Antioxidantien: Unterschied zwischen den Versionen
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− | '''Antioxidantien''' | + | '''Antioxidantien''' (Mehrzahl von ''Antioxidans'') |
− | + | Antioxidantien sind chemische Verbindungen, denen nachgesagt wird, dass sie im menschlichen Körper einen Gegenspieler zu sogenannten freien Radikalen bilden können. | |
+ | Sie sollen den menschlichen Organismus schützen, indem sie den Abbruch physiologisch nachteiliger Kettenreaktionen herbeiführen, die bei verschiedenen Stoffwechselvorgängen im Körper entstehen, aber auch durch zahlreiche äußere Einflussfaktoren gebildet werden. Sie sollen ein biochemisches Gleichgewicht wiederherstellen und damit vor oxidativem Stress schützen. | ||
+ | Es sind zahlreiche Substanzen mit antioxidativen Effekten bekannt und auch Pflanzen bzw. pflanzliche Lebensmittel, die einen hohen Gehalt an natürlich vorkommenden Antioxidantien aufweisen. | ||
− | Antioxidantien spielen eine Rolle in der | + | Antioxidantien spielen eine Rolle in der Kunststoff-, Kosmetik- und Lebensmittelindustrie und werden im Gesundheits- und [[Wellness]]-Sektor eingesetzt. |
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+ | Auf dem expandierenden Markt der [[Nahrungsergänzungsmittel]] werden Antioxidantien sehr stark beworben und ihnen werden viele stets positive Wirkungen nachgesagt: [[Anti Aging]], Senkung des Krebsrisikos, Förderung der Gedächtnisleistung, schöne Haut, Verbesserung der Fruchtbarkeit, Senkung des Risikos für Herz-Kreislauf-Probleme und vieles mehr. | ||
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+ | Die Anbieter bleiben beim weitaus größten Teil der angebotenen Substanzen und Produkte in den Nachweisen für die Behauptungen und Aussagen zu den aufgezählten positiven Wirkungen sehr vage bzw. Belege fehlen völlig. Tatsächlich ist es so, dass für viele der Stoffe bis dato keinerlei oder nicht ausreichend evidente wissenschaftliche Nachweise vorliegen, die die behaupteten Wirkungen eindeutig belegen. Sehr oft werden Wirkungsgrad und Einfluss übertrieben dargestellt und willkürlich Zusammenhänge hergestellt sowie Vermutungen und Zuschreibungen als Fakten präsentiert. | ||
+ | [[image: Antioxidantien-620x441.jpg|thumb]] | ||
==Antioxidantien== | ==Antioxidantien== | ||
− | Natürlich vorkommende Antioxidantien sind u. a. in Knoblauch, | + | Um Schäden vorzubeugen bzw. diese zu reparieren ist der menschliche Organismus mit einer Vielzahl von Schutz- und Reparaturmechanismen ausgestattet: mit antioxidativen Molekülen und Systemen. Streng genommen werden solche Stoffe als Antioxidantien bezeichnet, die die Oxidation einer anderen Substanz verzögern oder verhindern. |
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+ | Natürlich vorkommende Antioxidantien sind u.a. in [[Knoblauch]], [[Indol-3-Carbinol|Brokkoli]], [[Ingwer]], Blaubeeren, Kohl, Süßholz, Tee, Kaffee, Kerbel, Petersilie, Zwiebeln, Zitrusfrüchten, Leinsamen, Vollreis, Tomaten, Traubenkernöl, Rosmarin, Minze, Gurke, Spargel, Basilikum und Kakao enthalten. Antioxidantien sind auch ein wichtiger Bestandteil der menschlichen Muttermilch; sie wirken im Organismus des Babys als Radikalfänger. Bekannt ist auch das aus roten Weintrauben gewonnene [[Resveratrol]]. | ||
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+ | Die Vitamine E und C liegen als wirksame Antioxidanten vor. Andere Antioxidantien können Hormone wie das [[Melatonin|Melatonin]] sein. Weitere typische Antioxidantien sind die [[Oligomere Proanthocyanidine|oligomeren Proanthocyanidine]], kurz OPC, die aus Traubenkernextrakten gewonnen werden und einer der Verkaufsschlager auf dem Nahrungsergänzungsmittelmarkt sind, sowie [[Lycopin]], reduziertes [[Glutathion]], Gallate, Lecithin und Milchsäure. Antioxidative Potenz wird auch den Phenolen im Rotwein zugesprochen (ein Teelöffel echtes Kakaopulver enthält aber die gleiche Menge Antioxidantien wie Rotwein). Auch in Sojaprodukten ([[Phytoöstrogene]]) sind antioxidative Substanzen enthalten. | ||
− | + | Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht ist die Einteilung der Antioxidantien sowohl bei den Substanzen wie auch bei ihren Auswirkungen in [https://de.wikipedia.org/wiki/Endogen Endogen] und [https://de.wikipedia.org/wiki/Exogen Exogen] von Relevanz, da die Zufuhr der exogenen Antioxidantien über die Nahrung erfolgt, aber auch die Bildung endogener Antioxidantien, z.B. der Harnsäure, von der Ernährungsweise beeinflusst wird. Die tägliche Aufnahme essenzieller Nährstoffe mit antioxidativer Funktion (Vitamin E, Vitamin C) beträgt etwa 100 mg. Die Aufnahme antioxidativer sekundärer Pflanzenstoffe aus Gemüse und Obst hingegen kann auch 1000 mg und mehr erreichen.<ref>Schriftenreihe des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Reihe A: Angewandte Wissenschaft Heft 495</ref> | |
− | + | =====Klassifizierung nach Endogenen und Exogenen Antioxidatien:===== | |
+ | *Endogen | ||
+ | **Harnsäure | ||
+ | **Bilirubin | ||
+ | **Albumin | ||
+ | **[[Glutathion]] | ||
+ | **Ubichinon ([[Q10]]) | ||
+ | **Ceruloplasmin | ||
+ | |||
+ | *Exogen | ||
+ | **Vitamine | ||
+ | **[[Carotinoide]] | ||
+ | **[[Curcumin]] | ||
+ | **[[Polyphenole]] | ||
+ | ***Phenolsäuren (Vanillin- und Kaffeesäure) | ||
+ | ***[[Resveratrol]] | ||
+ | ***Flavonoide | ||
+ | **** z.B. '''[[Quercetin]]'''-> Zwiebeln/ '''Myricetin'''-> Trauben, Heidelbeeren Walnüsse/ '''Kaempferöl'''-> [[Ginkgo biloba]]/'''Xanthohumanol'''-> Bier/ '''Luteolin'''->Sellerie /'''[[Anthocyane]]'''-> Beerenfrüchte, [[Oligomere Proanthocyanidine]] | ||
+ | ***Tannine (Tee) | ||
+ | **weitere über Tee/Kaffee und Gewürze aufgenommen Substanzen | ||
+ | **andere sekundäre Pflanzenstoffe, | ||
+ | ***manche sekundäre Pflanzenstoffe sind besonders mit Vorsicht zu genießen, da sie in Verbindung mit medikamentösen Maßnahmen schädliche Auswirkungen haben. Bekannt ist dabei das Furanocoumarin aus der Grapefruit, das massiv die Enzyminduktion des Menschen beeinflusst und damit die Wirkung von Medikamenten entweder vielfach verstärken oder abschwächen kann. | ||
− | ==Antioxidantien in der | + | =====Klassifizierung nach Antioxidationssytemen:===== |
− | + | * Proteine | |
+ | **Enzyme | ||
+ | ***Glutathion-Peroxidase | ||
+ | ***Katalase | ||
+ | ***Superoxiddismutase | ||
+ | ***DNA-Reparatursysteme | ||
+ | ***Paraoxonase | ||
+ | **Metall-Transportproteine | ||
+ | ***Ceruloplasmin | ||
+ | ***Transferin | ||
+ | ***Lactoferin | ||
+ | **Thiolproteine | ||
+ | |||
+ | *Niedermolekulare Antioxidantien | ||
+ | **Lipid-lösliche Antioxidantien | ||
+ | ***Tocopherole (Vitamin E) | ||
+ | ***[[Carotinoide]] | ||
+ | ***Coenzym [[Q10]] | ||
+ | ***Retinol (Vitamin A) | ||
+ | ***a-Liponsäure | ||
+ | **Wasser-lösliche Antioxidantien | ||
+ | ***[[Curcumin]] | ||
+ | ***Ascorbat | ||
+ | ***[[Glutathion]] | ||
+ | ***sekundäre Pflanzenstoffe | ||
+ | ***Harnsäure | ||
+ | ***Bilirubin <ref>Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Reihe A: Angewandte Wissenschaft, Heft 495, Antioxidative Systeme</ref> | ||
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+ | Die Gabe von Antioxidantien kann bei bestimmten Patientengruppen mit eindeutig nachgewiesenem erhöhtem Vorkommen freier Radikale sinnvoll sein, beispielsweise bei schwerkranken Patienten auf einer Intensivstation.<ref>Manhart N . Der Einsatz von Antioxidantien beim Intensivpatienten. Chirurgische Gastroenterologie 2004 ; 20 : 216 – 222</ref><ref>Roth E , Manhart N , Wessner B. Assessing the antioxidative status in critically ill patients. Curr Opin Clin Nutr Metab Care 2004 ; 2 : 161 – 168</ref> Aktuell (2015) liegt keine wissenschaftliche Studie vor, die belegt, dass die systematische Einnahme von Antioxidantien bei asymptomatischen Patienten einen Überlebensvorteil erbringt. Dagegen gibt es jedoch Evidenz dafür, dass die Einnahme bestimmter Antioxidantien mit einer erhöhten Letalität (Sterblichkeit) assoziiert ist.<ref>Strametz R et al., IGeL kritisch betrachtet: Messung freier Radikale, Z Allg Med 2008; 84: 399– 403</ref> | ||
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+ | Um wissenschaftlich gesicherte Aussagen über die notwendige Zufuhr von exogenen Antioxidantien und der Reduktion des Erkrankungsrisikos zu erhalten, sind jedoch noch weitere Studien notwendig. Eine Empfehlung für die Zufuhr gibt es gegenwärtig lediglich für einige antioxidative Vitamine, ß-Carotin und Spurenelemente. Für antioxidativ wirksame sekundäre Pflanzenstoffe fehlen gegenwärtig hauptsächlich die Daten zu Bioverfügbarkeit und Dosis-Wirkungsbeziehungen (siehe Studienlage). | ||
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+ | ====Zuverlässigkeit der Methoden zur Bestimmung antioxidativer Eigenschaften==== | ||
+ | Über viele Jahre wurden tausende von Publikationen über Inhaltsstoffe von Nahrungsmitteln und ihre anti-oxidativen Eigenschaften veröffentlicht. Neben wissenschaftlichen Aspekten sind dabei auch wirtschaftliche Interessen von ausschlaggebender Bedeutung. Dabei geht es hauptsächlich um Werbestrategien, die darauf abzielen, Nahrungsmittel-Supplemente zu vermarkten. | ||
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+ | Daher ist es von besonderer Bedeutung, die Aussagekraft von Studien, die darin verwendeten Methoden und die daraus folgenden Aussagen sorgfältig zu prüfen. Beruht die Feststellung der Eigenschaften nur auf In-Vitro-Experimenten oder liegen auch Ergebnisse aus Humanstudien vor? In-Vitro-Ergebnisse können nur begrenzt auf Menschen übertragen werden. | ||
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+ | Ein sehr gutes Beispiel ist [[Curcumin]], eines der stärksten Antioxidantien, die man aus Versuchen mit Zellkulturen kennt. Diese Verbindung wird allerdings so gut wie gar nicht im Darmtrakt aufgenommen. Die biologische Verfügbarkeit ist gering und die Verweildauer im menschlichen Organismus sehr kurz, so dass die zugeschriebenen Eigenschaften theoretischer Natur sind. Das gilt auch für Anthocyane (Farbstoffe in Beeren), so dass in inneren Organen nicht mit Schutzwirkungen gerechnet werden kann. | ||
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+ | ====Messung von freien Radikalen bei Gesunden und Kranken==== | ||
+ | [[image:FRAS.jpg|FRAS-Testgerät|300px|thumb]] | ||
+ | Zur Prävention von Krankheiten werden oftmals Messungen freier Radikale als von Patienten selbst zu zahlenden Test (als IGeL-Leistung) angeboten. Die Messung freier Radikale verspricht bei Gesunden keinen nachweisbaren Nutzen. Abgesehen von der Einhaltung allgemeiner Maßregeln einer gesunden Lebensführung gibt es keine spezifische Therapie, die einen "oxidativen Stress" bei ansonsten gesunden Menschen verhindern bzw. ihm vorbeugen könnte.<ref>Strametz R et al., IGeL kritisch betrachtet: Messung freier Radikale, Z Allg Med 2008; 84: 399– 403</ref> | ||
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+ | Aufgrund der extrem kurzen Halbwertszeit ist es nahezu unmöglich, die gemeinten freien Radikale direkt im Blut nachzuweisen.<ref>Sies H. Strategies of antioxidant defense. Eur J Biochem 1993 ; 215 :213 – 219</ref> Die Messung freier Radikale erfolgt daher indirekt über eine Bestimmung der Konzentration von Substanzen, die mutmaßlich durch freie Radikale verändert wurden, z.B. von Antioxidantien. Auch gibt es Bluttests, die die Fähigkeit zur "Entgiftung" zugegebener Radikalbildner messen. | ||
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+ | Messverfahren: | ||
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+ | Die wichtigste physikalische Methode ist die Elektronenspinresonanz, mit der freie Radikale quantifiziert werden, wobei bei kurzlebigen Spezies oft stabilisierende Substanzen (molekulare Fallen) zugesetzt werden. Zu den chemischen Methoden gehören eine Vielzahl von Verfahren, bei denen meist Farbumschläge, die durch Oxidations- oder Reduktionsprozesse ausgelöst wurden, erfasst werden. Ein wichtiger Begriff ist der TAC-Wert. Er steht für die "totale antioxidative Kapazität". | ||
+ | Messungen von oxidativen Veränderungen bei Makromolekülen sind allerdings relevanter, da sie mit der Auslösung von Krankheiten assoziert sind. | ||
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+ | Dazu gehören | ||
+ | # Messung von Substanzen, die durch Radikale verändert werden. Der Malondialdehyd(MDA)-Test ist der am häufigsten angewendete. Er wird eingesetzt, um die Lipidperoxidation zu bestimmen, zusätzlicher Parameter ist der Thiobarbitursäure-reaktive-Substanzen (TBARS). Die Untersuchungen werden mit Körperflüssigkeiten und mit Zellen durchgeführt. Da die Proben über einen längeren Zeitraum erhitzt werden, reflektieren die Messungen die Situation im menschlichen Körper nur teilweise. Die Bestimmung von konjugierten Doppelbindungen, die während der Lipidperoxisation entstehen, ist methodisch wesentlich aufwändiger und erfolgt mit Hochdruckflüssigkeits-Chromatographie (HPLC). | ||
+ | # Messung des Spiegels bestimmter Antioxidantien. Dazu zählen Bestimmungen von oxidierte LDL-Antikörpern, 8-Hydroxy-2-Desoxyguanosin-Tests, Alpha-Tocopherol (Vitamin E)-Test, Ascorbinsäure (Vitamin C)-Tests, Beta-Carotin-Test, Selen-Test und Zink-Test | ||
+ | # Ein antioxidativer Belastungstest ist der FRAP (Ferric Reducing Antioxidant Power), der auch versuchsweise zur Bestimmung einer so genannten [[Elektrosensibilität]] verwandt wird. Ein weiterer Test aus diesem Bereich ist die in der [[Orthomolekulare Medizin|orthomolekularen Medizin]] und [[Alternativmedizin]] eingesetzte [[Redox-Serumanalyse nach Heinrich]]. Aber: eine demonstrierte herabgesetzte antioxidative Kapazität bedeutet nicht unbedingt oxidativen Stress, da antioxidative Schutzmechanismen auch an die im Körper vorliegenden Konzentrationen freier Radikale angepasst und somit bei Bedarf herunterreguliert werden können. | ||
+ | [[image: Antiox.jpg|Möglichkeiten zur natürlichen Aufnahme|thumb]] | ||
==Antioxidantien und menschliche Gesundheit== | ==Antioxidantien und menschliche Gesundheit== | ||
− | + | ===Freie Radikale=== | |
+ | Freie Radikale sind bestimmte reaktive Substanzen, die im menschlichen Körper fortlaufend gebildet werden. Die Konzentrationen von freien Radikalen können in bestimmten Situationen ansteigen. Dazu gehören z.B. Entzündungen. Erhöhte Produktion von freien Radikalen wird auch "oxidativer Stress" genannt. | ||
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+ | Freie Radikale sind aber nicht nur schädlich und kritisch zu betrachten, sie haben einige bedeutende physiologische Aufgaben, wie z.B. Immunabwehr (Bildung durch Leukozyten zur Bakterienabwehr), Schutzfunktion im Blut in Form von Stickstoffmonoxid (Weitstellung der Gefäße->Blutdrucksenkung). Diese können aber schon durch sportliche Aktivität reguliert werden, da dadurch Enzyme wie das Akute-Phase-Protein (APP) gebildet werden. Diese fördern eine Toleranz gegenüber oxidativem Stress, da sie Muster erkennen, an Infektionserreger anbinden und sie für [http://flexikon.doccheck.com/de/Makrophage Makrophagen] und [http://flexikon.doccheck.com/de/Granulozyt Granulozyten] kenntlich machen. | ||
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+ | =====Oxidativer Stress===== | ||
+ | In der Entstehung und Entwicklung zahlreicher Erkrankungen und auch beim Alterungsprozess scheint oxidativer Stress eine zentrale Rolle zu spielen. Als oxidativen Stress bezeichnet man das Überwiegen von Oxidantien gegenüber den vorhandenen Antioxidantien. Durch diese Oxidantien, die auch Pro-Oxidantien genannt werden, kommt es zu Schäden an Zellen und Zellbestandteilen, die - sofern sie nicht repariert werden - sich manifestieren und pathologische Mechanismen auslösen können. Derartigen Schäden kann der menschliche Körper durch eine Vielzahl von antioxidativen Mechanismen entgegenwirken. | ||
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+ | Oxidantien, z.B. reaktive Sauerstoffverbindungen und freie Radikale, sind wie schon beschrieben hochreaktiv. Sie entstehen physiologischerweise endogen als Stoffwechselprodukte und haben dort ihre berechtigte Funktion zum Beispiel in der Energiegewinnung (Atmungskette), in der Signalüberführung oder der körpereigenen Immunabwehr. Bei oxidativem Stress kommt es zu Schäden an Proteinen, Lipiden und der Erbsubstanz. Je nach Ausmaß des oxidativen Stresses reagiert der Organismus darauf mit der Reparatur des Schadens, bei der die Zelle überlebt. Kann bei mäßigem oxidativem Stress der Schaden nicht repariert werden, wird der gezielte Zelltod, die Apoptose, eingeleitet. Bei massiven oxidativen Schäden kommt es zur Schädigung der Zellen unter entzündlicher Beteiligung des umliegenden Gewebes. | ||
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+ | Dass freie Radikale bei vielen beschriebenen biologischen Funktionalitäten wie auch Dysfunktionalitäten tatsächlich eine Rolle spielen, spiegelt sich in der Tatsache, dass sich mittlerweile eine sehr hohe Zahl an wissenschaftlichen Publikationen mit dem Themenbereich befasst haben. | ||
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+ | In einem gewissen Ausmaß scheinen sie die Erkrankungshäufigkeit wie z.B. Arteriosklerose und Krebs zu erhöhen, haben jedoch auch gleichzeitig protektive (schützende) Eigenschaften, da sie antimikrobiell wirken und für einige Stoffwechselreaktionen benötigt werden.<ref>Kohen R , Nyska A . Oxidation of biological systems: oxidative stress phenomena, antioxidants, redox reactions, and methods for their quantification. Toxicol Pathol 2002 ; 6 : 620 – 650</ref> | ||
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+ | Grundlage und Ausgangspunkt jedweder Betrachtung ist die Annahme, dass Störungen des [https://de.wikipedia.org/wiki/Redoxpotential Redox-Zustandes] für Auslösung und Entwicklung der schon genannten und auch diverser anderer Krankheiten verantwortlich sind. Ebenso ist bekannt, dass einige Inhaltsstoffe bestimmter Nahrungsmittel Schutz bieten können. | ||
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+ | Allerdings sind in diesem Bereich auch reichlich Mythen im Umlauf, die genutzt werden, um über einen vorgeblichen Benefit von Nahrungsmitteln oder Nahrungsergänzungen Profit zu machen. Vieles ist allerdings ohne erkennbaren oder nachgewiesen Nutzen, bzw. es erweist sich als sogar schädlich.<ref>Nohl H.: Die Biologie und Toxikologie des Sauerstoffes... Zuckerschwerdt 1994,59-80 </ref> | ||
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+ | ===Endogene und Exogene Entstehungs- und Belastungsfaktoren=== | ||
+ | In biologischen Systemen wie dem menschlichen Organismus spielen Oxidationsprozesse eine Rolle. Da dabei unter Mitwirkung von Sauerstoff häufig sehr reaktionsfreudige Zwischenprodukte entstehen können, die als ''Freie Radikale'' bezeichnet werden und denen eine schädliche Wirkung zukommt, wird seit langem versucht bzw.propagiert, Antioxidantien zu gesundheitsfördernden Zwecken als ''Radikalfänger'' (engl. scavenger) einzusetzen. | ||
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+ | Chemisch gesehen sind die Oxidationsprozesse durch Freisetzung von Energie aus Nahrungsmitteln gekennzeichnet, die in kontrollierter Form im Rahmen der Zellatmung ständig in unserem Körper ablaufen. Bei diesen Reaktionen werden in den Mitochondrien Elektronen auf molekularen Sauerstoff übertragen, dieser wird dabei reduziert und es entstehen Radikale. | ||
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+ | Exogen ist die größte Belastung durch Tabakrauch. Aber auch Nahrungsmittel, bestimmte Pharmazeutika und Metalle können Freisetzungen von Radikalen verursachen. | ||
+ | Grundsätzlich gibt es in einem gesunden Organismus einige Puffersysteme, die Radikale und deren Freisetzung kontrollieren. Dazu gehören Enzyme und eben Anti-Oxidantien. Das Gleichgewicht zwischen Bildung und Deaktivierung ist dynamisch und wird durch Erkrankungen gestört. | ||
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+ | ===Endogene und Exogene Schutzfaktoren=== | ||
+ | Es gibt einige antioxidativ wirkende Enzyme, wie Katalase und [https://de.wikipedia.org/wiki/Glutathionperoxidase Glutathionperoxidase], die als Bio-Katalysatoren wirken, ohne dabei selbst verändert zu werden. Andere Antioxidantien hingegen sind Verbindungen, die in der Lage sind, Sauerstoffradikale zu inaktivieren. Dabei werden entstehende Oxidationsprodukte im Körper regeneriert. So wird zum Beispiel ein Enzym, die Glutathionreduktase, so aufbereitet, dass es wieder zur Verfügung steht. Solange ausreichend Glutathion im [http://flexikon.doccheck.com/de/Zytoplasma Zytoplasma] vorhanden ist, sind Proteine und DNA vor Oxidation geschützt. Darüber hinaus sind Harnsäure und Bilirubin körpereigene Antioxidantien. | ||
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+ | Exogene Schutzfaktoren können protektive Verbindungen sein, die mit der Nahrung aufgenommen werden. Zu nennen sind dabei wiederum Vitamin A, E und C, wie auch Carotinoide und Chlorophylle<ref>Siegfried Knasmüller, Krebs und Ernährung, Risiken und Prävention – wissenschaftliche Grundlagen und Ernährungsempfehlungen 2014.</ref> (siehe Studienlage). | ||
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+ | Typische Erkrankungen, bei denen eine Einwirkung freier Radikale diskutiert wird oder bekannt ist, sind: | ||
*Arteriosklerose | *Arteriosklerose | ||
*Grauer Star | *Grauer Star | ||
*Krebs | *Krebs | ||
− | Da Oxidationen | + | Da neben den genetischen Ursachen beim Alterungsprozess auch Oxidationen im Rahmen von entsprechenden wissenschaftlichen Hypothesen (genauer: ''Abnutzungshypothesen des Alterns'') eine Rolle spielen, werden Antioxidantien gerne als [[Nahrungsergänzungsmittel]] zu einem beabsichtigten [[Anti Aging]] eingesetzt. Derartige Mittel sollen also Folgen des Alters mildern, und wenn man einigen Anbietern von Antioxidantien glauben mag, soll damit auch das Altern hinausgeschoben oder sogar die Lebenserwartung erhöht werden. Freie Radikale sind jedoch nicht nur schädliche Stoffwechselprodukte. Sie dienen auch der Immunabwehr, denn [http://flexikon.doccheck.com/de/Leukozyt Leukozyten] und [http://flexikon.doccheck.com/de/Makrophage Makrophagen] machen sich ihre bakterizide Wirkung zunutze: Sie produzieren freie Radikale und zerstören damit Bakterien und andere Fremdstoffe. Außerdem spielen freie Radikale vermutlich über die Vermittlung der Apoptose eine Rolle in der körpereigenen Tumorsuppression. |
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+ | Da bei den ersten Phasen der Krebsentstehung (Initiation) bekanntermaßen auch reaktive freie Radikale eine Rolle spielen, sind entsprechende Produkte zur Krebsprävention auf dem Markt. Auf eine bereits bestehende Krebserkrankung haben aber Antioxidantien höchstens einen geringen Einfluss. | ||
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+ | Antioxidantien können jedoch bei Krebs auch eine tumorfördernde Wirkung haben und eine wirksame Therapie behindern, da bei der Behandlung von Tumoren gerade freie Radikale entstehen sollen, um die Tumorzellen abzutöten. Antioxidantien verringern deshalb den Heilungserfolg mancher Krebstherapien. | ||
+ | [[image: 99999.jpg|thumb]] | ||
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+ | ==Antioxidantien und Nahrungsergänzungsmittel== | ||
+ | Eine ganz wesentliche Rolle spielen Antioxidantien auf dem Markt der Nahrungsergänzungsmittel. Die teilweise massive wie auch irreführende, oft hochpreisige Vermarktung beeinflusst die öffentliche Wahrnehmung und das Konsumverhalten potenzieller Kunden, da immer mit einem "Feelgood"-Faktor und einem gesundheitlichen Mehrwert geworben wird, allerdings weitgehend unspezifisch formuliert und nicht belegt. | ||
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+ | So sprach der US-Mediziner Victor Herbert (lt. US-Presse: Antiquackery Activist <ref>http://www.medscape.com/viewarticle/445263</ref>) auf einem Symposium davon, der Verkauf von Präparaten mit antioxidativen Substanzen und ihren vielfältigen Versprechungen und die Aussagen über ihre angeblich absolute Sicherheit, sei ein ''"multipler Milliardenbetrug"''.<ref>V.Herbert: Symposium: prooxidant effects of antioxidant vitamins. Journal of Nutrion 1996/ S.1197</ref> | ||
+ | |||
+ | Ähnlich äußerte sich der leitende Mediziner der Universität von Harvard nach dem Ende einer Studie, bei der 22.000 Ärzte 12 Jahre lang ß-Carotin oder Placebo genommen hatten: ''"Die größte Enttäuschung meines Lebens. Es war keinerlei Nutzen zu erkennen, weder bei Krebs, noch bei Herzinfarkten"''.<ref>Henderson et.al Lack of Effect of long-term supplementation with beta-carotine on incidence malignant neoplasms and cardiovascular disease. New Journal of Medicine 1996; 334: 1145</ref> | ||
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+ | Derzeit können Konzentrate und Extrakte von pflanzlichen Inhaltsstoffen grundsätzlich als Lebensmittel vermarktet werden. In der Vergangenheit wurden derartig hergestellte Nahrungsergänzungsmittel wie auch andere Nahrungsmittel, denen solche Substanzen beigefügt werden, mit Aussagen und Behauptungen zu gesundheitsspezifischen Effekten beworben, die nicht oder nicht ausreichend durch wissenschaftliche Untersuchungen belegt sind. <ref>https://www.verbraucherzentrale.de/werbung-mit-gesundheit-meist-zu-viel-versprochen</ref> | ||
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+ | Auch so genannte [[NRF2-Aktivator]]en gehören in diese Kategorie. | ||
+ | ====Vitamine==== | ||
+ | Gerade bei Vitaminen wurden über viele Jahre in der Werbung wie auch medialen Berichterstattung die antioxidativen Wirkungen von Vitaminen sehr in den Vordergrund gestellt. Mittlerweile gibt es groß angelegte Prospektiv-Studien, die dies zunehmend in Frage stellen. Gerade im Zusammenhang mit Multivitamin-Präparaten sah man sogar signifikant negative Effekte. In der SELECT-Studie aus dem Jahre 2011 zeigt sich ein Anstieg von Erkrankungen nach der Einnahme von Vitamin E (400 IU/d). Auch in der schon erwähnten finnischen Raucherstudie nahm die Häufigkeit von kanzerogenen Erkrankungen nach der Einnahme ProVitamin A (ß-Carotin) deutlich zu.<ref>Klein EA., Thompson, et al., Vitamin E an the Risk of prostate Cancer, SELECT, JAMA 2011, 1549-1556</ref><ref>http://www.ernaehrung2016.de/files/DGEM16/pdf/Freitag/Loeser_Krebsdiaeten_Fakten_u_Fantasien.pdf</ref> | ||
+ | |||
+ | Darüber hinaus werden gerade im Bereich der Krebserkrankungen diverse Wundermittel angeboten, denen nicht nur eine präventive Wirkung nachgesagt wird, sondern die sogar einen Heilungseffekt bewirken sollen. Beispiele sind [[Noni]], die indische Maulbeere, aus deren Frucht Säfte hergestellt werden, aber auch die [[Katzenkralle]] (Uncaria tomentosa, Produkt [[N-Tense]]), eine südamerikanische Pflanze, deren Blätterextrakt antioxidative und damit krebs-präventive Eigenschaften beigelegt werden. In beiden Fällen liegt bis heute kein evidenter wissenschaftlicher Nachweis vor. | ||
+ | |||
+ | Um solchen Methoden entgegenzuwirken, wurde im Jahre 2006 die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäische Parlamentes und des Rates (sogenannte Health-Claims-Verordnung)<ref>[http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32006R1924&from=DE Health-Claimes]</ref> verabschiedet, in der festgelegt wurde, dass für Lebensmittel bzw. daraus erzeugte Supplemente nur mit gesundheitsbezogenen Aussagen geworben werden darf, wenn diese auch durch überzeugende wissenschaftliche Belege dokumentiert sind. | ||
+ | |||
+ | Die Verordnung regelt zum einen nährwertbezogene Angaben. Beispiele dafür sind: | ||
+ | * „brennwertreduziert“, | ||
+ | |||
+ | * „leicht“, | ||
+ | |||
+ | * „fettarm“ oder | ||
+ | |||
+ | * „reich an Vitamin C“ | ||
+ | |||
+ | Sie regelt zum anderen „gesundheitsbezogene“ Angaben wie beispielsweise: | ||
+ | * „stärkt die Abwehrkräfte des Körpers“, | ||
+ | |||
+ | * „Calcium stärkt die Knochen“, | ||
+ | |||
+ | * „Der regelmäßige Verzehr von ausreichenden Calciummengen reduziert ihr Risiko, im Alter an Osteoporose zu erkranken“ <ref>http://www.bfr.bund.de/cm/343/verordnung_ueber_naehrwert_und_gesundheitsbezogene_angaben_ueber_lebensmittel.pdf</ref> | ||
+ | |||
+ | Erfahrungen und Beobachtungen zeigen aber bis heute, dass häufig gegen diese Regelungen verstoßen wird. Ein gängiger Versuch, die Regelung auszuhebeln, ist das ausgiebige Bewerben mit Präventiv- und Heilversprechen und im Folgenden der Hinweis, dass es sich um kein Arzneimittel handelt. | ||
− | + | ====Tee/Kaffee==== | |
+ | Gerade Tee werden schon seit langer Zeit positive gesundheitsfördernde Effekte zugeschrieben. Daher wurde schon sehr früh und intensiv zum Thema geforscht und publiziert. Vor allem dem Konsum von [https://de.wikipedia.org/wiki/Gr%C3%BCner_Tee#cite_note-DOI10.1038.2Fclpt.2013.241-20 grünem Tee] wird eine schützende Wirkung gegenüber diversen Krankheiten beigemessen. Es liegen mittlerweile Hunderte von Arbeiten zu diesem Thema vor. Auch diese Substanz wurde von der [[Nahrungsergänzungsmittel]]-Industrie genutzt, um mehr oder weniger stark konzentrierte Extrakte in Umlauf zu bringen, mit einer Vielzahl von Behauptungen über stets positive Wirkungen und zu sehr anspruchsvollen Konditionen. | ||
+ | |||
+ | Zugeschriebene Wirkungseigenschaften sind Vorbeugung von Krebs-, Alzheimer- und Parkinsonerkrankungen, generell [[Anti Aging]], [https://de.wikipedia.org/wiki/Adipositas Adipositas], [http://flexikon.doccheck.com/de/Chorea_Huntington Chorea Huntington], Multiple Sklerose, Herz-Kreislauf-Krankheiten, Entzündungen wie Atherosklerose, Akne und vieles mehr.<ref>https://www.vitaminexpress.org/de/gruener-tee</ref> <ref>http://www.gruenertee.de/wirkung/</ref> | ||
+ | |||
+ | Auf Hinweise über die Hintergründe und Wertigkeit der oft und gerne erwähnten Studien und Arbeiten wird in der Regel verzichtet (siehe Studienlage). Zudem erweisen sich Untersuchungen zu angeblichen positiven Wirkungen von Nahrungsmitteln teils als von der Nahrungsmittelindustrie bezahlte Promotionen. | ||
+ | |||
+ | Ursächlich ist der Inhaltsstoff Epigallocatechingallat, ein Antioxidans, der Grund dafür, dass [[Grüntee]] in den letzten Jahren an Popularität gewonnen hat. Grüner Tee ist momentan der beste Epigallocatechingallat-Lieferant. Medizinisch interessant ist diese Verbindung aufgrund ihrer möglichen, gesundheitsfördernden Eigenschaften. Allerdings wurden die positiven Ergebnisse der durchgeführten Studien lediglich in vitro bestätigt. Problematisch ist auch, dass die positiven Effekte nur bei einer hohen Dosis auftraten, die alleine durch Teetrinken beim beim Menschen nicht zu erreichen wären. | ||
+ | |||
+ | "''Wer mehr als zehn Tassen grünen Tee am Tag trinkt, könnte damit seine Leber und Nieren schädigen"''. Dies behaupten Chung Yang und seine Kollegen der Rutgers-Universität New Jersey im Journal ''Chemical Research in Toxicology'' nach einer Sichtung von Studien. Zu hohe Dosen der im grünen Tee enthaltenen Polyphenole können toxisch wirken, so Yang. Bislang konnte diese These in Studien am Menschen jedoch nicht bestätigt werden.<ref>: Joshua: D. Lambert, Shengmin Sang, Chung S. Yang: Possible Controversy over Dietary Polyphenols: Benefits vs Risks. In: Chemical Research in Toxicology. 20, 2007, S. 583–585. doi:10.1021/tx7000515</ref> | ||
+ | |||
+ | Darüber hinaus wurde festgestellt, dass der Genuss von grünem Tee auch bestimmte Arzneimittel in ihrer Wirkung behindern kann. So stellte eine japanische Studie aus dem Jahr 2014 fest, dass der Genuss von grünem Tee die Plasmakonzentration des Betablockers Nadolol reduzieren kann. Offensichtlich vermindern Substanzen im Tee die Aufnahme des Wirkstoffes im Serum.<ref>S. Misaka, J. Yatabe, F. Müller, K. Takano, K. Kawabe,et al. Green tea ingestion greatly reduces plasma concentrations of nadolol in healthy subjects. In: Clinical Pharmacology & Therapeutics. 2014, S. 432–438 </ref> | ||
+ | |||
+ | Bis in die 1980er Jahre dominierte die Ansicht, dass Kaffee in starken Ausmaß Krebs verursache. Interessant ist Kaffee wegen der Bioverfügbarkeit im menschlichen Organismus, da diese bei den meisten Nahrungsmitteln alles andere als optimal ist. Lediglich ein Bruchteil der Antioxidantien erreicht nach der Nahrungsaufnahme ihr Ziel. Mittlerweile gibt es mehrere Hundert Studien zu den antioxidativen Eigenschaften des Kaffees. Über 90% davon sind aber In-Vitro-Versuche, also mit Zellkulturen. Bei einem Dutzend Studien mit Tierversuchen wurde bei Ratten ein Anstieg antixoidativer Aktivitäten beobachtet. | ||
+ | |||
+ | ====Gewürze==== | ||
+ | ======Curcumin====== | ||
+ | Diese Substanz ist wie kaum ein anderer Gewürzinhaltsstoff erforscht und es gibt eine Vielzahl von Arbeiten, die auf potenziell vorbeugende Effekte bei diversen Krankheiten abzielen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Krebserkrankungen. Stand 2015 liegen ca. 1.800 Arbeiten in verschiedenen Datenbanken vor. Ernährungsphysiologisch hat Curcumin keine nennenswerten Eigenschaften. Der Beitrag zur Deckung des täglichen Energiebedarfs ist gleich Null | ||
+ | |||
+ | Die Substanz ist ein Paradebeispiel für all die vielen Inhaltsstoffe, die bei In-Vitro große antioxidative Wirkung erzielt und große Hoffnungen erweckt haben, da sie in Signalpfade eingreift, die mit der Zellteilung und dem programmierten Zelltod (Apoptose) assoziiert werden. Dementsprechend wurde und wird Curcumin in der Industrie der Nahrungsergänzungsmittel wie auch in der Alternativmedizin angeboten und eingesetzt (siehe auch Artikel [[Curcumin]]). | ||
+ | |||
+ | =====Ingwer===== | ||
+ | Auch dieser Substanz werden etliche gesundheitsfördernde Eigenschaften zugeschrieben, wie z.B. antioxidative, [http://flexikon.doccheck.com/de/Antiemetisch antiemetische], entzündungshemmende, auch anregende Effekte auf die Magensaft-, Speichel- und Gallenbildung werden genannt. Dementsprechend lang ist die Liste der behaupteten Wirkungen bei diversen Erkrankungen und Befindlichkeiten. "''Vorbeugen mit Ingwer verringert Risiko von Bluthochdruck, Multipler Sklerose, Gehirnschlag und Herzerkrankungen"'' (siehe auch Artikel [[Ingwer]]). | ||
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+ | =====Knoblauch===== | ||
+ | Knoblauch ist eine der Pflanzen, der am längsten Heilungseffekte zugeschrieben werden (erste Erwähnung 1550 v.Chr.). Albert Schweitzer und Louis Pasteur forschten schon an den anti-thrombotischen Effekten. Antioxidative Eigenschaften wurden in den 1960er Jahren zum ersten Mal beschrieben. Es existieren einige [http://flexikon.doccheck.com/de/In_vitro In-Vitro], Tier- und Humanstudien zu Thema [[Knoblauch]]. | ||
+ | |||
+ | ====Beispiele für tatsächliche Präventiv/Protektivfaktoren in der Nahrung==== | ||
+ | Die Studien- und Datenlage bzgl. der vorbeugenden und schützenden Funktionen bestimmter Nahrungsmittel, insbesondere der Antioxidantien, ist auch heute noch recht verworren und unklar. Von diesem Standpunkt aus sind die Behauptungen bei Nahrungsergänzungsmitteln immer kritisch zu betrachten. | ||
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+ | In der Folge eine Übersicht über einige der Substanzen, zu denen aussagekräftige Untersuchungen über ihre molekularen Mechanismen und konkrete Beispiel für protektive Effekte vorliegen. | ||
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+ | *[[Chlorophyll]]e, Proteine - Verhinderung der Aufnahme von Kanzerogenen in Zellen | ||
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+ | *Phenole, Vitamin C - Hemmung der Bildung von Nitrosaminen im Verdauungstrakt. | ||
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+ | *Phenole – Einfangen von DNA-reaktiven Molekülen und Radikalen | ||
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+ | *Vitamin E, ß-Carotin – Modifizierung des Transports von Kanzerogenen durch die Zellmembran | ||
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+ | *[[Resveratrol]] – Veränderung der Histonacytelierung, Hemmung von Entzündungen (NFxB=Transkriptsionsfaktor) | ||
+ | |||
+ | *Vitamin E – Hemmung der Cyvlooxygenase 2 (Enzyme-> Blutgerinnung, Entzündungen) <ref>DeFlora S, Ramel C: Mechanisms of Inhibitors of mutagenesis. Classification and Overviews, 1998, 285-306</ref> <ref>Kada T, Innoue T, Namiki N. Enviromental desmutagens and antidesmutagens, 1982, 137-151)</ref> | ||
+ | |||
+ | ==Antioxidantien in der Lebensmitteltechnik== | ||
+ | Oxidationen spielen in der Lebensmittelwirtschaft eine große Rolle. Ein typisches Beispiel einer unerwünschten Oxidation im Lebensmittelbereich ist die Bildung ranziger Butter. Daher spielen Antioxidantien im Lebensmittelbereich als Additive oder Lebensmittelzusatzstoffe eine große Rolle. | ||
+ | |||
+ | ==Studienlage== | ||
+ | =====Studien Vitamine===== | ||
+ | 1993 veröffentlichte das ''New England Journal of Medicine'' zwei epidemiologische Studien, die herausfanden, dass bei Personen, die Vitamin E-Präparate nahmen, weniger durch Herzkrankheiten bedingte Todesfälle vorkamen. Diese Studien belegten nicht, dass es von Nutzen ist, Vitamin E einzunehmen, da sie nicht die von Unterschieden in der Lebensführung herrührenden Effekte ausschlossen oder durch andere Krankheiten bedingte Todesfälle in Betracht zogen. Außerdem gab es bei anderen Studien widersprüchliche Ergebnisse. Vitamin K kann sich zudem auch negativ auswirken, da es die Gerinnungsfähigkeit des Blutes erhöht. | ||
+ | [[image:Supplementierung Krebs.jpg|Studien zur Supplementierung mit Vitaminen|360px|left]] | ||
+ | |||
+ | Die zweite Studie fand keinen Hinweis, dass die Gabe von Vitamin C, Vitamin E oder Beta-Carotin kolorektalen Krebs verhindert. Die dritte Studie, die 20.000 Ärzte 12 Jahre lang begleitete, fand keinen Unterschied im Auftreten von Krebs- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen zwischen Anwendern und Nichtanwendern von Beta-Carotin. | ||
+ | |||
+ | Die vierte Studie, die eine Kombination aus Beta-Carotin und Vitamin A testete, wurde nach vier Jahren abgebrochen, weil es den Anschein hatte, dass die Gruppe derjenigen, die die Präparate einnahmen und rauchten, eine um 28% höhere Lungenkrebsrate und insgesamt eine um 17% erhöhte Sterberate aufwiesen. | ||
+ | Eine weitere klinische Doppelblindstudie ergab, dass die Einnahme hoher Dosen der Vitamine C, E und Beta-Carotin das Risiko des Wiederverschließens der Arterien nach einer Ballonkatheterbehandlung am Herzen nicht reduzierte. Die Patienten nahmen entweder ein cholesterinsenkendes Medikament, das Medikament und drei Antioxidantien, die drei Antioxidantien allein oder Placebo. Mehr als 200 Patienten schlossen die Studie ab. Alle Patienten erhielten Aspirin, von dem bekannt ist, dass es das Wiederverschließen der Arterien vermindert. | ||
+ | |||
+ | Im Jahre 1994 sorgten die Ergebnisse einer finnischen Raucherstudie bei Anhängern von Antioxidationstherorien für Aufsehen. Etwa 30.000 Raucher konsumierten Vitamin E (50mg/D) ß-Carotin (20mg/D) oder eine Kombination der beiden Substanzen. In der Gruppe, die ß-Carotin erhielt, sah man einen deutlichen Anstieg der Lungenkarzinome (um 18%). Auch hier zeigten Vitamin E und die Kombination aus E und ß-Carotin keine positiven Auswirkungen auf das Lungenkrebsrisko.<ref>The Alpha-Tocopherol Beta Carotene Cancer Prevention Study Group. New England Journal of Medicine 1994, 330: 1029-1035 </ref> | ||
+ | |||
+ | Im Jahre 2007 führte das Center for Clinical Intervention Research, Copenhagen University eine Metastudie durch, die 68 Arbeiten und insgesamt rund 232.000 Teilnehmer umfasste. Das Ergebnis war, dass die Behandlung mit Beta-Carotin, Vitamin A und Vitamin E die Sterblichkeit erhöhen kann.<ref>http://dcscience.net/bjelakovic-supplements-07.pdf</ref><ref>https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17327526#</ref> | ||
+ | |||
+ | 2012 fanden Forscher am DKFZ in Heidelberg heraus, dass es erhebliche Unterschiede bei der Anwendung von Multi-Präparaten und einzelner antioxidativer Vitamine bestehen. In einer Langzeitstudie über elf Jahre wurde ein Rückgang der Mortalität festgestellt, bei Multi-Präparaten gab es überhaupt keine Veränderung.<ref>Li K, Kaaks R, Linseisen et al.: Vitamin/Mineral Supplementation an cancer, cardiovasculary. mortality, EPIC-Heidelberg 2012, 407-413</ref> | ||
+ | |||
+ | Untersuchungen zeigen, dass Vitamin C eine Schädigung der Erbsubstanz durch oxidativen Stress verhindert. In sogenannten [https://de.wikipedia.org/wiki/Comet-Assay Comet-Assays] kann das Ausmaß der Oxidation von Basen bestimmt werden. Allerdings muss der Mensch dazu sehr hohe Menge an Vitamin C zu sich nehmen (ca.0,5 – 1g/d). Dies wiederum fördert pro-oxidative Eigenschaften, die auf die Ascorbinsäure zurückzuführen sind und zytotoxische Effekte und Zell-Apoptose (programmierter Zelltod) auslösen. Zu diesen Aspekten liegen auch Humanstudien vor. In einer chinesischen Interventionsstudie über fünf Jahre erhielten die Teilnehmer 120 mg/d. Es wurden keinerlei Hinweise auf präventive Effekte gefunden.<ref>Tsugane S, Sasazuki S, Diet and the Risk of gastric Cancer, 2007, 311-318</ref> <ref>Plasma and dietary Vitamin C Levels and the Risk of gastric Cancer, EPIC-EURGAST, 2007, 2250-2257</ref> | ||
+ | |||
+ | Noch gravierender sind die Erkenntnisse bei den Tocopherolen (Vitamin E). Trotz des enormen antioxidativen Potenzials, das bei In-Vitro-Untersuchungen festgestellt wurde, sind die Ergebnisse in Humanstudien ernüchternd. Hier ist die Datenlage besonders verwirrend. Zwischen Studien, bei denen die Daten aufgrund des Verzehrs erhoben wurden, stehen denen der Serumsmessung gegenüber bzw. es wurden synthetische Substanzen verwendet. Die Ergebnisse sind unterschiedlich und alle zusammen lassen keine eindeutige Schussfolgerungen zu. In neueren Arbeiten wurde die Zyto-Toxizität von Tocopherolen festgestellt. Hier ist es von besonderer Bedeutung, dass in zukünftigen Untersuchungen Methodik und Design standardisiert werden.<ref>The Effect of Vitamin E and beta Carotine of the Incidence of Lung Cancer, New Eng.Jour. of Med., 1994 1029-1035 </ref> <ref>Lonn E, Bosch J et al. Effects of longterm Vitamin E Supplementation on cardiovascular Events, JAMA 2005, 1338-1347</ref> | ||
+ | Konkret bezugnehmend ist für Vitamine zusammenfassend festzuhalten, | ||
+ | *dass es für Vitamin C auf der Basis von Verzehrstudien Hinweise auf schützende Faktoren gibt. Humane Interventionsstudien konnten dies jedoch nicht bestätigen. | ||
+ | |||
+ | *Bei Vitamin E sind die Unterschiede zwischen In-Vitro und In-Vivo-Studien zu groß, um belastbare Ergebnisse zu erzielen. Somit liegen keine Beweise vor, dass die Einnahme von Vitamin C-Präparaten eine Krankheit verhindert. | ||
+ | |||
+ | *Am vielversprechendsten und gut belegt ist Vitamin A. In den antioxidativen Effekten ist dieses am effektivsten. In einer Vielzahl von Studien wurden protektive Effekte nachgewiesen, allerdings im Schwerpunkt auf einzelne Organe wie Lunge, Brust.<ref>Goodman GE., Thornquist MD, et al. The Beta-Carotene an Retinol Efficacy Trial. Nat. Cancer Inst. 2006, 1743-01750</ref> | ||
+ | |||
+ | =====Studien Tee/Kaffee===== | ||
+ | Der weitaus größte Teil der vorliegenden Untersuchen beruht auf In-Vitro-Versuchen, Arbeit mit genetisch prä-dispositionierten Labortieren, wie auch mit infizierten Labortieren. Die Aussagen der vorliegenden Humanstudien sind widersprüchlich. Negative und pro-oxidative Effekte traten bei Tierversuchen auf, bei denen Mäusen 400mg/kg Epigallocatechingallat verabreicht wurden. | ||
+ | Es wurde auch darauf hingewiesen, dass die Studien jedoch schwer miteinander zu vergleichen seien. ''„Die dabei eingesetzten Präparate sind nicht standardisiert. Es gibt Teeaufgüsse und Kapseln, die unterschiedliche Konzentrationen von EGCG enthalten und zum Teil mit Zusatzstoffen, wie etwa Koffein, angereichert sind ... Das erschwert eine Bewertung der Ergebnisse. So gibt es keine klaren Aussagen über die Bioverfügbarkeit der Substanz und auch keinen klaren Aussagen darüber, wieviel von der Substanz gegeben werden muß, um eine positive Wirkung zu erzielen“''.<ref> https://idw-online.de/de/news448091</ref> | ||
+ | |||
+ | Das größte Problem ist die Finanzierung von Studien, da die Substanzen für die pharmazeutische Industrie in der Regel nicht von Interesse sind und öffentliche Förderung für Pilotstudien in der Regel nicht zur Verfügung steht. | ||
+ | |||
+ | Auch beim Kaffee ist die Datenlage widersprüchlich. Zu einem fand man in einer Meta-Analyse heraus, dass bei Gruppen in Kohortenstudien mit hohem Verzehr (bis 6 Tassen/Tag ) eine Abnahme des Risikos um 46% berechnet wurde.<ref>Yu, X, Bao Z, et al. Coffee consumption and risk of cancer, Meta-Analysis of cohort-Studie, BMC Cancer 2011; 11:96)</ref> | ||
+ | Dem steht eine Zusammenfassung der Ergebnisse von Untersuchungen entgegen, die auf eine Erhöhung des Risikos für Blasenkrebs beim Konsum von mehr als 4 Tassen/Tag zeigen, ein Anstieg von 29% (23 Einzelstudien<ref>Zeegers MP, Goldblum RA, Tan FE, et al. Are Coffee and Tea consumption associated with urinary Tract cancer? Int. Epidemmiol. 2001, 353-362</ref>). Dazu ist natürlich die Frage nach anderen Begleiterscheinungen des Kaffee-Konsums, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, erhöhter Blutdruck, steigender Cholesterinspiegel, nicht außer acht gelassen werden. | ||
+ | |||
+ | =====Fazit===== | ||
+ | Eine ganz simple Feststellung ist die vielfache gewonnene Erkenntnis, dass das Einstellen des Rauchens und andere Veränderungen der Lebensführung einen weitaus größeren Effekt auf die Rate von Lungenkrebs und koronaren Herzkrankheiten haben als die Einnahme von Antioxidantien. | ||
+ | |||
+ | Neuere Untersuchungen deuten darauf hin, dass Phenole eine wichtigere Rolle spielen als bisher angenommen. Der Mensch nimmt in der Regel täglich eine recht hohe Dosis an phenolischen Verbindungen auf. Es gibt Hinweise darauf, dass sie eine erhebliche Rolle beim Aufrechterhalten der Redoxreaktion spielen. Allerdings können Phenole im Zusammenhang mit Metallen auch Radikale freisetzen ([https://de.wikipedia.org/wiki/Haber-Weiss-Reaktion Haber-Weiss] und [https://de.wikipedia.org/wiki/Fenton-Reaktion Fenton-Reaktion]). Dies ist der Grund, warum bei In-Vitro-Versuchen oft gentoxische Effekte beobachtet werden, wenn hohe Konzentrationen vorliegen.<ref>Soni MG, Thurmond TS, Miller ER, 3d et al, Safety of Vitamins and Minerals, controversies and perspectives. Toxikol Sci 2010, 118, 348-355</ref> <ref>Hercberg S, Galan P., Preziosi P. et al, The SU.VI Study: a randomized placebo-controlled trial of health Effects of antioxidant vitamins and minerals. Arch Intern Med 2004, 164: 2335-2342.</ref> | ||
+ | |||
+ | Grundsätzlich ist noch zu beachten, dass bei vielen Untersuchungen andere Einflussfaktoren nicht ausreichend genug berücksichtigt werden, wie zum Beispiel der grundsätzliche Ernährungszustand. Es ist davon auszugehen, dass Schutzwirkungen hauptsächlich bei tatsächlicher Unterversorgung auftreten. In vielen Untersuchungen ist aber der Redoxzustand der Teilnehmer vor und während der Supplementierung nicht gemessen worden. Um die Untersuchungsergebnisse eindeutiger und spezifischer zu machen, wäre es angezeigt, biochemische Verfahren anzuwenden, bei den sowohl die Ausgangssituation wie auch die durch die Intervention ausgelösten Veränderungen erfasst, dokumentiert und damit besser bewertet werden können.<ref>Siegfried Knasmüller, Krebs und Ernährung, Risiken und Prävention – wissenschaftliche Grundlagen und Ernährungsempfehlungen 2014, Erweiterung Studienmethodik und Design, S. 51 </ref> | ||
+ | |||
+ | Aus all diesen Gründen ist es letztendlich bis dato nicht eindeutig erwiesen, dass die Einnahme von Antioxidantien mehr Nutzen als Schaden bringt. Krebspatienten wird von der Einnahme sogar abgeraten, da bei der Behandlung von Tumoren freie Radikale entstehen sollen, um die Tumorzellen abzutöten. Antioxidantien verringern deshalb den Heilungserfolg mancher Krebstherapien.<ref>http://www.internisten-im-netz.de/de_news_6_0_386_antioxidanzien-k-nnen-krebs-patienten-schaden.html</ref>. Auch wenn sehr viele Publikationen zu dem Thema auf dem Markt sind, ist an einigen wesentlichen Stellen noch einiges an Forschungsarbeit zu leisten. | ||
==Literatur== | ==Literatur== | ||
− | *Michael Ristow et. al.: Antioxidants prevent health-promoting effects of physical exercise in humans. PNAS | + | *Michael Ristow et. al.: ''Antioxidants prevent health-promoting effects of physical exercise in humans.'' PNAS, May 11, 2009, doi:10.1073/pnas.0903485106 [http://www.pnas.org/gca?allch=&gca=pnas%3B0903485106v1] |
− | *Goran Bjelakovic: Mortality in Randomized Trials of Antioxidant Supplements for Primary and Secondary Prevention | + | *Goran Bjelakovic: ''Mortality in Randomized Trials of Antioxidant Supplements for Primary and Secondary Prevention.'' JAMA, Vol. 297 No. 8, February 28, 2007 [http://jama.ama-assn.org/cgi/content/full/297/8/842] |
− | * | + | *R. Strametz et al: [http://www.online-zfa.de/media/archive/2008/09/10.1055-s-0028-1082293.pdf IGeL kritisch betrachtet: Messung freier Radikale] (PDF) Z Allg Med 2008; 84: 399– 403 DOI 10.1055/s 0028-1082293 |
+ | *CR Bartram, Genetische Grundlagen der Kanzerogenese, Teil 1 Epidemiologie-Pathogenese, 2. Auflage, Springer 2010 | ||
+ | *Kryston TB,Pissis P, et al, Role oxidative Stress and DNA Damage in human cancerogenensis. Mutat Res 2011 | ||
+ | *Watzl B, Biokative Substanzen in Lebensmitteln, 3. Auflage,Stuttgart Hippokrates, 2005 | ||
==Weblinks== | ==Weblinks== | ||
− | *http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,608482,00.html | + | *arznei-telegramm: [http://www.arznei-telegramm.de/html/2008_12/0812123_01.html Prävention mit Antioxidanzien: Schaden überwiegt.] arznei-telegramm, 12/08, 39: 123-4 |
− | *http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,624117,00.html#ref=rss | + | *[http://www.gutepillen-schlechtepillen.de/pages/archiv/jahrgang-2009/nr.-1-jan.feb.-2009/mythos-antioxidanzien-vitamine.php Mythos Antioxidanzien] Gute Pillen - Schlechte Pillen: 2009/01, S. 3 |
− | *http://www.scienceblogs.de/echolot/2009/05/der-vitaminmythos-uber-positiven-oxidativen-stress-und-die-negativen-effekte-von-antioxidantien.php | + | *Nike Heinen: [http://www.welt.de/wissenschaft/medizin/article3716830/Die-Maer-von-den-schuetzenden-Vitaminpillen.html Die Mär von den schützenden Vitaminpillen] Die Welt, 11. Mai 2009 |
− | *http://www. | + | *Christina Hohmann: [http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=29207 Antioxidantien ohne Nutzen] Pharmazeutische Zeitung 09/2009 |
− | *http://www. | + | *Jens Lubbadeh: [http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,608482,00.html Altern: Neue Studie lässt Anti-Aging-Produkte alt aussehen] Spiegel online, 19. Februar 2009 |
+ | *[http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,624117,00.html#ref=rss Ernährung Vitaminpillen bremsen positive Wirkung von Sport] Spiegel online, 12. Mai 2009 | ||
+ | *[http://www.spiegel.de/gesundheit/ernaehrung/vitamine-zu-viele-antioxidantien-gegen-freie-radikale-bergen-risiken-a-964012.html Umstrittene Vitaminbomben - Der Mythos der gesunden Radikalfänger] Spiegel online, 18. April 2014 | ||
+ | *[http://www.focus.de/gesundheit/ernaehrung/news/antioxidantien-nutzlose-radikalfaenger_aid_331418.html Antioxidantien: Nutzlose Radikalfänger] Focus, 6. September 2008 | ||
+ | *Marc Scheloske: [http://www.scienceblogs.de/echolot/2009/05/der-vitaminmythos-uber-positiven-oxidativen-stress-und-die-negativen-effekte-von-antioxidantien.php Der Vitamin-Mythos: Über positiven oxidativen Stress und die negativen Effekte von Antioxidantien] scienceblogs.de 12. Mai 2009 | ||
+ | *[http://www.ars.usda.gov/services/docs.htm?docid=15866 Oxygen Radical Absorbance Capacity (ORAC) of Selected Foods] US Department of Agriculture 16. Mai 2012 | ||
+ | *Scinexx: [http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-19403-2015-10-12.html Antioxidantien fördern Metastasen - Vermeintlich gesunde Radikalfänger begünstigen die Ausbreitung von Hautkrebs] 12. Oktober 2015 | ||
+ | *Udo Pollmer:[http://www.deutschlandradiokultur.de/nutzen-bei-krebstherapie-freie-radikale-zu-unrecht-verdammt.993.de.html?dram:article_id=334825 Nutzen bei Krebstherapie - Freie Radikale zu Unrecht verdammt?] Deutschlandradio Kultur: MAHLZEIT, 23. Oktober 2015 | ||
+ | *Deutsche Gesellschaft für mukosale Immunologie und Mikrobiom: [http://www.dgmim.de/fileadmin/CONTENT/Health_Claims.pdf Health Claims: Lebensmittel oder Medikament?] | ||
+ | * Verbraucherzentrale vom 05. Juni 2016: [https://www.verbraucherzentrale.de/antioxidantien Was steckt hinter der Werbung zu Antioxidantien?] | ||
+ | * Science-Based Medicine vom 07. Februar 2017: [https://sciencebasedmedicine.org/re-thinking-antioxidant-supplementation-for-macular-degeneration/ Re-thinking Antioxidant Supplementation for Macular Degeneration] | ||
+ | * Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin 2016: [http://www.ernaehrung2016.de/files/DGEM16/pdf/Freitag/Loeser_Krebsdiaeten_Fakten_u_Fantasien.pdf Krebsdiäten: Fakten und Fantasien] | ||
+ | * Science-Based Medicine vom 26. Juli 2017: [https://sciencebasedmedicine.org/increase-in-supplement-poisonings/ Increase In Supplement Poisonings] | ||
+ | ==Quellenverzeichnis== | ||
+ | <references/> | ||
+ | |||
+ | [[category:Abkürzung/Begriffserklärung]] | ||
+ | [[category:Anti Aging]] | ||
+ | [[category:Wellness]] | ||
+ | [[category:Nahrungsergänzungsmittel]] | ||
+ | [[category:Antioxidantien]] |
Aktuelle Version vom 5. Juli 2020, 12:42 Uhr
Antioxidantien (Mehrzahl von Antioxidans)
Antioxidantien sind chemische Verbindungen, denen nachgesagt wird, dass sie im menschlichen Körper einen Gegenspieler zu sogenannten freien Radikalen bilden können. Sie sollen den menschlichen Organismus schützen, indem sie den Abbruch physiologisch nachteiliger Kettenreaktionen herbeiführen, die bei verschiedenen Stoffwechselvorgängen im Körper entstehen, aber auch durch zahlreiche äußere Einflussfaktoren gebildet werden. Sie sollen ein biochemisches Gleichgewicht wiederherstellen und damit vor oxidativem Stress schützen. Es sind zahlreiche Substanzen mit antioxidativen Effekten bekannt und auch Pflanzen bzw. pflanzliche Lebensmittel, die einen hohen Gehalt an natürlich vorkommenden Antioxidantien aufweisen.
Antioxidantien spielen eine Rolle in der Kunststoff-, Kosmetik- und Lebensmittelindustrie und werden im Gesundheits- und Wellness-Sektor eingesetzt.
Auf dem expandierenden Markt der Nahrungsergänzungsmittel werden Antioxidantien sehr stark beworben und ihnen werden viele stets positive Wirkungen nachgesagt: Anti Aging, Senkung des Krebsrisikos, Förderung der Gedächtnisleistung, schöne Haut, Verbesserung der Fruchtbarkeit, Senkung des Risikos für Herz-Kreislauf-Probleme und vieles mehr.
Die Anbieter bleiben beim weitaus größten Teil der angebotenen Substanzen und Produkte in den Nachweisen für die Behauptungen und Aussagen zu den aufgezählten positiven Wirkungen sehr vage bzw. Belege fehlen völlig. Tatsächlich ist es so, dass für viele der Stoffe bis dato keinerlei oder nicht ausreichend evidente wissenschaftliche Nachweise vorliegen, die die behaupteten Wirkungen eindeutig belegen. Sehr oft werden Wirkungsgrad und Einfluss übertrieben dargestellt und willkürlich Zusammenhänge hergestellt sowie Vermutungen und Zuschreibungen als Fakten präsentiert.
Antioxidantien
Um Schäden vorzubeugen bzw. diese zu reparieren ist der menschliche Organismus mit einer Vielzahl von Schutz- und Reparaturmechanismen ausgestattet: mit antioxidativen Molekülen und Systemen. Streng genommen werden solche Stoffe als Antioxidantien bezeichnet, die die Oxidation einer anderen Substanz verzögern oder verhindern.
Natürlich vorkommende Antioxidantien sind u.a. in Knoblauch, Brokkoli, Ingwer, Blaubeeren, Kohl, Süßholz, Tee, Kaffee, Kerbel, Petersilie, Zwiebeln, Zitrusfrüchten, Leinsamen, Vollreis, Tomaten, Traubenkernöl, Rosmarin, Minze, Gurke, Spargel, Basilikum und Kakao enthalten. Antioxidantien sind auch ein wichtiger Bestandteil der menschlichen Muttermilch; sie wirken im Organismus des Babys als Radikalfänger. Bekannt ist auch das aus roten Weintrauben gewonnene Resveratrol.
Die Vitamine E und C liegen als wirksame Antioxidanten vor. Andere Antioxidantien können Hormone wie das Melatonin sein. Weitere typische Antioxidantien sind die oligomeren Proanthocyanidine, kurz OPC, die aus Traubenkernextrakten gewonnen werden und einer der Verkaufsschlager auf dem Nahrungsergänzungsmittelmarkt sind, sowie Lycopin, reduziertes Glutathion, Gallate, Lecithin und Milchsäure. Antioxidative Potenz wird auch den Phenolen im Rotwein zugesprochen (ein Teelöffel echtes Kakaopulver enthält aber die gleiche Menge Antioxidantien wie Rotwein). Auch in Sojaprodukten (Phytoöstrogene) sind antioxidative Substanzen enthalten.
Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht ist die Einteilung der Antioxidantien sowohl bei den Substanzen wie auch bei ihren Auswirkungen in Endogen und Exogen von Relevanz, da die Zufuhr der exogenen Antioxidantien über die Nahrung erfolgt, aber auch die Bildung endogener Antioxidantien, z.B. der Harnsäure, von der Ernährungsweise beeinflusst wird. Die tägliche Aufnahme essenzieller Nährstoffe mit antioxidativer Funktion (Vitamin E, Vitamin C) beträgt etwa 100 mg. Die Aufnahme antioxidativer sekundärer Pflanzenstoffe aus Gemüse und Obst hingegen kann auch 1000 mg und mehr erreichen.[1]
Klassifizierung nach Endogenen und Exogenen Antioxidatien:
- Endogen
- Harnsäure
- Bilirubin
- Albumin
- Glutathion
- Ubichinon (Q10)
- Ceruloplasmin
- Exogen
- Vitamine
- Carotinoide
- Curcumin
- Polyphenole
- Phenolsäuren (Vanillin- und Kaffeesäure)
- Resveratrol
- Flavonoide
- z.B. Quercetin-> Zwiebeln/ Myricetin-> Trauben, Heidelbeeren Walnüsse/ Kaempferöl-> Ginkgo biloba/Xanthohumanol-> Bier/ Luteolin->Sellerie /Anthocyane-> Beerenfrüchte, Oligomere Proanthocyanidine
- Tannine (Tee)
- weitere über Tee/Kaffee und Gewürze aufgenommen Substanzen
- andere sekundäre Pflanzenstoffe,
- manche sekundäre Pflanzenstoffe sind besonders mit Vorsicht zu genießen, da sie in Verbindung mit medikamentösen Maßnahmen schädliche Auswirkungen haben. Bekannt ist dabei das Furanocoumarin aus der Grapefruit, das massiv die Enzyminduktion des Menschen beeinflusst und damit die Wirkung von Medikamenten entweder vielfach verstärken oder abschwächen kann.
Klassifizierung nach Antioxidationssytemen:
- Proteine
- Enzyme
- Glutathion-Peroxidase
- Katalase
- Superoxiddismutase
- DNA-Reparatursysteme
- Paraoxonase
- Metall-Transportproteine
- Ceruloplasmin
- Transferin
- Lactoferin
- Thiolproteine
- Enzyme
- Niedermolekulare Antioxidantien
- Lipid-lösliche Antioxidantien
- Tocopherole (Vitamin E)
- Carotinoide
- Coenzym Q10
- Retinol (Vitamin A)
- a-Liponsäure
- Wasser-lösliche Antioxidantien
- Curcumin
- Ascorbat
- Glutathion
- sekundäre Pflanzenstoffe
- Harnsäure
- Bilirubin [2]
- Lipid-lösliche Antioxidantien
Die Gabe von Antioxidantien kann bei bestimmten Patientengruppen mit eindeutig nachgewiesenem erhöhtem Vorkommen freier Radikale sinnvoll sein, beispielsweise bei schwerkranken Patienten auf einer Intensivstation.[3][4] Aktuell (2015) liegt keine wissenschaftliche Studie vor, die belegt, dass die systematische Einnahme von Antioxidantien bei asymptomatischen Patienten einen Überlebensvorteil erbringt. Dagegen gibt es jedoch Evidenz dafür, dass die Einnahme bestimmter Antioxidantien mit einer erhöhten Letalität (Sterblichkeit) assoziiert ist.[5]
Um wissenschaftlich gesicherte Aussagen über die notwendige Zufuhr von exogenen Antioxidantien und der Reduktion des Erkrankungsrisikos zu erhalten, sind jedoch noch weitere Studien notwendig. Eine Empfehlung für die Zufuhr gibt es gegenwärtig lediglich für einige antioxidative Vitamine, ß-Carotin und Spurenelemente. Für antioxidativ wirksame sekundäre Pflanzenstoffe fehlen gegenwärtig hauptsächlich die Daten zu Bioverfügbarkeit und Dosis-Wirkungsbeziehungen (siehe Studienlage).
Zuverlässigkeit der Methoden zur Bestimmung antioxidativer Eigenschaften
Über viele Jahre wurden tausende von Publikationen über Inhaltsstoffe von Nahrungsmitteln und ihre anti-oxidativen Eigenschaften veröffentlicht. Neben wissenschaftlichen Aspekten sind dabei auch wirtschaftliche Interessen von ausschlaggebender Bedeutung. Dabei geht es hauptsächlich um Werbestrategien, die darauf abzielen, Nahrungsmittel-Supplemente zu vermarkten.
Daher ist es von besonderer Bedeutung, die Aussagekraft von Studien, die darin verwendeten Methoden und die daraus folgenden Aussagen sorgfältig zu prüfen. Beruht die Feststellung der Eigenschaften nur auf In-Vitro-Experimenten oder liegen auch Ergebnisse aus Humanstudien vor? In-Vitro-Ergebnisse können nur begrenzt auf Menschen übertragen werden.
Ein sehr gutes Beispiel ist Curcumin, eines der stärksten Antioxidantien, die man aus Versuchen mit Zellkulturen kennt. Diese Verbindung wird allerdings so gut wie gar nicht im Darmtrakt aufgenommen. Die biologische Verfügbarkeit ist gering und die Verweildauer im menschlichen Organismus sehr kurz, so dass die zugeschriebenen Eigenschaften theoretischer Natur sind. Das gilt auch für Anthocyane (Farbstoffe in Beeren), so dass in inneren Organen nicht mit Schutzwirkungen gerechnet werden kann.
Messung von freien Radikalen bei Gesunden und Kranken
Zur Prävention von Krankheiten werden oftmals Messungen freier Radikale als von Patienten selbst zu zahlenden Test (als IGeL-Leistung) angeboten. Die Messung freier Radikale verspricht bei Gesunden keinen nachweisbaren Nutzen. Abgesehen von der Einhaltung allgemeiner Maßregeln einer gesunden Lebensführung gibt es keine spezifische Therapie, die einen "oxidativen Stress" bei ansonsten gesunden Menschen verhindern bzw. ihm vorbeugen könnte.[6]
Aufgrund der extrem kurzen Halbwertszeit ist es nahezu unmöglich, die gemeinten freien Radikale direkt im Blut nachzuweisen.[7] Die Messung freier Radikale erfolgt daher indirekt über eine Bestimmung der Konzentration von Substanzen, die mutmaßlich durch freie Radikale verändert wurden, z.B. von Antioxidantien. Auch gibt es Bluttests, die die Fähigkeit zur "Entgiftung" zugegebener Radikalbildner messen.
Messverfahren:
Die wichtigste physikalische Methode ist die Elektronenspinresonanz, mit der freie Radikale quantifiziert werden, wobei bei kurzlebigen Spezies oft stabilisierende Substanzen (molekulare Fallen) zugesetzt werden. Zu den chemischen Methoden gehören eine Vielzahl von Verfahren, bei denen meist Farbumschläge, die durch Oxidations- oder Reduktionsprozesse ausgelöst wurden, erfasst werden. Ein wichtiger Begriff ist der TAC-Wert. Er steht für die "totale antioxidative Kapazität". Messungen von oxidativen Veränderungen bei Makromolekülen sind allerdings relevanter, da sie mit der Auslösung von Krankheiten assoziert sind.
Dazu gehören
- Messung von Substanzen, die durch Radikale verändert werden. Der Malondialdehyd(MDA)-Test ist der am häufigsten angewendete. Er wird eingesetzt, um die Lipidperoxidation zu bestimmen, zusätzlicher Parameter ist der Thiobarbitursäure-reaktive-Substanzen (TBARS). Die Untersuchungen werden mit Körperflüssigkeiten und mit Zellen durchgeführt. Da die Proben über einen längeren Zeitraum erhitzt werden, reflektieren die Messungen die Situation im menschlichen Körper nur teilweise. Die Bestimmung von konjugierten Doppelbindungen, die während der Lipidperoxisation entstehen, ist methodisch wesentlich aufwändiger und erfolgt mit Hochdruckflüssigkeits-Chromatographie (HPLC).
- Messung des Spiegels bestimmter Antioxidantien. Dazu zählen Bestimmungen von oxidierte LDL-Antikörpern, 8-Hydroxy-2-Desoxyguanosin-Tests, Alpha-Tocopherol (Vitamin E)-Test, Ascorbinsäure (Vitamin C)-Tests, Beta-Carotin-Test, Selen-Test und Zink-Test
- Ein antioxidativer Belastungstest ist der FRAP (Ferric Reducing Antioxidant Power), der auch versuchsweise zur Bestimmung einer so genannten Elektrosensibilität verwandt wird. Ein weiterer Test aus diesem Bereich ist die in der orthomolekularen Medizin und Alternativmedizin eingesetzte Redox-Serumanalyse nach Heinrich. Aber: eine demonstrierte herabgesetzte antioxidative Kapazität bedeutet nicht unbedingt oxidativen Stress, da antioxidative Schutzmechanismen auch an die im Körper vorliegenden Konzentrationen freier Radikale angepasst und somit bei Bedarf herunterreguliert werden können.
Antioxidantien und menschliche Gesundheit
Freie Radikale
Freie Radikale sind bestimmte reaktive Substanzen, die im menschlichen Körper fortlaufend gebildet werden. Die Konzentrationen von freien Radikalen können in bestimmten Situationen ansteigen. Dazu gehören z.B. Entzündungen. Erhöhte Produktion von freien Radikalen wird auch "oxidativer Stress" genannt.
Freie Radikale sind aber nicht nur schädlich und kritisch zu betrachten, sie haben einige bedeutende physiologische Aufgaben, wie z.B. Immunabwehr (Bildung durch Leukozyten zur Bakterienabwehr), Schutzfunktion im Blut in Form von Stickstoffmonoxid (Weitstellung der Gefäße->Blutdrucksenkung). Diese können aber schon durch sportliche Aktivität reguliert werden, da dadurch Enzyme wie das Akute-Phase-Protein (APP) gebildet werden. Diese fördern eine Toleranz gegenüber oxidativem Stress, da sie Muster erkennen, an Infektionserreger anbinden und sie für Makrophagen und Granulozyten kenntlich machen.
Oxidativer Stress
In der Entstehung und Entwicklung zahlreicher Erkrankungen und auch beim Alterungsprozess scheint oxidativer Stress eine zentrale Rolle zu spielen. Als oxidativen Stress bezeichnet man das Überwiegen von Oxidantien gegenüber den vorhandenen Antioxidantien. Durch diese Oxidantien, die auch Pro-Oxidantien genannt werden, kommt es zu Schäden an Zellen und Zellbestandteilen, die - sofern sie nicht repariert werden - sich manifestieren und pathologische Mechanismen auslösen können. Derartigen Schäden kann der menschliche Körper durch eine Vielzahl von antioxidativen Mechanismen entgegenwirken.
Oxidantien, z.B. reaktive Sauerstoffverbindungen und freie Radikale, sind wie schon beschrieben hochreaktiv. Sie entstehen physiologischerweise endogen als Stoffwechselprodukte und haben dort ihre berechtigte Funktion zum Beispiel in der Energiegewinnung (Atmungskette), in der Signalüberführung oder der körpereigenen Immunabwehr. Bei oxidativem Stress kommt es zu Schäden an Proteinen, Lipiden und der Erbsubstanz. Je nach Ausmaß des oxidativen Stresses reagiert der Organismus darauf mit der Reparatur des Schadens, bei der die Zelle überlebt. Kann bei mäßigem oxidativem Stress der Schaden nicht repariert werden, wird der gezielte Zelltod, die Apoptose, eingeleitet. Bei massiven oxidativen Schäden kommt es zur Schädigung der Zellen unter entzündlicher Beteiligung des umliegenden Gewebes.
Dass freie Radikale bei vielen beschriebenen biologischen Funktionalitäten wie auch Dysfunktionalitäten tatsächlich eine Rolle spielen, spiegelt sich in der Tatsache, dass sich mittlerweile eine sehr hohe Zahl an wissenschaftlichen Publikationen mit dem Themenbereich befasst haben.
In einem gewissen Ausmaß scheinen sie die Erkrankungshäufigkeit wie z.B. Arteriosklerose und Krebs zu erhöhen, haben jedoch auch gleichzeitig protektive (schützende) Eigenschaften, da sie antimikrobiell wirken und für einige Stoffwechselreaktionen benötigt werden.[8]
Grundlage und Ausgangspunkt jedweder Betrachtung ist die Annahme, dass Störungen des Redox-Zustandes für Auslösung und Entwicklung der schon genannten und auch diverser anderer Krankheiten verantwortlich sind. Ebenso ist bekannt, dass einige Inhaltsstoffe bestimmter Nahrungsmittel Schutz bieten können.
Allerdings sind in diesem Bereich auch reichlich Mythen im Umlauf, die genutzt werden, um über einen vorgeblichen Benefit von Nahrungsmitteln oder Nahrungsergänzungen Profit zu machen. Vieles ist allerdings ohne erkennbaren oder nachgewiesen Nutzen, bzw. es erweist sich als sogar schädlich.[9]
Endogene und Exogene Entstehungs- und Belastungsfaktoren
In biologischen Systemen wie dem menschlichen Organismus spielen Oxidationsprozesse eine Rolle. Da dabei unter Mitwirkung von Sauerstoff häufig sehr reaktionsfreudige Zwischenprodukte entstehen können, die als Freie Radikale bezeichnet werden und denen eine schädliche Wirkung zukommt, wird seit langem versucht bzw.propagiert, Antioxidantien zu gesundheitsfördernden Zwecken als Radikalfänger (engl. scavenger) einzusetzen.
Chemisch gesehen sind die Oxidationsprozesse durch Freisetzung von Energie aus Nahrungsmitteln gekennzeichnet, die in kontrollierter Form im Rahmen der Zellatmung ständig in unserem Körper ablaufen. Bei diesen Reaktionen werden in den Mitochondrien Elektronen auf molekularen Sauerstoff übertragen, dieser wird dabei reduziert und es entstehen Radikale.
Exogen ist die größte Belastung durch Tabakrauch. Aber auch Nahrungsmittel, bestimmte Pharmazeutika und Metalle können Freisetzungen von Radikalen verursachen. Grundsätzlich gibt es in einem gesunden Organismus einige Puffersysteme, die Radikale und deren Freisetzung kontrollieren. Dazu gehören Enzyme und eben Anti-Oxidantien. Das Gleichgewicht zwischen Bildung und Deaktivierung ist dynamisch und wird durch Erkrankungen gestört.
Endogene und Exogene Schutzfaktoren
Es gibt einige antioxidativ wirkende Enzyme, wie Katalase und Glutathionperoxidase, die als Bio-Katalysatoren wirken, ohne dabei selbst verändert zu werden. Andere Antioxidantien hingegen sind Verbindungen, die in der Lage sind, Sauerstoffradikale zu inaktivieren. Dabei werden entstehende Oxidationsprodukte im Körper regeneriert. So wird zum Beispiel ein Enzym, die Glutathionreduktase, so aufbereitet, dass es wieder zur Verfügung steht. Solange ausreichend Glutathion im Zytoplasma vorhanden ist, sind Proteine und DNA vor Oxidation geschützt. Darüber hinaus sind Harnsäure und Bilirubin körpereigene Antioxidantien.
Exogene Schutzfaktoren können protektive Verbindungen sein, die mit der Nahrung aufgenommen werden. Zu nennen sind dabei wiederum Vitamin A, E und C, wie auch Carotinoide und Chlorophylle[10] (siehe Studienlage).
Typische Erkrankungen, bei denen eine Einwirkung freier Radikale diskutiert wird oder bekannt ist, sind:
- Arteriosklerose
- Grauer Star
- Krebs
Da neben den genetischen Ursachen beim Alterungsprozess auch Oxidationen im Rahmen von entsprechenden wissenschaftlichen Hypothesen (genauer: Abnutzungshypothesen des Alterns) eine Rolle spielen, werden Antioxidantien gerne als Nahrungsergänzungsmittel zu einem beabsichtigten Anti Aging eingesetzt. Derartige Mittel sollen also Folgen des Alters mildern, und wenn man einigen Anbietern von Antioxidantien glauben mag, soll damit auch das Altern hinausgeschoben oder sogar die Lebenserwartung erhöht werden. Freie Radikale sind jedoch nicht nur schädliche Stoffwechselprodukte. Sie dienen auch der Immunabwehr, denn Leukozyten und Makrophagen machen sich ihre bakterizide Wirkung zunutze: Sie produzieren freie Radikale und zerstören damit Bakterien und andere Fremdstoffe. Außerdem spielen freie Radikale vermutlich über die Vermittlung der Apoptose eine Rolle in der körpereigenen Tumorsuppression.
Da bei den ersten Phasen der Krebsentstehung (Initiation) bekanntermaßen auch reaktive freie Radikale eine Rolle spielen, sind entsprechende Produkte zur Krebsprävention auf dem Markt. Auf eine bereits bestehende Krebserkrankung haben aber Antioxidantien höchstens einen geringen Einfluss.
Antioxidantien können jedoch bei Krebs auch eine tumorfördernde Wirkung haben und eine wirksame Therapie behindern, da bei der Behandlung von Tumoren gerade freie Radikale entstehen sollen, um die Tumorzellen abzutöten. Antioxidantien verringern deshalb den Heilungserfolg mancher Krebstherapien.
Antioxidantien und Nahrungsergänzungsmittel
Eine ganz wesentliche Rolle spielen Antioxidantien auf dem Markt der Nahrungsergänzungsmittel. Die teilweise massive wie auch irreführende, oft hochpreisige Vermarktung beeinflusst die öffentliche Wahrnehmung und das Konsumverhalten potenzieller Kunden, da immer mit einem "Feelgood"-Faktor und einem gesundheitlichen Mehrwert geworben wird, allerdings weitgehend unspezifisch formuliert und nicht belegt.
So sprach der US-Mediziner Victor Herbert (lt. US-Presse: Antiquackery Activist [11]) auf einem Symposium davon, der Verkauf von Präparaten mit antioxidativen Substanzen und ihren vielfältigen Versprechungen und die Aussagen über ihre angeblich absolute Sicherheit, sei ein "multipler Milliardenbetrug".[12]
Ähnlich äußerte sich der leitende Mediziner der Universität von Harvard nach dem Ende einer Studie, bei der 22.000 Ärzte 12 Jahre lang ß-Carotin oder Placebo genommen hatten: "Die größte Enttäuschung meines Lebens. Es war keinerlei Nutzen zu erkennen, weder bei Krebs, noch bei Herzinfarkten".[13]
Derzeit können Konzentrate und Extrakte von pflanzlichen Inhaltsstoffen grundsätzlich als Lebensmittel vermarktet werden. In der Vergangenheit wurden derartig hergestellte Nahrungsergänzungsmittel wie auch andere Nahrungsmittel, denen solche Substanzen beigefügt werden, mit Aussagen und Behauptungen zu gesundheitsspezifischen Effekten beworben, die nicht oder nicht ausreichend durch wissenschaftliche Untersuchungen belegt sind. [14]
Auch so genannte NRF2-Aktivatoren gehören in diese Kategorie.
Vitamine
Gerade bei Vitaminen wurden über viele Jahre in der Werbung wie auch medialen Berichterstattung die antioxidativen Wirkungen von Vitaminen sehr in den Vordergrund gestellt. Mittlerweile gibt es groß angelegte Prospektiv-Studien, die dies zunehmend in Frage stellen. Gerade im Zusammenhang mit Multivitamin-Präparaten sah man sogar signifikant negative Effekte. In der SELECT-Studie aus dem Jahre 2011 zeigt sich ein Anstieg von Erkrankungen nach der Einnahme von Vitamin E (400 IU/d). Auch in der schon erwähnten finnischen Raucherstudie nahm die Häufigkeit von kanzerogenen Erkrankungen nach der Einnahme ProVitamin A (ß-Carotin) deutlich zu.[15][16]
Darüber hinaus werden gerade im Bereich der Krebserkrankungen diverse Wundermittel angeboten, denen nicht nur eine präventive Wirkung nachgesagt wird, sondern die sogar einen Heilungseffekt bewirken sollen. Beispiele sind Noni, die indische Maulbeere, aus deren Frucht Säfte hergestellt werden, aber auch die Katzenkralle (Uncaria tomentosa, Produkt N-Tense), eine südamerikanische Pflanze, deren Blätterextrakt antioxidative und damit krebs-präventive Eigenschaften beigelegt werden. In beiden Fällen liegt bis heute kein evidenter wissenschaftlicher Nachweis vor.
Um solchen Methoden entgegenzuwirken, wurde im Jahre 2006 die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäische Parlamentes und des Rates (sogenannte Health-Claims-Verordnung)[17] verabschiedet, in der festgelegt wurde, dass für Lebensmittel bzw. daraus erzeugte Supplemente nur mit gesundheitsbezogenen Aussagen geworben werden darf, wenn diese auch durch überzeugende wissenschaftliche Belege dokumentiert sind.
Die Verordnung regelt zum einen nährwertbezogene Angaben. Beispiele dafür sind:
- „brennwertreduziert“,
- „leicht“,
- „fettarm“ oder
- „reich an Vitamin C“
Sie regelt zum anderen „gesundheitsbezogene“ Angaben wie beispielsweise:
- „stärkt die Abwehrkräfte des Körpers“,
- „Calcium stärkt die Knochen“,
- „Der regelmäßige Verzehr von ausreichenden Calciummengen reduziert ihr Risiko, im Alter an Osteoporose zu erkranken“ [18]
Erfahrungen und Beobachtungen zeigen aber bis heute, dass häufig gegen diese Regelungen verstoßen wird. Ein gängiger Versuch, die Regelung auszuhebeln, ist das ausgiebige Bewerben mit Präventiv- und Heilversprechen und im Folgenden der Hinweis, dass es sich um kein Arzneimittel handelt.
Tee/Kaffee
Gerade Tee werden schon seit langer Zeit positive gesundheitsfördernde Effekte zugeschrieben. Daher wurde schon sehr früh und intensiv zum Thema geforscht und publiziert. Vor allem dem Konsum von grünem Tee wird eine schützende Wirkung gegenüber diversen Krankheiten beigemessen. Es liegen mittlerweile Hunderte von Arbeiten zu diesem Thema vor. Auch diese Substanz wurde von der Nahrungsergänzungsmittel-Industrie genutzt, um mehr oder weniger stark konzentrierte Extrakte in Umlauf zu bringen, mit einer Vielzahl von Behauptungen über stets positive Wirkungen und zu sehr anspruchsvollen Konditionen.
Zugeschriebene Wirkungseigenschaften sind Vorbeugung von Krebs-, Alzheimer- und Parkinsonerkrankungen, generell Anti Aging, Adipositas, Chorea Huntington, Multiple Sklerose, Herz-Kreislauf-Krankheiten, Entzündungen wie Atherosklerose, Akne und vieles mehr.[19] [20]
Auf Hinweise über die Hintergründe und Wertigkeit der oft und gerne erwähnten Studien und Arbeiten wird in der Regel verzichtet (siehe Studienlage). Zudem erweisen sich Untersuchungen zu angeblichen positiven Wirkungen von Nahrungsmitteln teils als von der Nahrungsmittelindustrie bezahlte Promotionen.
Ursächlich ist der Inhaltsstoff Epigallocatechingallat, ein Antioxidans, der Grund dafür, dass Grüntee in den letzten Jahren an Popularität gewonnen hat. Grüner Tee ist momentan der beste Epigallocatechingallat-Lieferant. Medizinisch interessant ist diese Verbindung aufgrund ihrer möglichen, gesundheitsfördernden Eigenschaften. Allerdings wurden die positiven Ergebnisse der durchgeführten Studien lediglich in vitro bestätigt. Problematisch ist auch, dass die positiven Effekte nur bei einer hohen Dosis auftraten, die alleine durch Teetrinken beim beim Menschen nicht zu erreichen wären.
"Wer mehr als zehn Tassen grünen Tee am Tag trinkt, könnte damit seine Leber und Nieren schädigen". Dies behaupten Chung Yang und seine Kollegen der Rutgers-Universität New Jersey im Journal Chemical Research in Toxicology nach einer Sichtung von Studien. Zu hohe Dosen der im grünen Tee enthaltenen Polyphenole können toxisch wirken, so Yang. Bislang konnte diese These in Studien am Menschen jedoch nicht bestätigt werden.[21]
Darüber hinaus wurde festgestellt, dass der Genuss von grünem Tee auch bestimmte Arzneimittel in ihrer Wirkung behindern kann. So stellte eine japanische Studie aus dem Jahr 2014 fest, dass der Genuss von grünem Tee die Plasmakonzentration des Betablockers Nadolol reduzieren kann. Offensichtlich vermindern Substanzen im Tee die Aufnahme des Wirkstoffes im Serum.[22]
Bis in die 1980er Jahre dominierte die Ansicht, dass Kaffee in starken Ausmaß Krebs verursache. Interessant ist Kaffee wegen der Bioverfügbarkeit im menschlichen Organismus, da diese bei den meisten Nahrungsmitteln alles andere als optimal ist. Lediglich ein Bruchteil der Antioxidantien erreicht nach der Nahrungsaufnahme ihr Ziel. Mittlerweile gibt es mehrere Hundert Studien zu den antioxidativen Eigenschaften des Kaffees. Über 90% davon sind aber In-Vitro-Versuche, also mit Zellkulturen. Bei einem Dutzend Studien mit Tierversuchen wurde bei Ratten ein Anstieg antixoidativer Aktivitäten beobachtet.
Gewürze
Curcumin
Diese Substanz ist wie kaum ein anderer Gewürzinhaltsstoff erforscht und es gibt eine Vielzahl von Arbeiten, die auf potenziell vorbeugende Effekte bei diversen Krankheiten abzielen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Krebserkrankungen. Stand 2015 liegen ca. 1.800 Arbeiten in verschiedenen Datenbanken vor. Ernährungsphysiologisch hat Curcumin keine nennenswerten Eigenschaften. Der Beitrag zur Deckung des täglichen Energiebedarfs ist gleich Null
Die Substanz ist ein Paradebeispiel für all die vielen Inhaltsstoffe, die bei In-Vitro große antioxidative Wirkung erzielt und große Hoffnungen erweckt haben, da sie in Signalpfade eingreift, die mit der Zellteilung und dem programmierten Zelltod (Apoptose) assoziiert werden. Dementsprechend wurde und wird Curcumin in der Industrie der Nahrungsergänzungsmittel wie auch in der Alternativmedizin angeboten und eingesetzt (siehe auch Artikel Curcumin).
Ingwer
Auch dieser Substanz werden etliche gesundheitsfördernde Eigenschaften zugeschrieben, wie z.B. antioxidative, antiemetische, entzündungshemmende, auch anregende Effekte auf die Magensaft-, Speichel- und Gallenbildung werden genannt. Dementsprechend lang ist die Liste der behaupteten Wirkungen bei diversen Erkrankungen und Befindlichkeiten. "Vorbeugen mit Ingwer verringert Risiko von Bluthochdruck, Multipler Sklerose, Gehirnschlag und Herzerkrankungen" (siehe auch Artikel Ingwer).
Knoblauch
Knoblauch ist eine der Pflanzen, der am längsten Heilungseffekte zugeschrieben werden (erste Erwähnung 1550 v.Chr.). Albert Schweitzer und Louis Pasteur forschten schon an den anti-thrombotischen Effekten. Antioxidative Eigenschaften wurden in den 1960er Jahren zum ersten Mal beschrieben. Es existieren einige In-Vitro, Tier- und Humanstudien zu Thema Knoblauch.
Beispiele für tatsächliche Präventiv/Protektivfaktoren in der Nahrung
Die Studien- und Datenlage bzgl. der vorbeugenden und schützenden Funktionen bestimmter Nahrungsmittel, insbesondere der Antioxidantien, ist auch heute noch recht verworren und unklar. Von diesem Standpunkt aus sind die Behauptungen bei Nahrungsergänzungsmitteln immer kritisch zu betrachten.
In der Folge eine Übersicht über einige der Substanzen, zu denen aussagekräftige Untersuchungen über ihre molekularen Mechanismen und konkrete Beispiel für protektive Effekte vorliegen.
- Chlorophylle, Proteine - Verhinderung der Aufnahme von Kanzerogenen in Zellen
- Phenole, Vitamin C - Hemmung der Bildung von Nitrosaminen im Verdauungstrakt.
- Phenole – Einfangen von DNA-reaktiven Molekülen und Radikalen
- Vitamin E, ß-Carotin – Modifizierung des Transports von Kanzerogenen durch die Zellmembran
- Resveratrol – Veränderung der Histonacytelierung, Hemmung von Entzündungen (NFxB=Transkriptsionsfaktor)
Antioxidantien in der Lebensmitteltechnik
Oxidationen spielen in der Lebensmittelwirtschaft eine große Rolle. Ein typisches Beispiel einer unerwünschten Oxidation im Lebensmittelbereich ist die Bildung ranziger Butter. Daher spielen Antioxidantien im Lebensmittelbereich als Additive oder Lebensmittelzusatzstoffe eine große Rolle.
Studienlage
Studien Vitamine
1993 veröffentlichte das New England Journal of Medicine zwei epidemiologische Studien, die herausfanden, dass bei Personen, die Vitamin E-Präparate nahmen, weniger durch Herzkrankheiten bedingte Todesfälle vorkamen. Diese Studien belegten nicht, dass es von Nutzen ist, Vitamin E einzunehmen, da sie nicht die von Unterschieden in der Lebensführung herrührenden Effekte ausschlossen oder durch andere Krankheiten bedingte Todesfälle in Betracht zogen. Außerdem gab es bei anderen Studien widersprüchliche Ergebnisse. Vitamin K kann sich zudem auch negativ auswirken, da es die Gerinnungsfähigkeit des Blutes erhöht.
Die zweite Studie fand keinen Hinweis, dass die Gabe von Vitamin C, Vitamin E oder Beta-Carotin kolorektalen Krebs verhindert. Die dritte Studie, die 20.000 Ärzte 12 Jahre lang begleitete, fand keinen Unterschied im Auftreten von Krebs- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen zwischen Anwendern und Nichtanwendern von Beta-Carotin.
Die vierte Studie, die eine Kombination aus Beta-Carotin und Vitamin A testete, wurde nach vier Jahren abgebrochen, weil es den Anschein hatte, dass die Gruppe derjenigen, die die Präparate einnahmen und rauchten, eine um 28% höhere Lungenkrebsrate und insgesamt eine um 17% erhöhte Sterberate aufwiesen. Eine weitere klinische Doppelblindstudie ergab, dass die Einnahme hoher Dosen der Vitamine C, E und Beta-Carotin das Risiko des Wiederverschließens der Arterien nach einer Ballonkatheterbehandlung am Herzen nicht reduzierte. Die Patienten nahmen entweder ein cholesterinsenkendes Medikament, das Medikament und drei Antioxidantien, die drei Antioxidantien allein oder Placebo. Mehr als 200 Patienten schlossen die Studie ab. Alle Patienten erhielten Aspirin, von dem bekannt ist, dass es das Wiederverschließen der Arterien vermindert.
Im Jahre 1994 sorgten die Ergebnisse einer finnischen Raucherstudie bei Anhängern von Antioxidationstherorien für Aufsehen. Etwa 30.000 Raucher konsumierten Vitamin E (50mg/D) ß-Carotin (20mg/D) oder eine Kombination der beiden Substanzen. In der Gruppe, die ß-Carotin erhielt, sah man einen deutlichen Anstieg der Lungenkarzinome (um 18%). Auch hier zeigten Vitamin E und die Kombination aus E und ß-Carotin keine positiven Auswirkungen auf das Lungenkrebsrisko.[25]
Im Jahre 2007 führte das Center for Clinical Intervention Research, Copenhagen University eine Metastudie durch, die 68 Arbeiten und insgesamt rund 232.000 Teilnehmer umfasste. Das Ergebnis war, dass die Behandlung mit Beta-Carotin, Vitamin A und Vitamin E die Sterblichkeit erhöhen kann.[26][27]
2012 fanden Forscher am DKFZ in Heidelberg heraus, dass es erhebliche Unterschiede bei der Anwendung von Multi-Präparaten und einzelner antioxidativer Vitamine bestehen. In einer Langzeitstudie über elf Jahre wurde ein Rückgang der Mortalität festgestellt, bei Multi-Präparaten gab es überhaupt keine Veränderung.[28]
Untersuchungen zeigen, dass Vitamin C eine Schädigung der Erbsubstanz durch oxidativen Stress verhindert. In sogenannten Comet-Assays kann das Ausmaß der Oxidation von Basen bestimmt werden. Allerdings muss der Mensch dazu sehr hohe Menge an Vitamin C zu sich nehmen (ca.0,5 – 1g/d). Dies wiederum fördert pro-oxidative Eigenschaften, die auf die Ascorbinsäure zurückzuführen sind und zytotoxische Effekte und Zell-Apoptose (programmierter Zelltod) auslösen. Zu diesen Aspekten liegen auch Humanstudien vor. In einer chinesischen Interventionsstudie über fünf Jahre erhielten die Teilnehmer 120 mg/d. Es wurden keinerlei Hinweise auf präventive Effekte gefunden.[29] [30]
Noch gravierender sind die Erkenntnisse bei den Tocopherolen (Vitamin E). Trotz des enormen antioxidativen Potenzials, das bei In-Vitro-Untersuchungen festgestellt wurde, sind die Ergebnisse in Humanstudien ernüchternd. Hier ist die Datenlage besonders verwirrend. Zwischen Studien, bei denen die Daten aufgrund des Verzehrs erhoben wurden, stehen denen der Serumsmessung gegenüber bzw. es wurden synthetische Substanzen verwendet. Die Ergebnisse sind unterschiedlich und alle zusammen lassen keine eindeutige Schussfolgerungen zu. In neueren Arbeiten wurde die Zyto-Toxizität von Tocopherolen festgestellt. Hier ist es von besonderer Bedeutung, dass in zukünftigen Untersuchungen Methodik und Design standardisiert werden.[31] [32] Konkret bezugnehmend ist für Vitamine zusammenfassend festzuhalten,
- dass es für Vitamin C auf der Basis von Verzehrstudien Hinweise auf schützende Faktoren gibt. Humane Interventionsstudien konnten dies jedoch nicht bestätigen.
- Bei Vitamin E sind die Unterschiede zwischen In-Vitro und In-Vivo-Studien zu groß, um belastbare Ergebnisse zu erzielen. Somit liegen keine Beweise vor, dass die Einnahme von Vitamin C-Präparaten eine Krankheit verhindert.
- Am vielversprechendsten und gut belegt ist Vitamin A. In den antioxidativen Effekten ist dieses am effektivsten. In einer Vielzahl von Studien wurden protektive Effekte nachgewiesen, allerdings im Schwerpunkt auf einzelne Organe wie Lunge, Brust.[33]
Studien Tee/Kaffee
Der weitaus größte Teil der vorliegenden Untersuchen beruht auf In-Vitro-Versuchen, Arbeit mit genetisch prä-dispositionierten Labortieren, wie auch mit infizierten Labortieren. Die Aussagen der vorliegenden Humanstudien sind widersprüchlich. Negative und pro-oxidative Effekte traten bei Tierversuchen auf, bei denen Mäusen 400mg/kg Epigallocatechingallat verabreicht wurden. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass die Studien jedoch schwer miteinander zu vergleichen seien. „Die dabei eingesetzten Präparate sind nicht standardisiert. Es gibt Teeaufgüsse und Kapseln, die unterschiedliche Konzentrationen von EGCG enthalten und zum Teil mit Zusatzstoffen, wie etwa Koffein, angereichert sind ... Das erschwert eine Bewertung der Ergebnisse. So gibt es keine klaren Aussagen über die Bioverfügbarkeit der Substanz und auch keinen klaren Aussagen darüber, wieviel von der Substanz gegeben werden muß, um eine positive Wirkung zu erzielen“.[34]
Das größte Problem ist die Finanzierung von Studien, da die Substanzen für die pharmazeutische Industrie in der Regel nicht von Interesse sind und öffentliche Förderung für Pilotstudien in der Regel nicht zur Verfügung steht.
Auch beim Kaffee ist die Datenlage widersprüchlich. Zu einem fand man in einer Meta-Analyse heraus, dass bei Gruppen in Kohortenstudien mit hohem Verzehr (bis 6 Tassen/Tag ) eine Abnahme des Risikos um 46% berechnet wurde.[35] Dem steht eine Zusammenfassung der Ergebnisse von Untersuchungen entgegen, die auf eine Erhöhung des Risikos für Blasenkrebs beim Konsum von mehr als 4 Tassen/Tag zeigen, ein Anstieg von 29% (23 Einzelstudien[36]). Dazu ist natürlich die Frage nach anderen Begleiterscheinungen des Kaffee-Konsums, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, erhöhter Blutdruck, steigender Cholesterinspiegel, nicht außer acht gelassen werden.
Fazit
Eine ganz simple Feststellung ist die vielfache gewonnene Erkenntnis, dass das Einstellen des Rauchens und andere Veränderungen der Lebensführung einen weitaus größeren Effekt auf die Rate von Lungenkrebs und koronaren Herzkrankheiten haben als die Einnahme von Antioxidantien.
Neuere Untersuchungen deuten darauf hin, dass Phenole eine wichtigere Rolle spielen als bisher angenommen. Der Mensch nimmt in der Regel täglich eine recht hohe Dosis an phenolischen Verbindungen auf. Es gibt Hinweise darauf, dass sie eine erhebliche Rolle beim Aufrechterhalten der Redoxreaktion spielen. Allerdings können Phenole im Zusammenhang mit Metallen auch Radikale freisetzen (Haber-Weiss und Fenton-Reaktion). Dies ist der Grund, warum bei In-Vitro-Versuchen oft gentoxische Effekte beobachtet werden, wenn hohe Konzentrationen vorliegen.[37] [38]
Grundsätzlich ist noch zu beachten, dass bei vielen Untersuchungen andere Einflussfaktoren nicht ausreichend genug berücksichtigt werden, wie zum Beispiel der grundsätzliche Ernährungszustand. Es ist davon auszugehen, dass Schutzwirkungen hauptsächlich bei tatsächlicher Unterversorgung auftreten. In vielen Untersuchungen ist aber der Redoxzustand der Teilnehmer vor und während der Supplementierung nicht gemessen worden. Um die Untersuchungsergebnisse eindeutiger und spezifischer zu machen, wäre es angezeigt, biochemische Verfahren anzuwenden, bei den sowohl die Ausgangssituation wie auch die durch die Intervention ausgelösten Veränderungen erfasst, dokumentiert und damit besser bewertet werden können.[39]
Aus all diesen Gründen ist es letztendlich bis dato nicht eindeutig erwiesen, dass die Einnahme von Antioxidantien mehr Nutzen als Schaden bringt. Krebspatienten wird von der Einnahme sogar abgeraten, da bei der Behandlung von Tumoren freie Radikale entstehen sollen, um die Tumorzellen abzutöten. Antioxidantien verringern deshalb den Heilungserfolg mancher Krebstherapien.[40]. Auch wenn sehr viele Publikationen zu dem Thema auf dem Markt sind, ist an einigen wesentlichen Stellen noch einiges an Forschungsarbeit zu leisten.
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