Zungendiagnostik: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 1. März 2009, 17:38 Uhr

Die chinesische Zungendiagnostik gehört zur traditionellen chinesischen Medizin (TCM) und muss in deren historisch-diagnostischem Kontext verstanden werden. Aus westlicher Sicht hat die Zungendiagnostik nur wenig Nutzen, obgleich unstrittig ist, dass man die Zunge in gewisser Weise auch als Diagnostikum verwenden kann. In der Hochschulmedizin wird aber aus der reinen Betrachtung der Zunge - und sei diese auch noch so genau - deshalb im Idealfall nur eine grobe, orientierende Diagnostik erstellt, weil die Veränderungen der Zunge unspezifisch sind und in Wirklichkeit keiner speziellen Erkrankung zugeschrieben werden können.

In der TCM, die traditionell einen im Vergleich zum Westen geringen anatomisch-physiologischen und laborchemischen Anteil aufweist, ist dies anders. Dort versucht man, aufgrund äußerlicher Veränderungen der Zunge auf innere Erkrankungen zu schließen. Dies ist naturwissenschaftlich gesehen falsch bzw. zwangsläufig mit der Gefahr von Fehldiagnosen verbunden. Trotzdem sollte man sich das Denkmodell der Zungendiagnostik ansehen, um es kritisch bewerten zu können.

Damit farbliche Veränderungen der Zunge gut festgestellt werden können, ist Tageslicht am besten. Ist es notwendig, die Untersuchung am Abend durchzuführen, sollte am besten Neonlicht verwendet werden. Die Zunge soll locker herausgestreckt werden, denn ein zu kräftiges Herausstrecken der Zunge kann die Zungenfarbe verändern. Die Beobachtungszeit soll deshalb auch kurz sein. Wenn notwendig, soll man die Zunge mehrmals, mit kurzen Pausen dazwischen, beobachten. Außerdem ist es notwendig, sich zu vergewissern, ob die Farbe des Belags nicht durch die Einwirkung von Speisen, Getränken oder Arzneien verändert ist (z.B. durch Erdbeeren, Oliven, Tee oder Tabak dunkelbraun bis schwarz, durch Mandarinen und Eigelb gelb). Häufig wird auch die Oberfläche des Belags durch die Einwirkung von Speisen und Getränken abgeschabt bzw. weggespült. Man prüft folgende Bereiche:

  • Ist Belag vorhanden?
  • Ist der Belag, falls vorhanden, dick oder dünn?
  • Ist der Belag, falls vorhanden, fett?
  • Welche Farbe hat der Belag?
  • Hat der Belag Flecken oder Punkte?
  • Ist der Zungenkörper normal, dick (geschwollen) oder dünn (schmal)?
  • Gibt es Risse?
  • Welche Farbe hat der Zungenkörper?

Wichtige Aspekte bei der Betrachtung des Zungenkörpers sind seine Vitalität, seine Form, seine Farbe und seine Beweglichkeit. Eine gesunde Zunge hat eine angepasste Form, ist hellrot (blassrot), beweglich und hat einen dünnen, weißlichen und feuchten Belag. Sie ist feucht und glänzend. Eine solche Zunge deutet auf eine gesunde Fülle von Qi, Blut und Säfte hin. Eine junge Zunge hat noch viel Qi, Vitalität, Kraft. Sie ist lebhaft und fein strukturiert. Im Krankheitsfalle weist sie auf ein Leere- oder Kälte-Syndrom hin. Eine alte Zunge ist hart und matt, das Zungengewebe ist rau. Sie zeigt einen chronischen Zustand an. Die Reserven sind schon in Anspruch genommen.

Von einer geschwollenen (dicken, großen) Zunge spricht man, wenn die Zunge entweder dick (insbesondere an den Zungenrändern) oder breit ist. Mitunter füllt sie den gesamten Mundraum aus. Eine geschwollene Zunge deutet immer auf eine Feuchtigkeitsproblematik hin: Der Mittlere Erwärmer kann die Säfteproduktion nicht ausreichend kontrollieren, so dass Feuchtigkeit als Abfallsprodukt entsteht. Ist die Zunge rötlich und geschwollen, ist dies ein Hinweis auf Feuchtigkeit und Hitze. Eine blasse und geschwollene Zunge zeigt hingegen Feuchtigkeit und Kälte.

Bei der schmalen oder dünnen (mageren) Zunge handelt es sich um das Gegenstück zur geschwollenen Zunge. Schmal bezieht sich dabei auf die Breite der Zunge, dünn auf die Wandstärke (Dicke). Eine dünne (schmale) und kleine Zunge ist Folge von Trockenheit im Körper, d.h. einer Schwäche des Blutes, der Säfte und des Yin. Eine blasse (blass-rote) und dünne (schmale) Zunge ist Hinweis auf eine Qi- und Blutschwäche, eine schmale (dünne) und dunkelrote (scharlachrote) Zunge hingegen zeigt eine Yin-Schwäche mit sekundärer Hitze an.

Eine rissige Zunge zeigt ein fortgeschrittenes Stadium einer Schwäche im Yin-Bereich an. Eine Ausnahme bilden angeborene Risse, die nicht als pathologisch angesehen werden. Ist die Zunge blass, ist die Problematik mehr im Bereich des Blutes, ist sie rot, hingegen mehr im Bereich des Yin.

Zahnabdrücke sind Folge einer schon chronischen Fehlfunktion (Qi-Schwäche) des Verdauungsapparates, die oft konstitutionell (mit-)bedingt ist und sich durch schlechte Ernährung noch weiter verschlechtert.

Die Zungenfarbe zeigt an, ob Hitze oder Kälte vorliegt und, je nach Farbveränderung, wie tief die Krankheit eingedrungen ist. Die Farben des Zungenkörpers reichen von hellrot über dunkelrot, bordeaux, purpur bis schwarz bzw. von hellrot über blass, bläulich und lila bis hin zu blau und schließlich schwarz. Die Helligkeit oder Dunkelheit der Farbe deutet darauf hin, ob die Krankheit oberflächlich ist oder in der Tiefe eingedrungen. Allgemein gilt, dass je blasser (heller) der Zungenkörper ist, desto deutlicher ist der Hinweis auf eine Schwäche von Qi und Blut aber auch auf eine Verlangsamung der dynamischen Prozesse, d.h. auf Kälte. Nimmt hingegen die Rötung zu, ist dies ein Hinweis auf eine gesteigerte Dynamik der energetischen Prozesse, d.h. auf Hitze.

Generell zeigt die blasse (blass-weiße: sie ist etwas blasser als eine normale Zunge) Zunge eine Qi- und Yang-Schwäche oder eine Schwäche von Qi und Blut. Die Abstufung der Farben im 'blassen Bereich' geht - gereiht nach der Schwere der Erkrankung - von blass über bläulich und lila bis hin zu blau und schließlich schwarz.

Allgemein zeigt eine rote Zunge (sie ist etwas röter und dunkler als eine Zunge im Normalzustand) Hitze und Feuer an. Je dunkler die Farbe, desto tiefer ist die Hitze eingedrungen. Die rote Zunge ist generell relativ dünn und klein und ihre Oberfläche trocken. Vielfach finden sich auf der Zungenoberfläche zudem Risse. Die Abstufung der Farben 'im roten Bereich' geht - gereiht nach der Schwere der Erkrankung - von feuerrot über dunkelrot nach bordeaux und schließlich schwarz.

Die Beweglichkeit der Zunge zeigt schwerwiegende Blockaden der Meridiane und Wind-Symptome an. Eine einseitige Zunge (sie ist deutlich ungleich, unsymmetrisch) oder eine zur Seite hängende Zunge (sie wird schief herausgestreckt) ist Hinweis auf einen (vorausgegangenen oder bevorstehenden) Hirnschlag. Eine rote und zitternde Zunge (der Zungenkörper zittert, er kann nicht kontrolliert werden) ist Hinweis auf Inneren Wind. Eine blasse und zitternde Zunge weist auf Inneren Wind infolge einer unzureichenden Ernährung der Muskeln mit Qi und Blut hin. Die sich von selbst (unaufhörlich) bewegende Zunge ist Folge von Innerem Wind.

Der Zungenbelag ist grundsätzlich Ausdruck der Verdampfungsfunktion des Magens und zeigt die Qualität des Magen-Qi an. Betrachtet werden beim Zungenbelag seine Dicke, seine Beschaffenheit und seine Farbe. Beim gesunden Menschen ist der Zungenbelag weißlich und dünn, weder zu trocken noch zu feucht, weder zu glatt noch zu rauh. Der Zungenbelag zeigt das Ausmaß der Fülle an, die Folge eines eingedrungenen pathogenen Einflusses ist oder aber falscher Ernährungsgewohnheiten. Dringt ein pathogener Einfluss in den Organismus ein , ist der Belag anfangs dünn. Erreicht die pathogene Energie in der Folge tiefere Schichten des Organismus, wird der Belag dicker. Eine Fehlfunktion des Verdauungsapparates führt ebenfalls zu dicken Belägen. Ein dünner (und ausreichend vorhandener) Belag weist im allgemeinen auf eine oberflächliche und nicht schwerwiegende Erkrankung hin. Ein dicker Belag zeigt an, dass ein pathogener Einfluss ins Innere des Organismus eingedrungen ist, oder aber ist ein Hinweis auf eine Funktionsstörung im Verdauungstrakt. Generell zeigt ein feuchter Zungenbelag (die Zunge ist feucht und glatt), dass die Körperflüssigkeiten nicht verletzt sind. Ist der Belag jedoch sehr flüssig (glitschig) und durchsichtig oder halbdurchsichtig, und die Zunge glänzt, so deutet dies auf eine Feuchtigkeitsproblematik hin. Ein trockener Belag (eine trocken erscheinende, matte Zunge mit wenig Speichel) deutet auf Hitze und eine Erschöpfung der Säfte hin. Der fette Belag besteht aus sehr feinen, dichten Körnern, die sich nur schwer entfernen lassen. Ein fetter und klebriger Belag deutet auf eine Schleim-Problematik hin.

Die 'Landkarten-Zunge' (die Zunge ist nicht gleichmäßig belegt) weist auf eine Fehlfunktion des Verdauungstraktes, auf eine Schwäche seiner Extraktionsfähigkeit hin. Eine blasse Zunge ohne Belag zeigt eine Qi-Schwäche des Magens (und überhaupt des Verdauungstraktes) an. Eine rote Zunge ohne Belag zeigt einen Qi- und zugleich einen Yin-Mangel des Magens (Verdauungstraktes) an. Von einem Teilbelag spricht man, wenn der Belag nur einen Teil der Zunge bedeckt. Ein Teilbelag im Bereich der Zungenspitze kann beispielsweise auf eingedrungene pathogene Einflüsse hinweisen, ein Teilbelag im der Zungenmitte auf eine Fehlfunktion des Mittleren Erwärmers (Verdauungstrakt) und ein Teilbelag im Bereich des Zungengrundes auf Fehlfunktion des Unteren Erwärmers. Der verwurzelte Belag (er lässt sich schwer abkratzen, ist fest mit dem Zungenkörper verbunden) deutet insbesondere auf Hitze oder einen tief eingedrungenen pathogenen Einfluss hin. Lässt sich der Belag hingegen leicht ablösen, ist die Krankheit nicht so tief eingedrungen.

Die Yin-Farben entfalten sich von blass über weiß, lila, bläulich und violett bis hin zu schwarz. Die Yang-Farben entfalten sich von hellgelb über braun und dunkelbraun bis hin zu schwarz (trocken). Der dünne weiße, weißliche Zungenbelag deutet vor allem auf eine äußere Erkrankung und auf Kälte hin. Er findet sich auch bei harmlosen Symptomen und harmlosen chronischen Erkrankungen. Der gelbe, gelbliche Zungenbelag deutet auf innere Erkrankungen und Hitze hin. Seine Nuancen gehen von Hellgelb über Dunkelgelb und Braun bis hin zu Verbrannt-Gelb. Ein blass-gelber Belag weist auf die Präsenz von relativ harmloser Hitze hin, ein dunkelgelber Belag auf eine gefährliche Hitze und ein verbrannt-gelber Belag (gelb-schwärzlich) auf eine Hitze-Ansammlung im Inneren. Der braune, bräunliche Zungenbelag deutet auf eine Schleim-Problematik hin. Der graue Zungenbelag (er zeigt eine bis ins Schwarz gehende Farbe) weist auf eine Erkrankung im Inneren, verbunden mit Kälte oder Hitze hin. Der schwarze (gelblich-schwarze) Zungenbelag ist - als Fortsetzung des grauen Belags - ein Zeichen von extremer Hitze oder extremer Kälte im Körper.

Diese Einsichten in die Denkweise der TCM sollten nicht als tatsächliches Diagnostikum fehlinterpretiert werden. Es zeigt jedoch, dass man aufgrund der der TCM zugrunde liegenden medizinischen Ansichten die Zunge als eine auf diese Denkwelten gestützte Diagnostikmöglichkeit in China benutzt. Man sollte nicht vergessen, dass die Zungendiagnose nur ein kleiner Teil der TCM ist und dass sie in China in der naturwissenschaftlich orientierten Medizin eine untergeordnete Rolle spielt. Man benutzt sie, wie im Westen, als grob orientierendes Hilfsmittel und setzt dann mit Spezialuntersuchungen (z.B. Blutuntersuchungen) im Verdachtsfalle nach. Als alleiniges Diagnostikum wird die Zunge weder in der TCM noch in der westlichen Medizin benutzt!

Dieser Text ist ganz oder teilweise von Paralex übernommen