Diskussion:Marxismus-Leninismus: Unterschied zwischen den Versionen
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+ | ''Eine theoretisch überzeugende Deutung, die ein Verständnis des linken Antisemitismus und Antizionismus ermöglicht, legte Thomas Haury vor. Er zeigt, dass das Weltbild des Marxismus-Leninismus – welches nicht mit dem Marxismus und allen Marxismen gleichzusetzen ist, sondern die herrschende erstarrte Doktrin der staatsozialistischen Länder bezeichnet – strukturelle Gemeinsamkeiten mit dem antisemitischen Weltbild aufweist, die unter bestimmten Bedingungen manifesten Antisemitismus hervorbringen können. Der moderne Antisemitismus, so Haury, sei eine Semantik, die sich unabhängig vom konkreten Inhalt durch drei Strukturmerkmale auszeichne: Personifizierung, Manichäismus und Konstruktion identitärer Kollektive. Jüdinnen und Juden gelten dem Antisemitismus als Personifizierung der modernen Gesellschaft, insbesondere ihrer ungeliebten und unverstandenen Seiten. Manichäisch trennt der Antisemitismus zudem zwischen »den Juden« einerseits und dem als gut konstruierten Gegenstück, beispielsweise dem »Volk«. Im Gegensatz zum Rassismus wird im Antisemitismus das jüdische »Andere« nicht als Unterlegenes konstruiert, sondern als bedrohlich überlegen. Wenn der Antisemitismus auch an den jahrhundertealten (christlichen) Antijudaismus anknüpft, so gewinnt er doch seit seiner Herausbildung als moderner Antisemitismus im 19. Jahrhundert noch ein entscheidendes Strukturmoment in seiner Rolle bei der Schaffung als homogen imaginierter, v.a. nationaler Kollektive. Gerade im Fall der deutschen Nationalbewegung im 19. Jahrhundert ist der von Beginn an virulente Antisemitismus offensichtlich. Die Jüdinnen und Juden stellen das Gegenbild für den Nationalismus dar, da sie nicht nur ein Feindbild im Innern abgeben, sondern durch die Spezifik der jüdischen Existenz als Gegenprinzip zur Nation an sich fungieren. | ||
+ | Wie Haury zeigt, bestehen bereits im Leninschen Weltbild diese Strukturelemente, auch wenn dieser sich nie antisemitisch äußerte, sondern ein Gegner des Antisemitismus war. Aber er ist grenzenlos in seinem manichäischen Hass gegen die Feinde des Kommunismus oder gegen »Abweichler«, die er hart bekämpft – auf Basis seiner orthodoxen Theorie mit absolutem Geltungsanspruch. In der DDR-Ideologie der fünfziger Jahre spitzt sich dies noch einmal zu. Die zwei als in unüberwindlichem Gegensatz zueinander stehend konstruierten Lager sind der »Imperialismus« auf der einen Seite und die »friedliebenden Völker« auf der anderen. Auf die deutsche Situation bezogen standen sich die sozialistische DDR und die »faschistische« BRD gegenüber. Auch die Personalisierung der gesellschaftlichen Verhältnisse fand Anfang der fünfziger Jahre in der Anti-Kosmopolitismus-Kampagne ihren Höhepunkt, sowohl in der Deutung des Nationalsozialismus als Werk einiger Vertreter der Finanzoligarchie als auch der Darstellung des neuen Feindes als »Clique« von »Wallstreet-Kapitalisten«, in der Rede von der »okkulten Herrschaft« der »Dollarkönige«. Zugleich wurde in der Terrorwelle ein innerer Feind, »Agenten«, »Saboteure«, »Parasiten« und »Volksfeinde«, konstruiert. Dazu trat nun ab Ende der vierziger Jahre ein extremer Nationalismus, der zum Teil auf der kommunistischen Ideologie basierte, die ihren Antinationalismus schon lange abgelegt hatte, und zum Teil auf der strategischen Herausforderung der Legitimation der SED-Herrschaft, da mit ihren sozialistischen Programmpunkten alleine nicht die erhoffte Zustimmung zu erzielen war. | ||
+ | Der Kommunismus gibt seinen Universalismus – verstanden als universelle Befreiungsbewegung – zugunsten eines nationalen, herrschaftsstabilisierenden Partikularismus auf. Ganz klar widerspricht der Antisemitismus einem linken Weltbild, und doch wurde er in dieser Situation manifest, wo sich eine manichäisch-verschwörungstheoretische ML-Version des Marxismus mit der Notwendigkeit der nationalen Legitimierung konfrontiert sah. Keineswegs ist dies als deterministische Beziehung misszuverstehen. '' | ||
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+ | [[Benutzer:Abrax|Abrax]] 12:33, 30. Jul. 2010 (CEST) |
Aktuelle Version vom 30. Juli 2010, 10:33 Uhr
Was ist mit Nordkorea? --WikiSysop 14:10, 16. Sep. 2009 (CEST)
- Ich leite die Frage an den Autor weiter 0815 14:46, 16. Sep. 2009 (CEST)
Kritik
Mir scheint der inhaltliche Wandel, der zwischen Marx und Stalin stattgefunden hat, nicht ausreichend berücksichtigt. Dieser Autor z.B. sieht den Wechsel vom Versuch einer rationaler Erklärung unserer Gesellschaft zu einer politischen Religion wohl bei Lenin:
Lenins Schrift „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ spielte nicht nur in den Leninistischen KP, den K- und Antiimp-Gruppen der neuen Linken eine wichtige Rolle, sondern hinterließ seine Spuren auch in vielen Teilen jener Linken, die sich nicht explizit auf Lenin berufen oder diesen auch dezidiert ablehnen. Gerade in der MAI- und Globalisierungsdebatte spielten Argumente der leninistischen Imperialismustheorie mehr oder weniger versteckt eine wichtige Rolle. Lenin interpretiert dabei „den historischen Übergang zum Aktienkapital als eine qualitative Veränderung des Kapitalismus: als Ablösung des freien Konkurrenz- durch den Monopolkapitalismus, der durch einige wenige „Finanzoligarchen“ kontrolliert werde und in dem das „blinde Wüten des Wertgesetzes“ partiell aufgehoben sein. Dies sei durch das bürgerliche Kreditwesen verursacht, welches sich die ganze Produktion unterwerfe und seinen verwerflichen Zielen zunutze mache.“ (Gruber/Ofenbauer, 1998) Für Lenin ist das Zinskapital nicht wie für Marx die „fetischartigste Form“ des Kapitals, sondern ein „unmittelbar personalistisch verstandenes Herrschaftsverhältnis“. (Gruber/Ofenbauer, 1998) Bei dieser vermuteten Allmacht der „Finanzoligarchen“ in einem Monopolkapitalismus wird sehr schnell die Parallele zu Verschwörungstheorien der Rechten sichtbar. Die Attribute die dem „internationalen Finanzkapital“, der „Finanzoligarchie“ usf. zugeschrieben werden sind fast 1:1 dieselben, die von AntisemitInnen den Juden zugeschrieben werden: Allmacht, Globalität, Böswilligkeit, Klandestinität usf.. Und so stellen sich AntisemitInnen die Welt ganz ähnlich vor: überall sehen sie „Bonzen“ und „Parasiten“ am Werk, die das Volk ausbeuten und der Internationalisierung preisgeben, weil sie nur den kurzfristigen Profit der Finanzkapitalisten und nicht das Allgemeinwohl im Auge hätten, dass also „das internationale Finanzkapital über die regierenden Systemparteien an der Zerstörung von Sozialstaat und Kultur [...] arbeitet.“ (Nation & Europa 5/98)" http://homepage.univie.ac.at/thomas.schmidinger/php/texte/antisemitismus_struktureller_antisemitismus.pdf
Aber schon bei Engels und bei Kautsky zeigen sich Tendenzen zur einer erheblichen Vereinfachung des Marxschen Weltbildes.
Statt darzulegen, wo der ML irrational war/ist, wird da nur Poppers oberflächliche Marxkritik wiedergegeben, die mit den Inhalten von dessen Philosophie nicht viel zu tun hat, sondern eben den ML seiner Zeit meint. Auch was Popper hier als "ideologiekritik" bezeichnet, ist nicht Ideologiekritik, sondern das Diffamieren des Gegner mit Hilfe von Verschwörungstheorien, welche zumindest im Stalinismus bestimmend für das Weltbild waren. Die Forderung nach Falsifizierbarkeit scheint mir in den Sozial- und Geisteswissenschaften problematisch zu sein, die wird dort praktisch nie erfüllt. Oder sind Poppers Ausführungen denn falsifizierbar? Abrax 12:09, 30. Jul. 2010 (CEST)
Mehr in die Richtung:
Andere Kritiker monieren das verengte Kausalverhältnis zwischen Basis und Überbau, wie es unter anderem die Stamokap-Theorie oder in gewissen vulgärmarxistischen Kartelltheorien zu beobachten ist. Hier werden die Institutionen und Träger des Staates als direkte Befehlsempfänger der Industriellen dargestellt, zu bloßen „Agenten des Monopolkapitalismus“. Der deutsche Historiker Gerd Koenen und der amerikanische Politologe Daniel Pipes bezeichnen aus diesem Grunde den Marxismus-Leninismus als eine Verschwörungstheorie. (...) Gerd Koenen: Marxismus-Leninismus als universelle Verschwörungstheorie. In: Die neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte,H. 2 (1999), S. 127-132 http://de.wikipedia.org/wiki/Kritik_am_Marxismus Abrax 12:24, 30. Jul. 2010 (CEST)
Und noch mehr:
Eine theoretisch überzeugende Deutung, die ein Verständnis des linken Antisemitismus und Antizionismus ermöglicht, legte Thomas Haury vor. Er zeigt, dass das Weltbild des Marxismus-Leninismus – welches nicht mit dem Marxismus und allen Marxismen gleichzusetzen ist, sondern die herrschende erstarrte Doktrin der staatsozialistischen Länder bezeichnet – strukturelle Gemeinsamkeiten mit dem antisemitischen Weltbild aufweist, die unter bestimmten Bedingungen manifesten Antisemitismus hervorbringen können. Der moderne Antisemitismus, so Haury, sei eine Semantik, die sich unabhängig vom konkreten Inhalt durch drei Strukturmerkmale auszeichne: Personifizierung, Manichäismus und Konstruktion identitärer Kollektive. Jüdinnen und Juden gelten dem Antisemitismus als Personifizierung der modernen Gesellschaft, insbesondere ihrer ungeliebten und unverstandenen Seiten. Manichäisch trennt der Antisemitismus zudem zwischen »den Juden« einerseits und dem als gut konstruierten Gegenstück, beispielsweise dem »Volk«. Im Gegensatz zum Rassismus wird im Antisemitismus das jüdische »Andere« nicht als Unterlegenes konstruiert, sondern als bedrohlich überlegen. Wenn der Antisemitismus auch an den jahrhundertealten (christlichen) Antijudaismus anknüpft, so gewinnt er doch seit seiner Herausbildung als moderner Antisemitismus im 19. Jahrhundert noch ein entscheidendes Strukturmoment in seiner Rolle bei der Schaffung als homogen imaginierter, v.a. nationaler Kollektive. Gerade im Fall der deutschen Nationalbewegung im 19. Jahrhundert ist der von Beginn an virulente Antisemitismus offensichtlich. Die Jüdinnen und Juden stellen das Gegenbild für den Nationalismus dar, da sie nicht nur ein Feindbild im Innern abgeben, sondern durch die Spezifik der jüdischen Existenz als Gegenprinzip zur Nation an sich fungieren. Wie Haury zeigt, bestehen bereits im Leninschen Weltbild diese Strukturelemente, auch wenn dieser sich nie antisemitisch äußerte, sondern ein Gegner des Antisemitismus war. Aber er ist grenzenlos in seinem manichäischen Hass gegen die Feinde des Kommunismus oder gegen »Abweichler«, die er hart bekämpft – auf Basis seiner orthodoxen Theorie mit absolutem Geltungsanspruch. In der DDR-Ideologie der fünfziger Jahre spitzt sich dies noch einmal zu. Die zwei als in unüberwindlichem Gegensatz zueinander stehend konstruierten Lager sind der »Imperialismus« auf der einen Seite und die »friedliebenden Völker« auf der anderen. Auf die deutsche Situation bezogen standen sich die sozialistische DDR und die »faschistische« BRD gegenüber. Auch die Personalisierung der gesellschaftlichen Verhältnisse fand Anfang der fünfziger Jahre in der Anti-Kosmopolitismus-Kampagne ihren Höhepunkt, sowohl in der Deutung des Nationalsozialismus als Werk einiger Vertreter der Finanzoligarchie als auch der Darstellung des neuen Feindes als »Clique« von »Wallstreet-Kapitalisten«, in der Rede von der »okkulten Herrschaft« der »Dollarkönige«. Zugleich wurde in der Terrorwelle ein innerer Feind, »Agenten«, »Saboteure«, »Parasiten« und »Volksfeinde«, konstruiert. Dazu trat nun ab Ende der vierziger Jahre ein extremer Nationalismus, der zum Teil auf der kommunistischen Ideologie basierte, die ihren Antinationalismus schon lange abgelegt hatte, und zum Teil auf der strategischen Herausforderung der Legitimation der SED-Herrschaft, da mit ihren sozialistischen Programmpunkten alleine nicht die erhoffte Zustimmung zu erzielen war. Der Kommunismus gibt seinen Universalismus – verstanden als universelle Befreiungsbewegung – zugunsten eines nationalen, herrschaftsstabilisierenden Partikularismus auf. Ganz klar widerspricht der Antisemitismus einem linken Weltbild, und doch wurde er in dieser Situation manifest, wo sich eine manichäisch-verschwörungstheoretische ML-Version des Marxismus mit der Notwendigkeit der nationalen Legitimierung konfrontiert sah. Keineswegs ist dies als deterministische Beziehung misszuverstehen.
http://jungle-world.com/artikel/2008/19/21766.html
Abrax 12:33, 30. Jul. 2010 (CEST)