Übersäuerung: Unterschied zwischen den Versionen
K (→das Sticksen) |
|||
Zeile 12: | Zeile 12: | ||
==das Sticksen== | ==das Sticksen== | ||
+ | [[image:sticks.jpg|pH-Sticks|thumb]] | ||
Beim Sticksen werden preiswerte Papierstreifen aus der Apotheke verwandt (analog zum sogenannten Lackmuspapier) die in die zu prüfende Flüssigkeit getaucht werden und anhand eines sogenannten Farbumschlages auf grobe Weise den pH-Wert anzeigen können. Sie wären lediglich bei ausgeprägten Azidosen in der Lage den zu niedrigen pH-Wert anzuzeigen. Sie sind zur Diagnose einer Azidose ungeeignet. Überalterte Sticks können auch falsche Werte anzeigen. | Beim Sticksen werden preiswerte Papierstreifen aus der Apotheke verwandt (analog zum sogenannten Lackmuspapier) die in die zu prüfende Flüssigkeit getaucht werden und anhand eines sogenannten Farbumschlages auf grobe Weise den pH-Wert anzeigen können. Sie wären lediglich bei ausgeprägten Azidosen in der Lage den zu niedrigen pH-Wert anzuzeigen. Sie sind zur Diagnose einer Azidose ungeeignet. Überalterte Sticks können auch falsche Werte anzeigen. | ||
Version vom 8. August 2008, 14:35 Uhr
Der umgangssprachliche Begriff Übersäuerung meint eigentlich den medizinischen Azidose und bezeichnet dann einen abnorm niedrigen pH-Wert (*) in Blut oder Gewebe (dann: Gewebsazidose). Dabei handelt es sich um einen behandlungsbedürftigen Zustand, der typischerweise auf Intensivstationen beobachtet und behandelt wird und Hinweis ist auf schwere Grundkrankeiten der Lunge und/oder des Stoffwechsels oder bei Herz-Kreislaufversagen. Abweichend davon wird der Begriff der Übersäuerung im Umfeld der Alternativmedizin jedoch ganz anders verstanden und ist eine beliebte Diagnose die sodann Begründung für alle möglichen Therapievorschläge sein kann. Zum Nachweis einer Übersäuerung werden dann eine Vielzahl von (meist untauglichen) diagnostischen und pseudodiagnostischen Methoden eingesetzt.
Azidose im Sinne der wissenschaftlichen Medizin
Eine Azidose liegt vor, wenn im Blut ein pH-Wert unter 7,35 vorliegt. Die Normalwerte liegen beim Menschen zwischen 7,35 und 7,45. Allerdings sind manchmal auch geringfügig davon abweichende Referenzwerte in der Fachliteratur zu finden. Prinzipiell gelten die Referenzwerte der beauftragten zugelassenen Labore die das Blut befunden, zB krankenhaus-internen Labore die auch auf Fragen durch Laboratoriumsmediziner Auskunft geben. Der Blut-pH-Wert wird meist aus arteriellem Blut bestimmt. Die Punktion von arteriellen Blutgefäßen ist schwieriger als die übliche Venenpunktion. Sie wird fast nur im klinischen oder intensivmedizinischen Bereich durchgeführt und erfordert Fachkenntnisse. Unterschieden wird ursächlich zwischen einer metabolischen und respiratorischen Azidose (was hier nicht Gegenstand des Artikels ist). Werte über 7,45 werden als ebenfalls behandlungsbedürftige Alkalosen bezeichnet wenn diese dauerhaft vorliegen. Eine kurzzeitige Alkalose kann aber bei einer völlig harmlosen kurzen übermässigen Atemtätigkeit (Hyperventilation) auftreten. (Beispiel: beim Aufblasen von Luftmatratzen oder Angstzuständen in Kriegszeiten oder Katastrophen, dann reicht meist das Atmen in eine Plastiktüte oder ein aufmerksames Zuwarten). Folge einer kurzzeitigen Alkalose kann ein sogenannter Ohnmachtsanfall sein: die Synkope.
Patienten mit der Diagnose einer Azidose können sich problemlos in Bibliotheken über ihren Befund informieren. Die Azidose ist eindeutig und unmissverständlich auch international definiert, Behandlungsrichtlinien lassen sich ebenfalls finden.
Azidosen sind Symptom schwerer Grundkrankheiten und müssen entsprechend behandelt werden. Meist ist die Azidose von einer besonderen Form der Atmung begleitet: der angestrengt hechelnden Kussmaul-Atmung, die vom Geübten augenblicklich erkannt werden kann und diagnostisch von der Angst-bedingten Hyperventilation unterschieden wird. Azidosen tauchen bei Zuckerkranken auf, die sich zuwenig Insulin spritzten, aber auch bei Schwerverletzten Unfallopfern mit Verletzungen des Brustkorbs.
Die Gewebsazidose ist getrennt zu betrachten. So können im Muskelgewebe gesunder Sportler bei körperlicher Anstrengung relativ niedrige pH-Werte gefunden werden, die bei Ruhe sich wieder normalisieren und kein Hinweis auf eine Azidose sind.
das Sticksen
Beim Sticksen werden preiswerte Papierstreifen aus der Apotheke verwandt (analog zum sogenannten Lackmuspapier) die in die zu prüfende Flüssigkeit getaucht werden und anhand eines sogenannten Farbumschlages auf grobe Weise den pH-Wert anzeigen können. Sie wären lediglich bei ausgeprägten Azidosen in der Lage den zu niedrigen pH-Wert anzuzeigen. Sie sind zur Diagnose einer Azidose ungeeignet. Überalterte Sticks können auch falsche Werte anzeigen.
alternativmedizinische Übersäuerung
Die Übersäuerung im alternativmedizinischen Gebrauch ist nicht an das Kriterium eines zu niedrigen Blut-pH-Wertes im Sinne der wissenschaftlichen Referenzwerte gebunden sondern wird hier sozusagen inflationär gebraucht. Nicht jede alternativmedizinische Übersäuerung entspricht also einer medizinischen Azidose. Patiten und Kunden denen eine Übersäuerung zugeordnet wurde hilft es also nicht immer weiter sich über den Zustand der Azidose anderweitig zu informieren, sondern er muss sich vom Behandler erläutern lassen was gemeint ist. Jeder Anwender entsprechender Übersäuerungsdiagnostik kann sich hier eigene Kriterien kreieren und anwenden oder sich auf tradierte Konzepte stützen von denen es eine lange Liste gibt.
alternativmedizinische Übersäuerungs - Diagnostik und Pseudodiagnostik
Da der Blut-pH-Wert im frischen Blut lediglich bei tatsächlichen Azidosen unter 7,35 liegt, aber auch aus rechtlichen und abrechnungstechnischen Gründen wird zumeist auf die Bestimmung des Blut-pH Wertes durch ein anerkanntes Labor verzichtet. Die Punktion einer Arterie wird hier miest gescheut. Stattdessen findet man in diesem Umfeld häufig eine Übersäuerungsdiagnostik durch:
- Speichel-pH-Wertmessungen durch Sticksen
- Urin-pH-Wertmessungen durch Sticksen
- umstrittene lichtmikroskopische Blutuntersuchungen zur Morphologie von Blutbestandteilen und Geldrollenbildung nach Vorschlägen von Befürwortern der Isopathie und analoger Methoden
- Vermutungen anhand der bevorzugten Nahrung
- Vermutungen anhand von Sodbrennen
Speichel- und Urin-pH schwanken im Laufe eines Tages beträchtlich und können allenfalls bei extremer Azidose eine Aussage ermöglichen. Die entsprechenden pH-Werte unterliegen einem circadianen Rhythmus (regelmässiger Tagesgang) dessen individuelle Phasenlage aber zunächst bekannt sein muss (Schichtarbeiter?) um sie zu berücksichtigen und diese kann sowieso individuell unterschiedlich ausgeprägt sein. Die Messwerte werden im Speichel auch durch Mikrobenaktivität verfälscht und hängen von der Nahrungsaufnahme oder Medikamenteneinnahme stark ab, diese faktoren müssten jeweils berücksichtigt werden. Der Urin-pH-Wert kann ebenfalls durch die Nahrung beeinflusst werden und kann durch Vorliegen von Entzündungen und Infekten verfälscht werden. Es muss also vor pH-Bestimmung ein Infekt ausgeschlossen werden.
Alternativmedizinische Postulate zu Folgen angenommener Übersäuerungen
Aus Sicht alternativmedizinischer Konzepte führten die Übersäuerungen zu einer Vielzahl von Krankheiten, für die ansonsten keine Ursache geunden würde. Dazu gehören:
- Krebs
- Darmverpilzung
- chronische Müdigkeit
- Bildung von sogenannten Schlacken
- Rheuma
- Allergien
(*) der pH-Wert
Zum besseren Verständnis: Als pH-Wert wird der negative Logarithmus der Protonenkonzentration (H+-Ion) bezeichnet. Dieser ist bei reinem Wasser 7 (H+-Konzentration dann 10 hoch -7). Der pH-Wert beschreibt also 10er logarithmisch die Konzentration von freigesetzen Wasserstoffkernen. Niedrige pH-Werte werden als sauer empfunden, pH-Werte über 7 sind alkalisch.