 2007==
Vorgängerin der Airnergy&nbsp;AG war die Natural Energy Solutions&nbsp;AG, die im September 2007 in Insolvenz geriet.<ref>[http://www.ksta.de/html/artikel/1187344893573.shtml Verkaufen, um nicht zu schließen] Kölner Stadt-Anzeiger, 4. September 2009</ref> NES betrieb bis zur Insolvenz "Atemluftstudios" und öffnete eine eigene Motorsportabteilung. Aufsichtsrat war bereits damals Guido Bierther, Vorstand war auch seinerzeit Jürgen Dressler, ein Führungskräftecoach aus dem Umfeld des Airnergy-Fans Elmar Wienecke, mit Kontakten zu [[Dietrich Grönemeyer]]. Elmar Wienecke wurde mit dem Innovationspreis der [[Stiftung für Gesundheit und Umwelt]] (SfGU) bedacht, die der Pharmafirma Hepart AG (Schweiz) zuzuordnen ist, und die [[Nahrungsergänzungsmittel]] (so genannte "Mikronährstoffe") herstellt. Wienecke will in zwei Studien eine Wirksamkeit von Airnergy nachgewiesen haben. Die 2013 von Wienecke gegründete Stiftung für Mikronährstoffe - Prävention, Gesundheit und Lebensqualität startete an der Fachhochschule des Mittelstands in Bielefeld einen Masterstudiengang "Mikronährstofftherapie und Regulationsmedizin".
+
Vorgängerin der Airnergy&nbsp;AG war die Natural Energy Solutions&nbsp;AG, die im September 2007 in Insolvenz geriet.<ref>[http://www.ksta.de/html/artikel/1187344893573.shtml Verkaufen, um nicht zu schließen] Kölner Stadt-Anzeiger, 4. September 2009</ref> NES betrieb bis zur Insolvenz "Atemluftstudios" und öffnete eine eigene Motorsportabteilung. Aufsichtsrat war bereits damals Guido Bierther, Vorstand war auch seinerzeit Jürgen Dressler, ein Führungskräftecoach aus dem Umfeld des Airnergy-Fans Elmar Wienecke, mit Kontakten zu [[Dietrich Grönemeyer]]. Elmar Wienecke wurde mit dem Innovationspreis der [[Stiftung für Gesundheit und Umwelt]] (SfGU) bedacht, die der Pharmafirma Hepart AG (Schweiz) zuzuordnen ist, und die [[Nahrungsergänzungsmittel]] (so genannte "Mikronährstoffe") herstellt. Wienecke will in zwei Studien (Veröffentlichungen in „medical sportsnetwork“ und OM & Ernährung) eine Wirksamkeit von Airnergy nachgewiesen haben. Die 2013 von Wienecke gegründete Stiftung für Mikronährstoffe - Prävention, Gesundheit und Lebensqualität startete an der Fachhochschule des Mittelstands in Bielefeld einen Masterstudiengang "Mikronährstofftherapie und Regulationsmedizin".
  
 
==Die Methode==
 
==Die Methode==

Version vom 7. Januar 2022, 11:27 Uhr

(Bild: equilibrauk)
Airnergy für Pferde
Jörg Klemm

Airnergy (auch Airnergy-Spirovitaltherapie) ist der Handelsname eines umstrittenen, Energie-Tankstelle genannten Gerätes der Firma Airnergy AG (vormals "Natural Energy Solutions AG", NES), das laut Hersteller in der Lage sein soll, als "Atmungsergänzung" Luftsauerstoff in eine körpergerechte Form zu bringen, um ihn für den Organismus besser nutzbar zu machen. Damit ist dieses Produkt im erweiterten Sinn als eine Anwendung von Sauerstoffwasser aus dem Spektrum der Sauerstoff-Therapien zu sehen. Ziel des "Energietankstellen"-Produktes sei es, "jeder einzelnen Körperzelle mehr Sauerstoff" zuzuführen, den Sauerstoffverbrennungsprozess zu "optimieren", um dem Körper einen "Energieschub" zu gewähren. Vorteile für den Kunden ergäben sich bei diversen Krankheiten, wie Tinnitus, Gedächtnisstörungen, Herz-Kreislauf, Diabetes, bis zur postoperativen Behandlung nach Herztransplantationen. Ebenso sollen Alterungsvorgänge in den Organen gebremst werden. Des Weiteren werden anekdotische Berichte über angebliche Wunderheilungen von MS-Patienten verbreitet.

Die Geräte werden in Hennef bei Bonn hergestellt und sollen 5.000 bis 7.000 Euro kosten. Nach NES-Angaben sollen bereits 9.000 Geräte verkauft worden sein. Aufsichtsratsvorsitzender ist Guido Bierther. Erfinder ist der ehemalige Heilpraktiker Jörg Klemm. Ärztliche Anwender der Geräte können ihren Kunden für 20 Minuten feuchtwarme Luft 20 IGEL-Euro berechnen, im Wellnessbereich dagegen 5 Euro. Die Krankenkasse erstattet diese Kosten nicht. Die Geräte werden mit diversen Tricks vermarktet, so z.B. über unkritisch bis werbend gestaltete Nennungen durch den "MDR-Fernseharzt" Thomas Höhn als Studiogast bei n-tv oder Hademar Bankhofer. Werbung findet sich auch bei TimeToDo von Norbert Brakenwagen.

Zielgruppe sind offenbar Sportler und Sportfunktionäre. Entsprechend kam auch Fußballtrainer Ottmar Hitzfeld zu Wort: "Sehr gerne haben meine Frau und ich seit mittlerweile fünf Monaten regelmäßig 'geatmet'. Die Airnergy-Methode wollen wir wegen der vielen guten Erfahrungen nicht mehr missen."

Gründer der Airnergy AG war der ehemalige deutsche Schwimmer, Heilpraktiker und Softwareentwickler Silko Günzel (geb. 2. Juni 1971).[1] Weitere von Günzel gegründete Unternehmen sind die Medical Biophysics GmbH und die Günzel Medical Consulting & Development UG. Die Medical Biophysics GmbH aus Potsdam bot neben einem Produkt active air auch ein active water an, die Firma wurde aber im Februar 2010 wegen Insolvenz aufgelöst. Günzel ist auch Erfinder des VNS-Analysesystems (iVNS Med) für den IPad, das die Herzfrequenzvariabilität auswertet sowie einer "Elektrophysiologischen Terminalpunktdiagnose" (ET-Diagnose, siehe auch: Energetische Terminalpunktdiagnose nach Mandel). Die Firma Airnergy verweist auf die HRV zum Nachweis des eigenen Verfahrens.

Die hier thematisierte Wellness/Alternativmedizin Methode hat nichts mit den in der Medizin eingesetzten Sauerstoff-Konzentratoren zu tun, die bei Menschen mit Herzinsuffizienz oder anderen schweren Erkrankungen eingesetzt werden.

Insolvenz 2007

Vorgängerin der Airnergy AG war die Natural Energy Solutions AG, die im September 2007 in Insolvenz geriet.[2] NES betrieb bis zur Insolvenz "Atemluftstudios" und öffnete eine eigene Motorsportabteilung. Aufsichtsrat war bereits damals Guido Bierther, Vorstand war auch seinerzeit Jürgen Dressler, ein Führungskräftecoach aus dem Umfeld des Airnergy-Fans Elmar Wienecke, mit Kontakten zu Dietrich Grönemeyer. Elmar Wienecke wurde mit dem Innovationspreis der Stiftung für Gesundheit und Umwelt (SfGU) bedacht, die der Pharmafirma Hepart AG (Schweiz) zuzuordnen ist, und die Nahrungsergänzungsmittel (so genannte "Mikronährstoffe") herstellt. Wienecke will in zwei Studien (Veröffentlichungen in „medical sportsnetwork“ und OM & Ernährung) eine Wirksamkeit von Airnergy nachgewiesen haben. Die 2013 von Wienecke gegründete Stiftung für Mikronährstoffe - Prävention, Gesundheit und Lebensqualität startete an der Fachhochschule des Mittelstands in Bielefeld einen Masterstudiengang "Mikronährstofftherapie und Regulationsmedizin".

Die Methode

Sauerstoff-Singulett

Über eine Nasenbrille atmet der Kunde Luft ein, die von dem Airnergy-Produkt mit "Energie angereichert" sein soll. Verantwortlich für die "Energieanreicherung" sei die Produktion von Singulett-Sauerstoff. Es gehe also nicht darum, dem Körper mehr Sauerstoff zuzuführen (was die Sauerstoffsättigung im Blut ggf. anheben würde), sondern um "besseren" Singulett-Sauerstoff als angeblich "physiologisch aktiven Sauerstoff". Allerdings kommt der Einatmende nach NES-Angaben gar nicht direkt in Kontakt mit Singulett-Sauerstoff, sondern nur mit der Energie, die an anwesende Wasserdampfmoleküle abgegeben werde. Über die Art dieser Energie sind jedoch keine weiteren Angaben zu erfahren. Es kann sich hierbei um eine Erwärmung oder die Abstrahlung von Licht handeln.

Singulett-Sauerstoff

Das Zellgift Singulett-Sauerstoff ist der niedrigste Anregungszustand des molekularen Sauerstoffs. Die geringe Anregungsenergie von 0,98 eV reicht jedoch als Aktivierungsenergie für verschiedene oxidative Prozesse aus, die Zellschäden innerhalb seiner Diffusionsreichweite auslösen kann, die bis zum Zelltod reichen können.[3] Am Produktionsort von Singulett-Sauerstoff kommt es zu einer oxidativen Schädigung der DNA (Purinbasen). Dabei ist Singulett-Sauerstoff äußerst kurzlebig. Nach 10-9 bis 10-4 Sekunden hat er sich in Triplet-Sauerstoff umgewandelt, wobei es drei Möglichkeiten gibt:

  • Bei Singulett-Sauerstoff, dessen Elektronen auf zwei π*-Orbitalen verteilt sind, erfolgt der Übergang durch einfache Spinumkehr eines Elektrons, wobei Energie in Form roten Lichts (759,6 nm) abgegeben wird.
  • Singulett-Sauerstoff, dessen Elektronen sich in einem π*-Orbital befinden, hat zwei Möglichkeiten, in den Grundzustand zurückzukehren. Durch die Spinumkehr und den Wechsel zu dem anderen π*-Orbital eines Elektrons wird Energie in Form nicht sichtbaren Lichts abgegeben.
  • Zwei Singulett-Sauerstoffmoleküle können aber auch einfach ein Elektron ohne dessen Spinumkehr austauschen, wodurch sich beide Moleküle wieder im Triplet-Zustand befinden. Hierbei wird Energie in Form roten Lichts (633,4 nm) frei.

Nachgewiese Unwirksamkeit musste per Gerichtsbeschluss bestätigt werden

Die Natural Energy Solutions AG in Hennef wollte zu werbewirksamen Studienergebnissen kommen und nahm mit Wissenschaftlern Kontakt auf. Eine Studie sollte die angeblich leistungssteigernde Wirkung ihrer Atemluft-Aufbereitungstechnologie Airnergy bestätigen. Doch als die beauftragten Forscher um die Sportwissenschaftlerin Petra Platen von der Ruhr-Uni Bochum keinen Unterschied zum Placebo fanden (O-Ton Platen: "Wir haben keine Unterschiede in der Leistungsentwicklung zwischen der Verumgruppe und der Placebogruppe gefunden."), verweigerte die Firma die ausstehende Zahlung an die Wissenschaftlerin mit dem Vorwurf, Platen habe sich nicht an das abgesprochene Studienprotokoll gehalten. Die Parteien trafen sich vor dem Landgericht Köln, wo die Wissenschaftlerin Recht bekam. Das Forschungsergebnis möchte Platen später in einem Fachmagazin veröffentlichen. In der Werbung für Airnergy taucht die "amtliche Unwirksamkeitsbestätigung" nicht auf.

Um die Plausibilität des eigenen Verfahrens zu erhöhen, wird auch auf eine Nachweisbarkeit von Effekten durch die ansonsten für ganz andere Fragestellungen genutzte Herzfrequenzvariabilität verwiesen.

Gefahren des Sauerstoffs

Sauerstoff ist nicht nur eine Voraussetzung für das Leben des menschlichen Organismus, sondern kann bei zu hoher Konzentration schädliche Folgen haben. Wenn man reinen Sauerstoff oder Luft mit einem höheren Sauerstoffanteil über längere Zeit einatmet, kann es zur Vergiftung der Lunge, dem so genannten Lorrain-Smith-Effekt kommen. Dabei werden die Lungenbläschen (Lungenalveolen) durch Anschwellen in ihrer normalen Funktion gehindert.

Auch das Zentralnervensystem kann durch Sauerstoff geschädigt werden (Paul-Bert-Effekt). Bei Sauerstoff-Teildrücken oberhalb 1,7 bar kommt es innerhalb relativ kurzer Zeit zu einer Vergiftung. Symptome dafür sind Krampfanfälle, ähnlich einer Epilepsie. Die Anfälle beginnen zumeist mit Zuckungen im Bereich des Mundes und der Augenlider, zuvor können schnellerer Puls, Übelkeit, Schwindelgefühl, Kopfschmerzen, innere Unruhe, Ohrgeräusche und Röhrensehen als erste Signale auftreten. Anfälle können aber auch schlagartig in Erscheinung treten. Atemprobleme, die sich in einer schnellen, flachen Atmung verbunden mit Erstickungsgefühlen und Beklemmungen äußern, bilden dann die Überleitung, bis es sehr schnell zu toxischen Krämpfen des ganzen Körpers kommt und Bewusstseinsverlust eintritt.

RCA Airnergy Charger

RCA Airnergy Charger

Unter dem Produktnamen "Airnergy" vermarktet RCA (Radio Corporation of America) eine mit einem USB-Stecker versehene Antenne, die WLAN-Signale und andere elektromagnetische Signale in einen schwachen elektrischen Strom (Energie im Mikrowatt-Bereich) umwandeln soll, um damit Batterien aufzuladen.[4][5] Dieses 40 US-Dollar teure Gerät hat jedoch nichts mit dem hier thematisierten pseudomedizinischen Produkt zu tun.

Konkurrenz

Ein ähnliches Konzept ist SOE air-Therapie (Air+ S.O.E.) der Kölner Firma Air+ S.O.E. GmbH[6], sowie die SET (Sauerstoff-Energie-Therapie).

Quellennachweise