Tomatis-Therapie: Unterschied zwischen den Versionen
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− | Die '''Tomatis-Therapie''' (auch als ''Tomatis-Hörkur, Audio-Psycho-Phonologie'' und anderen Bezeichnungen propagiert) ist eine umstrittene [[pseudomedizin]]ische Methode für den HNO-Bereich, für die kein wissenschaftlicher Wirksamkeitsnachweis bekannt ist. Sie soll bei Gedächtnis- und Verhaltensstörungen, | + | Die '''Tomatis-Therapie''' (auch als ''Tomatis-Hörkur, Horchtraining, Audio-Psycho-Phonologie'' und anderen Bezeichnungen propagiert) ist eine umstrittene [[pseudomedizin]]ische Methode für den HNO-Bereich, für die kein wissenschaftlicher Wirksamkeitsnachweis bekannt ist. Sie soll bei Schwerhörigkeit, Gedächtnis- und Verhaltensstörungen, Lernstörungen, Legasthenie, Autismus, Depressionen, Schizophrenie und vielen anderen Störungen und Erkrankungen helfen. |
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− | Eine realitätsbezogene Begründung seiner Thesen hat der 1920 geborene Alfred Tomatis | + | Eine realitätsbezogene Begründung seiner Thesen hat der 1920 geborene Alfred Tomatis nicht vorgelegt. Überprüfungen der Tomatis-Methode wurden bei Legasthenikern vorgenommen, verliefen aber erfolglos. So wurde vom Werner-Otto-Institut in Hamburg ein Bericht über eine Studie vorgelegt, in dem das Tomatis-Verfahren mit einem [[Placeboeffekt|Placebo]]-Training verglichen wurde. Nach zweijährigem Training war das Resultat ernüchternd, denn die Placebo-Trainierten schnitten sogar besser als die Untersuchungsgruppe ab. Auch die Académie National de Médicine in Paris sprach sich 1993 gegen die Tomatis-Methode aus.<ref>http://www.legasthenie.de/lrs/tomatis.htm</ref> Die Theorie bediene sich nicht einmal ansatzweise der üblichen medizinischen Argumentationsweise. So behaupte Tomatis, dass 80% der Legastheniker schwerhörig seien, wohingegen nachgewiesenermaßen der Anteil Schwerhöriger bei diesen Personen nicht höher als in der Normalbevölkerung ist. Die Theorien von Tomatis seien nur in populärwissenschaftlichen Heften und Blättern erschienen und es gebe keine Veröffentlichung in einer medizinischen Fachzeitschrift. In der Tat findet sich im medizinischen Fachschrifttum (vgl. Datenbank Medline) keine einzige Publikation von Tomatis, die eine Wirksamkeit der Methode gezeigt hätte. |
Auch die AIT-Methode von Berard wurde u.a. von Mudford et al. (2000) an 16 autistischen Kindern hinsichtlich seiner Wirksamkeit untersucht und es stellte sich heraus, dass keines der Kinder von der Therapie profitierte. Diese Erkenntnis teilen Dawson und Watling (2000), die alle verfügbaren Studien dieser Therapierichtung unter die Lupe nahmen. Die Amerikanische Akademie für Kinderheilkunde sprach sich 1998 dahingehend aus, dass es keine wissenschaftlich belegbaren Beweise für die Wirksamkeit dieser Therapieform gäbe (American Academy of Pediatrics 1998). Es liegen zwar bis heute keine Studien vor, die die Wirksamkeit der Tomatis-Methode bzw. des Auditory Integration Trainings bei ADHS-Kindern (zum Thema ADHS siehe www.ag-adhs.de oder www.juvemus.de) untersucht hätten, aber wenn autistische Kinder nicht von dieser Methode profitieren, ist auch nicht zu erwarten, dass diese Methode bei anderen Indikationen einen glaubwürdigen Wirksamkeitsnachweis zu erbringen in der Lage sein wird. Dies dürfte den offenbar schon in den finanziellen Startlöchern stehenden Nachfolgern des Dr. Tomatis schwer fallen, denn nach Angaben von Stollhoff (2000) trat Tomatis Ende der 1970er Jahre aus der französischen Ärztekammer aus und wurde seitdem nicht mehr als Arzt betrachtet. Außerdem wird die Tomatis-Methode von französischen HNO-Ärzten abgelehnt. | Auch die AIT-Methode von Berard wurde u.a. von Mudford et al. (2000) an 16 autistischen Kindern hinsichtlich seiner Wirksamkeit untersucht und es stellte sich heraus, dass keines der Kinder von der Therapie profitierte. Diese Erkenntnis teilen Dawson und Watling (2000), die alle verfügbaren Studien dieser Therapierichtung unter die Lupe nahmen. Die Amerikanische Akademie für Kinderheilkunde sprach sich 1998 dahingehend aus, dass es keine wissenschaftlich belegbaren Beweise für die Wirksamkeit dieser Therapieform gäbe (American Academy of Pediatrics 1998). Es liegen zwar bis heute keine Studien vor, die die Wirksamkeit der Tomatis-Methode bzw. des Auditory Integration Trainings bei ADHS-Kindern (zum Thema ADHS siehe www.ag-adhs.de oder www.juvemus.de) untersucht hätten, aber wenn autistische Kinder nicht von dieser Methode profitieren, ist auch nicht zu erwarten, dass diese Methode bei anderen Indikationen einen glaubwürdigen Wirksamkeitsnachweis zu erbringen in der Lage sein wird. Dies dürfte den offenbar schon in den finanziellen Startlöchern stehenden Nachfolgern des Dr. Tomatis schwer fallen, denn nach Angaben von Stollhoff (2000) trat Tomatis Ende der 1970er Jahre aus der französischen Ärztekammer aus und wurde seitdem nicht mehr als Arzt betrachtet. Außerdem wird die Tomatis-Methode von französischen HNO-Ärzten abgelehnt. |
Version vom 16. August 2010, 18:32 Uhr
Die Tomatis-Therapie (auch als Tomatis-Hörkur, Horchtraining, Audio-Psycho-Phonologie und anderen Bezeichnungen propagiert) ist eine umstrittene pseudomedizinische Methode für den HNO-Bereich, für die kein wissenschaftlicher Wirksamkeitsnachweis bekannt ist. Sie soll bei Schwerhörigkeit, Gedächtnis- und Verhaltensstörungen, Lernstörungen, Legasthenie, Autismus, Depressionen, Schizophrenie und vielen anderen Störungen und Erkrankungen helfen.
Methode
Tomatis war der Ansicht, dass eine wesentliche Ursache der Legasthenie ein linksdominantes Hören im Gehirn sei, das durch seine Methode auf das anzustrebende rechtsdominante Hören umgepolt werden müsse. Zudem höre ein Fötus während der letzten 14 Schwangerschaftswochen vorwiegend nur hohe Frequenzen, die er als akustische Richtschnur bei der Entwicklung des Hörvermögens nach der Geburt verwende.
Bei der Methode werden dem Patienten über Kopfhörer Sprache oder Musik angeboten, deren Klang techniscb verändert wurde. Insbesondere werden hoch- oder tieffrequente Anteile verstärkt. Vor allem Musik von Mozart sei gut geeignet. Sie wird so gefiltert, das nur noch hohe Töne (ab 8000 Hz) enthalten sind. Zusätzlich wird die Stimme der Mutter dargeboten 8die dazu z.B. einen Text vorlesen muss. Die Stimme wird so verändert, wie sie angeblich im Mutterleib wahrgenommen würde. Sie ist dann zwar nicht zu verstehen, sei aber unverwechselbar. Die Geräusche, Klänge und die Stimme werden wechselnd lateralisiert angeboten mit dem Ziel, eine Dominanz des rechten Ohrs zu erreichen.
Eine Variante der Tomatis-Methode wurde von dem französischen Arzt Guy Berard entwickelt und vor allem in den 1990er-Jahren propagiert, das sog. Auditory Integration Training (AIT), auch Berard AIT genannt.
Kritik
Eine realitätsbezogene Begründung seiner Thesen hat der 1920 geborene Alfred Tomatis nicht vorgelegt. Überprüfungen der Tomatis-Methode wurden bei Legasthenikern vorgenommen, verliefen aber erfolglos. So wurde vom Werner-Otto-Institut in Hamburg ein Bericht über eine Studie vorgelegt, in dem das Tomatis-Verfahren mit einem Placebo-Training verglichen wurde. Nach zweijährigem Training war das Resultat ernüchternd, denn die Placebo-Trainierten schnitten sogar besser als die Untersuchungsgruppe ab. Auch die Académie National de Médicine in Paris sprach sich 1993 gegen die Tomatis-Methode aus.[1] Die Theorie bediene sich nicht einmal ansatzweise der üblichen medizinischen Argumentationsweise. So behaupte Tomatis, dass 80% der Legastheniker schwerhörig seien, wohingegen nachgewiesenermaßen der Anteil Schwerhöriger bei diesen Personen nicht höher als in der Normalbevölkerung ist. Die Theorien von Tomatis seien nur in populärwissenschaftlichen Heften und Blättern erschienen und es gebe keine Veröffentlichung in einer medizinischen Fachzeitschrift. In der Tat findet sich im medizinischen Fachschrifttum (vgl. Datenbank Medline) keine einzige Publikation von Tomatis, die eine Wirksamkeit der Methode gezeigt hätte.
Auch die AIT-Methode von Berard wurde u.a. von Mudford et al. (2000) an 16 autistischen Kindern hinsichtlich seiner Wirksamkeit untersucht und es stellte sich heraus, dass keines der Kinder von der Therapie profitierte. Diese Erkenntnis teilen Dawson und Watling (2000), die alle verfügbaren Studien dieser Therapierichtung unter die Lupe nahmen. Die Amerikanische Akademie für Kinderheilkunde sprach sich 1998 dahingehend aus, dass es keine wissenschaftlich belegbaren Beweise für die Wirksamkeit dieser Therapieform gäbe (American Academy of Pediatrics 1998). Es liegen zwar bis heute keine Studien vor, die die Wirksamkeit der Tomatis-Methode bzw. des Auditory Integration Trainings bei ADHS-Kindern (zum Thema ADHS siehe www.ag-adhs.de oder www.juvemus.de) untersucht hätten, aber wenn autistische Kinder nicht von dieser Methode profitieren, ist auch nicht zu erwarten, dass diese Methode bei anderen Indikationen einen glaubwürdigen Wirksamkeitsnachweis zu erbringen in der Lage sein wird. Dies dürfte den offenbar schon in den finanziellen Startlöchern stehenden Nachfolgern des Dr. Tomatis schwer fallen, denn nach Angaben von Stollhoff (2000) trat Tomatis Ende der 1970er Jahre aus der französischen Ärztekammer aus und wurde seitdem nicht mehr als Arzt betrachtet. Außerdem wird die Tomatis-Methode von französischen HNO-Ärzten abgelehnt.
Siehe auch
Weblinks und Literatur
- D. Karch, V. Uttenweiler, G. Groß-Selbeck, E. Kruse, D. Rating, A. Ritz, H.G. Schlack, H. v. Wedel: "Hörtraining" nach Tomatis und Klangtherapie. Gemeinsame Stellungnahme der Gesellschaft für Neuropädiatrie, der ADANO der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie und der Deutschen
Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie
- American Academy of Pediatrics: Auditory integration training and faciliated communication for autism. Pediatrics, 102 (2 Pt 1), 431-433, 1998
- Dawson G, Watling R: Interventions to facilitate auditory, visual and motor integration in autism: a review of evidence. J Autism Dev Disord, 30, 415-421, 2000
- Mudford OC, Cross BA, Breen S, Cullen C, Reeves D, Gould J, Douglas J: Auditory integration training for children with autism: no behavioral benefits detected. Am J Ment Retard, 105, 118-129, 2000
- Stollhoff K: Tomatis-Therapie. Was ist dran an dieser Hörkur? Pädiatrie hautnah, Nr.10, 408-409, 2000