Mumia: Unterschied zwischen den Versionen
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− | '''Mumia''' (auch ''Pulvis mumiae'', ''Mumiya'', ''Mumienpulver'') ist eine bis in die 1920er Jahre als Heilmittel verwendete Substanz. Sie bestand aus zermahlenen ägyptischen Mumien. Die Substanz war | ||
== Vermeintliche Heilwirkung == | == Vermeintliche Heilwirkung == | ||
− | Die angebliche Heilwirkung wurde auf den bei der Mumifizierung verwendeten Teer zurückgeführt. Diesen Teer bezeichnete man als ''mumiya'' und | + | Die angebliche Heilwirkung wurde auf den bei der Mumifizierung verwendeten Teer zurückgeführt. Diesen Teer bezeichnete man als ''mumiya'' und sagte ihm [[Magie|magische]] und heilende Kräfte nach. Man versuchte das seltene Mumiya aus Mumien zu gewinnen. Dass bei der Mumifizierung überhaupt Teer zur Verwendung kam, steht allerdings heute in Frage. |
== Gebrauch und Geschichte == | == Gebrauch und Geschichte == | ||
− | Mumia soll angeblich vor zweitausend Jahren das erste Mal verwendet worden sein. Es sollte gegen so gut wie jede Krankheit helfen und wurde auch als | + | Mumia soll angeblich vor zweitausend Jahren das erste Mal verwendet worden sein. Es sollte gegen so gut wie jede Krankheit helfen und wurde auch als Aphrodisiakum gepriesen. Man schluckte es, rieb es auf die Haut oder gab es direkt auf Wunden. Im 16. Jahrhundert verboten die Araber den Mumienhandel mit Europa. Sie wollten so verhindern, dass die Europäer ihre Vorfahren "essen". Viele Mumienhändler haben darauf Gehängte und frisch Gestorbene im Wüstensand vergraben und zu "antiken Mumien gemacht". Damals hatte in Europa fast jede Apotheke ihre Mumie. Noch 1924 wurde ''Mumia vera aegyptiaca'' für 12 Goldmark in Deutschland verkauft. |
− | Über die Verwendung von angeblichen oder echten ägyptischen Mumien als Heilmittel war in der Oeconomischen Encyclopädie von Johann Georg Krünitz im 18. Jahrhundert zu lesen: „Man rühmt sie sehr, das geronnene Geblüt und die Geschwulst zu zertheilen, und sie soll nicht bloß vermöge ihrer bituminösen und balsamischen Theile, sondern auch vermöge des flüchtigen Salzes wirken. | + | Über die Verwendung von angeblichen oder echten ägyptischen Mumien als Heilmittel war in der Oeconomischen Encyclopädie von Johann Georg Krünitz im 18. Jahrhundert zu lesen: „Man rühmt sie sehr, das geronnene Geblüt und die Geschwulst zu zertheilen, und sie soll nicht bloß vermöge ihrer bituminösen und balsamischen Theile, sondern auch vermöge des flüchtigen Salzes wirken. [...] Die Tinctur, welche daraus gemacht wird, besitzt die balsamischen Eigenschaften der Mumie; man gibt sie von 12 bis 24 Tropfen. Beym Einkaufe müssen die Droguisten und Apotheker darauf sehen, daß sie große Stücke, die Fleisch haben, und keine bloße Knochen sind, bekommen, und die, wenn man etwas davon auf Kohlen wirft, zwar stark, aber nicht nach Pech riechen. Je schöner und balsamischer der Geruch ist, desto höher schätzt man die Waare.“<ref>Artikel ''Mumie'' in der ''Oeconomischen Encyclopädie'' von Krünitz</ref> |
− | Die meisten dieser "Mumien" waren jedoch einheimischer Herkunft. So schrieb etwa J. van Beverwijck bereits 1656: ''Aber bei uns wird der rechte Balsam (Zedernharz) sehr selten aus Ägypten gebracht, denn das meiste an Fleisch und Knochen stammt von armen Leuten, deren Leichnam der geringeren Kosten wegen nur balsamiert ist mit Asphalt oder Judenleim | + | Die meisten dieser "Mumien" waren jedoch einheimischer Herkunft. So schrieb etwa J. van Beverwijck bereits 1656: ''Aber bei uns wird der rechte Balsam (Zedernharz) sehr selten aus Ägypten gebracht, denn das meiste an Fleisch und Knochen stammt von armen Leuten, deren Leichnam der geringeren Kosten wegen nur balsamiert ist mit Asphalt oder Judenleim...''. Bei seinem Landsmann Petrus Baerdt heißt es 1645: ''...nennen die dasselbe noch Mumia, ob es etwas besonderes wäre, obgleich es ein Arm oder Bein von einem verfaulten oder gehängten Lazarus oder einem anderen pockigen Bordellbock gewesen sein mag''. Auch zahlreiche Moorleichen fanden so ihren Weg in die Apotheken. Sogar das Skelett der 1895 entdeckten Moorleiche von Obenaltendorf aus Niedersachsen wurde zu Mumia zermahlen. |
In Russland wurde die Anwendung von Mumia durch den Schriftsteller Leo Tolstoi als "wachstumsförderndes Remedium" propagiert. Bis in die Gegenwart ist diese Sonderform des Kannibalismus noch nicht vollständig verschwunden. | In Russland wurde die Anwendung von Mumia durch den Schriftsteller Leo Tolstoi als "wachstumsförderndes Remedium" propagiert. Bis in die Gegenwart ist diese Sonderform des Kannibalismus noch nicht vollständig verschwunden. | ||
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* http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,604175,00.html | * http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,604175,00.html | ||
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Aktuelle Version vom 29. Januar 2014, 20:27 Uhr
Mumia (auch Pulvis mumiae, Mumiya, Mumienpulver) ist eine bis in die 1920er Jahre als Heilmittel verwendete Substanz. Sie bestand aus zermahlenen ägyptischen Mumien. Die Substanz war ebenfalls unter der Bezeichnung Mumia vera aegyptiaca im Handel und wurde auch von bekannten pharmazeutischen Firmen vertrieben.
Vermeintliche Heilwirkung
Die angebliche Heilwirkung wurde auf den bei der Mumifizierung verwendeten Teer zurückgeführt. Diesen Teer bezeichnete man als mumiya und sagte ihm magische und heilende Kräfte nach. Man versuchte das seltene Mumiya aus Mumien zu gewinnen. Dass bei der Mumifizierung überhaupt Teer zur Verwendung kam, steht allerdings heute in Frage.
Gebrauch und Geschichte
Mumia soll angeblich vor zweitausend Jahren das erste Mal verwendet worden sein. Es sollte gegen so gut wie jede Krankheit helfen und wurde auch als Aphrodisiakum gepriesen. Man schluckte es, rieb es auf die Haut oder gab es direkt auf Wunden. Im 16. Jahrhundert verboten die Araber den Mumienhandel mit Europa. Sie wollten so verhindern, dass die Europäer ihre Vorfahren "essen". Viele Mumienhändler haben darauf Gehängte und frisch Gestorbene im Wüstensand vergraben und zu "antiken Mumien gemacht". Damals hatte in Europa fast jede Apotheke ihre Mumie. Noch 1924 wurde Mumia vera aegyptiaca für 12 Goldmark in Deutschland verkauft.
Über die Verwendung von angeblichen oder echten ägyptischen Mumien als Heilmittel war in der Oeconomischen Encyclopädie von Johann Georg Krünitz im 18. Jahrhundert zu lesen: „Man rühmt sie sehr, das geronnene Geblüt und die Geschwulst zu zertheilen, und sie soll nicht bloß vermöge ihrer bituminösen und balsamischen Theile, sondern auch vermöge des flüchtigen Salzes wirken. [...] Die Tinctur, welche daraus gemacht wird, besitzt die balsamischen Eigenschaften der Mumie; man gibt sie von 12 bis 24 Tropfen. Beym Einkaufe müssen die Droguisten und Apotheker darauf sehen, daß sie große Stücke, die Fleisch haben, und keine bloße Knochen sind, bekommen, und die, wenn man etwas davon auf Kohlen wirft, zwar stark, aber nicht nach Pech riechen. Je schöner und balsamischer der Geruch ist, desto höher schätzt man die Waare.“[1]
Die meisten dieser "Mumien" waren jedoch einheimischer Herkunft. So schrieb etwa J. van Beverwijck bereits 1656: Aber bei uns wird der rechte Balsam (Zedernharz) sehr selten aus Ägypten gebracht, denn das meiste an Fleisch und Knochen stammt von armen Leuten, deren Leichnam der geringeren Kosten wegen nur balsamiert ist mit Asphalt oder Judenleim.... Bei seinem Landsmann Petrus Baerdt heißt es 1645: ...nennen die dasselbe noch Mumia, ob es etwas besonderes wäre, obgleich es ein Arm oder Bein von einem verfaulten oder gehängten Lazarus oder einem anderen pockigen Bordellbock gewesen sein mag. Auch zahlreiche Moorleichen fanden so ihren Weg in die Apotheken. Sogar das Skelett der 1895 entdeckten Moorleiche von Obenaltendorf aus Niedersachsen wurde zu Mumia zermahlen.
In Russland wurde die Anwendung von Mumia durch den Schriftsteller Leo Tolstoi als "wachstumsförderndes Remedium" propagiert. Bis in die Gegenwart ist diese Sonderform des Kannibalismus noch nicht vollständig verschwunden.
Quellennachweise
- ↑ Artikel Mumie in der Oeconomischen Encyclopädie von Krünitz
Literatur
- Benno R. Meyer-Hicken: Über die Herkunft der Mumia genannten Substanzen und ihre Anwendung als Heilmittel. Diss. Fachbereich Medizin, Universität Kiel, 1978
Weblinks
- http://www2.rz.hu-berlin.de/nilus/net-publications/ibaes1/GesslerLoehr/text2.html
- http://www2.hu-berlin.de/nilus/net-publications/ibaes1/Publikation/ibaes1.pdf
- http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,604175,00.html
Dieser Text ist teilweise oder vollständig der deutschen Wikipedia entnommen