Orthomolekulare Psychiatrie: Unterschied zwischen den Versionen
(AM zu PM) |
K |
||
(7 dazwischenliegende Versionen von 5 Benutzern werden nicht angezeigt) | |||
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
[[image:AbramHoffer.jpg|Abram Hoffer|left|thumb]] | [[image:AbramHoffer.jpg|Abram Hoffer|left|thumb]] | ||
[[image:HumphryOsmond.jpg|Humphry Osmond|thumb]] | [[image:HumphryOsmond.jpg|Humphry Osmond|thumb]] | ||
− | [[image:CarlPfeiffer.jpg|Carl C. Pfeiffer|thumb]] | + | [[image:CarlPfeiffer.jpg|Carl C. Pfeiffer|thumb]] |
− | Die '''Orthomolekulare Psychiatrie''' (OMP) ist eine auf die Psychiatrie bezogene Variante der [[Orthomolekulare Medizin|Orthomolekularen Medizin]] und gilt als | + | Die '''Orthomolekulare Psychiatrie''' (OMP) ist eine auf die Psychiatrie bezogene Variante der [[Orthomolekulare Medizin|Orthomolekularen Medizin]] und gilt als umstrittenes [[pseudomedizin]]isches Konzept ohne Wirksamkeitsnachweis. Im weitesten Sinn handelt es sich um eine Form der [[Ernährungsmedizin]]. Zur Methode existiert keine aktuelle wissenschaftliche Literatur. Ältere Studienergebnisse konnten nicht repliziert werden. Daher spielt diese widerlegte Methode in der modernen wissenschaftlichen Psychiatrie keine Rolle. Weltweit sprachen sich mehrere Fachverbände nach Durchsicht der Forschungsergebnisse eindeutig gegen die orthomolekulare Psychiatrie aus. |
Merkmal dieser Methode sind hohe Gaben von Vitaminen zu therapeutischen Zwecken. | Merkmal dieser Methode sind hohe Gaben von Vitaminen zu therapeutischen Zwecken. | ||
− | Als Erfinder dieser Methode werden die kanadischen Ärzte Abram Hoffer und Humphry Osmond genannt. Beide gaben schizophrenen Patienten hohe Niacin-Dosen bis zu 17 Gramm pro Tag. Osmond und Hoffer entwickelten in den | + | Als Erfinder dieser Methode werden die kanadischen Ärzte Abram Hoffer und Humphry Osmond genannt. Beide gaben schizophrenen Patienten hohe Niacin-Dosen von bis zu 17 Gramm pro Tag. Osmond und Hoffer entwickelten in den 1950er Jahren eine Theorie, nach der schizophrene Menschen im Körper eine von Adrenalin abgeleitete Substanz bildeten, die halluzinogen wirken sollte. Die Theorie wurde bekannt als die ''Hoffer-Osmond Adreno-chrome Hypothesis''. Auf beide kanadischen Ärzte geht auch ein Schizophrenie-Test zurück, der ''Hoffer-Osmond Test''. Osmond ist auch bekannt, da er als Erster den Begriff ''psychedelisch'' verwendete. |
− | Ein weiterer Aktivist der OMP war Carl C. Pfeiffer, nach dessen Tod es 1979 zu einem Stillstand der OMP kam. | + | Ein weiterer Aktivist der OMP war Carl C. Pfeiffer, nach dessen Tod es 1979 zu einem Stillstand der OMP kam. Der US-amerikanische Psychiater und Esoteriker [[David Ramon Hawkins]] ist ein weiterer Anhänger der OMP. |
+ | |||
+ | Vertreter der orthomolekularen Psychiatrie sind häufig auch Befürworter der [[Krankheitserfindung]] [[Hämopyrrollaktamurie]], von der behauptet wird, sie könne durch Vitamine und Zink behandelt werden. Die Hämopyrrollaktamurie soll auch die Ursache einer Vielzahl von psychiatrischen und nicht-psychiatrischen Krankheiten sein, die dann über Vitamine behandelbar seien. | ||
Die gesetzlichen Krankenkassen tragen die Kosten nicht, da kein Wirksamkeitsnachweis vorliegt. | Die gesetzlichen Krankenkassen tragen die Kosten nicht, da kein Wirksamkeitsnachweis vorliegt. | ||
Zeile 14: | Zeile 16: | ||
==Methode== | ==Methode== | ||
[[image:Niacin.jpg|Niacin|thumb]] | [[image:Niacin.jpg|Niacin|thumb]] | ||
− | Abram Hoffer und Humphry Osmond setzten in der | + | Abram Hoffer und Humphry Osmond setzten in der so genannten "Mega-Vitamintherapie" hohe Dosen Niacin (Vitamin B3) von bis zu 17 Gramm am Tag zur Behandlung von Schizophrenie ein. Ausgangspunkt waren Überlegungen zur Vitaminmangelkrankheit Pellagra, bei der die Substitution durch Niacin hilfreich ist. |
Pfeiffer stellte ein System der "Biotypen der Schizophrenie" auf: | Pfeiffer stellte ein System der "Biotypen der Schizophrenie" auf: | ||
− | |||
* Histapenie - niedriger Histaminspiegel mit Kupferüberschuss im Blut | * Histapenie - niedriger Histaminspiegel mit Kupferüberschuss im Blut | ||
* Histadelie - hoher Histaminspiegel mit niedrigen Kupferwerten im Blut | * Histadelie - hoher Histaminspiegel mit niedrigen Kupferwerten im Blut | ||
− | * Pyrrolurie - ein familiärer Zweifachmangel an Zink und Vitamin B6 | + | * Pyrrolurie - ein familiärer Zweifachmangel an Zink und Vitamin B6 |
* Zerebrale Allergie - einschließlich Weizenglutenallergie | * Zerebrale Allergie - einschließlich Weizenglutenallergie | ||
* Hypoglykämie durch Fehlernährung | * Hypoglykämie durch Fehlernährung | ||
==Studienstand== | ==Studienstand== | ||
− | Die Orthomolekulare Psychiatrie wurde 1973 von der American Psychiatric Association abgelehnt <ref>Pauling L, Wyatt RJ, Klein DF, Lipton MA (1974). "On the orthomolecular environment of the mind: orthomolecular theory". The American Journal of Psychiatry 131 (11): 1251–67. PMID 4608217</ref> | + | Die Orthomolekulare Psychiatrie wurde 1973 von der American Psychiatric Association abgelehnt.<ref>Pauling L, Wyatt RJ, Klein DF, Lipton MA (1974). "On the orthomolecular environment of the mind: orthomolecular theory". The American Journal of Psychiatry 131 (11): 1251–67. PMID 4608217</ref> |
Eine große Serie von Placebo-kontrollierten Studien zeigte keinerlei Wirkung der getesteten Vitamine auf die Schizophreniesymptome. Vitamine können darüberhinaus bei hohen Gaben (wie sie in der OMP üblich sind) unerwünschte Wirkungen entfalten. | Eine große Serie von Placebo-kontrollierten Studien zeigte keinerlei Wirkung der getesteten Vitamine auf die Schizophreniesymptome. Vitamine können darüberhinaus bei hohen Gaben (wie sie in der OMP üblich sind) unerwünschte Wirkungen entfalten. | ||
==Zellularmedizin nach Rath== | ==Zellularmedizin nach Rath== | ||
− | + | Ein analoges Konzept zur Orthomolekularen Medizin findet sich in der [[Zellularmedizin]] des umstrittenen deutschen Arztes [[Matthias Rath]]. | |
==Literatur== | ==Literatur== | ||
Zeile 45: | Zeile 46: | ||
<references/> | <references/> | ||
− | [[category:Pseudomedizin]] | + | [[category:Therapie in der Pseudomedizin]] |
+ | [[category:orthomolekulare Medizin]] |
Aktuelle Version vom 22. Februar 2013, 17:29 Uhr
Die Orthomolekulare Psychiatrie (OMP) ist eine auf die Psychiatrie bezogene Variante der Orthomolekularen Medizin und gilt als umstrittenes pseudomedizinisches Konzept ohne Wirksamkeitsnachweis. Im weitesten Sinn handelt es sich um eine Form der Ernährungsmedizin. Zur Methode existiert keine aktuelle wissenschaftliche Literatur. Ältere Studienergebnisse konnten nicht repliziert werden. Daher spielt diese widerlegte Methode in der modernen wissenschaftlichen Psychiatrie keine Rolle. Weltweit sprachen sich mehrere Fachverbände nach Durchsicht der Forschungsergebnisse eindeutig gegen die orthomolekulare Psychiatrie aus.
Merkmal dieser Methode sind hohe Gaben von Vitaminen zu therapeutischen Zwecken.
Als Erfinder dieser Methode werden die kanadischen Ärzte Abram Hoffer und Humphry Osmond genannt. Beide gaben schizophrenen Patienten hohe Niacin-Dosen von bis zu 17 Gramm pro Tag. Osmond und Hoffer entwickelten in den 1950er Jahren eine Theorie, nach der schizophrene Menschen im Körper eine von Adrenalin abgeleitete Substanz bildeten, die halluzinogen wirken sollte. Die Theorie wurde bekannt als die Hoffer-Osmond Adreno-chrome Hypothesis. Auf beide kanadischen Ärzte geht auch ein Schizophrenie-Test zurück, der Hoffer-Osmond Test. Osmond ist auch bekannt, da er als Erster den Begriff psychedelisch verwendete.
Ein weiterer Aktivist der OMP war Carl C. Pfeiffer, nach dessen Tod es 1979 zu einem Stillstand der OMP kam. Der US-amerikanische Psychiater und Esoteriker David Ramon Hawkins ist ein weiterer Anhänger der OMP.
Vertreter der orthomolekularen Psychiatrie sind häufig auch Befürworter der Krankheitserfindung Hämopyrrollaktamurie, von der behauptet wird, sie könne durch Vitamine und Zink behandelt werden. Die Hämopyrrollaktamurie soll auch die Ursache einer Vielzahl von psychiatrischen und nicht-psychiatrischen Krankheiten sein, die dann über Vitamine behandelbar seien.
Die gesetzlichen Krankenkassen tragen die Kosten nicht, da kein Wirksamkeitsnachweis vorliegt.
Methode
Abram Hoffer und Humphry Osmond setzten in der so genannten "Mega-Vitamintherapie" hohe Dosen Niacin (Vitamin B3) von bis zu 17 Gramm am Tag zur Behandlung von Schizophrenie ein. Ausgangspunkt waren Überlegungen zur Vitaminmangelkrankheit Pellagra, bei der die Substitution durch Niacin hilfreich ist.
Pfeiffer stellte ein System der "Biotypen der Schizophrenie" auf:
- Histapenie - niedriger Histaminspiegel mit Kupferüberschuss im Blut
- Histadelie - hoher Histaminspiegel mit niedrigen Kupferwerten im Blut
- Pyrrolurie - ein familiärer Zweifachmangel an Zink und Vitamin B6
- Zerebrale Allergie - einschließlich Weizenglutenallergie
- Hypoglykämie durch Fehlernährung
Studienstand
Die Orthomolekulare Psychiatrie wurde 1973 von der American Psychiatric Association abgelehnt.[1] Eine große Serie von Placebo-kontrollierten Studien zeigte keinerlei Wirkung der getesteten Vitamine auf die Schizophreniesymptome. Vitamine können darüberhinaus bei hohen Gaben (wie sie in der OMP üblich sind) unerwünschte Wirkungen entfalten.
Zellularmedizin nach Rath
Ein analoges Konzept zur Orthomolekularen Medizin findet sich in der Zellularmedizin des umstrittenen deutschen Arztes Matthias Rath.
Literatur
- Haslam RH, Dalby JT, Rademaker AW. Pediatrics. 1984 Jul;74(1):103-11. Effects of megavitamin therapy on children with attention deficit disorders.
- Davidson RA. South Med J. 1984 Feb;77(2):200-3. Complications of megavitamin therapy.
- Vaughan K, McConaghy N. Aust N Z J Psychiatry. 1999 Feb;33(1):84-8. Megavitamin and dietary treatment in schizophrenia: a randomised, controlled trial.
- Lipton M and others. Task Force Report on Megavitamin and Orthomolecular Therapy in Psychiatry. Washington D.C., 1973, American Psychiatric Association.
- Nutrition Committee, Canadian Paediatric Society. Megavitamin and megamineral therapy in childhood. Canadian Medical Association Journal 143:10091013, 1990, reaffirmed April 2000.
- Committee on Nutrition, American Academy of Pediatrics. Megavitamin therapy for childhood psychoses and learning disabilities. Pediatrics 58:910912, 1976.
Weblinks
Quellennachweise
- ↑ Pauling L, Wyatt RJ, Klein DF, Lipton MA (1974). "On the orthomolecular environment of the mind: orthomolecular theory". The American Journal of Psychiatry 131 (11): 1251–67. PMID 4608217