Stoffwechselfunktionstest: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 10. August 2011, 14:18 Uhr
Der Stoffwechselfunktionstest (SFT) ist ein pseudomedizinisch-diagnostischer Bluttest ohne erkennbaren Nutzen, der von einigen wenigen Heilpraktikern, Kosmetikern und Ärzten im deutschsprachigen Raum herangezogen wird. Der Test ist wissenschaftlich nicht validiert, in wissenschaftlichen medizinischen Datenbanken und auch bei "Google Scholar" findet sich keinerlei Literatur zu diesem Test. Zum Stoffwechselfunktionstest liegen nur vage Angaben des ausführenden Labors vor.
Der Test ist ganz offensichtlich aus der umstrittenen Nanopartikelanalyse entstanden.
Laut credo der Befürworter handelt es sich beim SFT um ein die schulmedizinischen Untersuchungen ergänzendes Diagnostikverfahren, das derzeit schulmedizinisch nicht anerkannt wird. Nach Angaben der Testbefürworter soll dieser "Stoffwechselstörungen" erkennbar machen, die unbehandelt die wahren Ursachen unterschiedlichster Krankheiten seien. In diesem Zusammenhang soll auch vom Endkunden verstanden werden, dass der Test auch zu einer "Überprüfung der wichtigsten Organfunktionen" geeignet sei. Als Vorteil wird in der Werbung zum Test darauf hingewiesen, dass dieser viele Organsysteme auf einmal analysiere.
Einzige erkennbare Durchführende des Test ist die Düsseldorfer Laboratoriumsmedizinerin Barbara Bräuer, deren Unterschrift und Name auf den Testergebnissen erscheint. Bräuer war bereits als Durchführerin der Nanopartikelanalyse in Erscheinung getreten. Testhersteller ist die Firma Indago GmbH aus Leipzig (vormals BMIB Biomedizinisches Institut, vormals "Wiesbach Institut für angewandte Biomedizin GmbH")[1], die auch ein Testverfahren zur Früherkennung von Darmkrebs anbietet ("Polypenspezifische Polymere" - Test PSP). Beworben wird der SFT-Test auf den Webseiten der Firma Evomed Diagnostics Aktiengesellschaft[2] in Darmstadt[3], mit der die Indago kooperiert. Indago-Kunden wird beispielsweise von ihren Behandlern empfohlen Testverfahren der Evomed in Anspruch zu nehmen. Dazu gehört beispielsweise ein Evomed "ImuPro300"-Test, mit dem Nahrungsmittel-Allergien nachgewiesen werden sollen, auf die vorher der Stoffwechselfunktionstest einen Verdacht lieferte. Ein "CTL-Labor - Ortholab"[4] bietet diesen umstrittenen IgG-Lebensmittel-Allergietest Test für 450 Euro an. Derartige IgG-Tests können jedoch im Gegensatz zu IgE-Tests nach Expertenmeinung weder Allergien noch Lebensmittelunverträglichkeiten feststellen und die Ergebnisse sollten daher nicht zu Ernährungsempfehlungen herangezogen werden.[5][6] Auch zeigte sich im Experiment, dass erhobene Befunde nur wenig reproduzierbar waren.[7] Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten nicht. Das Verwaltungsgericht Lüneburg urteilte 2004, dass die IgG-Bestimmung im Gegensatz zur IgE-Bestimmung keine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode zur Austestung einer Lebensmittelallergie sei.[8] Kunden des SFT werden somit zu immer weiteren unnötigen und kostspieligen Tests aufgefordert. Die Evomed AG ist auch Lieferant von TAVARLIN-Produkten, die Krebspatienten erwerben sollen, die sich nach der Methode Krebsdiät nach Coy (nach Johannes Coy) behandeln lassen.
Gesetzliche Krankenkassen übernehmen die Kosten dieser Methode in Höhe von etwa 70 - 100 Euro nicht. Der Patient erhält die Rechnung über seinen behandelnden Therapeuten.
Hinweis: mit wortgleichen Werbeaussagen wird auch eine "Stofwechselfunktionsanalyse" (SFA) beworben. Diese ist jedoch mit einem anderen alternativmedizinischen Test gleichen Namens des Anbieters Paragnost verwechselbar, der als Stoffwechselfunktionsanalyse eine Anwendung der ausserwissenschaftlichen Methode Bio-Elektronische Terrain-Analyse nach Vincent versteht.
Verfahren Stoffwechselfunktionstest
Der SFT wird mit (Voll-)Blut von Patienten durchgeführt. Nach den spärlichen Informationen die zum Test vorliegen, soll angenommen werden, dass durch ein "spezielles Verfahren" das entnommene Blut auf Vorhandensein von Stoffwechselprodukten untersucht wird:
- ..Es werden viele Stoffe aus dem Blut identifiziert, die beim Stoffwechsel der Organe anfallen - die sogenannten Stoffwechselprodukte oder auch Metaboliten genannt..[9]
Wie bei der Nanopartikelanalyse auch, wird behauptet, dass in einem "ersten Schritt" das Blut "in chemische Elemente umwandelt" werde, wobei ein aus Mineralölraffinerien und industriellen Petrochemie her bekanntes "thermisches Cracking" zum Einsatz käme. In einem zweiten Schritt soll eine "Re-Suspension mit hochreinem Wasser" erfolgen, der eine "Filtration" folge, aus der eine Lösung entsteht, die den Stoffwechsel des Organismus "abbilden" soll. In der Lösung sollen sich "kolloidale Nanokristalle" befinden, die mittels Lichtstreuung analysiert werden sollen. Auch werde die Lösung getrocknet und mit Hilfe der Rasterelektronenmikroskopie und dem EDX-Verfahren (Energiedispersive Röntgenspektroskopie) untersucht um "charakterisiert" zu werden.
Die gemeinten Stoffwechselprodukte, die teilweise in den Testergebnissen benannt werden, sollen eine Beurteilung der "Funktionsfähigkeit" von Systemen wie dem Immunsystem, Verdauungssystem, Hormonsystem oder eines "Leber-Nieren-Systems" ermöglichen. Die einzelnen Ergebnisseiten des SFT-Befunds zeigen das jeweilige Testergebnis in Zahlenform an. Zu den jeweiligen Zahlenwerte werden jedoch keine Einheiten genannt. Stattdessen werden die Zahlenwerte in Bezug zu einem horizontalen Balken gesetzt, der die angeblichen Normalwerte anzeigen soll.
Das dem Kunden ausgehändigte Laborergebnis enthält dabei keinerlei Angaben zum ausführenden Labor.
Weblinks
- ein Musterbefund
- Webseite Firma Indago GmbH
- Kritik von Chemiker Klaus Keck (Nanopartikelanalyse/SFT)
Quellennachweise
- ↑ INDAGO GmbH, Deutscher Platz 5a, D-04103 Leipzig
- ↑ Evomed Diagnostics AG, Landwehrstraße 54, 64293 Darmstadt
- ↑ http://evomed.com/pages/unsere-schwerpunkte/stoffwechsel/diagnostik.php
- ↑ CTL & Ortholabor GmbH, Wilhelm-Geiler-Str. 4, D-26643 Westerstede
- ↑ http://www.aeda.de/pressinf/04-2004/03.htm
- ↑ http://www.medizin-2000.de/allergologie/texte/laien/pm/aeda_11_04/dgai4.html
- ↑ Jenkins M, Vickers A. Unreliability of IgE/IgG4 antibody testing as a diagnostic tool in food intolerance. Clin Exp Allergy. 1998 Dec;28(12):1526-9.
- ↑ VG Lüneburg, AZ: 1 A 219/02, Urteil vom 26. Mai 2004
- ↑ http://indago-group.de/cms/index.php?view=,4,2