Therapeutic Touch: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 8. September 2013, 11:20 Uhr
Therapeutic Touch (TT) ist eine markenrechtlich geschützte pseudomedizinische Methode des Handauflegens und Geistheilens. Erfinderinnen der vitalistischen Methode mit Wellnesscharakter sind Dolores Krieger und Dora Kunz.
Therapeutic Touch gilt als die am häufigsten wissenschaftlich untersuchte Methoden aus diesem Bereich. Eine Wirksamkeit, die über allgemeine Effekte durch Zuwendung und Placeboeffekte hinausgingen, konnte bei diesen Untersuchungen nicht festgestellt werden. TT-Behandler konnten ihre behauptete Fähigkeit, ein so genanntes "Energiefeld des Menschen" (siehe: Aura) wahrzunehmen, unter kontrollierten Bedingungen nicht demonstrieren.
Die Miterfinderin Dolores Krieger, Mitglied der Pflegeschule der New Yorker Universität, vertrat seit Beginn der frühen 1970er Jahren die Meinung, dass die Gesundheit eines Menschen von einer harmonischen Wechselbeziehung zwischen ihm und seiner gesamten Umgebung beeinflusst werde. Krieger spekulierte, dass "Energien" vom Individuum in die Umgebung und von der Umgebung zum Individuum flössen und diese Wechselbeziehung bei Erkrankten gestört sei. Diese Energie - von Krieger Prana oder "life force" (siehe auch Lebenskraft, vis vitalis des historischen Vitalismus) genannt - könne bei erkrankten Personen durch einen Heiler, der Therapeutic Touch anwende, wieder zum Fließen gebracht werden. Herausgehoben wurde dabei, dass der Patient nicht an die Behandlung glauben müsse und die mangelnde Überzeugung des Behandelten keinerlei Einfluss auf den positiven Heilungserfolg habe. Die Behandlungsweise des Therapeutic Touch basiert darauf, dass das Energiefeld des Patienten durch den Therapeuten entdeckt und beeinflusst werden kann.
Das Gesamtkonzept erhielt den Namen Therapeutic Touch, ist aber auch unter anderen Bezeichnungen verbreitet, so z.B. Touch of Healing. Ähnliche Methoden sind Touch for Health (TFH, Gesund durch Berühren, auch Touch for Health Applied Kinesiology) oder Quantum Touch. Wie bei fast allen Methoden aus diesem Bereich sind Abgrenzungen mit Hilfe des Markenrechts zu beobachten: die jeweiligen Erfinder sichern sich die Markenrechte, um sich das kommerzielle Monopol ihrer eigenen Methode zu sichern und dadurch bei der Preisgestaltung für Seminarangebote, Therapeuten-Diplome und Literatur frei zu sein.
Methode
Beim Therapeutic Touch werden mit den Händen Bewegungen in der Nähe des Behandelten ausgeführt. Zu einem Körperkontakt soll es dabei nicht kommen.
- Zu Beginn einer TT-Sitzung findet das "centering exercise" statt. Damit ist eine kurze Meditationsphase gemeint, die Behandler und Patient zusammen verbringen. Der Behandler versucht dabei, sich auf die Heilung zu konzentrieren. (Aus rechtlichen Gründen behaupten TT-practitioner jedoch stets, nicht selbst zu heilen, sondern stattdessen den Behandelten bei einer "Selbstheilung" zu unterstützen. Auf diese Weise glauben Medizinlaien in Deutschland als TT-practitioner behandeln zu können, ohne gegen das Heilpraktikergesetz zu verstossen)
- In einer folgenden "assessment"-Phase bewegt der Behandler seine Hand wenige Zentimeter über der bekleideten Körperoberfläche hin und her, um vermutete Unterschiede und Ungleichgewichte der angenommenen "Energie" (Human Energy Field -HEF) zu nennen.
- Die letzte Phase ist das "unruffling". Dabei wird das HEF mit der Hand hin oder herbewegt. Auch werden schüttelnde Handbewegungen ausgeführt, als ob der Behandler Wasser abschütteln wolle. Dadurch sollen überschüssige Energiefelder quasi weggewedelt werden.
Anwendung in Krankenhäusern
In den USA wurde die Methode durch intensive Lobbyarbeit insbesondere unter Krankenschwestern bekannt gemacht. Dort sollen angeblich 50.000 Krankenschwestern kostenpflichtig in TT ausgebildet worden sein. Die "North American Nursing Diagnosis Association" erfand dazu eine angebliche Krankheit mit der pseudomedizinischen Bezeichnung "Energy Field Disturbance" (Störung des Energiefeldes), die mit TT behandelt werden soll.
Der Skandal von TT-Empfehlungen des kalifornischen "Board of Registered Nursing" (CBRN) führte 2009 zur Absetzung von Board-Mitgliedern durch Gouverneur Arnold Schwarzenegger.[1]
In Deutschland wird Therapeutic Touch am St. Gertrauden-Krankenhaus in Berlin von Krankenschwestern, Krankenpflegern und Ärzten eingesetzt. In einem von der ARD gesendeten Videobetrag "Heilende Botschaften" (2010) wurde bekannt, dass Patienten dieses Berliner Krankenhauses die TT-Methode jederzeit anfordern können und diese Methode ein selbstverständlicher Teil der Pflege sei. Im Video wurden Anwendungen auf einer Intensivstation, in der Chirurgie und während eines chirurgischen Eingriffs gezeigt. Zur Begründung wurde in dem Video behauptet, dass es mit Hilfe von TT möglich sei, auf telepathischem Wege Zellen in einer Laborschale zur Abgabe therapeutisch wirksamer Substanzen anzuregen.[2]
Dolores Krieger und Dora Kunz
Dolores Krieger arbeitete als Krankenpflege-Ausbilderin an der New York University. Zusammen mit Dora van Gelder Kunz (Dora Kunz, 1904-1999) erfand sie die Methode im Jahr 1972. Kunz ist Theosophin und war von 1975 bis 1987 Präsidentin der "Theosophical Society in America".[3][4]
Der Emily Rosa-Versuch
Die US-Schülerin Emily Rosa führte 1996 mit einem einfachen Versuchsaufbau die TT-Lehren von Dolores Krieger ad absurdum. Der 9-jährigen Emily Rosa kam beim Betrachten eines Videos über Therapeutic Touch eine zündende Idee. Da die Anhänger der Bewegung die Existenz des Prana nur postuliert hatten, wollte sie untersuchen, ob die Heiler überhaupt in der Lage waren, das "Energiefeld" von Patienten wirklich zu erspüren. Schließlich kann man keine Energiefelder manipulieren, wenn man nicht einmal in der Lage ist, das Energiefeld korrekt zu erkennen. Emily dachte sich deshalb einen ganz schlichten Versuchsaufbau aus, der hier dargestellt ist. Ein Pappkarton trennte die Heiler von Emily. Die Heiler streckten nur ihre Hände durch zwei Löcher des Kartons, um die Energie Emilys zu spüren.
Den ersten Versuchsdurchlauf führte Emily im Alter von 9 Jahren selbständig durch, da sich die 15 freiwillig teilnehmenden Therapeuten im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Abschlussarbeit am Ende der 4. Schulklasse beteiligten. Die beiden Hände der Teilnehmer lagen auf dem Handrücken, die Handflächen nach oben geöffnet und ungefähr 20-30 cm auseinander. Emily fuhr stets mit ihrer rechten Hand im Abstand von 8-10 cm über eine der beiden Hände des Therapeutic-Touch-Therapeuten. Vorher wurde eine Münze geworfen, die entschied, über welche Hand Emily die ihre hielt. Ein zusätzlicher Experimentator führte dabei Emilys Hand exakt über die Hand des Heilers und sagte dann vernehmlich "Okay", um dem Heiler mitzuteilen, dass die Hand in Position sei. Daraufhin wurde der jeweilige Heiler gebeten, sich soviel oder so wenig Zeit zu nehmen, wie er wolle, um mitzuteilen, über welcher seiner beiden Hände Emilys Hand nun schwebte. Die Zeitspannen reichten von 7-19 Minuten und pro Heiler wurde der Versuch 10mal wiederholt. Bei den insgesamt 150 Versuchsdurchläufen lagen die Heiler mit 70 richtigen Antworten (47%) in nicht einmal der Hälfte der Fälle richtig. Sie schnitten also noch schlechter ab, als wenn sie gleich eine Münze geworfen hätten.
Sonderlich begeistert reagierten die Therapeutic-Touch-Therapeuten bei diesem Durchlauf natürlich nicht und forderten einen zweiten Durchlauf. Der Ruf danach wurde lauter, als den Heilern mitgeteilt wurde, dass die Ergebnisse des ersten Experiments möglicherweise in einer Fachzeitschrift publiziert würden. Daraufhin erklärte sich Emily im Alter von 11 Jahren zu einem zweiten Durchlauf bereit, allerdings unter strengeren Bedingungen (Video-Aufzeichnung durch ein professionelles Video-Team).
Vor dem Versuchsdurchlauf, der analog zum ersten Durchlauf konzipiert war, war es den Heilern freigestellt, Emilys Energiefeld zu spüren und vorher zu entscheiden, welche ihrer beiden Hände durch Emily getestet werden sollten. Sieben Heiler zogen ihre linke und sechs Heiler ihre rechte Hand vor. An diesem zweiten Durchlauf nahmen insgesamt 13 Heiler teil, wobei nochmals sieben Heiler aus dem ersten Durchlauf antraten. Die Probanden streckten ihre zu testende Hand durch den Pappkarton und Emily hielt ihre rechte Hand entweder über die Hand des Therapeuten oder eben nicht. Auch hier war es den Heilern freigestellt, so viel Zeit wie notwendig auf ihre Antwort zu verwenden. Die Heiler schnitten bei den 130 Durchläufen mit 53 richtigen Antworten (41%) noch schlechter ab als beim ersten Mal.[5]
Obgleich die Resultate absolut eindeutig waren und Emily den Anspruch der Therapeutic-Touch-Therapeuten durch ein simples, jederzeit überall nachvollziehbares Experiment in ein regelrechtes Debakel verwandelt hatte, fochten die Ergebnisse die Therapeutic-Touch-Begründerin Dolores Krieger nicht an. Im typischen Stil hartnäckiger Befürworter falscher Heilslehren und Pseudoverfahren unserer Zeit reagierte sie gegenüber der New York Times nur mit den Worten: Es funktioniert. Emily habe schlicht nicht verstanden, was Grundlagenforschung sei und es handele sich nur um einen Aprilscherz.
Anwendung bei Krebskranken
Therapeutic Touch wird auch zur Behandlung von Krebskranken eingesetzt, so vom "Diplom-Lebensberater" und "Energietherapeut" Wolfgang Maly aus Venlo (Niederlande).
Video
- Testing Therapeutic Touch Video über den Versuch der 9-jährigen Emily Rosa - mit James Randi. (Sehenswert)
Ähnliche Methoden
- Matrix Energetics nach Richard Bartlett
- Quantum Balance
- Quantum Touch nach Richard Gordon
Weblinks
- http://www.quackwatch.com/01QuackeryRelatedTopics/tt.html
- http://www.quackwatch.com/01QuackeryRelatedTopics/tt2.html
- http://www.quackwatch.com/01QuackeryRelatedTopics/ttprotest1.html
- http://www.skepdic.com/tt.html
Quellennachweise
- ↑ Owen Hammer, James Underdown: State-Sponsored Quackery: Feng Shui and Snake Oil for California Nurses, Skeptical Inquirer, vol 33, 6, Seiten 53–56. Nov/Dez. 2009. [1]
- ↑ "Heilende Botschaften", Video von Joachim Faulstich, ARD 2010 (http://daserste.de/dasgeheimnisderheilung]
- ↑ http://www.quackwatch.com/01QuackeryRelatedTopics/tt.html
- ↑ [http://www.theosophy.com/theos-talk/200504/tt00332.html
- ↑ Rosa L, Rosa E, Sarner L, Barrett S: A close look at Therapeutic Touch. JAMA, 279, 1005-1010, 1998
- Walter N: Der Schrecken der Naturheiler hat einen Namen. Pressemitteilung, 1998
Dieser Text ist ganz oder teilweise von Paralex übernommen