Entschlackung: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 16. August 2012, 20:51 Uhr
Entschlackung, Entgiftung (englisch: detox) und Ausleitung sind im Bereich der Alternativmedizin geläufige Begriffe und bezeichnen Verfahren, denen unterstellt wird, sie könnten für den Körper schädliche Substanzen "ausleiten" oder auf andere Weise entfernen, ohne dass der Körper dabei auch nützliche Substanzen verliere. Die Verfahren sind mehrheitlich wissenschaftlich nicht anerkannt (bis auf wenige Ausnahmen in bestimmten Situationen von tatsächlich toxischen Substanzen, die dabei auch jeweils benannt werden und identifizierbar sind). Befürworter sind überzeugt, dass die damit gemeinten Methoden gesundheitliche Vorteile für den Konsumenten oder Patienten bringen würden. Produkte zur Entschlackung und Entgiftung werden kommerziell vermarktet, sind aber auch häufig Bestandteil von Wellnessveranstaltungen oder alternativmedizinischen Praktiken.
Geschichtliches
Der Begriff Schlacke bezeichnet eigentlich poröse, feste Substanzen, die als Verbrennungsrückstände oder als Rückstände bei der Metallherstellung entstehen. Entschlacken ist auch der Vorgang der Reinigung der Feuerbüchse einer Dampflokomotive (wobei allerdings eindeutig geklärt ist, wovon die Lokomotive gereinigt wird; dies ist aber in der Alternativmedizin ein ungelöstes Rätsel). Der erste Erwähnung der Entschlackung als physiologisch-medizinische Vokabel geht auf den deutschen Arzt und Anhänger des Heilfastens, Otto Buchinger (1878 - 1966) zurück, der das Wort 1935 im Zusammenhang mit der Fastentherapie verwendete. Mitunter wird Entschlacken daher auch mit Bemühungen zur Reduktion des Körpergewichts (Abnehmen) gleichgesetzt.
Was ist menschliche Schlacke?
Eine Durchsicht alternativmedizinischer Werke zum Thema Schlacken, Entschlacken und Entgiften ergibt eine Fülle von sich gegenseitig widersprechenden Aussagen zum Thema. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es keine exakte Definition des Begriffs Schlacke in der Alternativmedizin gibt. Als minimaler Konsens kann davon ausgegangen werden, dass es sich um Substanzen (im Sinne chemischer Individuen) handeln soll, die also jeweils benannt werden könnten. Diese werden gemeinhin als Giftstoffe oder "schädliche Stoffwechselprodukte" bezeichnet, die der Körper angeblich nicht in erforderlicher Weise aus dem Blut oder dem Körper selbst entfernen könne.
Von Ausnahmen abgesehen, wie dem Klassiker Quecksilber als Folge von Amalgam-Zahnfüllungen, werden von Befürwortern des Konzeptes aber oft gar keine spezifischen Substanzen benannt, sondern bestimmte Nahrungsmittel oder Medikamente aller Art, aber auch Elektrosmog, werden insgesamt als Schadstoffe bezeichnet, die eine Entgiftung erfordern. Anhänger spezieller Ernährungsideologien wie der Urkost oder der Instincto-Ernährung bezeichnen oft alle möglichen körperlichen Beschwerden als "Vergiftungserscheinungen", wobei die verursachenden Gifte vor allem durch die vorherige angebliche Fehlernährung in den Körper gelangt seien bzw. einfach mit dieser "Schlechtkost" gleichgesetzt werden.
In der wissenschaftlichen Medizin sind eine Reihe von Stoffwechselprodukten bekannt, die bei zunehmender Konzentration eine Giftwirkung entfalten können (Beispiel: Ammoniak). Diese sind alle bekannt, man kann ihre Konzentration messen und eine Aussage darüber treffen, ob ein medizinisches Eingreifen notwendig ist. Anerkannte Methoden zur Blutreinigung wie die Dialyse sind etablierte Verfahren, ohne die nierenkranke Patienten versterben würden.
Die ZDF-Sendung WISO widmete sich am 21. Juli 2008 dem Thema Entschlackung und befasste sich mit einem bestimmten Produkt namens Froximun (Wirksubstanz: Klinoptilolith). Alle von WISO befragten Experten verneinten die angeblichen Vorzüge des Klinoptilolith zur Entschlackung. Der Ernährungsexperte Georg Wechsler aus München sprach allen Entschlackungsmethoden generell eine wissenschaftliche Wirksamkeit ab, die Methoden hätten keinen gesundheitlichen Nutzen. Laut Wechsler würden die "gefürchteten Schlacken" erst beim Entschlacken durch Heilfasten entstehen.[1]
Angeblich entschlackende und entgiftende Methoden
- Schröpfen
- Einläufe ohne erkennbare medizinische Indikation, Kaffee-Einläufe
- Ölziehen
- Schwitzkuren
- Quecksilber- und Schwermetall-"Ausleitung" durch DMPS (Dimercaptopropansulfonsäure, Dimaval) oder DMSA (Dimercaptobernsteinsäure); vor allem propagiert durch Max Daunderer
- Enfernung von Zahnamalgam durch Zahnärzte und Kieferorthopäden
- Algenpräparate wie Chlorella. Siehe auch: Dietrich Klinghardt, Uwe Karstädt
- Einsatz von Abführmitteln ohne medizinische Indikation
- ELDI-Öl
- Anwendungen von Chelatbildnern ohne medizinische Indikation
- Dauerduschen
- Ernährung ausschließlich durch Rohkost, z.B. Urkost nach Franz Konz
- "Detox-Fußbäder"
- Heilfasten
- Heilpilze
- Spezielle Geräte (z.B. Med Matrix der Firma Wegamed), die eine Entgiftung durch pulsierenden Gleichstrom bewirken sollen sowie durch eine "Saugelektrode", die angeblich die "biologischen Informationen der Gifte und Schlacken" aufnimmt
- mineralstoffarme Mineralwasser, wie beispielsweise das Produkt Lauretana.
- Cutler-Protokoll
Weblinks
- Berit Uhlmann: Warum Entschlacken Unsinn ist – Sueddeutsche.de, 2. Januar 2012
- Werner Bartels: Du bist Dreck – Sueddeutsche.de, 23. April 2011
- Frühjahrsputz von innen – Der Tagesspiegel, 1. März 2006
- Fängt der Tod im Dickdarm an? – Artikel in GPSP
- Rubrik "Stimmt’s?" über das Entschlacken – Die Zeit, 29. April 2004
- Entschlackungsmittel – ZDF: WISO ermittelt, Sendung vom 21. Juli 2008:
- Mythos Entschlackung – ARD: Sendung "W wie Wissen" vom 28. Februar 2008
- Angebliche Entgiftung: Schummelpakete der Kosmetik-Industrie – Der Spiegel, 6. Januar 2009