Homotoxikologie: Unterschied zwischen den Versionen
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− | Reckeweg | + | Die Annahmen von Reckeweg widersprechen Erkenntnissen der wissenschaftlichen Medizin; es gibt keine unabhängigen Studien, die die Wirksamkeit der Homotoxikologie belegen. Gesetzliche Krankenkassen lehnen eine Kostenübernahme aufgrund unzureichender wissenschaftlicher Wirksamkeitsnachweise ab.<ref>http://www.aok.de/bundesweit/gesundheit/behandlung-nichtmedikamentoese-und-alternative-therapien-homotoxikologie-36333.php</ref> |
− | + | ==Theorien zur Krankheitsentstehung== | |
+ | ===Homotoxine und Sutoxine=== | ||
+ | Nach Ansicht von Reckeweg sind sämtliche Erkrankungen des Menschen (als so genannte Homotoxikosen) monokausal durch Gifte bedingt, die Reckeweg Homotoxine nannte. Der Körper versuche kontinuierlich, bestimmte von außen eindringende oder im Körper entstandene Gifte durch Ausscheidungen und Absonderungen auszuscheiden (durch Schweiß, Urin, Kot, Eiter). Gelinge dies nicht in ausreichendem Maße, oder würden gar Medikamente (als Gifte) eingenommen, so komme es zur Krankheit. Eine besondere Rolle komme dabei dem Schweinefleisch zu, das giftige, so genannte "Sutoxine" enthalte und deshalb zu meiden sei. Bei regelmäßigem Verzehr werde menschliches Körpergewebe allmählich durch Gewebe des Schweins ersetzt (Reckeweg: "Schweinefleischesser werden im Laufe der Zeit den Tieren ähnlich, die sie verspeisen"). Bei der Krankheitsentstehung spiele jedoch auch die individuelle Konstitution eine weitere Rolle. Die Homotoxine führen der Theorie zufolge zu einer Störung von ungenau beschriebenen "Fließgleichgewichten" im Organismus. Letzter Schritt einer Homotoxinvergiftung sei nach Entzündungsstadien die Krebserkrankung. | ||
− | + | Reckeweg beschrieb mehrere Homotoxine, wobei er die von ihm definierten sieben Sutoxine als entscheidend einstufte.<ref>http://www.docstoc.com/docs/735023/reckeweg-schweinefleisch</ref> De facto handelt es sich um jeweils gut bekannte Substanzen: | |
− | + | *Cholesterin | |
− | + | *Wachstumshormone | |
+ | *Histamine und Imidazolkörper | ||
+ | *Sexualhormone | ||
+ | *Schwefelreiche, mesenchymale Schleimsubstanzen | ||
+ | *Sutoxische Fettsäuren | ||
+ | *Das Grippevirus | ||
− | + | Manchmal wird auch ein "Onkogenes Agens" (nach [[Hans Nieper]]) zu den Sutoxinen gezählt. | |
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− | + | ===Homotoxon=== | |
+ | Als Homotoxon gilt in der Homotoxikologielehre das Ergebnis eines heilenden Prozesses, bei dem die genannten Homotoxin-Gifte mit einem "Entgiftungsfaktor" (Beispiel: Glukuronsäure, Glykokoll u.a.) zu einem ungiftigen Produkt reagieren, der Homotoxon genannt wird. Die Homotoxone seien dann Erscheinungen wie Eiter oder Exsudate, oder Ausscheidungen wie Stuhl, Urin, Speichel oder Schweiß. | ||
− | == | + | ==Homotoxikologie als alternativmedizinische Therapie== |
− | + | Therapeutisch sollen bestimmte Antihomotoxika zu einer [[Entgiftung|"Entgiftung"]] des Körpers führen, die homöopathischen [[Komplexmittelhomöopathie|Komplexmitteln]] und [[Isopathie|Isopathika]] entsprechen. Diese Behandlung wird manchmal auch "Antihomotoxologie" oder "Antihomotoxologische Medizin" genannt. Homotoxikologen wenden vor allem homöopathische ''Suis-Organ-Präparate'' an, die aus Organgewebe von Schweinen gewonnen und injiziert werden, sowie [[Nosode]]n. Von den Patienten wird gefordert, auf den Verzehr von Schweinefleisch zu verzichten. | |
− | + | Eine konventionelle medizinische Therapie mit Medikamenten führe nach Reckeweg zu einer für den Patienten schädlichen ''Rückvergiftung''. Erbehauptete unter anderem, die Behandlung einer Mandelentzündung mit Antibiotika könne auf diese Weise Leukämie auslösen. | |
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− | + | ==Mittel zur Verbreitung und Förderung der Homotoxikologie== | |
+ | Um die Idee der Homotoxikologie zu verbreiten, wurde 1954 ein Verlag gegründet, in dem unter anderem ab 1962 das ''Homotoxin-Journal'' erschien. Dieses wurde zehn Jahre später in [[Internationale Zeitschrift für Biomedizinische Forschung und Therapie]] (kurz ''Biologische Medizin'' oder ''BM'') umbenannt, die jedoch inzwischen ihr Erscheinen einstellte. BM druckte Artikel zu naturheilkundlichen, homöopathischen und verwandten Themen. Die verkaufte Auflage betrug 16.000 Exemplare. Herausgeber war die [[Internationale Gesellschaft für Biologische Medizin e.V.]] (IGBM). Ein weiterer Verein zur Förderung der Homotoxikologie ist die 1961 von Reckeweg gegründete Internationale Gesellschaft für Homöopathie und Homotoxikologie e.V. (IGHH). Die beiden Vereine IGBM und IGHH arbeiten zusammen und haben die gleiche Anschrift. Für Arbeiten auf dem Gebiet der Homotoxikologie vergibt die Firma Heel den mit 15.000 Euro dotierten Hans-Heinrich-Reckeweg-Preis. | ||
==Literatur== | ==Literatur== | ||
*Stiftung Warentest: Die andere Medizin. Nutzen und Risiken sanfter Heilmethoden, Berlin, 2. Aufl. 1992, S. 184 f. | *Stiftung Warentest: Die andere Medizin. Nutzen und Risiken sanfter Heilmethoden, Berlin, 2. Aufl. 1992, S. 184 f. | ||
− | *Ernst E, Schmidt K | + | *Ernst E, Schmidt K: Homotoxicology - a review of randomised clinical trials., in Eur J Clin Pharmacol., 60/2004, S.299–306. PMID 15197516 |
*Reckeweg HH: Vicariation homotoxins and pathological phases in tissues developed from the three germinal layers. Münch Med Wochenschr. 1952 März 21;94(12):549-55. PMID: 14919518 | *Reckeweg HH: Vicariation homotoxins and pathological phases in tissues developed from the three germinal layers. Münch Med Wochenschr. 1952 März 21;94(12):549-55. PMID: 14919518 | ||
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+ | ==Quellennachweise== | ||
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Aktuelle Version vom 17. Dezember 2017, 09:41 Uhr
Die Homotoxikologie (nach: lat. homo Mensch und toxin Giftstoff), auch: Moderne Homöopathie), ist eine pseudomedizinische Hypothese und gleichnamige Behandlungsmethode mit Bezügen zur Homöopathie, die auf den deutschen Arzt und Homöopathen Hans-Heinrich Reckeweg (1905-1985) zurückgeht, der 1936 das heute in Baden-Baden ansässige Pharmaunternehmen Biologische Heilmittel Heel GmbH gründete. Reckeweg machte seine Ansichten zur Homotoxikologie in den 1940er Jahren publik. Er begleitete seine Hypothese der Homotoxikologie mit pauschalen medizinkritischen Aussagen.
Die Annahmen von Reckeweg widersprechen Erkenntnissen der wissenschaftlichen Medizin; es gibt keine unabhängigen Studien, die die Wirksamkeit der Homotoxikologie belegen. Gesetzliche Krankenkassen lehnen eine Kostenübernahme aufgrund unzureichender wissenschaftlicher Wirksamkeitsnachweise ab.[1]
Theorien zur Krankheitsentstehung
Homotoxine und Sutoxine
Nach Ansicht von Reckeweg sind sämtliche Erkrankungen des Menschen (als so genannte Homotoxikosen) monokausal durch Gifte bedingt, die Reckeweg Homotoxine nannte. Der Körper versuche kontinuierlich, bestimmte von außen eindringende oder im Körper entstandene Gifte durch Ausscheidungen und Absonderungen auszuscheiden (durch Schweiß, Urin, Kot, Eiter). Gelinge dies nicht in ausreichendem Maße, oder würden gar Medikamente (als Gifte) eingenommen, so komme es zur Krankheit. Eine besondere Rolle komme dabei dem Schweinefleisch zu, das giftige, so genannte "Sutoxine" enthalte und deshalb zu meiden sei. Bei regelmäßigem Verzehr werde menschliches Körpergewebe allmählich durch Gewebe des Schweins ersetzt (Reckeweg: "Schweinefleischesser werden im Laufe der Zeit den Tieren ähnlich, die sie verspeisen"). Bei der Krankheitsentstehung spiele jedoch auch die individuelle Konstitution eine weitere Rolle. Die Homotoxine führen der Theorie zufolge zu einer Störung von ungenau beschriebenen "Fließgleichgewichten" im Organismus. Letzter Schritt einer Homotoxinvergiftung sei nach Entzündungsstadien die Krebserkrankung.
Reckeweg beschrieb mehrere Homotoxine, wobei er die von ihm definierten sieben Sutoxine als entscheidend einstufte.[2] De facto handelt es sich um jeweils gut bekannte Substanzen:
- Cholesterin
- Wachstumshormone
- Histamine und Imidazolkörper
- Sexualhormone
- Schwefelreiche, mesenchymale Schleimsubstanzen
- Sutoxische Fettsäuren
- Das Grippevirus
Manchmal wird auch ein "Onkogenes Agens" (nach Hans Nieper) zu den Sutoxinen gezählt.
Homotoxon
Als Homotoxon gilt in der Homotoxikologielehre das Ergebnis eines heilenden Prozesses, bei dem die genannten Homotoxin-Gifte mit einem "Entgiftungsfaktor" (Beispiel: Glukuronsäure, Glykokoll u.a.) zu einem ungiftigen Produkt reagieren, der Homotoxon genannt wird. Die Homotoxone seien dann Erscheinungen wie Eiter oder Exsudate, oder Ausscheidungen wie Stuhl, Urin, Speichel oder Schweiß.
Homotoxikologie als alternativmedizinische Therapie
Therapeutisch sollen bestimmte Antihomotoxika zu einer "Entgiftung" des Körpers führen, die homöopathischen Komplexmitteln und Isopathika entsprechen. Diese Behandlung wird manchmal auch "Antihomotoxologie" oder "Antihomotoxologische Medizin" genannt. Homotoxikologen wenden vor allem homöopathische Suis-Organ-Präparate an, die aus Organgewebe von Schweinen gewonnen und injiziert werden, sowie Nosoden. Von den Patienten wird gefordert, auf den Verzehr von Schweinefleisch zu verzichten.
Eine konventionelle medizinische Therapie mit Medikamenten führe nach Reckeweg zu einer für den Patienten schädlichen Rückvergiftung. Erbehauptete unter anderem, die Behandlung einer Mandelentzündung mit Antibiotika könne auf diese Weise Leukämie auslösen.
Mittel zur Verbreitung und Förderung der Homotoxikologie
Um die Idee der Homotoxikologie zu verbreiten, wurde 1954 ein Verlag gegründet, in dem unter anderem ab 1962 das Homotoxin-Journal erschien. Dieses wurde zehn Jahre später in Internationale Zeitschrift für Biomedizinische Forschung und Therapie (kurz Biologische Medizin oder BM) umbenannt, die jedoch inzwischen ihr Erscheinen einstellte. BM druckte Artikel zu naturheilkundlichen, homöopathischen und verwandten Themen. Die verkaufte Auflage betrug 16.000 Exemplare. Herausgeber war die Internationale Gesellschaft für Biologische Medizin e.V. (IGBM). Ein weiterer Verein zur Förderung der Homotoxikologie ist die 1961 von Reckeweg gegründete Internationale Gesellschaft für Homöopathie und Homotoxikologie e.V. (IGHH). Die beiden Vereine IGBM und IGHH arbeiten zusammen und haben die gleiche Anschrift. Für Arbeiten auf dem Gebiet der Homotoxikologie vergibt die Firma Heel den mit 15.000 Euro dotierten Hans-Heinrich-Reckeweg-Preis.
Literatur
- Stiftung Warentest: Die andere Medizin. Nutzen und Risiken sanfter Heilmethoden, Berlin, 2. Aufl. 1992, S. 184 f.
- Ernst E, Schmidt K: Homotoxicology - a review of randomised clinical trials., in Eur J Clin Pharmacol., 60/2004, S.299–306. PMID 15197516
- Reckeweg HH: Vicariation homotoxins and pathological phases in tissues developed from the three germinal layers. Münch Med Wochenschr. 1952 März 21;94(12):549-55. PMID: 14919518