Bemer: Unterschied zwischen den Versionen
Cygnus (Diskussion | Beiträge) |
Fulgor (Diskussion | Beiträge) |
||
(20 dazwischenliegende Versionen von 4 Benutzern werden nicht angezeigt) | |||
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
− | [[image:BemerGeraete.jpg|thumb|Oben: Set mit Spulenmatte der älteren Baureihe "Bemer 3000" | + | [[image:BemerGeraete.jpg|thumb|Oben: Set mit Spulenmatte der älteren Baureihe "Bemer 3000". |
− | |||
+ | Mitte: 2010 eingeführte Geräte B.Box Pro | ||
+ | |||
+ | Unten: 2023 gelaunchte B.Box EVO|320px]] | ||
+ | [[image:BemerPferd.jpg|thumb|320px|Anwendung beim Pferd]] | ||
+ | '''Bemer''' steht für ''Bio-Elektro-Magnetische Energie-Regulation'' und ist eine [[alternativmedizin]]ische [[Magnetfeldtherapie]] aus der Gruppe der [[PEMF]]-Methoden (''Pulsed Electromagnetic Field Therapy''). Gleichzeitig ist es der Name einer Firma, der Bemer Int. AG aus Liechtenstein<ref>BEMER Int. AG, Austrasse 15,FL-9495 Triesen</ref> (bis 2010 "Innomed International AG"), die Geräte für dieses Verfahren über [[MLM]]-ähnliche Strukturen vermarktet. Die Methode verbessere die Mikrozirkulation, also die Durchblutung in den kleinsten Blutgefäßen, und verbessere so den allgemeinen Gesundheitszustand, lasse Wunden schneller heilen und ermögliche eine bessere Konzentration sowie höhere sportliche Leistungen, heisst es in der Werbung. | ||
==Methode== | ==Methode== | ||
− | |||
Die Bemer-Therapie arbeitet mit gepulsten Magnetfeldern; die Stärke des Feldes (magnetische Induktion) betrage im Höchstfall 100 µT. Wie viele andere Magnetfeld-Behandlungssysteme besteht die Bemer-Anordnung aus einem Steuergerät und einer Spulenmatte, hier Applikationsmodul genannt. Es sind verschiedene Applikationsmodule als Decken, Kissen und in Kastenform erhältlich, auch zur Anwendung bei Tieren. Zur Behandlungsdauer gibt es unterschiedliche Angaben. Bereits nach wenigen Minuten soll sich eine Verbesserung der Durchblutung zeigen. Die Dauer der Anwendung kann an den Geräten bis etwa 20 Minuten eingestellt werden. "Spürbare Therapieerfolge" seien nach vier bis sechs Wochen zu erwarten. Die Wirkung halte nach der Therapie drei bis sechs Monate an. Neben Magnetspulen gibt es zum Anschluss an die Steuergeräte auch eine Rotlicht-LED-Lampe, wie sie bei vielen Alternativmedizinern und in der Wellness-Szene beliebt sind. | Die Bemer-Therapie arbeitet mit gepulsten Magnetfeldern; die Stärke des Feldes (magnetische Induktion) betrage im Höchstfall 100 µT. Wie viele andere Magnetfeld-Behandlungssysteme besteht die Bemer-Anordnung aus einem Steuergerät und einer Spulenmatte, hier Applikationsmodul genannt. Es sind verschiedene Applikationsmodule als Decken, Kissen und in Kastenform erhältlich, auch zur Anwendung bei Tieren. Zur Behandlungsdauer gibt es unterschiedliche Angaben. Bereits nach wenigen Minuten soll sich eine Verbesserung der Durchblutung zeigen. Die Dauer der Anwendung kann an den Geräten bis etwa 20 Minuten eingestellt werden. "Spürbare Therapieerfolge" seien nach vier bis sechs Wochen zu erwarten. Die Wirkung halte nach der Therapie drei bis sechs Monate an. Neben Magnetspulen gibt es zum Anschluss an die Steuergeräte auch eine Rotlicht-LED-Lampe, wie sie bei vielen Alternativmedizinern und in der Wellness-Szene beliebt sind. | ||
− | [[image:BemerFormelAlt.png|thumb|300px|Ursprünglich von Kafka angegebene Formel für die | + | [[image:BemerFormelAlt.png|thumb|300px|Ursprünglich von Kafka angegebene Formel für die Kurvenform des magnetischen Impulses. Die Variable x ist die Zeit, mit den Parametern a, b, c, d und k kann die Form genau eingestellt werden. Mit dem dargestellten Verlauf mit a = b = 3, d = 0 und k = 1 würde "eine für die meisten Gewebearten generell sehr gute Stimulation" erreicht.<ref name="EP463">EP 0995463 B1: Vorrichtung und elektrisches oder elektromagnetisches Signal zur Beeinflussung biologischer Abläufe. EP-Anmeldetag: 21.10.1998. EP-Patenterteilungsdatum: 16.08.2001</ref>]] |
[[image:BemerFormelKlopp.png|thumb|300px|Beispiel für von Rainer Klopp angegebene Impulsformen, welche eine noch bessere Wirkung auf die Mikrozirkulation haben sollen als die Impulse nach Kafka.<ref name="DE365">DE 10 2006 041 365 B4: Vorrichtung zur Erzeugung eines pulsierenden elektromagnetischen Feldes mit Impulssteuerung. Anmeldedatum: 28.08.2006. Patent erteilt: 02.09.2010. Anmelder: Peter Gleim (Geschäftsführer der Bemer AG). Erfinder: Rainer Klopp, Peter Gleim. Patent erloschen: 01.03.2013</ref>]] | [[image:BemerFormelKlopp.png|thumb|300px|Beispiel für von Rainer Klopp angegebene Impulsformen, welche eine noch bessere Wirkung auf die Mikrozirkulation haben sollen als die Impulse nach Kafka.<ref name="DE365">DE 10 2006 041 365 B4: Vorrichtung zur Erzeugung eines pulsierenden elektromagnetischen Feldes mit Impulssteuerung. Anmeldedatum: 28.08.2006. Patent erteilt: 02.09.2010. Anmelder: Peter Gleim (Geschäftsführer der Bemer AG). Erfinder: Rainer Klopp, Peter Gleim. Patent erloschen: 01.03.2013</ref>]] | ||
[[image:BemerBlut.jpg|thumb|300px|Als Beleg der Wirksamkeit verbreitete Bilder <ref name="Micro">www.bemer-zentrum.ch/Micro.htm Aufruf am 8. Dezember 2010</ref>]] | [[image:BemerBlut.jpg|thumb|300px|Als Beleg der Wirksamkeit verbreitete Bilder <ref name="Micro">www.bemer-zentrum.ch/Micro.htm Aufruf am 8. Dezember 2010</ref>]] | ||
Das Besondere an der Bemer-Methode sei die Signalform, also der zeitliche Verlauf der magnetischen Impulse. Dabei beruft man sich auf eine Erfindung des Physikers Wolf Kafka (geb. 1939), einem ehemaligen Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für Verhaltensphysiologie in Seewiesen (2004 umbenannt in Max-Planck-Institut für Ornithologie), wo er zur Sinnesphysiologie von Insekten gearbeitet hat. Kafka behauptet, dass magnetische Impulse mit einer besonderen Kombination aus sinusförmigem und exponentiellem Verlauf heilsame und gesundheitsfördernde Wirkung haben.<ref name="EP463"/><ref name="EP481">EP 2050481 B1: Vorrichtung zur Magnetfeldtherapie und zu applizierendes Magnetfeldsignal. EP-Anmeldetag: 17.10.2007. Patent erteilt: 26.05.2011</ref> Die Wiederholrate der Impulse soll zwischen 1 Hz und 1000 Hz liegen. | Das Besondere an der Bemer-Methode sei die Signalform, also der zeitliche Verlauf der magnetischen Impulse. Dabei beruft man sich auf eine Erfindung des Physikers Wolf Kafka (geb. 1939), einem ehemaligen Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für Verhaltensphysiologie in Seewiesen (2004 umbenannt in Max-Planck-Institut für Ornithologie), wo er zur Sinnesphysiologie von Insekten gearbeitet hat. Kafka behauptet, dass magnetische Impulse mit einer besonderen Kombination aus sinusförmigem und exponentiellem Verlauf heilsame und gesundheitsfördernde Wirkung haben.<ref name="EP463"/><ref name="EP481">EP 2050481 B1: Vorrichtung zur Magnetfeldtherapie und zu applizierendes Magnetfeldsignal. EP-Anmeldetag: 17.10.2007. Patent erteilt: 26.05.2011</ref> Die Wiederholrate der Impulse soll zwischen 1 Hz und 1000 Hz liegen. | ||
− | Zur durchblutungsfördernden Wirkung wird vor allem auf den Mediziner Rainer Klopp (geb. 1943) und dessen "Institut für Mikrozirkulation"<ref>Institut für Mikrozirkulation, Dr. med. Rainer Klopp, Campus-Berlin Buch, Erwin Negelein Haus, Berliner Straße 25, 16321 Bernau bei Berlin | + | Zur durchblutungsfördernden Wirkung wird vor allem auf den Mediziner Rainer Klopp (geb. 1943) und dessen "Institut für Mikrozirkulation"<ref>Institut für Mikrozirkulation, Dr. med. Rainer Klopp, Campus-Berlin Buch, Erwin Negelein Haus, Berliner Straße 25, 16321 Bernau bei Berlin, http://institute-microcirculation.com/</ref> in Berlin verwiesen, wo man an 18 Probanden gegenüber einer gleich großen Kontrollgruppe in zwei Geweberegionen im Hüftbereich und im Rektum eine "therapierelevante Verbesserung des Funktionszustandes der subkutanen und intestinalen Mikrozirkulation" festgestellt habe, bei 2 Behandlungen am Tag von jeweils 10 Minuten und einer gesamten Behandlungsdauer von 27 Tagen.<ref>R. Klopp, W. Niemer (2007): ''Einfluss eines pulsierenden elektromagnetischen Feldes mit vasomotorischer Stimulation auf einen eingeschränkten Funktionszustand der Mikrozirkulation.'' Komplementäre und integrative Medizin 08/2007, 47-53</ref> Der Sauerstofftransport ins Gewebe werde durch die Bemer-Behandlung verbessert. Man könne deshalb "bessere Voraussetzungen für einen gesteigerten Zellmetabolismus" vermuten, was wiederum eine "Voraussetzung für verbesserte bzw. gesteigerte Organfunktion" sei.<ref name="Micro"/> Klopp hat auch eine Form für die magnetischen Impulse angegeben, die aus einer Aneinanderreihung unterschiedlich großer Sinushalbwellen bestehen und seiner Ansicht nach eine bessere Wirkung auf die Mikrozirkulation haben als Kafkas exponentialförmige Impulse.<ref name="DE365"/> Die heutigen Bemer-Geräte gäben deshalb dieses Impulsmuster ab. |
+ | |||
+ | Die Behauptung, dass eine komplizierte Modulation ursächlich für einen therapeutischen Effekt sei, ist typisch für alternativmedizinische Magnetfeldtherapien. Eine Erklärung oder auch nur wissenschaftlich fundierte Theorie, warum ein Magnetfeld durch ein bestimmtes komplexes Impulsmuster wirksam sein soll (und wirksamer als ein etwas anderes, ebenso komplexes Muster), fehlt jedoch. | ||
+ | |||
+ | Der von Bemer beworbene Wirkungsmechanismus ist nicht nur wissenschaftlich nicht plausibel, er konnte in seriösen Studien mit Kontrollgruppe auch nicht gemessen werden. | ||
+ | |||
+ | Eine Studie zur Anwendung von Bemer bei multipler Organdysfunktion an der Uni Halle wurde 2023 im Journal Clinical Research in Cardiology veröffentlicht<ref>https://link.springer.com/article/10.1007/s00392-023-02293-2</ref>. Dies ist zwar ein seriöses Journal, anders als von Bemer beworben ist es jedoch nicht eines der weltbesten medizinischen Journals. Die Ergebnisse der Studie sind wenig aussagekräftig, da die Studie nicht als Doppelblindstudie durchgeführt wurde. Stattdesen wurden die nach der Bemer Behandlung gemessenen Daten mit historischen Daten verglichen, was ohne Kontrollgruppe keine Rückschlüsse auf einen kausalen Effekt der Bemer Therapie zulässt. Der gemessene Effekt kann somit auch dem Placeboeffect oder anderen, nicht gemessenen Faktoren geschuldet sein. Zudem liegt bei dieser Studie ein nicht angegebener Interessenskonflikt vor, da einer der Autoren Bemer Partner ist und Vorträge auf Bemer Events gibt<ref>https://pubpeer.com/publications/F1B94671C8E8A1F4ECD42044136A38</ref>. | ||
+ | |||
+ | Bemer Partner werben damit, dass Bemer bei Fibromyalgie helfe<ref>http://www.schwendihof.ch/fileadmin/bemer-afb/de_fibromyalgie.pdf abgerufen 26.12.2023</ref>. In einer seriösen Studie mit Kontrollgruppe hatte die Bemer Behandlung bei Fibromyalgie Patienten jedoch keinen messbaren Effekt<ref>https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/bem.22127</ref>. Diese Studie wird auf der Bemer Website in keiner Weise erwähnt. | ||
+ | |||
+ | Auch eine Studie bei Pferden konnte keine statistisch signikanten Unterschiede zwischen Bemer Behandlung und Placebo zeigen<ref>https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35114491/</ref>. Die Autoren der Studie versuchen dennoch die minimalen, statistisch nicht signifikanten Unterschiede zwischen Bemer und Placebo (Kontrollgruppe) als Indiz für die Wirksamkeit der Bemer Behandlung zu deuten. Dies ist irreführend und wissenschaftlich unseriös, da es statistisch extrem wahrscheinlich ist, dass derart insignifikante Unterschiede bei einer erneuten Durchführung derselben Studie zufällig in die eine oder andere Richtung gemessen werden und somit kein Effekt vorliegt<ref name=":0">https://sciencebasedmedicine.org/another-emf-scam/</ref>. | ||
+ | |||
+ | Alle anderen von Bemer angebenen wissenschaftlichen Studien sind Tagungsbeiträge oder Anwenderbeobachtungen (und somit ohne Placebokontrolle). | ||
+ | |||
+ | == Rechtliche Einordnung == | ||
+ | Das Oberlandesgericht Koblenz urteilte 2016 (Urteil vom 20.01.2016 - 9 U 1181/15) unter Berufung auf §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG, 3 Satz 2 Nr. 1 HWG dass eine Magnetfeldtherapie nicht damit beworben werden darf, dass sie das Immunsystem sowie die Selbstheilung aktiviert und Schmerzen lindert, weil dies nicht wissenschaftlich belegt ist. Auch wenn der Werbende darauf hinweise, dass eine wissenschaftliche Bestätigung nicht vorliege, sei dies irreführend, wenn gleichzeitig über erfreuliche Therapieerfolge in der Praxis des Werbenden berichtet werde. Dadurch werde dennoch eine Wirksamkeit suggeriert.<ref>https://www.ratgeberrecht.eu/wettbewerbsrecht-aktuell/unzulaessige-bewerbung-einer-magnetfeldtherapie.html</ref> | ||
+ | |||
+ | Am 20. Januar 2017 urteilte das Landessozialgericht Baden-Württemberg (Aktenzeichen L 4 KR 3935/16) über einen Anspruch eines Klägers auf Versorgung mit einem Bemer Pro-Set-Gerät zur physikalischen Gefäßtherapie und Erstattung der entsprechenden Kosten. Die Klage wurde abgelehnt, weil der Bemer Pro Set nicht dazu diene, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen und es auch nicht der Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung diene (§ 33 Abs 1 S 1 SGB V ). Es sei nicht ersichtlich, dass das Hilfsmittel zur ärztlichen Behandlung eingesetzt werde oder eine Behandlung zur physikalischen Gefäßtherapie beabsichtigt sei. | ||
− | + | Das OLG Frankfurt hatte in einem Urteil vom Dezember 2018 (Az.: 6 W 97/18) geurteilt, dass die Werbung mit der elektromagnetischen Gefäßtherapie BEMER unzulässig ist, da diese nicht wissenschaftlich abgesichert ist. Um die wissenschaftliche Umstrittenheit dieser Therapie glaubhaft zu machen, genügte dem OLG die Vorlage einer Untersuchung der Stiftung Warentest, da diese auf einer Auswertung wissenschaftlicher Studien beruhte. Nach dieser Untersuchung kommen Studien zur therapeutischen Magnetfeldtherapie zu widersprüchlichen Ergebnissen. Für den beworbenen Bereich der Wund- und Muskelheilung jedenfalls ist nach der Studie ein Nachweis der Heilungswirkung durch die Therapie nicht erbracht. | |
+ | Das Landgericht Hamburg hat im Januar 2023 entschieden, dass BEMER mit seiner Werbung gegen das Heilmittelwerbegesetz verstossen hat<ref>https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/JURE235008675</ref>. Bemer hat gegen den Entschluss Rechtsmittel eingelegt. | ||
==Werbung== | ==Werbung== | ||
Die Firma Bemer suggeriert, dass die Mikrozirkulation bzw. deren "Regulation" sehr häufig "gestört" sei, mit entsprechenden Nachteilen für die Gesundheit. Mit den Magnetfeldgeräten könnten diese Störungen behandelt und ihnen vorgebeugt werden. Als Indikationen und Vorteile einer solchen Therapie werden genannt: | Die Firma Bemer suggeriert, dass die Mikrozirkulation bzw. deren "Regulation" sehr häufig "gestört" sei, mit entsprechenden Nachteilen für die Gesundheit. Mit den Magnetfeldgeräten könnten diese Störungen behandelt und ihnen vorgebeugt werden. Als Indikationen und Vorteile einer solchen Therapie werden genannt: | ||
Zeile 25: | Zeile 46: | ||
* "Verminderung der Infektanfälligkeit", "vermehrte Entsäuerung des Körpers" und "generelle Steigerung der Behandlungswirksamkeit" durch eine "spezielle Signalkonfiguration für den Schlaf" | * "Verminderung der Infektanfälligkeit", "vermehrte Entsäuerung des Körpers" und "generelle Steigerung der Behandlungswirksamkeit" durch eine "spezielle Signalkonfiguration für den Schlaf" | ||
− | Geworben wird außerdem mit unwahren und irreführenden Behauptungen. Beispielsweise heißt es: ''"BEMER-Technologie stellt die derzeit am besten untersuchte und wirksamste physikalische Behandlungsmethode in der Komplementär- und Präventivmedizin dar"''. Der Erfolg der Bemer-Geräte basiere ''"auf der seriösen Forschungsarbeit vieler Ärzte und Wissenschaftler [...] Eine grosse Zahl placebokontrollierter Doppelblindstudien nach GCP-Standard (Good Clinical Practices) unterstreichen hierbei den hohen Standard der durchgeführten Forschungen."''<ref>bemer3000.com/sysa/forschung0.html Aufruf am 9. Dezember 2010</ref> Tatsächlich finden sich aber in der wissenschaftlichen Literatur | + | Geworben wird außerdem mit unwahren und irreführenden Behauptungen. Beispielsweise heißt es: ''"BEMER-Technologie stellt die derzeit am besten untersuchte und wirksamste physikalische Behandlungsmethode in der Komplementär- und Präventivmedizin dar"''. Der Erfolg der Bemer-Geräte basiere ''"auf der seriösen Forschungsarbeit vieler Ärzte und Wissenschaftler [...] Eine grosse Zahl placebokontrollierter Doppelblindstudien nach GCP-Standard (Good Clinical Practices) unterstreichen hierbei den hohen Standard der durchgeführten Forschungen."''<ref>bemer3000.com/sysa/forschung0.html Aufruf am 9. Dezember 2010</ref> Tatsächlich finden sich aber in der wissenschaftlichen Literatur nur sehr wenige solche Studien. Auch eine von Bemer selbst verbreitete Liste<ref>bemer3000.com/sysa/fileadmin/shared-files/pdf/Studienzusammenfassung_09.pdf</ref> ''"aller wichtigen wissenschaftlichen Studien mit Bemer 3000 und Bemer 3000 plus Systemen"'' enthält nur Veröffentlichungen auf Tagungen und Verkaufsveranstaltungen sowie in nichtwissenschaftlichen Zeitschriften. Als Literatur wird ein 79 Euro teures Buch von Rainer Klopp aus der Mediquant Verlag AG mit dem Titel "Mikrozirkulation – Im Fokus der Forschung" zitiert. Der Mediquant Verlag residiert an derselben Anschrift wie die Bemer International AG im Liechtensteinischen Triesen.<ref>MEDIQUANT VERLAG AG, Austrasse 15, Fl-9495 Triesen</ref> Über das angeblich international renommierte Berliner Institut für Mikrozirkulation von Rainer Klopp und sein behauptetes Forscherteam ist wenig in Erfahrung zu bringen, da es fast nur im Zusammenhang mit Bemer-Produkten genannt wird.<ref>Die von Klopp angegebene Berliner Adresse Campus Berlin-Buch, Erwin-Negelein-Haus, Berliner Straße 25 ist nicht korrekt; das Erwin-Negelein-Haus befindet sich in der Robert-Rössle-Straße 10. Das fragliche Institut war dort 2017 nicht bekannt. Klopp hat hier offenbar eine Adresse seines gelegentlichen Ko-Autors Prof. Dr. med. Jörg Schulz benutzt, der in einer Firma ICP Healthcare tätig ist, die in der Robert-Rössle-Straße 10 residiert. Ein Schild "Institut für Mikrozirkulation" findet sich dagegen etwa einen Kilometer entfernt an einer Tür eines größeren leerstehenden Gebäudes. Seit Ende 2017 wird auf der Webseite des Instituts als Sitz des Instituts eine Adresse in Bernau bei Berlin angegeben, bei der es sich um Klopps Wohnanschrift handelt.Siehe auch http://earlightswindle.com/gloom/2018/01/tracing-a-phantom-the-bemer-institute-for-microcirculation/</ref> Seit dem Tod von Rainer Klopp 2019<ref>https://www.mynewsdesk.com/de/imin-international-microvascular-net/news/nachruf-prof-dr-med-rainer-klopp-368848</ref> existiert das Institut nicht mehr<ref>http://earlightswindle.com/gloom/2019/08/bemer-group-drops-institute-for-microcirculation/</ref>. |
− | + | Die Werbung enthält auch typische [[pseudowissenschaft]]liche Phrasen. Werner Heisenberg, einer der Begründer der Quantenmechanik, wird mit einem Satz zum Magnetismus zitiert. Zum Applikationsmodul "B.Light", einer Rotlichtlampe, wird mitgeteilt: ''"Sein fotobiologisch hochwirksames Rotlicht sorgt in den Haut- und Bindegewebszellen für die zusätzliche Bildung energiereicher Verbindungen."'' Aus physikalischer und chemischer Sicht ist das Unsinn: Rotlicht bewirkt keine Bildung von "Verbindungen". | |
− | Bei einer von Bemer in Zusammenarbeit mit dem Zentralverband der Ärzte für Naturheilverfahren und Regulationsmedizin | + | Bei einer von Bemer in Zusammenarbeit mit dem Verein [[Zentralverband der Ärzte für Naturheilverfahren und Regulationsmedizin]] (ZAEN) im Oktober 2010 veranstalteten Tagung zu Werbezwecken hielt auch die Ärztin [[Juliane Sacher]] einen Vortrag mit dem Titel "Bemer-Therapie und Krebsnachsorge in der naturheilkundlichen Praxis".<ref>www.bemergroup.com/bemerGroup/fileadmin/PDF/0737-0810_EINL_Tagesthemenkonferenz_Arbeitskreis_03_web.pdf</ref> Sacher wurde durch fragwürdige Ansichten zu Krebs, Impfungen und AIDS bekannt. |
+ | Bemer wirbt damit, dass die Geräte Medizinprodukte der Klasse II (EU) und FDA zertifiziert sind. Dies stimmt zwar, ist aber kein Beweis der Wirksamkeit<ref name=":0" />. | ||
==Vertrieb== | ==Vertrieb== | ||
− | Die Bemer AG wurde 1998 als Innomed International AG gegründet und 2010 umbenannt. Sie bezeichnet sich selbst als "Technologieführer bei den physikalischen Behandlungsverfahren"<ref>www.bien-dans-son-corps.ch/index_html_files/Entreprise_DE.pdf Aufruf am 7. April 2012</ref> Am Hauptsitz in Triesen in Liechtenstein sollen 35 Mitarbeiter beschäftigt sein. Man habe aber mehr als | + | Die Bemer AG wurde 1998 als Innomed International AG gegründet und 2010 umbenannt. Sie bezeichnet sich selbst als "Technologieführer bei den physikalischen Behandlungsverfahren"<ref>www.bien-dans-son-corps.ch/index_html_files/Entreprise_DE.pdf Aufruf am 7. April 2012</ref> Am Hauptsitz in Triesen in Liechtenstein sollen 35 Mitarbeiter beschäftigt sein. Man habe aber mehr als zehntausend Vertriebspartner in 40 Ländern<ref>https://signup.bemergroup.com/de_LI/karriere</ref>. Diese hohe Zahl scheint sich dadurch zu erklären, dass Bemer gezielt Privatpersonen und medizinische Laien für den Vertrieb anwirbt.<ref>''"Von der Hausfrau mit einem monatlichen Nebenverdienst von nur einigen Hundert Euro bis hin zu Repräsentanten auf mittleren und höheren Managementebenen mit Monatseinkommen im fünfstelligen Bereich findet sich im BEMER-Vertrieb für fast jeden Anspruch die richtige Position."'' www.bemer-job.ch/index.php/konzept, Aufruf am 8. Dezember 2010</ref> Nach Besuch von Seminaren dürfen sich die Teilnehmer "Medizinprodukteberater" nennen. Früher warb man gezielt um "''Hausfrauen''". In einem MLM-Forum äußerte ein Werber für die Firma Bemer, das Marketingkonzept sei "einfaches MLM mit 2 Downlines". Bemer lege auch Wert darauf, dass die Vermittler die Produkte selbst anwenden.<ref>www.mlm-infos.com/ftopic4390.html</ref> Pflicht ist der Produktverkauf jedoch nicht. Die jährliche Gebühr für Bemer Partner beläuft sich auf 180 €. |
+ | |||
+ | Bemer Gründer Peter Gleim ist ehemaliger Boxer und wurde bereits mehrfach wegen Betrugs verurteilt und floh wohl auch zeitweile nach Paraguay. Dort wuchs eine seiner Töchter laut ihrem Lebenslauf auf<ref>https://www.leaderdigital.ch/news/wechsel-im-isr-vorstand-7502.html</ref>. In den 80er Jahren betrieb Gleim mit anderen Mitstreitern, das sittenwidrige Schneeballsystem Gem Collection Cosmetics<ref>https://www.beobachter.ch/konsum/konsumentenschutz/abzocker-die-faulsten-tricks-des-jahrhunderts</ref>. In den 90er Jahren die Funworld AG. Dort verkaufte man Magnetfeld Waschkarten<ref>https://www.zeit.de/1995/24/Nicht_sauber_aber_rein/komplettansicht</ref>. | ||
+ | |||
+ | Bemer wirbt mitterweile mit den verschiedenen Preisen, die die Produkte gewonnen hätten wie dem Red Dot Design Award<ref>[https://microhelseas.bemergroup.com/de_DE/unternehmen/unternehmensgeschichte https://bemergroup.com/de_DE/unternehmen/unternehmensgeschichte]</ref>. Bemer sponsert verschiedene Veranstaltungen wie die Cyclassics oder die Bemer Riders Tour. | ||
+ | |||
+ | "Medizinischer Direktor" der Bemer AG ist der Allgemeinmediziner Wolfgang Bohn. | ||
==Ähnliche Produkte== | ==Ähnliche Produkte== | ||
Zeile 38: | Zeile 66: | ||
Anfang 2010 wurde der Dr. Goettfert Systems GmbH auf Betreiben des Verbands Sozialer Wettbewerb e.V. aus Berlin vom Landgericht Düsseldorf durch eine einstweilige Verfügung untersagt, damit zu werben, dass ihre Magnetfeldgeräte eine "signifikante Steigerung der Mikrozirkulation" bewirken würden. Untersagt wurde auch die Behauptung, dass Klopps Institut für Mikrozirkulation eine positive Wirkung bestimmter pulsierender Magnetfelder auf die Durchblutung nachgewiesen habe sowie einige weitere Wirkungsversprechen. | Anfang 2010 wurde der Dr. Goettfert Systems GmbH auf Betreiben des Verbands Sozialer Wettbewerb e.V. aus Berlin vom Landgericht Düsseldorf durch eine einstweilige Verfügung untersagt, damit zu werben, dass ihre Magnetfeldgeräte eine "signifikante Steigerung der Mikrozirkulation" bewirken würden. Untersagt wurde auch die Behauptung, dass Klopps Institut für Mikrozirkulation eine positive Wirkung bestimmter pulsierender Magnetfelder auf die Durchblutung nachgewiesen habe sowie einige weitere Wirkungsversprechen. | ||
+ | |||
+ | Der Sohn von Bemer Gründer Peter Gleim Nik Gleim hat mit [[Centropix]] eine Firma mit ähnlichem Produkt gegründet. Vorher war Nik Gleim lange im Vorstand von Bemer tätig. | ||
{{OtherLang|fr=Bemer}} | {{OtherLang|fr=Bemer}} | ||
Zeile 43: | Zeile 73: | ||
==Quellen== | ==Quellen== | ||
<references/> | <references/> | ||
− | |||
[[category:Elektromedizin und Magnetfeldtherapien]] | [[category:Elektromedizin und Magnetfeldtherapien]] | ||
+ | [[category:Wundertherapie der Multiplen Sklerose]] | ||
[[category:Firma]] | [[category:Firma]] |
Aktuelle Version vom 2. Juli 2024, 18:18 Uhr
Bemer steht für Bio-Elektro-Magnetische Energie-Regulation und ist eine alternativmedizinische Magnetfeldtherapie aus der Gruppe der PEMF-Methoden (Pulsed Electromagnetic Field Therapy). Gleichzeitig ist es der Name einer Firma, der Bemer Int. AG aus Liechtenstein[1] (bis 2010 "Innomed International AG"), die Geräte für dieses Verfahren über MLM-ähnliche Strukturen vermarktet. Die Methode verbessere die Mikrozirkulation, also die Durchblutung in den kleinsten Blutgefäßen, und verbessere so den allgemeinen Gesundheitszustand, lasse Wunden schneller heilen und ermögliche eine bessere Konzentration sowie höhere sportliche Leistungen, heisst es in der Werbung.
Methode
Die Bemer-Therapie arbeitet mit gepulsten Magnetfeldern; die Stärke des Feldes (magnetische Induktion) betrage im Höchstfall 100 µT. Wie viele andere Magnetfeld-Behandlungssysteme besteht die Bemer-Anordnung aus einem Steuergerät und einer Spulenmatte, hier Applikationsmodul genannt. Es sind verschiedene Applikationsmodule als Decken, Kissen und in Kastenform erhältlich, auch zur Anwendung bei Tieren. Zur Behandlungsdauer gibt es unterschiedliche Angaben. Bereits nach wenigen Minuten soll sich eine Verbesserung der Durchblutung zeigen. Die Dauer der Anwendung kann an den Geräten bis etwa 20 Minuten eingestellt werden. "Spürbare Therapieerfolge" seien nach vier bis sechs Wochen zu erwarten. Die Wirkung halte nach der Therapie drei bis sechs Monate an. Neben Magnetspulen gibt es zum Anschluss an die Steuergeräte auch eine Rotlicht-LED-Lampe, wie sie bei vielen Alternativmedizinern und in der Wellness-Szene beliebt sind.
Das Besondere an der Bemer-Methode sei die Signalform, also der zeitliche Verlauf der magnetischen Impulse. Dabei beruft man sich auf eine Erfindung des Physikers Wolf Kafka (geb. 1939), einem ehemaligen Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für Verhaltensphysiologie in Seewiesen (2004 umbenannt in Max-Planck-Institut für Ornithologie), wo er zur Sinnesphysiologie von Insekten gearbeitet hat. Kafka behauptet, dass magnetische Impulse mit einer besonderen Kombination aus sinusförmigem und exponentiellem Verlauf heilsame und gesundheitsfördernde Wirkung haben.[2][5] Die Wiederholrate der Impulse soll zwischen 1 Hz und 1000 Hz liegen.
Zur durchblutungsfördernden Wirkung wird vor allem auf den Mediziner Rainer Klopp (geb. 1943) und dessen "Institut für Mikrozirkulation"[6] in Berlin verwiesen, wo man an 18 Probanden gegenüber einer gleich großen Kontrollgruppe in zwei Geweberegionen im Hüftbereich und im Rektum eine "therapierelevante Verbesserung des Funktionszustandes der subkutanen und intestinalen Mikrozirkulation" festgestellt habe, bei 2 Behandlungen am Tag von jeweils 10 Minuten und einer gesamten Behandlungsdauer von 27 Tagen.[7] Der Sauerstofftransport ins Gewebe werde durch die Bemer-Behandlung verbessert. Man könne deshalb "bessere Voraussetzungen für einen gesteigerten Zellmetabolismus" vermuten, was wiederum eine "Voraussetzung für verbesserte bzw. gesteigerte Organfunktion" sei.[4] Klopp hat auch eine Form für die magnetischen Impulse angegeben, die aus einer Aneinanderreihung unterschiedlich großer Sinushalbwellen bestehen und seiner Ansicht nach eine bessere Wirkung auf die Mikrozirkulation haben als Kafkas exponentialförmige Impulse.[3] Die heutigen Bemer-Geräte gäben deshalb dieses Impulsmuster ab.
Die Behauptung, dass eine komplizierte Modulation ursächlich für einen therapeutischen Effekt sei, ist typisch für alternativmedizinische Magnetfeldtherapien. Eine Erklärung oder auch nur wissenschaftlich fundierte Theorie, warum ein Magnetfeld durch ein bestimmtes komplexes Impulsmuster wirksam sein soll (und wirksamer als ein etwas anderes, ebenso komplexes Muster), fehlt jedoch.
Der von Bemer beworbene Wirkungsmechanismus ist nicht nur wissenschaftlich nicht plausibel, er konnte in seriösen Studien mit Kontrollgruppe auch nicht gemessen werden.
Eine Studie zur Anwendung von Bemer bei multipler Organdysfunktion an der Uni Halle wurde 2023 im Journal Clinical Research in Cardiology veröffentlicht[8]. Dies ist zwar ein seriöses Journal, anders als von Bemer beworben ist es jedoch nicht eines der weltbesten medizinischen Journals. Die Ergebnisse der Studie sind wenig aussagekräftig, da die Studie nicht als Doppelblindstudie durchgeführt wurde. Stattdesen wurden die nach der Bemer Behandlung gemessenen Daten mit historischen Daten verglichen, was ohne Kontrollgruppe keine Rückschlüsse auf einen kausalen Effekt der Bemer Therapie zulässt. Der gemessene Effekt kann somit auch dem Placeboeffect oder anderen, nicht gemessenen Faktoren geschuldet sein. Zudem liegt bei dieser Studie ein nicht angegebener Interessenskonflikt vor, da einer der Autoren Bemer Partner ist und Vorträge auf Bemer Events gibt[9].
Bemer Partner werben damit, dass Bemer bei Fibromyalgie helfe[10]. In einer seriösen Studie mit Kontrollgruppe hatte die Bemer Behandlung bei Fibromyalgie Patienten jedoch keinen messbaren Effekt[11]. Diese Studie wird auf der Bemer Website in keiner Weise erwähnt.
Auch eine Studie bei Pferden konnte keine statistisch signikanten Unterschiede zwischen Bemer Behandlung und Placebo zeigen[12]. Die Autoren der Studie versuchen dennoch die minimalen, statistisch nicht signifikanten Unterschiede zwischen Bemer und Placebo (Kontrollgruppe) als Indiz für die Wirksamkeit der Bemer Behandlung zu deuten. Dies ist irreführend und wissenschaftlich unseriös, da es statistisch extrem wahrscheinlich ist, dass derart insignifikante Unterschiede bei einer erneuten Durchführung derselben Studie zufällig in die eine oder andere Richtung gemessen werden und somit kein Effekt vorliegt[13].
Alle anderen von Bemer angebenen wissenschaftlichen Studien sind Tagungsbeiträge oder Anwenderbeobachtungen (und somit ohne Placebokontrolle).
Rechtliche Einordnung
Das Oberlandesgericht Koblenz urteilte 2016 (Urteil vom 20.01.2016 - 9 U 1181/15) unter Berufung auf §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG, 3 Satz 2 Nr. 1 HWG dass eine Magnetfeldtherapie nicht damit beworben werden darf, dass sie das Immunsystem sowie die Selbstheilung aktiviert und Schmerzen lindert, weil dies nicht wissenschaftlich belegt ist. Auch wenn der Werbende darauf hinweise, dass eine wissenschaftliche Bestätigung nicht vorliege, sei dies irreführend, wenn gleichzeitig über erfreuliche Therapieerfolge in der Praxis des Werbenden berichtet werde. Dadurch werde dennoch eine Wirksamkeit suggeriert.[14]
Am 20. Januar 2017 urteilte das Landessozialgericht Baden-Württemberg (Aktenzeichen L 4 KR 3935/16) über einen Anspruch eines Klägers auf Versorgung mit einem Bemer Pro-Set-Gerät zur physikalischen Gefäßtherapie und Erstattung der entsprechenden Kosten. Die Klage wurde abgelehnt, weil der Bemer Pro Set nicht dazu diene, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen und es auch nicht der Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung diene (§ 33 Abs 1 S 1 SGB V ). Es sei nicht ersichtlich, dass das Hilfsmittel zur ärztlichen Behandlung eingesetzt werde oder eine Behandlung zur physikalischen Gefäßtherapie beabsichtigt sei.
Das OLG Frankfurt hatte in einem Urteil vom Dezember 2018 (Az.: 6 W 97/18) geurteilt, dass die Werbung mit der elektromagnetischen Gefäßtherapie BEMER unzulässig ist, da diese nicht wissenschaftlich abgesichert ist. Um die wissenschaftliche Umstrittenheit dieser Therapie glaubhaft zu machen, genügte dem OLG die Vorlage einer Untersuchung der Stiftung Warentest, da diese auf einer Auswertung wissenschaftlicher Studien beruhte. Nach dieser Untersuchung kommen Studien zur therapeutischen Magnetfeldtherapie zu widersprüchlichen Ergebnissen. Für den beworbenen Bereich der Wund- und Muskelheilung jedenfalls ist nach der Studie ein Nachweis der Heilungswirkung durch die Therapie nicht erbracht.
Das Landgericht Hamburg hat im Januar 2023 entschieden, dass BEMER mit seiner Werbung gegen das Heilmittelwerbegesetz verstossen hat[15]. Bemer hat gegen den Entschluss Rechtsmittel eingelegt.
Werbung
Die Firma Bemer suggeriert, dass die Mikrozirkulation bzw. deren "Regulation" sehr häufig "gestört" sei, mit entsprechenden Nachteilen für die Gesundheit. Mit den Magnetfeldgeräten könnten diese Störungen behandelt und ihnen vorgebeugt werden. Als Indikationen und Vorteile einer solchen Therapie werden genannt:
- Aktivierung von Selbstheilungskräften. Im Einzelnen angeführt werden: "Allgemeine Regeneration – Arthrose – Atemwegserkrankungen – Chronisches Müdigkeitssyndrom – Durchblutungsstörungen – Herz-Kreislauf-Erkrankungen – Infektanfälligkeit – Chronische Kopfschmerzen – Chronische Migräne – Knochenheilung – Klimakterische Beschwerden – Nervöse Erschöpfung – Potenzstörungen – Psychosomatische Störungen – Rheumatische Erkrankungen – Schlafstörungen – Stoffwechselerkrankungen – Wundheilung – Sportverletzungen – Stressfolgen"
- "Mehr Leistung und ein geringeres Verletzungsrisiko im Sport"
- Angedeutet wird, dass Alterungsvorgänge verlangsamt würden
- Höhere Konzentrationsfähigkeit durch Stimulation der "Mikrozirkulation im Gehirn" und dadurch mehr Erfolg in Beruf und Studium
- Behandlung von "Übersäuerungszuständen"
- "Verminderung der Infektanfälligkeit", "vermehrte Entsäuerung des Körpers" und "generelle Steigerung der Behandlungswirksamkeit" durch eine "spezielle Signalkonfiguration für den Schlaf"
Geworben wird außerdem mit unwahren und irreführenden Behauptungen. Beispielsweise heißt es: "BEMER-Technologie stellt die derzeit am besten untersuchte und wirksamste physikalische Behandlungsmethode in der Komplementär- und Präventivmedizin dar". Der Erfolg der Bemer-Geräte basiere "auf der seriösen Forschungsarbeit vieler Ärzte und Wissenschaftler [...] Eine grosse Zahl placebokontrollierter Doppelblindstudien nach GCP-Standard (Good Clinical Practices) unterstreichen hierbei den hohen Standard der durchgeführten Forschungen."[16] Tatsächlich finden sich aber in der wissenschaftlichen Literatur nur sehr wenige solche Studien. Auch eine von Bemer selbst verbreitete Liste[17] "aller wichtigen wissenschaftlichen Studien mit Bemer 3000 und Bemer 3000 plus Systemen" enthält nur Veröffentlichungen auf Tagungen und Verkaufsveranstaltungen sowie in nichtwissenschaftlichen Zeitschriften. Als Literatur wird ein 79 Euro teures Buch von Rainer Klopp aus der Mediquant Verlag AG mit dem Titel "Mikrozirkulation – Im Fokus der Forschung" zitiert. Der Mediquant Verlag residiert an derselben Anschrift wie die Bemer International AG im Liechtensteinischen Triesen.[18] Über das angeblich international renommierte Berliner Institut für Mikrozirkulation von Rainer Klopp und sein behauptetes Forscherteam ist wenig in Erfahrung zu bringen, da es fast nur im Zusammenhang mit Bemer-Produkten genannt wird.[19] Seit dem Tod von Rainer Klopp 2019[20] existiert das Institut nicht mehr[21].
Die Werbung enthält auch typische pseudowissenschaftliche Phrasen. Werner Heisenberg, einer der Begründer der Quantenmechanik, wird mit einem Satz zum Magnetismus zitiert. Zum Applikationsmodul "B.Light", einer Rotlichtlampe, wird mitgeteilt: "Sein fotobiologisch hochwirksames Rotlicht sorgt in den Haut- und Bindegewebszellen für die zusätzliche Bildung energiereicher Verbindungen." Aus physikalischer und chemischer Sicht ist das Unsinn: Rotlicht bewirkt keine Bildung von "Verbindungen".
Bei einer von Bemer in Zusammenarbeit mit dem Verein Zentralverband der Ärzte für Naturheilverfahren und Regulationsmedizin (ZAEN) im Oktober 2010 veranstalteten Tagung zu Werbezwecken hielt auch die Ärztin Juliane Sacher einen Vortrag mit dem Titel "Bemer-Therapie und Krebsnachsorge in der naturheilkundlichen Praxis".[22] Sacher wurde durch fragwürdige Ansichten zu Krebs, Impfungen und AIDS bekannt.
Bemer wirbt damit, dass die Geräte Medizinprodukte der Klasse II (EU) und FDA zertifiziert sind. Dies stimmt zwar, ist aber kein Beweis der Wirksamkeit[13].
Vertrieb
Die Bemer AG wurde 1998 als Innomed International AG gegründet und 2010 umbenannt. Sie bezeichnet sich selbst als "Technologieführer bei den physikalischen Behandlungsverfahren"[23] Am Hauptsitz in Triesen in Liechtenstein sollen 35 Mitarbeiter beschäftigt sein. Man habe aber mehr als zehntausend Vertriebspartner in 40 Ländern[24]. Diese hohe Zahl scheint sich dadurch zu erklären, dass Bemer gezielt Privatpersonen und medizinische Laien für den Vertrieb anwirbt.[25] Nach Besuch von Seminaren dürfen sich die Teilnehmer "Medizinprodukteberater" nennen. Früher warb man gezielt um "Hausfrauen". In einem MLM-Forum äußerte ein Werber für die Firma Bemer, das Marketingkonzept sei "einfaches MLM mit 2 Downlines". Bemer lege auch Wert darauf, dass die Vermittler die Produkte selbst anwenden.[26] Pflicht ist der Produktverkauf jedoch nicht. Die jährliche Gebühr für Bemer Partner beläuft sich auf 180 €.
Bemer Gründer Peter Gleim ist ehemaliger Boxer und wurde bereits mehrfach wegen Betrugs verurteilt und floh wohl auch zeitweile nach Paraguay. Dort wuchs eine seiner Töchter laut ihrem Lebenslauf auf[27]. In den 80er Jahren betrieb Gleim mit anderen Mitstreitern, das sittenwidrige Schneeballsystem Gem Collection Cosmetics[28]. In den 90er Jahren die Funworld AG. Dort verkaufte man Magnetfeld Waschkarten[29].
Bemer wirbt mitterweile mit den verschiedenen Preisen, die die Produkte gewonnen hätten wie dem Red Dot Design Award[30]. Bemer sponsert verschiedene Veranstaltungen wie die Cyclassics oder die Bemer Riders Tour.
"Medizinischer Direktor" der Bemer AG ist der Allgemeinmediziner Wolfgang Bohn.
Ähnliche Produkte
PEMF-Systeme, also Therapiegeräte, die ähnlich wie Bemer schwache pulsierende Magnetfelder erzeugen, werden in größerer Zahl angeboten. Ein von der Dr. Goettfert Systems GmbH aus Prien am Chiemsee vertriebenes Gerät ist insofern vergleichbar, da sich die Firma ebenfalls auf Rainer Klopp und dessen behaupteten wissenschaftlichen Beweis für den Einfluss von schwachen gepulsten Magnetfeldern auf die Mikrozirkulation beruft. Für die Goettfert-Geräte werden allerdings höhere Intensitäten bis 10 mT genannt.
Anfang 2010 wurde der Dr. Goettfert Systems GmbH auf Betreiben des Verbands Sozialer Wettbewerb e.V. aus Berlin vom Landgericht Düsseldorf durch eine einstweilige Verfügung untersagt, damit zu werben, dass ihre Magnetfeldgeräte eine "signifikante Steigerung der Mikrozirkulation" bewirken würden. Untersagt wurde auch die Behauptung, dass Klopps Institut für Mikrozirkulation eine positive Wirkung bestimmter pulsierender Magnetfelder auf die Durchblutung nachgewiesen habe sowie einige weitere Wirkungsversprechen.
Der Sohn von Bemer Gründer Peter Gleim Nik Gleim hat mit Centropix eine Firma mit ähnlichem Produkt gegründet. Vorher war Nik Gleim lange im Vorstand von Bemer tätig.
Anderssprachige Psiram-Artikel
- Français: Bemer
Quellen
- ↑ BEMER Int. AG, Austrasse 15,FL-9495 Triesen
- ↑ 2,0 2,1 EP 0995463 B1: Vorrichtung und elektrisches oder elektromagnetisches Signal zur Beeinflussung biologischer Abläufe. EP-Anmeldetag: 21.10.1998. EP-Patenterteilungsdatum: 16.08.2001
- ↑ 3,0 3,1 DE 10 2006 041 365 B4: Vorrichtung zur Erzeugung eines pulsierenden elektromagnetischen Feldes mit Impulssteuerung. Anmeldedatum: 28.08.2006. Patent erteilt: 02.09.2010. Anmelder: Peter Gleim (Geschäftsführer der Bemer AG). Erfinder: Rainer Klopp, Peter Gleim. Patent erloschen: 01.03.2013
- ↑ 4,0 4,1 www.bemer-zentrum.ch/Micro.htm Aufruf am 8. Dezember 2010
- ↑ EP 2050481 B1: Vorrichtung zur Magnetfeldtherapie und zu applizierendes Magnetfeldsignal. EP-Anmeldetag: 17.10.2007. Patent erteilt: 26.05.2011
- ↑ Institut für Mikrozirkulation, Dr. med. Rainer Klopp, Campus-Berlin Buch, Erwin Negelein Haus, Berliner Straße 25, 16321 Bernau bei Berlin, http://institute-microcirculation.com/
- ↑ R. Klopp, W. Niemer (2007): Einfluss eines pulsierenden elektromagnetischen Feldes mit vasomotorischer Stimulation auf einen eingeschränkten Funktionszustand der Mikrozirkulation. Komplementäre und integrative Medizin 08/2007, 47-53
- ↑ https://link.springer.com/article/10.1007/s00392-023-02293-2
- ↑ https://pubpeer.com/publications/F1B94671C8E8A1F4ECD42044136A38
- ↑ http://www.schwendihof.ch/fileadmin/bemer-afb/de_fibromyalgie.pdf abgerufen 26.12.2023
- ↑ https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/bem.22127
- ↑ https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35114491/
- ↑ 13,0 13,1 https://sciencebasedmedicine.org/another-emf-scam/
- ↑ https://www.ratgeberrecht.eu/wettbewerbsrecht-aktuell/unzulaessige-bewerbung-einer-magnetfeldtherapie.html
- ↑ https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/JURE235008675
- ↑ bemer3000.com/sysa/forschung0.html Aufruf am 9. Dezember 2010
- ↑ bemer3000.com/sysa/fileadmin/shared-files/pdf/Studienzusammenfassung_09.pdf
- ↑ MEDIQUANT VERLAG AG, Austrasse 15, Fl-9495 Triesen
- ↑ Die von Klopp angegebene Berliner Adresse Campus Berlin-Buch, Erwin-Negelein-Haus, Berliner Straße 25 ist nicht korrekt; das Erwin-Negelein-Haus befindet sich in der Robert-Rössle-Straße 10. Das fragliche Institut war dort 2017 nicht bekannt. Klopp hat hier offenbar eine Adresse seines gelegentlichen Ko-Autors Prof. Dr. med. Jörg Schulz benutzt, der in einer Firma ICP Healthcare tätig ist, die in der Robert-Rössle-Straße 10 residiert. Ein Schild "Institut für Mikrozirkulation" findet sich dagegen etwa einen Kilometer entfernt an einer Tür eines größeren leerstehenden Gebäudes. Seit Ende 2017 wird auf der Webseite des Instituts als Sitz des Instituts eine Adresse in Bernau bei Berlin angegeben, bei der es sich um Klopps Wohnanschrift handelt.Siehe auch http://earlightswindle.com/gloom/2018/01/tracing-a-phantom-the-bemer-institute-for-microcirculation/
- ↑ https://www.mynewsdesk.com/de/imin-international-microvascular-net/news/nachruf-prof-dr-med-rainer-klopp-368848
- ↑ http://earlightswindle.com/gloom/2019/08/bemer-group-drops-institute-for-microcirculation/
- ↑ www.bemergroup.com/bemerGroup/fileadmin/PDF/0737-0810_EINL_Tagesthemenkonferenz_Arbeitskreis_03_web.pdf
- ↑ www.bien-dans-son-corps.ch/index_html_files/Entreprise_DE.pdf Aufruf am 7. April 2012
- ↑ https://signup.bemergroup.com/de_LI/karriere
- ↑ "Von der Hausfrau mit einem monatlichen Nebenverdienst von nur einigen Hundert Euro bis hin zu Repräsentanten auf mittleren und höheren Managementebenen mit Monatseinkommen im fünfstelligen Bereich findet sich im BEMER-Vertrieb für fast jeden Anspruch die richtige Position." www.bemer-job.ch/index.php/konzept, Aufruf am 8. Dezember 2010
- ↑ www.mlm-infos.com/ftopic4390.html
- ↑ https://www.leaderdigital.ch/news/wechsel-im-isr-vorstand-7502.html
- ↑ https://www.beobachter.ch/konsum/konsumentenschutz/abzocker-die-faulsten-tricks-des-jahrhunderts
- ↑ https://www.zeit.de/1995/24/Nicht_sauber_aber_rein/komplettansicht
- ↑ https://bemergroup.com/de_DE/unternehmen/unternehmensgeschichte