Stimmfrequenzanalyse: Unterschied zwischen den Versionen
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Neben der hier thematisierten Anwendung in der Alternativmedizin finden automatisch durchgeführte Analysen der menschlichen Stimme auch Anwendung in bestimmten Lügendetektoren sowie als biometrisches Verfahren in elektronischen Zugangssystemen, bei denen Eigenschaften der menschlichen Stimme zur Identifizierung dienen. | Neben der hier thematisierten Anwendung in der Alternativmedizin finden automatisch durchgeführte Analysen der menschlichen Stimme auch Anwendung in bestimmten Lügendetektoren sowie als biometrisches Verfahren in elektronischen Zugangssystemen, bei denen Eigenschaften der menschlichen Stimme zur Identifizierung dienen. |
Version vom 2. Juli 2009, 16:06 Uhr
Die Stimmfrequenzanalyse ist ein außerwissenschaftliches Verfahren, mit dem anhand einer automatischen Stimmanalyse Diagnosen von Erkrankungen gestellt werden. Auf dem deutschen Alternativmedizinmarkt sind eine Reihe von derartigen Dienstleistungen unter verschiedenen Namen zu finden. Dazu gehören Voxasana, Stimmanalyse nach Vitz (auch Piusona Stimmanalyse), ein Verfahren namens Vocalyse bzw. Vitason, oder die Angebote der Deutschen Fachgemeinschaft für Audio-Psycho-Phonologie FAPP einer Monika Warner aus Dietzenbach.
Neben der hier thematisierten Anwendung in der Alternativmedizin finden automatisch durchgeführte Analysen der menschlichen Stimme auch Anwendung in bestimmten Lügendetektoren sowie als biometrisches Verfahren in elektronischen Zugangssystemen, bei denen Eigenschaften der menschlichen Stimme zur Identifizierung dienen.
Verfahren
Den Methoden ist gemeinsam, dass aus einer Tonaufnahme der Stimme des Patienten ein Frequenzspektrum berechnet wird, in dem die Intensität des Sprachsignals über der Frequenz grafisch dargestellt wird. Dazu wird die softwaretechnisch leicht zu implementierende Fourier-Transformation (FFT, Fast Fourier Transform) benutzt. Überwiegend beschränkt sich die Darstellung auf solche zeitliche gemittelten Spektren, wobei dann an Einzelheiten des Kurvenverlaufs heruminterpretiert wird. Informationen, die im Zeitverlauf des Sprachsignals vorhanden sind, wie Modulation usw., gehen dabei weitgehend verloren. Nur wenige Anbieter verwenden sog. Spektrogramme, bei denen der Frequenz-Zeit-Verlauf grafisch aufgetragen ist.
Stimmanalyse nach Vitz
Diese Methode wird von dem Kaufmann, Computerexperten und Medizinlaien Heinz-Udo Vitz ("Ich bin eine Art Klavierstimmer des Körpers") im Rahmen seines Internationalen Instituts für Stimmanalyse propagiert. Sie wird auch als Piusona-Stimmanalyse vermarktet.
Die Stimme des Klienten wird elektronisch in 10 Datenblöcken von je 7 Sekunden aufgezeichnet. Dabei muss der Patient laut von 1 bis 40 zählen. Das aufgezeichnete Signal wird wie oben beschrieben mittels Fouriertransformation in Einzelfrequenzen zerlegt, die grafisch auf einem Bildschirm angezeigt werden. Für jeden Sprecher soll sich so ein einzigartiges Muster ergeben, welches nach Aussagen der Erfinder mit dem genetischen Fingerabdruck vergleichbar wäre. "Gestörte Frequenzen" würden Rückschlüsse auf gesundheitliche Probleme erlauben.
Die Methode beinhaltet eine anschließende Therapie. Basierend auf der Stimmanalyse wird dem Klienten dabei die Tonfrequenz zurück gegeben, die anhand der Stimmanalyse als fehlend oder falsch erkannt wurde. Der Klient erhält dazu eine CD mit der für ihn gefundenen Tonfrequenz, die er über Kopfhörer anhören muss. Als Indikationen werden unter anderem genannt:
- Tinnitus
- Hautkrankheiten
- Allergien
- Gezielte Beeinflussung von Organen
- Depressionen
- Stärkung des Immunsystems und Lösung von Blockaden
Mediale Beachtung fand die Methode im Enveda-Magazin, im ZDF (Praxis unterwegs mit Dr. med. Günter Gerhardt), Sat.1 (Akte Ulrich Meyer 2004) und bei RTL. Wissenschaftliche Fachartikel sind unbekannt geblieben. Bezug genommen wird auf einen Musiker namens Pius Vögel, der eine Pension im Allgäu betreibt und durch Zufall erkannt habe, welche Bedeutung bestimmte Töne für die menschliche Gesundheit hätten.
Vocalyse
Vocalyse ist eine beim deutschen Patent- und Markenamt eingetragene Wortmarke der Firma Annegret Heinen IFG Individuelle Förderung Gesundheit aus Friedrichshafen. Bei diesem Verfahren zur Stimmanalyse nimmt der Klient selbst einige Sprechproben von sich auf und schickt die Aufnahme z.B. als MP3-Datei an die Firma IFG. Durchgeführt wird dort eine Spektralanalyse im Frequenzbereich bis etwa 5 kHz. Aus diesem Frequenzspektrum werden über "spezielle Interpretationsverfahren" zahlreiche Aussagen abgeleitet, nämlich eine weitreichende Persönlichkeitsanalyse, Hinweise auf "Stoffwechselentgleisungen" und "Blockaden" nebst psychologischen Deutungen, Informationen über den Zustand der Wirbelsäule, und einiges mehr. Zur Zuordnung von Organen und Merkmalen im Spektrum habe man beruhend auf "Erfahrungen" etwa 2500 Frequenzen "gesammelt" und in einer Tabelle zusammengestellt. Am Ende der Analyse wird ein Environmental Intelligence Quotient Evi IQ des Kunden berechnet. Auf Wunsch wird außerdem ein Tonträger mit individuellen "rhythmovogue plus Rhythmen" erstellt (siehe Rhythmovogue).
Problematisch ist unter anderem, dass die akustischen Frequenzspektren unter nicht kontrollierten Bedingungen von den Patienten selbst aufgenommen werden. Beispielsweise treten bei einem Mikrofon auf oder über einer Tischplatte häufig Einbrüche im Spektrum auf (direkter und reflektierter Schall löschen sich teilweise aus). Gerade in derartige Details werden aber bei Vocalyse Aussagen über den Gesundheitszustand hineininterpretiert.
Das mit vielen pseudowissenschaftlichen Aussagen beworbene Verfahren [1] geht auf einen Dr. med. Arno Heinen zurück. Mit Heinens Erfindung würde "die höchste Steuerungsebene lebendiger Organismen" zugänglich, nämlich das Biologische Rhythmus System BRS. Angeblich stünde damit "erstmals eine objektivierbare Grundlage zur Beurteilung [...] psychosomatischer Vorgänge" zur Verfügung.
Einige Aussagen des Mediziners Heinen widersprechen grob den bekannten Fakten der Sinnesphysiologie. So behauptet er zur sog. Knochenleitung, über die ebenfalls Schall zum Innenohr gelangen und damit gehört werden kann, dass dieser Schall und der normale Luftschall (der also über das Trommelfell empfangen wird) "zu unterschiedlichen Zeiten im Hirn" eintreffen würden. Das ist Unsinn, da auch bei der Knochenleitung der Schall an den Sinneszellen im Innenohr in Nervenreize umgesetzt wird und nicht anderswo im Körper. Weiter führt Heinen aus, "dass, falls die über den Körper aufgenommenen Frequenzen ab 4.000 Hz die über das Ohr gehörten Frequenzen in der Dezibelzahl übersteigen, der Betroffene einen Verlust des materiellen Zeit-Raumgefühls erfährt. Diese Menschen fallen bei Überholmanövern als panisch werdende Beifahrer auf." Falls mit "gehörten Frequenzen in der Dezibelzahl übersteigen" gemeint ist, dass der Betreffende mehr über Knochenleitung als über Luftschall hört, bedeutet dass schlicht eine drastische Fehlfunktion des Gehörs oder einen blockierten Gehörgang.
Des weiteren ist von "vererbten Frequenzteilen" die Rede, die mit der Stimmanalyse erkannt werden könnten. Außerdem seien Aussagen darüber möglich, ob "der Ehefrau durch Übernahme einer Fremdrhythmik eine ihr "fremde" Krankheit droht bzw. "der Ehemann das Eintreten einer Krankheit durch Übernahme entsprechender Frequenzen von der Ehefrau (Sauger-Geber-Verhältnis)" verhindern könne.